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77. Unter all den Umständen im Leben, bei denen das Essen von einiger Wichtigkeit ist, ist zweifelsohne die Jagdrast einer der angenehmsten, und unter allen bekannten Zwischenacten ist abermals die Jagdrast derjenige, der am meisten verlängert werden kann, ohne Langeweile zu erzeugen.
Nach einigen der Jagdlust gewidmeten Stunden fühlt auch der kräftigste Jäger das Bedürfnis nach Ruhe. Der Morgenwind hat sein Gesicht umkost, seine Geschicklichkeit hat ihn bei eintretender Gelegenheit nicht im Stich gelassen, nun aber nähert sich die Sonne dem höchsten Punkte auf ihrer Bahn, und er ruht daher einige Stunden aus, nicht vor übermäßiger Ermüdung, sondern einzig in Folge jenes instinctiven Triebes, der uns sagt, daß unsere Tätigkeit keine ins Endlose fortgehende sein kann.
Ein schattiges Gebüsch lockt ihn an, der Rasen bietet sich ihm zum Sitze, und das Gemurmel der nahen Quelle fordert ihn auf, in ihrer Flut die Flasche zu kühlen, aus der er sich laben will Ich empfehle den Kameraden, den Weißwein zu bevorzugen: er widersteht besser dem Schütteln und der Hitze und löscht den Durst besser..
So gelagert, zieht er mit stiller Lust die Brötchen mit goldiger Kruste hervor, packt das kalte Huhn aus, das eine befreundete Hand ihm in die Waidtasche gesteckt hat, und legt das Stück Roquefort- oder Schweizerkäse daneben, das als Nachtisch dienen soll.
Während der Jäger diese Zurüstungen trifft, ist er keineswegs allein. Das treue Thier, das der Himmel für ihn geschaffen hat, begleitet ihn. Auf den Hinterpfoten sitzend, schaut der Hund seinen Herrn mit Liebe an: die gemeinschaftliche Thätigkeit hat beide einander näher gebracht, sie sind zwei Freunde, und der Diener ist zugleich stolz und glücklich, der Tischgenosse seines Herrn zu sein.
Sie haben einen Appetit, der den Weltleuten wie den Betbrüdern durchaus unbekannt ist, den erstern, weil sie dem Hunger gar nicht Zeit lassen, sich zu melden, den andern, weil sie sich keiner Beschäftigung unterziehen, die ihn erweckt.
Das Mahl ist mit Genuß verzehrt, jeder hat sein Theil erhalten, alles ist ordentlich und friedlich vor sich gegangen. Warum sollte man nun nicht einige Minuten schlummern? Ist doch die Mittagsstunde eine Ruhestunde für die ganze Schöpfung.
Verzehnfacht aber wird dies Vergnügen, wenn mehrere Freunde daran Theil nehmen, denn in diesem Falle wird in jenen Soldatenränzeln, die jetzt einem friedlichem Zwecke dienen, ein reichhaltigeres Mahl auf den Plan geschafft. Man plaudert vergnüglich von den Heldenthaten des einen, von den Schnitzern des andern und von den Hoffnungen für den Nachmittag.
Wie aber, wenn nun gar aufmerksame Diener erscheinen mit jenen dem Bacchus geweihten Gefäßen, in denen die künstlich erzeugte Kälte den Madeira, den Saft der Erdbeere und der Ananas, himmlische Getränke und göttliche Gerichte kühlt, die eine wonnige Frische in die Adern ergießen und alle Sinne in ein Wohlbehagen versetzen, das den Laien unbekannt ist?
Diese reizende Sitte ist zuerst von meinem Freunde Alexandre Delessert eingeführt worden.
Wir jagten bei glühendem Sonnenbrande in der Nähe von Villeneuve; das Thermometer stand auf 26° R. im Schatten.
Bei dieser tropischen Hitze hatte er dafür Sorge getragen, daß wir ab und zu auf unserm Wege Diener fanden, Potophoren
[Herr Hoffmann verwirft diesen Ausdruck wegen des Anklangs an
pot-au-feu
(Suppentopf) und will ihn durch das bereits bekannte
Oenophoren ersetzt wissen.], die in mit Eis gefüllten ledernen Eimern alles zur Erfrischung oder Stärkung Erforderliche bei sich führten. Man brauchte nur zu wählen und fühlte sich wie neu geboren.
Ich bin sehr zu dem Glauben geneigt, daß die Anwendung einer auf solche Weise gekühlten Flüssigkeit auf lechzende Zungen und ausgedörrte Kehlen die wonnigste Empfindung erzeugt, der man sich überhaupt mit ruhigem Gewissen hingeben kann.
Aber auch das ist noch nicht die höchste Stufe in dieser Reihe von Genüssen.
78. Es giebt Tage, an denen unsere Frauen, unsere Schwestern, unsere Cousinen und deren Freundinnen eingeladen worden sind, an unserm Vergnügen Theil zu nehmen.
Zur bestimmten Stunde sieht man leichte Wagen und feurige Rosse daherfliegen, beladen mit Schönen, mit wallenden Federn, mit wehenden Schleiern, mit nickenden Blumen. Die Toilette dieser Damen hat einen militärischen und koketten Anstrich, und das Auge des Professors vermag von Zeit zu Zeit einen Anblick zu erhaschen, den der Zufall allein ihm nicht geschenkt hat.
Bald öffnen sich dann die Seiten der Kutschen und lassen die Schätze des Périgord, die Wunder Straßburgs, die Leckereien Achards und alles sehen, was die gediegensten Küchen an transportabeln Dingen erzeugen.
Auch der schäumende Champagner ist nicht vergessen, der unter der Hand der Schönheit so feurig aufbraust. Man setzt sich auf den Rasen, man ißt, die Pfropfen knallen, man plaudert, lacht und scherzt in aller Freiheit, denn man hat die Erde zum Salon und die Sonne zum Leuchter. Zudem verleiht der Appetit, dies Kind des Himmels, dem Mahle eine Lebendigkeit, in den geschlossenen Räumen unbekannt ist, so prunkvoll dieselben auch sein mögen.
Da aber alles ein Ende haben muß, so giebt der Aelteste schließlich das Zeichen zum Aufbruch, man erhebt sich, die Männer bewaffnen sich mit ihren Flinten, die Frauen mit ihren Hüten. Man nimmt Abschied, die Wagen fahren vor, und die Schönen rollen davon, um sich erst bei Anbruch der Nacht wieder zu zeigen.
Das ist der Hergang bei jenen höhern Klassen der Gesellschaft, wo die Fluten des Pactolus strömen: unumgänglich nothwendig aber ist das alles nicht.
Ich habe im Herzen Frankreichs und weit hinten in den Departements gejagt. Dort sah ich reizende Frauen, frische junge Mädchen in Cabriolets, auf einfachen zweirädrigen Karren oder gar auf dem bescheidenen Esel, der den Ruhm und den Reichthum der Bewohner von Montmorency bildet, zum Rastplatz kommen und noch vor allen andern über die Schwierigkeiten des Transports lachen; ich sah sie den Truthahn in durchsichtiger Gel6e, die eigenhändig gebackene Pastete, den angemachten Salat, der nur noch gemengt zu werden brauchte, auf den grünen Rasen setzen, ich sah sie leichtfüßig um das Bivouacfeuer tanzen, das bei solchen Gelegenheiten angezündet wird; ich nahm an den Spielen und den muthwilligen Streichen Theil, wie sie von einem solchen Nomaden-Mahl unzertrennlich sind, und ich bin fest überzeugt, daß man auch bei weniger Luxus nicht weniger Reize, nicht weniger Heiterkeit und nicht weniger Vergnügen findet.
Und wenn man sich trennt, warum sollte man da nicht mit dem König der Jagd einen Kuß austauschen, da er doch in seinem ganzen Ruhme strahlt, warum nicht mit dem armen Fehlschützen, da er so unglücklich ist, und warum nicht auch mit den andern, da sie ja sonst eifersüchtig werden könnten? Man trennt sich ja, der Gebrauch giebt ein Recht dazu, es ist also erlaubt und sogar geboten, von diesem Rechte Gebrauch zu machen.
Kameraden, vorsichtige Jagdgefährten, die ihr auf das Wahre und Reelle seht, schießt wacker und füllt die Waidtasche vor der Ankunft der Damen, denn die Erfahrung hat gelehrt, daß nach ihrer Abfahrt die Jagd nur selten ergiebig ist.
Man hat sich in Muthmaßungen erschöpft, um für diesen Umstand eine Erklärung zu finden. Einige geben der Verdauung schuld, die immer den Körper ein wenig schwerfällig macht, andere schreiben es der einmal abgelenkten Aufmerksamkeit zu, die sich nun nicht mehr zu concentriren vermag, noch andere legen es vertraulichen Zwiegesprächen zur Last, die Lust zur schleunigen Heimkehr zu erwecken vermögen.
Was uns betrifft,
In deren Herzensgrund der Blick vermag zu lesen,
so sind wir der Ansicht, daß bei dem Alter der Damen und der leichten Entzündlichkeit der Jäger durch die Collision der Geschlechter unvermeidlicher Weise einiges Liebesfeuer entstehen muß, das die keusche Diana erschreckt, und sie bestimmt, den Frevlern für den Rest des Tages ihre Gunst zu entziehen.
Ich sage: für den Rest des Tages, denn aus der Geschichte Endymions wissen wir, daß die Göttin nach Sonnenuntergang himmelweit von solcher Strenge entfernt ist. S. das Gemälde Girodets.
Die Jagd-Rastmahle sind ein jungfräulicher Stoff, den wir hier nur eben berührt haben: sie können den Gegenstand für eine ebenso unterhaltende wie belehrende Abhandlung abgeben. Wir überlassen dieselbe dem einsichtsvollen Leser, der sich damit befassen will.