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Fünfte Betrachtung. Ueber die Nahrungsmittel.

Erster Abschnitt.
Allgemeines.

 

Definitionen.

36. Was versteht man unter Nahrungsmitteln?

Populäre Antwort: Nahrungsmittel ist alles, was nährt.

Wissenschaftliche Antwort: Unter Nahrungsmitteln versteht man die Substanzen, die, in den Magen gebracht, durch die Verdauung assimilirt werden und die Verluste ersetzen können, die der menschliche Körper durch die Lebensthätigkeit erleidet.

Das unterscheidende Kennzeichen des Nahrungsmittels besteht also in der Eigenschaft, daß es die animale Assimilation über sich ergehen läßt.

 

Analytische Untersuchungen.

27. Das Thierreich und das Pflanzenreich sind bis jetzt die einzigen, die der Menschheit Nahrungsmittel geliefert haben. Dem Mineralreich hat man bis jetzt nur Arzneimittel oder Gifte entnommen Brillat-Savarin hat hier zwei Stoffe aus dem Mineralreiche übersehen, die beide für die Ernährung von höchster Wichtigkeit sind: das Wasser und das Kochsalz. Die Wichtigkeit des Wassers für die Ernährung erhellt daraus, daß es einen Bestandtheil aller festen, flüssigen und gasigen Nahrungsmittel bildet, daß es etwa 78% der menschlichen Körpermasse ausmacht, und daß es das hauptsächliche Medium für die Einführung der zu verschiedenen Zwecken erforderlichen Mineralstoffe (Eisen, Kalksalze, Magnesiasalze u. s. w.) in den Körper ist. Von nicht geringerer Wichtigkeit ist das Kochsalz: es bildet nicht nur einen bedeutenden Bestandtheil des Blutes, sondern seine beiden Grundstoffe, Chlor und Natrium, finden sich auch in den meisten Geweben des Körpers vor, und überdies spielt das Natrium beim Stoffwechsel eine höchst bedeutende Rolle. Trotzdem haben Klein und Verson (Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 2. Abth., April 1867) das Kochsalz auf Grund experimenteller Untersuchungen für ein reines Genußmittel erklären zu müssen geglaubt. Allerdings steht nicht zu läugnen, daß das Kochsalz vielfach als Reizmittel gebraucht und demgemäß in einer Menge genossen wird, die das Bedürfnis des Körpers übersteigt – bevor aber aus diesem Mißbrauche auf die Ueberflüssigkeit des Genusses von Salz geschlossen werden kann, müßte erst nachgewiesen werden, daß die durch die durchschnittliche Nahrung eingeführte Menge Kochsalz hinreichend ist, um das Bedürfnis des Körpers in dieser Hinsicht vollständig zu decken. Eben das scheint aber nicht der Fall zu sein, denn das Bedürfnis, Kochsalz in Form einer einfachen Lösung dem Körper zuzuführen, findet sich nicht blos beim Menschen, sondern auch bei einer bedeutenden Anzahl anderer Säugethiere. D. Uebers..

Seitdem die analytische Chemie eine zuverlässige Wissenschaft geworden ist, hat man die Doppelnatur der Elemente, aus denen unser Körper zusammengesetzt ist, sowie der Substanzen, welche die Natur zur Ersetzung der Verluste bestimmt zu haben scheint, genauer untersucht und ergründet.

Diese Studien waren unter sich von großer Aehnlichkeit, da der menschliche Körper zum großen Theile aus den nämlichen Substanzen besteht wie der Körper der Thiers, von denen er sich nährt, und man daher auch bei den Pflanzen die verwandten Stoffe aufsuchen mußte, durch welche diese animalisirbar werden.

Man hat nach beiden Richtungen hin die löblichsten und zugleich sorgfältigsten Untersuchungen angestellt, und sowohl den menschlichen Körper wie auch die Nahrungsmittel, durch welche er seine Verluste ersetzt, zuerst in ihre secundären Verbindungen und dann in ihre Elemente zerlegt, über die hinaus wir noch nicht haben vordringen können.

Ich hatte die Absicht, hier eine kleine Abhandlung über die Chemie der Nahrungsmittel einzuschieben, um dem Leser zu zeigen, in wieviel Tausendstel Kohlenstoff, Wasserstoff u. s. w. man sowohl ihn wie die Gerichte, welche er verzehrt, zerlegen könnte, allein ich bin von diesem Gedanken zurückgekommen, weil ich die Aufgabe kaum anders hätte lösen können, als indem ich die vortrefflichen Handbücher der Chemie abschrieb, die in Jedermanns Händen sind. Zudem befürchtete ich, mich in dürre Einzelheiten zu verirren, und habe mich daher aus eine etwas ausführlich erläuterte Nomenclatur beschränkt, mit dem Vorbehalt, hin und wieder einige Resultate der chemischen Analyse in minder sachlichen und mehr verständlichen Ausdrücken vortragen zu dürfen.

 

Osmazom.

28. Der größte Dienst, den die Chemie der Ernährungswissenschaft erwiesen hat, ist die Entdeckung oder vielmehr die genaue Feststellung des Osmazoms.

Das Osmazom ist jener überaus schmackhafte Bestandtheil des Fleisches, der in kaltem Wasser löslich ist und sich dadurch vom Extractivstoff des Fleisches unterscheidet, der sich nur in kochendem Wasser löst.

Das Osmazom macht den verdienstlichen Bestandtheil der guten Suppen aus, bildet beim Anbrennen das Braungelb des Fleisches, liefert die braune Kruste des Bratens und giebt endlich das eigentümliche Aroma des Wildgeruchs her.

Das Osmazom ist hauptsächlich in dem rothen oder schwarzen Fleische erwachsener Thiere enthalten, das man für gewöhnlich fertiges Fleisch ( chair faite) zu nennen pflegt. Gar nicht oder fast gar nicht findet es sich im Lamm, im Spanferkel, im Huhn und im weißen Fleisch des größern Geflügels. Aus diesem Grunde haben auch die wahren Kenner an letzterm stets den Zwischenschenkel vorgezogen: der Instinkt war bei ihnen der Wissenschaft vorausgeeilt.

Diese Vorahnung vom Dasein des Osmazoms war auch Ursache, daß so mancher Koch, als der Unterschlagung der ersten Fleischbrühe überführt, seine Stelle verlor. Es begründete den Ruf der Vorsuppen, brachte in den Bädern die Brotrinden aus dem Suppentopfe als Stärkungsmittel in Ausnahme und führte den Domherrn Chevrier auf die Erfindung der Kochtöpfe mit verschließbarem Deckel, jenen nämlichen Domherrn, dem man Freitags nie Spinat vorsetzen durfte, wenn derselbe nicht schon Sonntags gekocht und jeden Tag mit einer Zugabe frischer Butter von neuem ans Feuer gesetzt worden war.

Endlich ist nur die Absicht, diese wenngleich noch unbekannte Substanz zu sparen, Ursache gewesen, daß sich der Grundsatz geltend machte, wenn man eine gute Fleischbrühe bereiten wolle, dürfe der Topf nur lächeln, ein höchst ausgezeichneter Ausdruck für das Land, aus dem er stammt Mit Lächeln wird das langsame Sieden des Wassers bezeichnet. Es bietet, abgesehen von der Ersparnis an Feuerungsmaterial, den Vortheil einer vollständigern Ausziehung der löslichen Bestandtheile des Fleisches und einer gleichmäßigen Schaumbildung, wodurch die Fleischbrühe einestheils kräftiger wird – um so mehr, da nur ein geringes Quantum Wasser beim langsamen Sieden verdunstet und daher kein Nachfüllen nöthig wird – und anderntheils eine klarere Beschaffenheit erhält, da der Schaum sich leichter und vollständiger abschöpfen läßt. D. Uebers..

Das Osmazom, das erst lange nachdem es das Entzücken unserer Väter gewesen war, entdeckt wurde, kann in dieser Hinsicht mit dem Alkohol verglichen werden, der auch schon unzählige Generationen betrunken gemacht hatte, bevor man ihn durch Destillation rein herzustellen lernte.

Bei der Behandlung mit kochendem Wasser folgt auf das Osmazom das, was man im speciellern Sinne Extractivstoff nennt. Dies letztere Product bildet im Verein mit dem Osmazom den Fleischsaft Das sogenannte Osmazom war eine Entdeckung Thouvenels, der durch mehrmaliges Auslaugen einer Quantität Fleisch mit dem dreifachen Gewichte kalten Wassers und durch Entfernung des geronnenen Albumins mittelst Filtration einen Extract erhielt, den er für einen einfachen Stoff ansah und Osmazom taufte. Schon Berzelins aber wies in diesem Extracte vier bis fünf verschiedene Substanzen nach, und die neuere Chemie hat ihn schließlich in eine ganze Reihe einzelner Stoffe zerlegt, unter denen das Kreatin, das Kreatinin, die Milchsäure und die Inosinsäure die bemerkenswerthesten sind. Diese Extractivstoffe finden sich im allgemeinen mehr im Fleische älterer als in dem junger Thiere, besonders reich daran aber ist das Fleisch des Wildes und des Geflügels, das daher auch kräftiger schmeckt und eine erregendere Wirkung hat als z. B. das wenig von diesen Stoffen enthaltende Schweinefleisch. Einen bedeutenden Nutritionswerth hat das Osmazom nicht, sein Verdienst beruht vielmehr darauf, daß die Säure zur Erhöhung der Magenthätigkeit beitragen, während das Kreatin und das Kreatinin Reizmittel zur Wiederbelebung der erschöpften Kräfte sind. D. Uebers..

 

Grundbestandtheile der Nahrungsmittel.

Die Faser ist das, woraus sich das Muskelgewebe zusammensetzt, und wird nach dem Kochen dem bloßen Auge sichtbar. Sie widersteht dem kochenden Wasser und behält, obwohl eines Theils ihrer Hüllen beraubt, ihre Form. Will man das Fleisch richtig zerschneiden, so muß man darauf achten, daß die Faser mit der Messerklinge einen rechten oder doch nahezu rechten Winkel bildet: das auf solche Weise zerschnittene Fleisch hat ein einnehmenderes Aussehn, schmeckt besser und ist leichter zu kauen.

Die Knochen bestehen hauptsächlich aus Leimstoff und phosphorsaurem Kalk.

Die Menge des Leimstoffs nimmt mit dem Alter ab. Mit siebzig Jahren sind die Knochen nur noch ein unvollkommener Marmor und in Folge dessen höchst zerbrechlich: daher die alte Klugheitsregel, daß Greise jede Gelegenheit zum Fallen zu vermeiden haben.

Der Eiweißstoff findet sich sowohl im Fleische wie im Blute. Er gerinnt bei einer Hitze von über 50° R. und bildet den Schaum im Kochtopfe Nach Liebigs Angabe ist die äußerste Grenze für den flüssigen Zustand des Albumins 56½° R. D. Uebers.

Der Leimstoff ist sowohl in den Knochen wie in den weichen und knorpligen Theilen enthalten. Sein unterscheidendes Merkmal ist die Eigenschaft, daß er schon bei der gewöhnlichen Temperatur der Atmosphäre gerinnt: zweieinhalb Theil Leim auf hundert Theile heißen Wassers reichen dazu aus.

Der Leimstoff ist der Grundbestandtheil aller fetten und magern Gelées, der Weiß-Essen ( blanc manager) und anderer ähnlicher Präparate.

Das Fett ist ein festes Oel, das sich in den kleinen Zwischenräumen des Zellgewebes bildet und sich bei den Thieren, die wie z. B. das Schwein, das Geflügel, der Ortolan, die Baumlerche u. s. w. von Natur dazu beanlagt oder künstlich dazu getrieben werden, bisweilen in großer Menge anhäuft. Bei einigen dieser Thiere verliert es seine Unschmackhaftigkeit und nimmt ein leichtes Aroma an, durch welches es sehr schmackhaft wird.

Das Blut besteht aus eiweißhaltigem Blutwasser, Faserstoff, ein wenig Leimstoff und etwas Osmazom. Es gerinnt in heißem Wasser und wird dann ein sehr kräftiges Nahrungsmittel ( vulgo Blutwurst).

Alle diese Grundstoffe, die wir vorstehend die Musterung haben passiren lassen, sind den Menschen wie den Thieren, von denen er sich nährt, gemeinsam. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Fleischkost überaus stärkend und nährend ist, denn da ihre Bestandtheile eine große Aehnlichkeit mit den unsern haben und bereits animalisirt sind, so können sie mit Leichtigkeit von neuem animalisirt werden, sobald sie der Einwirkung unserer Verdauungsorgane unterliegen.

 

Pflanzenreich.

29. Indessen bietet das Pflanzenreich nicht weniger Gegenstände und Hilfsquellen für die Ernährung.

Das Stärkemehl nährt vortrefflich und um so besser, je weniger es mit fremden Stoffen vermischt ist.

Man versteht unter Stärkemehl das Mehl oder den Staub, der aus den Getreidekörnern, den Hülsenfrüchten und den Wurzeln mehrerer Gewächse, unter denen bis jetzt die Kartoffel obenan steht, gewonnen werden kann.

Das Stärkemehl bildet den Grundbestandtheil des Brotes, der Kuchen und der mannigfachen Breie und hat also einen sehr bedeutenden Antheil an der Ernährung fast aller Völker.

Man hat beobachtet, daß diese Nahrung die Faser und sogar die Thatkraft schwächt. Als Beweis führt man die Indier an, die nahezu ausschließlich von Reis leben und sich jedem unterworfen haben, der sie unterjochen wollte.

Beinahe alle Hausthiere aber fressen das Stärkemehl mit ziemlicher Gier und werden dadurch ganz im Gegentheil ungemein gekräftigt, weil es eine substantiellere Nahrung ist als die grünen oder trocknen Pflanzen, die ihre gewöhnliche Kost bilden.

Der Zucker ist nicht weniger als Nahrungsmittel denn als Arzneimittel von Bedeutung.

Diese Substanz, die früher nur in Indien und den Colonien gewonnen ward, ist zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts als auch in Europa einheimisch erkannt worden. Man hat sie in der Traube, der Steckrübe, der Kastanie und vor allem in der Runkelrübe entdeckt und nachgewiesen, und heute könnte Europa, streng genommen, seinen Bedarf in dieser Hinsicht selbst decken und Amerika und Indien entbehren. Es ist das ein unschätzbarer Dienst, den die Wissenschaft der Gesellschaft geleistet hat, und ein Beispiel, das in der Folge noch weit umfassendere Resultate haben kann. (Vgl. weiter unten den Abschnitt über den Zucker.)

Der Zucker ist sowohl im festen Zustande als auch in den Pflanzen, in denen die Natur ihn erzeugt, ungemein nahrhaft. Die Thiere sind sehr lüstern danach, und die Engländer, die ihren Luxuspferden viel von diesem Stoffe geben, haben bemerkt, daß sie danach die mannigfachen Proben, denen man sie unterwirft, weit leichter bestehen.

Der Zucker, den man noch zur Zeit Ludwigs XIV. nur in den Apotheken fand, hat verschiedene einträgliche Gewerbe ins Leben gerufen, wie z. B. die Pastetenbäckerei, die Zuckerbäckerei, die Liqueurfabrikation und den Handel mit dem verschiedenen Naschwerk.

Die süßen Oele stammen ebenfalls aus dem Pflanzenreiche. Sie sind nur in Verbindung mit andern Substanzen genießbar und müssen im Ganzen als ein Gewürz betrachtet werden.

Der Kleber, der sich besonders im Getreide findet, wirkt in außerordentlichem Maße bei der Gährung des Brotes mit, von welchem er einen Bestandtheil ausmacht. Die Chemiker sind fast geneigt, ihm eine thierische Beschaffenheit zuzuschreiben.

Man hat in Paris für die Kinder und die Vögel, und in einigen Departements auch für die Erwachsenen, ein Gebäck hergestellt, in welchem der Kleber vorwiegt, weil man einen Theil des Stärkemehls durch Auswaschen mit Wasser entfernt hat.

Der Pflanzenschleim verdankt seine ernährende Eigenschaft den verschiedenen Substanzen, denen er zum Beförderungsmittel dient.

Auch das Gummi kann nötigenfalls als Nahrungsmittel dienen, da es nahezu die nämlichen Grundbestandtheile enthält wie der Zucker.

Ebenso kann der Pflanzenleim, den man aus verschiedenen Früchten, wie namentlich den Aepfeln, Johannisbeeren, Quitten und einigen andern gewinnt, als Nahrungsmittel benutzt werden. Er erfüllt diesen Zweck um so besser, wenn er mit Zucker vermengt wird, immer aber weniger gut als der Thierleim, den man aus Knochen, Hörnern, Kalbsfüßen und Hausenblase bereitet. Diese Nahrung ist im allgemeinen leicht, mild und heilkräftig, weshalb auch Küche und Speisekammer sich ihrer bemächtigen und sie einander streitig machen.

 

Unterschied zwischen der Fleischkost und der Fastenkost.

Den Fleischsaft ausgenommen, der, wie bemerkt, aus Extractivstoff und Osmazom besteht, finden sich bei den Fischen die meisten Substanzen wieder, die wir oben als im Fleische der Landthiere enthalten angeführt haben, wie Faserstoff, Leimstoff, Eiweißstoff, so daß man mit Grund behaupten darf, daß der Fleischsaft den Unterschied zwischen der Fleisch- und der Fastenspeise begründet.

Diese letztere besitzt aber noch eine andere Eigentümlichkeit: der Fisch enthält nämlich überdies eine beträchtliche Menge Phosphor und Wasserstoff, d. h. gerade die beiden Substanzen, die am meisten verbrennlich sind Eben dieser Umstand, aus welchem der Autor die erregende Wirkung der Fischkost zu erklären sucht, entbehrt der Begründung: es darf im Gegentheil als erwiesen gelten, daß der Phosphorgehalt des Fischfleisches geringer ist als der des Geflügels und des Säugethierfleisches. Die wissenschaftlichen Untersuchungen haben bisher überhaupt noch keine sichern Anhaltepunkte für die Lösung der Frage bezüglich des Einflusses der Fischkost auf das Zeugungsvermögen geliefert, und unseres Erachtens müßte, bevor überhaupt an eine solche Lösung gedacht wird, erst festgestellt werden, daß ein solcher Einfluß, d. h. ein von andern Umständen unabhängiger Einfluß stärkern Grades als bei Fleischkost, thatsächlich vorhanden ist: uns scheint die Thatsache noch durchaus nicht über allen Zweifel erhaben. D. Uebers. Daraus folgt, daß die Ichthyophagie eine sehr erhitzende Kost ist, und dieser Umstand könnte die Lobsprüche rechtfertigen, die früher einigen Mönchsorden ertheilt wurden, deren Diät schnurstracks dem von ihren Gelübden zuwiderlief, das schon ohnehin für das hinfälligste gilt.

 

Eigene Beobachtung.

30. Ich werde hier nicht weiter auf diese physiologische Frage eingehen, eine merkwürdige Thatsache aber, von deren Wahrheit man sich leicht überzeugen kann, darf hier unmöglich unerwähnt bleiben.

Vor einigen Jahren besuchte ich ein Landhaus in einem kleinen Dörfchen nahe bei Paris, das oberhalb der Insel Saint-Denis am Ufer der Seine liegt und aus acht Fischerhütten besteht. Bei dieser Gelegenheit fiel mir die Menge von Kindern auf, die ich auf der Straße umherwimmeln sah.

Ich gab meine Verwunderung darüber dem Schiffer zu erkennen, der mich über den Fluß setzte. »Herr,« erwiderte mir dieser, »wir sind hier im Dorfe nur acht Familien, haben aber dreiundfunfzig Kinder, darunter neunundvierzig Mädchen und nur vier Jungen. Und von diesen vier gehört der da mir.« Bei diesen Worten reckte er sich mit triumphirender Miene in die Höhe und zeigte auf einen hübschen Balg von fünf oder sechs Jahren, der vorn im Boote lag und sich mit dem Verspeisen roher Krebse die Zeit vertrieb. Das Dörfchen heißt ...

Aus dieser Beobachtung, die ich vor mehr als zehn Jahren machte, sowie aus einigen andern, die ich nicht so leicht mittheilen kann, habe ich den Schluß gezogen, daß die durch die Fischkost erzeugte Geschlechtswallung mehr ungestümer als kräftiger und kerniger Natur sein müsse, und ich bleibe um so lieber bei dieser Ansicht, als noch ganz neuerdings Dr. Bailly aus einer Reihe von Beobachtungen, die einen Zeitraum von nahezu einem Jahrhundert umfassen, den Nachweis geführt hat, daß jedes Mal, wenn in der Gesammtzahl der jährlichen Geburten die Zahl der Mädchen bedeutend höher ist als die der Knaben, diese Ueberfülle an Mädchen allgemeine entkräftende Umstände und Verhältnisse zur Ursache hat, ein Umstand, der auch wohl über die Quelle der vielen Spötteleien Aufschluß geben dürfte, mit denen man von jeher die Ehemänner bedacht hat, deren Frauen mit Mädchen niederkommen. –

Es ließe sich hier noch vieles sagen, sowohl über die Nahrungsmittel im allgemeinen wie auch über die verschiedenen Modificationen, die sie bei der Vermischung mit einander erleiden können, ich hoffe jedoch, daß das Vorstehende der Mehrzahl meiner Leser genügen und mehr als genügen wird. Die übrigen verweise ich auf die besondere Abhandlung darüber und schließe hier mit zwei Betrachtungen, die nicht ganz ohne Interesse sein dürften.

Die erste geht dahin, daß die thierische Aneignung (Animalisation) ungefähr in der nämlichen Weise vor sich geht wie das vegetabilische Wachsthum, d. h. daß der den Substanzverlust ersetzende Strom, der aus der Verdauung hervorgeht, auf mannigfache Weise durch die Siebe und Saugwerkzeuge, mit denen unsere Organe versehen sind, aufgesogen und Fleisch, Nagel, Knochen oder Haar wird, ganz wie der nämliche Boden, mit dem nämlichen Wasser begossen, ein Radieschen, einen Lattich oder einen Löwenzahn hervorbringt, je nach dem Samen, den der Gärtner ihm anvertraut hat.

Die zweite besagt, daß man in der vitalen Organisation nicht dieselben Producte erhält wie in der reinen Chemie, denn die Organe, welche die Lebensthätigkeit und die Bewegung hervorbringen, wirken überaus nachdrücklich auf die Stoffe ein, die ihrer Thätigkeit ausgesetzt werden.

Aber die Natur, die Gefallen daran findet, sich in Schleier zu hüllen und uns beim zweiten oder dritten Schritte Halt zu gebieten, hat uns die Werkstätte verborgen, wo sie ihre Umwandlungen vornimmt, und es ist in aller Wirklichkeit schwer zu erklären, wie der menschliche Körper, der doch anerkanntermaßen Kalk, Schwefel, Phosphor, Eisen und noch ein Dutzend anderer Substanzen enthält, sich nichtsdestoweniger jahrelang mit Brot und Wasser erhalten und erneuern kann Man kann diese Endbetrachtung des Verfassers nur für den Fall gelten lasten, daß er unter Erklärung den detaillirten Nachweis versteht, auf welche Weise die Magensäfte das Brot und das Wasser zum Zwecke des Substanz- und Kräfteersatzes verarbeiten. Augenscheinlich aber setzt ihn nur der Umstand in Verwunderung, daß überhaupt aus Brot und Wasser die ganze Fülle der zur Erhaltung des Körpers erforderlichen Stoffe, wie Kalk, Phosphor, Eisen u. s. w., gewonnen werden kann. Das ist jedoch nichts weniger als unerklärlich, denn alle diese mineralischen Substanzen sind in größerer oder geringerer Menge in den beiden in Rede stehenden Nahrungsmitteln enthalten und können also auch durch die eigenthümliche Chemie des Magens zum Zwecke der Weiterverarbeitung im Körper daraus ausgeschieden werden. D. Uebers..


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