Karl Bleibtreu
Der Aufgang des Abendlandes
Karl Bleibtreu

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4. Phrasenevolution der Menschheit.

I

»Die Wiederkehr des Gleichen« leuchtet so klar hervor, daß sogar Nietzsche sie widerwillig anerkannte. Wer sich zur Urweisheit bekennt, der noch heute 800 Millionen Asiaten anhängen, darf nach dem »Karma« – dem Gesetz steter Wiedergeburt durch Kausalzwang eigenen Wirkens – wohl transzendente Erweiterung der seelischen Ebenen, nie aber irdische Evolution für möglich halten. Er würde sich denkerisch dagegen sträuben, da menschliche Bewußtseinsstände unveränderlich, d.h. relativ stets die gleichen bleiben; selbst wenn hinreichende Beweise hier überzeugen könnten, daß wenigstens äußerlich derlei obwalte. Daß man aber statt frischem Brot nur ungesäuerte, verschimmelte, altbackene Ware mit neuer Zuckerkruste bekommt, dies vor Augen zu führen bedarf wohl noch weiteren Eindringens in die ältere sogenannte Weltgeschichte.

Wenn Nordau sich rühmte, die »Entartung« demoliert zu haben, und Shaw: »Wie ich Nordau demolierte«, so möchten wir auch scherzhaft vorhersagen: »Wie ich den entarteten Darwinismus demolierte.« Dessen Symptome zeigen freilich immer verwickeltere Komplikationen für die Krankheitsdiagnose, insofern sich auch schon ganz gegensätzlich gestimmte Kreise wie Theologen, Theosophen, Anthroposophen streberisch der Modephrasen bemächtigten für eigene Zwecke. Das bezeugt nur ihre traurige Unsicherheit, Unklarheit, Unwahrhaftigkeit. Der richtige waschechte Darwinismus kann sich nur mit richtigem waschechtem Materialismus paaren. Eure Rede sei ja, ja, nein, nein, was darüber ist, das ist vom Übel.

Wir schicken vorauf, daß neueste Darwinisten, nachdem die Krankheit durch Haeckel ins akuteste Fieberstadium trat, planmäßig das Datum der Menschwerdung immer mehr verengern, während sie im übrigen an den ungeheuren Millionenziffern der Geologie für erste Abkühlung der Erdkruste festhalten. Ein richtiggehender Darwinist bestreitet noch heute, daß die Menschheit vor dem Quartär erschien, engt auch dieses möglichst ein und läßt den Menschen in sehr später Zwischenepoche der Eiszeit zuerst auf zwei Beinen wandeln. Unglücklicherweise mißlang dies kühne Streben durch Tertiärfunde, nichtsdestoweniger werden noch heute die unmöglichsten Jahrzehntausende angemeldet, wo es sich um Jahrmillionen handelt, 240+000 Jahre Eiszeit schrumpfen aus allerhöchster Machtvollkommenheit auf 24+000 ein, der Mensch ist 20+000 oder höchstens 25+000 alt, während wir zweifellos jetzt schon prächtig erhaltene Skelette von 100+000 in Händen haben und andere deutliche Überreste gemütlich in Millionen Jahre zurückspazieren.

Eine besondere Verwirrung, die wir an späterer Stelle ausführlich berühren werden, entstand durch die naive Verwechslung als ob der fossile Europäer aus einem jüngeren Weltteil irgendwie für die sonstige Menschheit verantwortlich wäre, sowie durch die noch naivere Annahme, als ob die zufälligen Fossilien uns ein sauberes Präparat chronologisch aufsteigender Rassen nacheinander hinterließen. Daß die psychische Ungleichheit der Menschen auch Ungleichheit der Rassen voraussetzt und daß noch heute zugleich der Weiße und ein verkümmerter Rest Tasmanier leben, scheint diesen kühnen Geheimnisräubern, die in den böhmischen Wäldern der Haeckelei sich tummeln, eine Kette böhmischer Dörfer. Wir machen also aufmerksam, daß die nachfolgenden Ziffern, sofern sie über den auch reichlich spät angesetzten Musterier hinausgehen, nicht die unseren sind, daß wir sie nur zum Schein ernst nehmen, weil auch so die Unmöglichkeit später Menschwerdung erkennbar wird. Die wahren Ziffern gehören in ein viel späteres Kapitel, es kommt aber aufs gleiche heraus, ob man angebliche Affenahnen mit reißender Schnelle zum Heidelberger und Neanderthaler werden läßt oder den Menschen in immer weitere Ferne hinausrückt, der unauffindbare Affe flieht doch immer vor uns her ins Reich der Nebel und Schatten.

Sobald das missing link zwischen Mensch und Affe in Frage kommt, betragen sich beide Parteien ungefähr so wie Feinde und Freunde des Spiritismus. Die wenigsten haben eine klare Vorstellung, worum es sich handelt, kennen meist nicht mal die vorhandenen Tatsachen. Viele glauben ernstlich, man habe auf Java ein wohlerhaltenes Skelett des Affenmenschen gefunden! Im Notfall wird gefälscht und geschwindelt. Die Leute vom Schlage Keplerbund verbreiten, der Dubois-Fund betreffe einen richtigen Orang-Utan, das ist unwahr. Die Darwinisten verbreiten, es sei erwiesenermaßen ein Homo erectus, das ist gleichfalls unwahr. Über Priorität von Mensch oder Affe behaupten sie ferner, die Eolithentheorie, wonach der Mensch schon im Eozän sich Steine schliff, sei endgültig erledigt, wieder unwahr, doch auch nicht wahr, daß der Mensch in der ältesten Tertiärperiode unbedingt sicher festgestellt sei. Dies Problem ist von größter Bedeutung, denn jenseits des Pliozän ist nicht die kleinste Spur vom wirklichen Affen bemerkbar, höchstens ein Phantasiegeschöpf im Miozän; lebte also der Mensch schon lange zuvor, so wäre dieser ganze Evolutionswahn beseitigt. Abschließender Fundbeweis für oder wider konnte freilich nicht erbracht werden; jedenfalls bleibt es dreiste Unwissenschaftlichkeit, aus vorläufigem Fehlen von Funden menschlicher Überreste in älteren Straten irgendwelchen Beweis für spätes Erscheinen des Menschen ableiten zu wollen. Unsere eigene Hypothese, der anthropoide Affe sei möglichenfalls ein sodomitischer Bastard des Menschen, steht nicht allein da, denn über Dubois' Pithekanthropus wurde gleiche Vermutung laut. Daß die Dubois-Mythe, gestützt auf einen einzigen unvollständigen Schädel, von Fanatikern wie Klaatsch unerbittlich kolportiert wird, stößt nicht um, daß auch die angebliche Entdeckung von Waffen und Feuergebrauch des Ungeheuers durch die Selenkaexpedition 1906 als vorschneller Leichtsinn selber eingestanden wurde, daß Cunningham und Schwalbe nur einen dem Gibbon oder Schimpansen ähnlichen Affen erkannten, d.h. vielleicht Abart des javanischen Orang-Utan. Die Stirn war sogar noch zurückfliehender, d.h. tierischer als beim Schimpansen, welchem auch Höhe und Länge der Schädelbildung durchaus glichen. Trotzdem wird behauptet, unterhalb der Schädeldecke sei Brocasche Windung erkennbar, d.h. Sprachfähigkeit. Falls nicht vorschneller Irrtum vorliegt – Haeckelianer sind so leicht bei der Hand, ihnen Schmeichelndes zu sehen –, was versteht man hier unter Sprache? Die Affen sollen ja laut gewissen Forschern selber eine Sprache haben, wie übrigens fast jedes Tier, und wer weiß, ob man nicht noch bei einem bevorzugten Gorilla Brocasche Windungen entdeckt, so daß sein Gebrüll als artikuliertes Fluchen auf die Menschheit erscheint! Hat der Papagei auch Brocasche Windungen?! Nur als Formulieren begrifflichen Denkens nimmt die Sprache einen hohen, sogar höchsten Rang im organischen Leben ein, keineswegs als stotternder Naturlaut. Die Schädelsezierung eines Polyglotten (Dr. Sauerwein 1904) ergab gar nichts Bemerkenswertes nach dieser Richtung, man darf also der bloßen mechanischen Sprachbeherrschung keinen übermäßigen Wert beilegen. Beim Papagei steht es anders, denn hier beruht alles auf eigener Beobachtung und Belauschung, spontaner Denktätigkeit. Auch erwies sich Gambettas Schädel trotz bedeutender Ausbildung des Rethorikorgans sonst als Hohlkopf nach bisheriger anatomischer Auffassung, denn Umfang und Hirngewicht waren außerordentlich gering. (»Umfang« bemessen nach der Fähigkeit, mehr oder minder Gehirn zu umfassen.)

Nun wird ferner behauptet, der angebliche Pithekantropus übertreffe an Schädelumfang (850 ccm) um 250-350 ccm des Volumens den des höchsten Affen und bleibe durchschnittlich nur um 30 ccm hinter dem des niedrigsten Exemplars allerältester Durchschnittsmenschen (Tiroler Funde), was sich indessen in manchen Fällen (man besitzt über 900 solcher Schädel) bis 1190 ccm erhebt. Das ergibt ein ergötzliches Dilemma. Der Tasmanier nämlich, die älteste uns wirklich bekannte Rasse, hat schon Schädelumfang von 1200 ccm, der sich sogar bei einzelnen zu 1306 ccm erhob: Übergewicht von 350-450 ccm über Dubois' »Affenmenschen«. Der Tasmanier nun bedeutet eine unterste Stufe, entschieden noch unter dem Australier, bei dem der Schädeldurchschnitt 1250 ccm beträgt. Zwischen ihm und dem Durchschnittseuropäer beträgt aber der Unterschied nur 175 ccm, also im Vergleich zu oben ein äußerst geringer Fortschritt, einem einzelnen höher »entwickelten« Tasmanier und Australier gegenüber sogar nur von 120 ccm. Was will man nun sagen, wenn der große Leibniz mit 1422 ccm sogar unter dem Durchschnitt bleibt, und sich nur um 118 ccm über den klügsten Tasmanier erhebt! Es ist wahr, daß der Riese Bismarck und der kleingebaute Kant einen denkbar größten Schädelumfang hatten. Bei Bismarck war aber der Kopf sogar klein im Verhältnis zur Statur, das Gewicht freilich sehr groß (1867 g), wie Byrons abnorm kleiner Kopf das doppelte Hirngewicht eines Durchschnittsmenschen (also etwa 2800 g?) gehabt haben soll. Doch gemeine Verbrecher hatten notorisch ein größeres Hirngewicht als Gauß und Mommsen, noch weit tiefer standen Liebig und Menzel, am niedrigsten Leibniz und Gambetta. Somit können Umfang und Gewicht nur ein beschränktes und einseitiges, wo nicht bescheidenes und fragwürdiges Maß zur Intellektbeurteilung beitragen. Jedenfalls müssen hier besondere Beschaffenheit der grauen Masse und Vervollkommnung der Strukturverteilung entscheiden. Und da spricht sogar die Blutpumpe des Herzens gewichtig mit. Weitgehende Schlüsse aus dem größeren Umfang des sonst ganz affenartigen Javaschädels zu ziehen, ist daher sehr unwissenschaftlich und würde uns an sich noch nicht kümmern, daß die Neanderthalrasse (»Mousterian« nach französischen Funden genannt) gar über 1600 ccm Schädelumfang hatte, also mehr als der intelligenteste Durchschnittseuropäer (1425-1550). Dagegen fällt sofort auf, daß im 1908 entdeckten Kiefer des »Heidelbergmannes«, einer noch älteren Form, die Bezahnung sich noch mehr vom Affen unterscheidet als beim viel jüngeren Australier. Treten wir sodann in das jüngere paläolithische Zeitalter ein, so begegnen wir den sog. Aurignac- und Magdalenarassen, wo Steinkultur den Knochen- und Elfenbeinindustrien Platz macht. Der Negroide Knabe von Mentone hat schon Schädelumfang von 1540 ccm, eine wahrhaft staunenswerte Entwicklung, natürlich hoch über allen späteren Negerrassen und auch den verwandten überlebenden Buschmännern (1330 ccm). Letztere, als Überreste der Aurignacierzeit von den Weißen aus Europa nach Nordafrika und dann bis Transvaal vertrieben, mögen im Verhältnis zu den Aurignaciern allmählich degeneriert sein, doch beiden blieb gemeinsam die erstaunliche Liebe und Begabung für Kunst. Wohl übertreiben kunstfremde Gelehrte den absoluten Wert dieser Höhlenmalereien und Skulpturen (einer erhebt sie über die Griechischen!). Doch bei unparteilicher Prüfung bekennen wir, daß einige dieser Tiernachbildungen eine realistische Genauigkeit der Beobachtung und eine Kraft der Technik zeigen, die auf diesem Gebiet kaum übertroffen werden kann. (Menschen werden aus wahrscheinlich religiösen Gründen selten oder nur in symbolischem Umriß geformt.) Bedenkt man vollends, mit welch spärlich unzulänglichen Werkzeugmitteln diese zweifellosen Kunstwerke hergestellt wurden, wie ferner die Buschmänner Musik, Tanz, Sagendichtung, Religion als Erbe und Mitgift europäischer Altvordern mit sich führten, so schauen wir die Neanderthalrasse und ihre Ableger auf solcher intellektueller Höhe, daß ihr enormer Schädelumfang wirklich ein Anzeichen dafür sein mag. Gibt es etwas Reineres von Gottesahnung als die des Buschmanns: »Man sieht ihn nicht mit den Augen, aber man kennt ihn im Herzen«? Dies edle Volk, das in seiner Kunst sich unsterblich machte und die Tugenden freier Männer besaß, ist nicht mehr. Die Bibelburen haben es und seine geheiligten Maler und Bildhauer, die eine besondere Kaste bildeten, aufs roheste und gemeinste vertilgt. Wer erkennt nicht die göttliche Rache in den späteren Leiden der Buren! Wir aber bekennen frank und frei, daß wir nicht nur den Buschmann für einen unendlich höheren Menschentyp halten, als jene würdigen Ohme mit der Bibel in der Linken und dem Scheckbuch in der Rechten, sondern daß wir die ganze Urperiode höher stellen als die folgende Neolithzeit der siegenden weißen Rasse, die erst später in Hellas eine ausgebildete Kultur schuf, vorerst aber nur durch große Überzahl und rohe Kraft jene geistvollen Künstler und freien Jäger verdrängt haben kann. Das gleiche gilt für die Magdalenarasse, deren ältere Überreste sich nach Grönland und Kanada zurückzogen (Eskimos und einige Rothautstämme) und in verwahrloster Verwilderung als nordrussische Samojeden weiterleben.Indessen sind diese von rohem Fleisch und Renntierblut genährten Wilden durchaus gutartig, ihr Schamanismus kennt keinen kannibalischen Bestialismus wie Südseeinsulaner, Mißhandlung von Frauen und Kindern und alle Verbrechen »evolutionierter« Europäer darf man bei ihnen nicht suchen. Auch ihre Arbeiten in Horn und Elfenbein verraten hohen Kunstsinn und die Reichhaltigkeit ihrer Instrumente eine relativ hohe industrielle Tätigkeit.

Dies war vor vermutlich 12+000 Jahren? Datierung des ersten Endes der Eiszeit auf 24+000 ist nachweislich falsch, und es wären nur noch 5000 Jahre hinzuzufügen für die sechs Perioden des Abwechselns von Vergletscherung und Erwärmung, wobei die Neanderthalrasse in eine wärmere, die Magdalenarasse eine kältere Epoche fiel? Diese 17+000 Jahre sind alles, was wir vom Auftreten des Menschen bestimmt wissen? Das Alter des Heidelbergmanns und des angeblichen javanischen Affenmenschen läßt sich nicht genau bestimmen, müßte aber in Verbindung mit der Australrasse, der untergeordnetsten der Mousterierzeit, stehen. Nach Verschwinden der Magdalenarasse stoßen wir im 7. Jahrtausend teils auf degenerierte Überreste, teils aber saß die große Urrasse noch in Ägypten, Babylonien, Ägaa. Erst im 6. Jahrtausend v. Chr. beginnt der Weiße seine Siegesbahn, gefolgt von anderen neuen Seitenzweigen. Von ihm zu Anfang der Neolithzeit wissen wir nichts, er scheint sich als Überleber der letzten Eisperioden in die bis heute andauernde warme Periode hinübergezüchtet zu haben. So klafft eine Lücke, wo die prähistorische in die historische Zeit mündet. Daß der Mensch nur in der Pleistozän-, nicht in der Pliozän- und Tertiärstrata vorkomme – unter Verwerfung der Eolithentheorie – ist eine Weisheit, welche die Ameghinofunde am La Plata einfach ignoriert, die den Menschen als Zeitgenossen von Megalosauriern verkünden. (Stellten diese Funde sich als Märchen heraus? wir hörten dies nie!) Da Südamerika allem Anschein nach aus Asien bevölkert wurde, so müßte also ein richtiggehender Menschentyp der langen Steinzeit schon längst gewirkt haben, als der Dubois-Anthropoide, falls Vorläufer der Australrasse, noch auf unterer Stufe verharrte. Nun ging dieser angeblich aufrecht, hätte hiermit den wahren Affencharakter abgestreift, denn der aufrechte Gang bedingt eine Fülle anderer struktureller Veränderungen, als deren wahre Ursache wir gerade Gehirnvermehrung ansehen: Aufrechtgehen durch Straffung der Rückenmarksganglien vom verstärkten Gehirn her. Die Schädelverbreiterung eines Aufrechtgängers würde also nicht überraschen, weil beides identisch, und müßten wir zugeben, daß er einen revolutionären Sprung vom Schimpansen her gemacht hätte. Doch steht nicht mal fest, daß der gefundene Beinknochen zum gefundenen Oberschädel gehört, es dürften ja auch ein Mensch und ein Anthropoide am gleichen Punkt miteinander gewohnt haben. Dieser handfeste Kerl hinterließ doch wohl ein gleiches Geschlecht, doch die allein als ihm artverwandt möglichen Australier sind von kleiner, schwächlicher Statur. Auch bleibt gewiß auffällig, daß dies missing link auf dem ganzen Erdball nichts als ein einziges Exemplar eines Oberschenkels uns vermachte, während sich im Pliozän angeblich Überreste eines Schimpansen finden, im Eozän Zähnchen einer zwerghaften Affenart, im Tertiär-Miozän plötzlich der Beinknochen eines Riesenaffen? Das sind alles Beteuerungen überzeugter Darwinisten, während ihre Gegner den Affen nirgends, den Menschen schon früh entdecken. Tatsächlich fehlt der Affe meist in den Straten wo der Mensch gefunden wird, obschon das damals warme Klima auch von Mitteleuropa und die dort während langer Perioden tropische Fauna und Flora jede Affenmöglichkeit gaben. Soll man daraus entnehmen, daß vorhandene Affensorten sich in Menschen verwandelten? Das wäre um so unsinniger; als neben den wenigen Anthropoiden, die sich nach Zentralafrika zurückzogen, eine Menge niederer Affenarten sich bis heute herumtummelt. Doch nur in heißen Klimaten, gerade der Anthropoide geht bei jeder Kälte ein, die erstaunliche Anpassungsfähigkeit des unbehaarten Menschen in jeder Temperatur ist ganz affenwidrig. Dubois' »aufrechter« Affenmensch, den anatomische Autoritäten mit ebensolcher Bestimmtheit für einen Affen erklärten, wie Huxley den Neanderthaler früher mit Virchow für zweifellosen Homo sapiens, erscheint bei der Unmöglichkeit, aus einem unvollständigen Schädelbefund etwas Gewisses zu schließen, als Phantasiegebilde. Selbst für seine angeblichen 850 ccm sollen wir uns bloß auf Dubois' willkürliche Schätzung verlassen. Für die sonderbare Verbindung einer sogar neben dem Schimpansen rückständigen Affenstirn mit Umfangvermehrung und aufrechtem Gang – nach unserer Meinung müßte dann der Schädel eo ipso die Affenform abgeworfen haben – könnten wir wirklich nur einen Bastardursprung annehmen. Vorausgesetzt aber, das Unwahrscheinlichste wäre trotzdem richtig, so könnten wir das Alter des Javaners höchstens ans Ende des Pliozäns versetzen, laut darwinistischer Chronologie vor etwa 20+000 Jahren. Der schon viel höhere, ziemlich gleichalterige Heidelbergmann war sicher nicht älter, laut Sollas beide »nicht weit entfernt von der Pleistozänepoche«. Nun treffen wir höchstens 3000 Jahre später schon die Tasmanier, die unter allen Menschenrassen den geringsten Grad von Entwicklungsfähigkeit zeigten, mit ungeheuer überlegener Schädelbildung. Sie kannten Feuer, Holz- und Steinbearbeitung und sogar Boote, haben wahrscheinlich die damals sehr schmalen Meerengen der Sundainseln, bestimmt die kleine Meerenge zwischen Australien und Tasmanien mit Mann und Maus überschifft. Wo bleiben nun die Millionen Jahre, mit denen tolle Darwinisten sonst so gern jonglieren, um angebliche späte Menschwerdung zu ermöglichen? Den angeblichen Affenmenschen trennen so vom Australier, der schon einen ausgebildeten religiösen Kult hatte, und gar von der Neanderthalrasse schwerlich mehr als 4000 Jahre. Das wäre ein wahrer Salto mortale, eine Überstürzung des Tempos, das sich aber plötzlich bis zu retardierendem Stillstand verlangsamt, denn das hohe Künstlervolk der Aurignacier war vor 15+000 Jahren der höchsten modernen Kulturrasse relativ ebenbürtig, den Umständen nach überlegen. Wo bleibt nun die Evolution? Gibt es ein Naturgesetz »bis hierher und nicht weiter«? Das wäre mechanisch betrachtet ein Unding, da jede Bewegung sich fortsetzt, ja sich ballistisch sogar steigert. Doch in 15+000 Jahren kam die weiße Rasse, von anderen ganz zu schweigen, psychisch nicht einen Schritt weiter als die geniale Urrasse, bei der sich auch unsere These bewahrheitet, daß das Ästhetische ein Urtrieb und Ursache der Ethik (des sittlich Schönen) sei. (Richtiger: daß beides zusammenfällt, so daß der schöpferisch Gestaltende zugleich der Gottsucher und der Gottfinder sein muß, wie Homer und Phidias die griechischen Götter und Äschylos den Erlöser Prometheus schufen.)

Gegen solchen Pessimismus lehnt sich nur ein blinder Tor auf, der die erst im 19. Jahrhundert heraufgezauberte Technik für Kulturfortschritt hält. So wenig der moderne Europäer über den alten Ägyptern, Indern, Griechen steht, so wenig standen letztere über unseren Urahnen, wenn wir deren Gesamtleben nach hinterlassenen Proben abmessen. Hiermit wird jeder Evolutionsfortschritt zunichte, erst recht die mögliche Wahrscheinlichkeit, ein Affe könne sich aus eigener Kraft zum Menschen aufgeschwungen haben in verhältnismäßig kurzer Zeit. Denn wenn wir die Spanne, die den Schimpansen vom angeblichen Affenmenschen trennt, nicht überblicken, so doch annähernd die Spanne, die letzteren vom Tasmanier trennen würde, und die ist zeitlich sehr gering. Gewiß hat äußere Schädelvermehrung nicht die Bedeutung, welche man ihr früher zuschrieb, denn dies gehörte mit zu den Requisiten des Mechanismus, der mit sichtbar Quantitativem das unsichtbar Qualitative abschätzen möchte. Einen gewissen Faktor der Beurteilung bildet aber die Schädelmessung immerhin, und gerade hier, an der Hand seiner eigenen einseitig dürftigen Wertung, wird der anatomische Darwinismus geschlagen. Die unsichtbare geistige Differenz, viel bedeutender als sichtbare anatomische Abstände, zwischen einem klügeren Tasmanier (1300 ccm) und dem Schimpansen beträgt sicher 1:10, zwischen diesem Booterbauer und Schifffahrer und dem angeblichen Affenmenschen ist sie kaum geringer. Der Schädelabstand beträgt im ersteren Falle 650-750 ccm, in letzterem (wenn man Dubois' Messung Glauben schenkt) 350-450 ccm, der zwischen Schimpanse und Affenmensch angeblich 200-300 ccm. Worin zeigte sich der geistige Unterschied zwischen letzteren? Wir wissen nichts davon, fragen nur, warum der sonstige javanische Orang-Utan (sicher recht alt) unter gleichen Daseinsbedingungen wie sein angeblicher Duboisvetter nie den Trieb verspürte, sich höher zu entwickeln. Der Tasmanier müßte trotz wenig größerer Schädelvermehrung sich ungeheuer viel rascher und gründlicher über den Affenmenschen geistig entwickelt haben als letzterer, noch nicht mal Affenform des Schädels abstreifend, über den Schimpansen. Zwischen Tasmanier-Australier und Aurignacier ein Unterschied von wieder 300-400 ccm, die unsichtbare geistige Differenz, wiederum 1:10. Die Zeitspanne vom Affenmenschen bis zum Neandertaler (Differenz mindestens 750 ccm), vom Schimpansen (fast 1100 ccm, fast Verdoppelung) könnte aber höchstens 3000-6000 Jahre betragen. Denn wenn ein Schimpanse sich angeblich schon im Spätpliozän findet, so kann sein Sprung zum Duboisaffen (vermutlich sogar gleichaltrig) zeitlich nur sehr kurz gewesen sein, er würde also dies Wunder spielend vollbracht haben, ohne daß er je später es wiederholte. Äußerlich länger, aber relativ noch kürzer wäre der Sprung vom Affenmenschen zum Aurignacier. So weit wäre immerhin trotz einzelner Widersprüche (denn der Sprung vom Australtyp zum Neanderthaler wäre unglaublich kurz) die Evolution als Prinzip scheinbar gerettet, und der unerhört rasche Aufstieg zu höchstem Menschentum (Kunst) ließe sich eben mit gesteigerter Geschwindigkeit jeder Bewegung vereinbaren. Was aber nun? Warum rollt die Kugel nicht nur nicht weiter, sondern steht bis heute dauernd still, macht sogar rückwärtige Kurven?

Wir werden dies historisch beweisen, auch in anderem Kapitel bezüglich religiöser Nichtevolution, möchten hier nur noch die Ausrede bekämpfen, die so verschiedene Entwicklung der Australier und Europäer könne auf günstigeren Bedingungen der letzteren beruhen. Diese waren vielmehr in der Eiszeit ungünstiger als beim Australier, hemmten ja auch den Spätmagdalener (Eskimo), in der Wärmezeit waren Flora und Fauna überall auf Erden ungefähr gleich. Die umgekehrte Behauptung, ungünstiges Milieu züchte eine härtere und daher höhere Rasse, kann sich höchstens auf Muskeltätigkeit beziehen. Je härter der physische Daseinskampf, desto geringer die Aussicht auf verfeinertes Gehirnleben. »Unter den Waffen schweigen die Musen.« Die Aurignacier bekamen gewiß nicht durch Sorge und Not ihre 1600 ccm-Schädel! All diesen Differenzierungen müssen andere Bedingungen zugrunde liegen, die sich uns ganz verhüllen.

Und nun vollends: Wie denkt sich der Mechanist eigentlich die riesige Selbstvermehrung des Hirns? Durch bloßes Aufpassen und Anpassen im Daseinskampf? Jedes Tier und der Affe üben dies im gleichen Grade, ohne je über einfache Lebenserhaltung hinauszustreben. Durch physikalische Ursachen? Da käme höchstens die Herzpumpe in Betracht, die dem Hirn vermehrte Blutkräfte zuführt, und warum tut sie dies derartig nur beim Menschen? Das ähnliche Blut der Anthropoiden zeigt nie diese Tendenz, warum sollte der zum Affenmenschen Gewordene eine Ausnahme gebildet haben? War er eine Ausnahme, d.h. ein Affengenie, dann unterfiel er dem Naturgesetz des aussterbenden und nie fortgepflanzten Genies. Derb und deutlich: Wie kamen Durchschnittsaffen auf den Einfall, ihr Hirn übermäßig anzustrengen? Und wenn so, gewährleistet bloße Anstrengung dauernde Vermehrung und Verbesserung eines strukturell bisher ungeeigneten Organs? Die 1600 ccm-Schädel entstanden gewiß nicht dadurch, daß eine vorherige Form sich entschloß, hochgeistig zu werden! So enormer Willensakt könnte nie aus mechanischer, sondern einer höheren Notwendigkeit stammen, über deren mögliche Ursache nur der Transzendentalist eine Deutung geben kann. Auch hierfür, daß das Menschheitskarma nicht gestattet, die angebliche Evolution fortzusetzen, und der Durchschnittseuropäer um mindestens 150 ccm unter dem Schädelmaß der Aurignacier blieb, versagt jede mechanistische Einrede.

Unseren Spott, der Schimpanse möge das einst so herrlich gelungene Kunststück der Menschwerdung doch mal in den seither verflossenen 20+000 Jahren wiederholen, statt ungezählte Jahrtausende auf gleichem Fleck zu verharren, beantworten nur phantastische Hypothesen. Jene Fanatiker, die allen Ernstes historische Anzeichen einer Schimpanseevolution bemerkt haben wollen, verdienen keine Erwähnung, wohl aber jene »Denker«, welche nicht nur die Gelegenheit zur Menschwerdung, sondern sogar deren einzige treibende Ursache in der geologischen und klimatischen Revolution der Eiszeit und ihrer wechselnden Vor- und Rückstöße suchen. Also eine de Vriessche Mutationstheorie, aus dem Botanischen ins Animalische übersetzt? Wie man sich so etwas vorstellt, gehört ins Reich der Mythologie. Not bricht Eisen, mag die Kräfte übermäßig (aber nicht unnatürlich) steigern, die solche Katastrophen Überlebenden mögen sich relativ angepaßt haben, doch die Menschengeschichte spricht keineswegs für immer segensvolle Einflüsse der Not! Keine geschichtliche Katastrophe von der Völkerwanderung bis zum Weltkrieg hat je die Spezies merklich verändert oder ihre Psyche verbessert. Alles aber, was Homo sapiens daraus erwarten könnte, wäre ein Kinderspiel neben dem Wunder, wie er durch katastrophale Not sich zum Aurignacier aufschwang.

Nun wohl, die bisher umfassendste und gründlichste Darstellung der Urrassen »Ancient Hunters« von Prof. Sollas-Oxford 1911, einem überzeugten Evolutionisten, schließt mit offenem Eingeständnis, daß für dies Problem, »das Geheimnis der Geheimnisse,« keine Lösung gefunden sei, zumal »natürliche Zuchtwahl manches vollbringen, aber gar nichts schaffen kann«. Nach einigen logischen Bemerkungen, wobei er Inspiration ein anderes unlösbares Geheimnis nennt, erklärt er rundweg, daß die fundamentale Ursache im ganzen Evolutionsprozeß in Wirklichkeit nur »eine Sache des Geistes« sei! »Wir wissen sehr wenig von der Macht des Geistes, hier sind wir nicht fortgeschrittener als die alten Jäger in ihrer Kenntnis der Materie. Die Naturwissenschaft unterwarf sich das materielle Universum in nicht geringem Grade, ihr nächster Triumph wird folgen aus der experimentellen Untersuchung der Innenwelt.« Bravo, ein teils ehrliches, teils ironisches! Denn das Abschwören roher Mechanistik kann nicht deutlicher zum Ausdruck kommen, Evolution ist eben geradeso eine Fiktion des Geistes wie alle anderen Hypothesen. Weil der Evolutionsgedanke dem Größenwahn schmeichelt (»Eritis sicut deus«, heißt die Endparole), wird er noch lange in den Köpfen spuken, bis irgendein neuer ungeahnter Fund das Traumgebäude über den Haufen wirft. Wie man aber experimentell die Innenwelt erforschen will, wissen die Götter, bisher winkte da wahrlich kein Triumph! Wenn Psycho-Physiologie Ich-Vorgänge zergliedern könnte, so wäre das nie gleichbedeutend mit Innenwelt, wo man notwendig aufs Unsichtbare stößt.

Bei ehrlichen Gelehrten wie Sollas begegnet man nicht unehrlichen Ausreden, womit jeder in die Enge getriebene Darwinist sich herauszuwinden sucht: man mißverstehe den Begriff Evolution, Fortschritt sei nicht damit gemeint. So? Ist Evolution nur Transformation, wie wir sagen, dann fehlt ihr jeder dogmatische Wert. Denn daß durch materielle Einflüsse sich materielle Dinge umbilden, versteht sich empirisch von selber. Obiger Einwand ist aber bewußte Unwahrheit, denn jeder richtige Darwinist deutet Evolution als aufsteigende Linie wachsender Vervollkommnung, und so faßt natürlich auch Sollas es auf. Dieser täuschende Irrtum liefert sozusagen einen Beitrag zu Einsteins Relativitätstheorie. Denn wie der Einzeller des Protoplasma in seiner Weise ebenso vollkommen konstruiert wie der höchste Vielzeller, so ist jeder Urmensch, der Steine bearbeitete und Feuer schlug, worauf bald viel erstaunlichere Erzeugnisse seiner erfinderischen Schaffungsgabe folgten, dem heutigen Techniker mindestens ebenbürtig, der damalige Künstler relativ so genial wie Phidias und Raffael, vielleicht gab es damals schon einen primitiven Leonardo. Evolution zum Höheren daraus abzuleiten, daß im Laufe der Erfahrung ein nachfolgendes Geschlecht die Werkzeuge seiner Altvordern zu verbessern strebt und dies vermöge jener Vorarbeiten meist gelingt, ist schlechtweg kindisch. Für den Aurignacier waren Knochen, Horn, Elfenbein geradeso passendes Material wie für seinen Altvordern Stein und (Tasmanier) gehärtetes Holz, und die erst spät in Ägypten auftretende Bronze und später Kupfer und Eisen leisteten relativ nicht mehr. Jawohl, die »Innenwelt« ist das Maßgebende, und die ist beim Modernen gewiß nicht reicher als im Bewußtseinszustand jener künstlerischen Urmenschen.

Die andere faule Ausrede lautet: Man meine nicht Abstammung vom Affen, sondern vom gemeinsamen Urahnen. Auch das ist bewußte Unwahrheit. Wozu dann ein missing link? Alle ehrlichen Darwinisten, wie Sollas, meinen klipp und klar Evolution vom Schimpansen. Abzweigung wäre so noch unnatürlicher und wieso? Zuchtwahl mit anderen Affen, Nahrungswechsel? Schon vor Menschwerdung karnivor? Wir möchten aber keinen Zweifel darüber lassen, daß unsere Abwehr der Affenmythologie nichts mit sozusagen theologischen Gründen gemein hat, sondern schlichter Wahrheitsliebe entspringt. Wenn Wundts »Völkerpsychologie« für das Ideal des Buddhismus »Wahrheit« hält, so gilt dies für jeden Wahrheitsforscher. Die meisten sog. Theosophen paßten sich opportunistisch dem Darwinismus an, obschon dieser nur antitheosophisches Rüstzeug den Materiegläubigen in die Hände spielt. Für unsere Weltanschauung wäre aber im Grunde gleichgültig, ob der Affenmensch Fabel oder nicht. Denn dies Wunder ließe sich in Analogie zum menschlichen »Kulturfortschritt«, immer nur von einzelnen ausgehend, die dann suggestiv die Masse allmählich scheinbar mit sich reißen, überhaupt nur so erklären, daß ein besonderes Affengenie plötzlich über seine Milieumasse hinauswuchs und so langsam den Überaffen anbahnte. Doch wie Übermenschensucht nie die Gattung erhöhte, so könnte ein Überaffe schwerlich sein ganzes Geschlecht umgestalten. Wieder stehen wir vor dem Rätsel des Genialen, identisch mit dem von Sollas angestaunten Geheimnis der Inspiration, und so wäre solche Scheinevolution wieder nur eine »Sache des Geistes«. Woher aber diese »Macht des Geistes«? Keine Antwort. Wenn Steiner träumt, die tierischen Übergangsformen des menschlichen Embryos hätten früher in Atlantis als Larven gespukt, so müßten sie nachher vom Heiligen Geist aus den Wolken befruchtet sein. Welches Interesse hätte die Weltökonomie an so zwecklosem Umweg? Ist nicht viel möglicher, daß die Natur wie so oft symbolistisch verfährt und gewissermaßen zur Selbstorientierung im menschlichen Mutterleib ein Register aller animalischen Formen rekapituliert? Um einige Sicherheit zu erlangen, müßte man die Embryonalformen aller Tierformen vergleichen, wofür natürlich bisher keinerlei ausgiebiges Material vorliegt. Vorschnelles Drauflosschließen vergißt auch hier jedes gediegene Fundament. Der Natur ihre Methoden ablauschen wollen ohne eigentliche eigene Methode, zeichnet den altklugen Vorwitz neuester Wissenschaft aus. Jedenfalls gibt es keine Embryonalentwicklung in der beglaubigten Geschichte der Menschheit, wo die Reihenfolge vom angeblich Tierischen bis zum Aurignacier nur in ganz verwischter Linie vorausgesetzt wird, die dann plötzlich abbricht und keine Fortsetzung hat. Wenn der moderne Durchschnittseuropäer nur 1200-1550 ccm Schädelumfang aufweist, so läßt ein 1650 ccm des Aurignaciers vermuten, daß dessen Genies ein noch mächtigeres Gehirn hatten als Bismarck und Kant. Nur wo das starre Reich der Notwendigkeit in das nur transzendentale Reich der Freiheit mündet, ist psychischer Aufstieg denkbar. Dieser, jenachdem Brenn- oder Nullpunkt, bleibt auf Erden immer gleich. Wohl läßt die große »Sache des Geistes« in bevorzugter Einzelpsyche stete Vermehrung und Bereicherung des Wissens und Könnens zu, also wirkliche Evolution (z.B. Goethes von Spinoza zu Kant, Bruno, Theosophie). Doch beim Durchschnittsmenschen wie beim Schimpansen steht es leider umgekehrt, nur Kindheit und Jugend zeigen seelisches Wachstum, dann folgt geistige und ethische Reaktion zum Minderwertigen. Das Genie, »zeitlebens ein Kind,« dem wir als Merkmal originale Fortentwicklungsfähigkeit zusprechen, gehört daher schon ins Reich der transzendentalen Freiheit, nicht einer irdischen Evolution.

Darwins spärliche Beispiele (Archäoptrix usw.) überzeugen nicht mal restlos von Transformation der Arten zum Säugetier, und wie selbst im Zoologischen das meiste nur Hypothese, so bleibt auch bloße Vermutung, daß der Neandertaler sich etwa aus dem Heidelberger entwickelte. Das können von Anbeginn verschiedene Typen gewesen sein, wie der dem Australier physisch ähnliche Buschmann psychisch ungemein von ihm sich unterschied und höherer Abstammung rühmen durfte, obschon die kubische Differenz nur 80 ccm betrug. Daß die Arten der Gattung sich nicht neben, sondern auseinander entfalten, dafür vermißt man jeden Beweis. Der Heidelberger war kinnlos wie Affen, wo nur ein junger Gorilla Kinnansatz zeigt, ihn aber beim Wachstum verliert, vielleicht Kennzeichen von Bastardnatur, die einen halbmenschlichen Ursprung bald wieder ins Äffische versenkt, also Rückfall, keine Spur von Evolutionstrieb. Aber der Aurignacier besaß auch kein entwickeltes Kinn, obschon es ihm gewiß nicht an Energie gebrach. So begegnen wir auf Schritt und Tritt Widersprüchen; noch heute findet man intelligente energische Menschen (z.B. Paul Lindau) mit fast fehlendem Kinn, ein besonders starkes wie das Napoleons, Byrons, Wagners verrät wohl nur eine besondere agressive Willenskraft, die trotzig herausfordernd große Widerstände überwinden muß. Dazu fehlten dem Neanderthaler äußerer Anlaß und innerer Antrieb, was gewiß keine Inferiorität bedingt, im Gegenteil ein Leben konzentrierter Kontemplation fördert. Letztere schaut uns sichtlich aus dem wunderbar halbkreisrunden Schädel entgegen mit der seltsamen Wulsterhöhung über den Augenbrauen, symmetrischer Rand von Schläfe zu Schläfe in kreisförmiger Schwingung. Dieser einzig dastehende Torus mit der Ghabella, Erhöhung über der Nasenwurzel und Fossa, Einsenkung oberhalb des Wulstrandes, findet sich ja auch beim wohlerhaltenen Vollschädel von La Chapelle. Die Nase war viel größer als bei bekannten Menschen, im schroffsten Gegensatz zum Affen, auch die Augenhöhlen tief und groß. Das sonstige Skelett enthält gar keine affenähnlichen Züge, der Kiefer stand wenig oder nicht hervor. Gibraltar- und Krapinaschädel ergeben das Gesicht eines modernen Europäers, im ganz menschlichen Gebiß bezeichnenderweise der Weisheitszahn am stärksten ausgebildet. Dicke, Breite und Höhe des Stirnwalls sind erstaunlich, sogar der Knabe von Le Moustier zeigt schon bedeutende Gehirnfähigkeit. Die Statur war kaum mittelgroß, das Psychische (Kopf) überwog ganz (vgl. den Großkopf des Gnomen Gottfried Keller). Antitierischer und unäffischer als diese Urrasse kann man überhaupt nicht sein, und es reizt zum Lachen, daß man mangelhaftes Sprachorgan entdeckt haben will, während der Duboisaffe es schon besessen hätte. Das gibt den rechten Maßstab für den Leichtsinn, womit man feste Gesetze aufrichtet, die nachher durch Augenschein und Logik niederfallen. Siehe das früher über Brocasche Windungen Gesagte. Kann man sich Blödsinnigeres vorstellen, als daß die Mousterier, deren hohe Leistungen ihrem hohen anatomischen Merkmal entsprechen, keine ausgebildete Sprache hatten, wie ihre hohe Denkfähigkeit forderte, dagegen wohl der Duboisaffe? Man bekommt Ekel vor einer Wissenschaft, die ihrer Evolutionsphrase den Verstand opfert. Aus einem Kiefer einen affenähnlichen Heidelberger aufzubauen, scheint noch dreister als Erfindung des Affenmenschen aus Schädelfragment und an anderer Stelle gefundenem Beinknochen. Massive Freßorgane findet man oft noch beim Europäer, das ist nicht animalischer als Zeugungsorgane und deutet beim Urmenschen nur darauf hin, daß er zu seiner Ernährung Knochen zermalmte, um das Mark zu saugen. Wer hält denn den Menschen für einen spirituellen Engel! »Tierisch« ist ein leerer Begriff, mancher Europäer in seinem Fraß- und Zeugungsgebahren tierischer als ein Affe. Das gehört in ein ganz anderes Gebiet supranatureller Betrachtung. Des Heidelbergers ungeschlachte Kiefer paarte sich wohl mit guter Schädelbildung. Die späteren Neandertaler aber, von denen wir vollständige Skelette besitzen, hatten einfach gar keine Ähnlichkeit mit Anthropoiden. Welcher Ammenglaube, daß ein Affenmensch vor 20+000 Jahren den Neandertaler schon vor 17+000 nach sich zog! Denn dieser, besonders der bei Düsseldorf gefundene, macht den Eindruck des Genies, je gründlicher wir seinen erhabenen Schädel betrachten. Und da die Exemplare nur den Durchschnitt bezeichnen (siehe Knaben von Le Moustier und Mentone), so mag man sich ausdenken, daß damals auch Bismarckschädel (1+965 ccm) bei Genies reichlich vorkamen. Wir ahnen ein Geschlecht geistiger Riesen und wundern uns weder über ihre grundlegenden Schöpfungen noch über kindische Affentheorie der Heutigen, sintemal letztere einfach Degenerierte, vom Gorillastandpunkt degenerierte Affen, vom Mousterierstandpunkt degenerierte Menschen. Bedeutet der Weltkrieg »Manvantara« dieser Degenerierung, kann die Rückwärtsentwicklung je zur edlen Urzeit zurückkehren, wo selbst der Heidelberger wohl mehr »Innenwelt« hatte als ein schnoddriger Berliner? Welchen Zweck verfolgt dieser traurige Abfall von höherem Menschentum, welche kausale Ursache hatte er? Auf letzteres gibt das Karmagesetz die Antwort, auf ersteres antworten kann nur Gott.


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