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IX. capitul. Die Magdalena hat nichts Guts im Sinn; wird wieder auf guten Weg gebracht.

Zwischen dieser und anderen zeitkürzenden Historien kamen wir endlich mit großen Freuden wieder nach Haus und wurden von den Unserigen allerseits auf das höflichste empfangen. Aber ein Weib, welches ehedessen auf Dietrichs Landgut als eine Spinnerin gedienet, rufte ihn noch auf offener Straßen hinter einen Baum, allwo sie ihm umständlich erzählet, daß seine einzige Muhme nach seinem Abscheiden sich in das allerliederlichste Leben begeben und nunmehr in einer bekannten Stadt gleichsam in einem öffentlichen Hause sich aufhielte. Diese Erzählung wie auch das Angedenken der zurück in dem Raubnest gebliebenen Knechte waren das einzige Übel, das wir unter so vielen angenehmen Freuden fühleten; und weil wir gleichsam noch in voller Reise waren, ritten wir dahin, und Christoph weinete unterweges die lichten Tränen, weil er rundraus gestund, daß er sich in die Magdalena, so hieß dieselbe, rechtschaffen verliebt, sich auch entschlossen hätte, sie nach seiner Zurückkunft zu ehelichen.

Nicht lange darnach kamen wir in die Stadt, und zwar in ein solches Wirtshaus, darin manch ehrliches Gemüt mag geradbrecht sein worden. Denn als wir die erste Mahlzeit gegessen, kam eine alte Kupplerin zu uns und fing schon an von ferne mit ihrem Schmunzeln zu verstehen zu geben, was sie uns in der Nähe sagen wollte. Sie zog die Gosche nicht viel enger als eine Fuhrmannstasche voneinander, und man erschrak, so man ihre Löcher, welche ihr ganz zahnlos im Munde waren, erblickete. »Ihr Herren,« sagte sie heimlich zu uns, »beliebt Ihnen, ein halbes Stündlein mit perfecten Frauenzimmer zu passieren, so lesen Sie sich in diesem Büchlein eine aus.« Hiemit gab sie uns ein Buch, in welchem mehr als funfzehen Weibspersonen abgemalet stunden, darunter zwar diejenige nicht zu finden war, von welcher uns die Spinnerin erzählet hatte. »Ich sehe wohl,« sagte Dietrich, »daß hierinnen saubere Gesichter sind, aber wo ist diese, so Magdalena heißet? Sie ist ja hier und hält sich auch unter dieser Gesellschaft auf?« – »Ja,« sprach die Kupplerin, »sie ist erst neulich angekommen und dahero noch nit gezeichnet worden.« Als wir dieses aus ihr hatten, verkleideten sie mich aus meinem Einsiedlers-Habit, und also ging ich mit der Alten in das Haus, weil es höchst nötig war, dem Feuer zu begegnen, da die Funken noch in der Asche lägen.

Sie führte mich durch einen finsteren Gang, und das ganze Gemach war ziemlich dunkel gebauet, vielleicht darum, weil allda Werke der ewigen Finsternisse getrieben wurden. Ich seufzete vor Schrecken, aber die Alte sprach: »Seid getrost, es wird bald besser werden!«, und mit diesen Worten brachte sie mich zu der Magdalena, bei welcher noch zwei andere Dirnen im Zimmer stunden, von welchen sie allem Ansehen nach hineingelocket worden. Ich sagte zur Kupplerin, daß ich mit der Magdalena allein wollte zu tun haben, derowegen hieß sie die beiden Gespielinnen mit Manier hinweggehen; und ehe ich michs versah, stund der Tisch schon voll Confect. Soviel ich hierauf discurrierend von der Magdalena verstehen konnte, so hätte sie ihre Frau Mutter, welche ein rechter alter böser Balg war, dergestalten geprügelt und geschlagen, daß sie sich endlich entschlossen habe, dieses Leben anzufangen, wie sie denn erst vor acht Tagen hereingekommen wäre.

Ich nahm darauf ihre Hand, und als sie die meinige entgegen faßte, kannte sie den Ring ihres Vetters Dietrichens, der mir solchen in dem Wirtshause an den Finger gestecket. Über solchem Anblick entfärbte sie sich gänzlich und wurde gleich einem weißen Tuch. »Kennet Ihr«, sagte ich darauf, »aus diesem Ring, wer ich bin und zu was Ende ich hiehergekommen? Ich buhle nicht um Euren Leib, sondern vielmehr um Eure arme Seel, welche sich in eine so erschröckliche Gefahr gesetzet hat. Ich verlange Euch nicht zu meiner, sondern zu der Himmelsliebe zu bereden, dahin ich Euch durch meine gute Leitung führen will. Wie könnt Ihr es, o Magdalena, immermehr verantworten, daß Ihr, Eures alten Geschlechtes und vornehmen Herkommens ganz vergessend, alle Freundschaft so auf die Seite setzet und Euch in eine solche Lebensart begebet. Meinet Ihr nit, daß ein Aug über Euch wache, von welchem all Eure heimliche Taten gesehen werden? Wo ist Euer Gewissen, Eure vorige Andacht und Euer ehmaliger Ruhm? O Magdalena, gehet in Euch selbst und folget in diesem Stück der heiligen Büßerin, mit welcher Ihr gleichen Namen führet. Ich bin Wolffgang, dessen Person und Leben Ihr nicht kann verborgen sein. Darum folget mir und begebet Euch beizeiten wieder nach Haus. Man muß die wunderliche Art der Mutter nicht so übel auslegen. Eltern haben ein großes Recht über Kinder; und wenn geschrieben stehet: Du sollst Vater und Mutter ehren!, so heißt es nicht allein, einen frommen Vater und Mutter, sondern auch einen wunderlichen Vater und Mutter. Darum machet Euch fertig und verlasset diesen schändlichen Ort. Mancher gehet mit Lachen herein und mit Weinen wieder hinaus. Er ist im Hereingang voll Unschuld, und im Austritt fühlet er die allerschärfeste Geißel des verletzten Gewissens. Ihr wisset, daß Euch Herr Christoph von Unterberg heimlich geliebet hat, dieser ist in Person allhier, Euch von diesem ärgerlichen Leben, in welchem Eure Seele so gewiß verloren wäre, als ich hier vor Euren Augen stehe, abzumahnen und sich, wofern Ihr annoch unbefleckt und rein seid, mit Euch annoch zu vermählen; darum sagt, was Ihr zu tun entschlossen und ob Euer sonst williges Gemüt durch diese Rede zu bewegen ist?«

Sie weinete unter diesen Worten die lichten Tränen, darum schärfte ich ihr das Capitul durch eine lange Sermon und brachte sie endlich noch selbigen Abend mit einem Mantel verdecket zu uns in das Wirtshaus, allwo sie ihrem Vetter ihr Verbrechen nicht allein abgebeten, sondern versprach noch über dieses, mit Versicherung, daß sie in solchem Stand in keiner Unreinigkeit gelebet, allen kindlichen Gehorsam. Doch daß ihre Mutter hinfüro mit ihr etwas höflicher und bescheidener umginge, weil sie kein Kind mehr wäre und also mit keinen Schlägen wollte getractieret sein. Diese und alle andere bescheidene Handlungen der Jungfrauen entzündeten Christophen je länger je mehr, und zwar endlich dergestalten, daß er sich noch auf der Heimreise mit ihr verlobt und sie dannenhero stets vor sich auf dem Pferde geführet, mit ihr ein höfliches und seltsames Gespräche führend, dadurch er seine bisher auf der Reise mannigfaltig ausgestandene Zufälle um ein merkliches versüßet hat.


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