Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV. Capitul. Wolffgang macht mit der Liesel Hochzeit; aber das Pænitet hinkt hintendrein.

Nach allen diesen vorübergelaufenen Ceremonien war mir nichts verdrießlicher als das unaufhörliche Mahnen derjenigen Leute, die etwan bei dieser Begräbnis zu tun oder sonsten etwas zu schaffen gehabt hatten. Bald schickte der Priester, bald der Küsterer, bald der Schulmeister, bald der Totengräber, und ließen mich also die Leute weder essen noch trinken. Dadurch ward ich so unwillig, daß ich bald gar keinem nichts gegeben hätte, wenn mir der Student nicht so sehr in Ohren gelegen wäre, daß man den Arbeitern ihren Lohn nicht entziehen und unter einer schweren Todsünd durchaus nicht zurückhalten könnte. Also bezahlte ich sie endlich, was ihnen zukam, machte es aber so sparsam, daß sie wohl vierzigmal laufen mußten, ehe sie ihr Sächlein ausgezahlt bekamen. Denn ich gab heute einen Groschen, morgen wieder achtzehen Pfenninge und wies ihnen dadurch, wie sehr es mich verdrossen, daß sie mich so ungestüm und ohne Aufhören angefahren haben. Und mit einem Wort: ich wurde nach dem Absterben meiner Frauen so wild und ausgelassen, daß man mir fast im ganzen Land nichts Rühmliches, wie wohl zuvor geschehen war, mehr nachsagte. Es sprachen mir dann und wann von einem Kloster etliche Pfaffen zu, aber ich achtete auf ihren Trost sehr wenig. Erstlich, weil mirs nicht gar leid war, vors andere, weil ich wohl merkte, daß es ihnen nur um ein gutes Stück Geld zu tun war. Sie sagten, wie daß mein seliges Weib ohne allen Zweifel im Himmel wäre, weil sie ein überaus frommes und exemplarisches Leben geführet hätte. Als sie aber hundert Gulden begehrten, vor sie zu beten, sagte ich, daß, wenn ihr Vorgeben, welches ich in keinen Zweifel zu ziehen verlangte, wahr und gewiß wäre, so wäre die Sache ganz unvonnöten, und ich wollte die hundert Gulden lieber um einen guten Trunk spendieren, welchen ich zur künftigen Hochzeit haben müßte. Damit hatte ich das Kalb in die Augen geschlagen, und wie ich die zum Feind hatte, war mir fast kein Mensch gut, außer denen, die nicht viel auf sie gehalten haben.

Ich ließ doch keinesweges nach, meine Trauerjahr recht fröhlich und vergnüglich zu passieren, und was ich äußerlich nicht tun dörfte, das trieb ich heimlich desto ärger. Ich dorfte zwar dem Landbrauch nach keine Spielleute halten, aber der Organist von Ollingen und der Student waren auch keine Narren, so konnte auch der Page schon so viel aus der Musik, daß er die andere Fiedel dazu auszuhalten wußte. Dorften wir gleich kein fremdes Frauenzimmer auf das Schloß bitten, so hatte ich doch Dienstmägde genug, die auch aus keinem Eichbaum geschnitten waren, die taugten so wohl zum Tanz als andere Zofen, und wenn sie wußten, daß es so etwas Lustiges abgab, so verrichteten sie ihre Arbeit noch so hurtig und fleißig, da sie sonsten oft nur vor der Tür, dem Tanze zusehend, gestanden und dadurch ihre nötige Geschäfte verabsäumet haben.

Wenn ich von dieser Lust ermüdet war, satzte ich wieder zu Pferd und ritt nach Buchberg auf die Buhlschaft, dadurch ich gar bald allenthalben in dem Land vor einen Bräutigam bin ausgerufen worden. Aber wie ich bald darauf vernahm, so hielt ein Ausländischer von Adel zugleich mit mir um diese Liesel an, welcher an Gütern mich weit übertraf. Weil aber zwischen uns beiden schon zu weit contrahiert war, also mußte derselbe Liebhaber wiederum abziehen, aber vielleicht zu seinem großen Glücke und meinem Verderben: denn als ich die Liesel am Halse hatte, wie ich denn hie die Hochzeit so wenig als die Leiche berühren will, pfiff der Vogel viel ein anders Lied, als er vor der Ehe gepfiffen hatte.

Es ist wohl wahr, wie die Alten den Ehestand mit unterschiedlichen Orden der Geistlichen verglichen haben: das erste Monat ist man im Benedictinerorden, da gehet alles wohlgewünscht und nach Vergnügung her, da ist lauter Lust und Wohlleben und ein unaufhörliches Benedicite. Solches Jubelfest währet auch wohl länger und oft über die Zeit. Hernach kommt man aus dem Benedictiner- in der Prediger Orden, wenn nämlich bald der Mann, bald die Frau gegeneinander zanken und eins dem anderen die Wahrheit prediget. Darnach tritt man aus dem Prediger- in den Cartäuserorden, die sich immer peitschen und geißeln, also peitschet und geißelt man sich auch oft in der Ehe aneinander in dem Hause herum, und da folget der Chorherrenorden, die da stets in dem Chor schreien und heulen, also klagt bald der Mann, bald das Weib über ihr großes Unglück. Durch dieses Übel wird man ein Capuziner, die da nichts über Nacht behalten, also zerfließt solchen unfriedsamen Eheleuten ihr Bißlein Brot unter den Händen und haben weder Vorrat noch anders im Hause. Darnach kommt der Bettlerorden, da man von Haus und Hof und also unversehens um alle seine Güter kommet.

Ein gleichmäßiges fühlete ich allgemach nach vollzogener Ehe, denn die gute Liesel sah viel anders von innen als von außen. Das Gold glänzete schön, aber da mans auf dem Stein strich, war es Blei. Oh, wie zerkratzte ich dazumal meinen Kopf, ich hatte auf demselben nicht so viel Härlein, als oft mich meiner großen Unbesonnenheit gereuet hat. Nebenst dem, daß sie die Weinkanne immer am Maul hatte, war sie in dem Hauswesen überaus fahrlässig. Von den Mägden, welche sie mit guter Obsicht solle regieret haben, mußte sie erst kochen, waschen und backen lernen. So machte sie sich auch so gemein, daß ich kurz nach meiner Hochzeit den Studenten voll Eifer und wider Willen abschaffen mußte, und getrauetemir fast keinen Schreiberzu halten, so schrecklich lief meine Liesel den Burschen nach. Aber dieses alles hatte ich mit dem wohl verdienet, daß ich der alten Frauen so gern wäre los gewesen. ›Oh,‹ sagte ich oft zu mir selbst, ›o liebe Sophia, könnte ich dich mit meinen Nägeln wieder aus der Erden hervorkratzen, ach könnte ich dich wieder lebendig machen, ich wollte auch gar meines Blutes nicht schonen, dich wieder an meine Seite zu bringen!‹ Aber all dieses Wünschen war nunmehr zu spat und vergebens, ja, die Liesel, wenn sie mich so weheklagen und über ihre Faulheit seufzen hörte, lachte mich noch über die Achsel aus und wurf mir vor, daß sie mir nicht nachgelaufen sei, viel weniger mich gebeten habe, sie zu ehlichen, sie sei vielmehr von mir darzu gedränget worden und hätte einen solchen Prahler, wie ich wäre, alle Tage mehr als tausend bekommen wollen. Damit schmiß sie die Tür zu, daß die Gläser vom Gesimse fielen, und wäre nicht zu wundern gewest, wenn ich mich oft vor großem Leide an den obersten Balken des Hauses aufgehangen hätte.


 << zurück weiter >>