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V. Capitul. Der Student wird auf dem Schlosse installiert, und wie er da sein Letz angefangen.

Ich behielt den artigen Vaganten denselben Abend bei mir und lud gleichfalls den Historicum auf dem Turm zum Abendessen, welchen der Student vor meinen Vater ansah. Dannenhero hieß er ihn gleichwie mich über Tische »Euer Gestreng« und machte fast zu jedem Wort, das er redete, ein absonderliches Schulreverenz, daraus man wohl abnehmen würde, daß er noch wenig unter Leuten gewesen und außer seiner Grammatik noch nit weit in die Welt geguckt hätte. Dahero konnte es der Schreiber nicht lassen, ihn dort und dar anzustechen, welchem er aber wieder wacker einschankte. Er hieß ihn »Herr Scribent«, also lautete es artig genug, denn wenn der Schreiber sagte: » Proficiat, Herr Student!«, so antwortete er: » Conducat, Scribent!« Endlich fragte ihn der Schreiber, wo er seinen Wechsel hätte. »Hört Ihr,« sagte der Student, »wo lasset Ihr Euch Euere Haar kräuseln?« Damit lachten wir wieder eins herunter, und ich muß gestehen, daß ich diese Abendmahlzeit mit trefflichem Gusto zugebracht. »Der Herr gebe fleißig acht,« sprach der Schreiber, »daß Ihm der Wammesärmel nicht abgehauen werde!« – »Ja,« sagte der Student, »das will ich tun, sehet Ihr aber zu, daß Euch die Ohren nicht abgeschnitten werden, sonst könnt Ihr die Feder nicht mehr unter die Haare stecken!« – »Es gibt«, sprach der Schreiber, »viel Lumpenhund auf Universitäten!« – »Es gibt«, antwortete der Student, »auch viel Narren auf Schlössern!« Damit kam es immer weiter in die Schrift, und würzte bald der diesen und dieser jenen wieder ab. Der alte Krachwedel stimmte auch zuweilen mit ein, weil ihm seine alte Soldatenstücklein noch im Magen lagen; doch war er mehr wider den Schreiber als den Studenten, weil er solches wegen vorübergegangenen Scharmützels gute Ursach hatte.

Ich schlug darauf dem Fremden vor, daß, wenn er bei mir bleiben und die lateinische Sprach, deren ich wegen wenigen Exercitii ziemlich unkündig wäre, mit mir aufs neue durchgehen und die Reguln des Syntaxes repetieren wollte, ich ihm, bis es Sommer und besser zu reisen wäre, sein gutes Auskommen allhier auf dem Schlosse zu verschaffen willig und erbötig wäre. Das war dem guten Schlucker eine treffliche neue Zeitung, er leckte das Maul wie eine Ziege nach einem Stück Salz und fing mit einem lateinischen Deo gratias eine weitschichtige Rede an, daß er solche hohe und ungemeine Affection weit mehr zu schätzen und viel größere Ursach haben würde, sich davor dankbar zu erweisen, als gegen die zehen Kreuzer Salzburger Münz. Auf solches wurde der Contract zwischen mir und ihm bald geschlossen, daß ich ihm nämlich zu seinem Einstand ein sauber Kleid machen und etliche Hemder zuschneiden lassen wollte. Was das Essen anbelanget, solle er wegen der nötigen Conversation mit mir speisen, und von Geldmitteln wollte ich ihm dann und wann so viel aus meinem eigenen Säckel spendieren, daß er zuweilen über Feldweges terminieren und dort und da mit einem Bonamico einen Trunk Wein tun könnte.

Diesen Studenten war ich willens, statt des Jäckels zu meiner Zeitvertreibung zu gebrauchen, weil er eines vortrefflichen lustigen Humors war. Denn er gab gleich anfangs dem Schreiber einen guten Rat wegen seines Zunamens, daß er sich hinfüro nicht mehr Andreas-mit-uns, sondern Andreas Nobiscum heißen sollte, vor welche Invention ihm der Schreiber in sein Stammenbuch einen saubern Kranz riß und den Namen mit Goldtinte hineinschrieb.

Hiermit nahm ich den Studenten vor mich und sagte: »Wenn Ihr gesonnen seid, dieses Glück lange zu genießen, so hütet Euch vor dreien Dingen, die ich all mein Leben lang gehasset habe: Erstlich, schwätzet mir nichts zu. Es mag in dem Schloß vorübergehen, was da will, so sollt Ihr mir doch nichts davon in das Ohr blasen, noch Euren Nächsten durch ein lästerliches Achseltragen bei mir oder auch bei meinem Weib verkleinern, hineinhauen oder ihm ein Klämplein anhängen. Vors andere, so hütet Euch, daß Ihr von keinem Bauren oder meinigen Untertan einzige Schmieralien, seine Sache anders vorzutragen, als es an sich selbst ist, einnehmet. Vors dritte, daß Ihr Euch mit Buhlschaft nit verplempert und ohne meinem Vorbewußt, solange Ihr hie seid, mit solchen Sachen nichts im Winkel vornehmet oder sonsten einen gefährlichen Contract schließet. Tut Ihr das, so ist die Bestallung schon richtig und vollzogen.«

»Herr,« sagte der Student, »Ihr habt ganz einen andern Kopf, als sie in der Stadt haben. Dort hat man nichts liebers als die Leisegeher, Federklauber und Aufstecher. Wer sich am meisten mit Fuchsschwänzen zu behelfen weiß, der ist dorten ein recht glückseliger Mann, er ist ein beatus vir und bekommt viel Silbergeschirr. Solche Leisegeher heißen auf lateinisch in silentio & spe, denn sie gehen in der Still herum und hoffen immer auf einen guten Fischzug. Von Schmieralien mag ich gar nichts sagen, wie es damit zugehet. Euer Gestreng wissens ohnedem wohl, daß, wer wohl schmiert, auch wohl fährt, herentgegen, der nicht zu spendieren hat, dem will der Wagen nicht von der Stelle, obschon die beste War darauf gepacket ist. Die Buhlschaft anbelangend, ist solches nichts Neues, daß sich in den Städten die jungen Bursch, da ihnen der Hinter noch ausgekehrt wird, stracks verschamorieren und ein eheliches Geliebt im Ofenwinkel eingehen. Damit reisen sie ein paar Jährlein mit einem seichten Verstand auf eine hohe Schul und kommen oft viel ehe wieder heim als die Gans, welche über Meer fleugt. Da sitzt nun der Herr Magister, was ißt er? Rüben und Kraut, o elende Braut! Aber wie ich sehe, so wissen Euer Gestreng eine weit bessere Mode, Ihr Hauswesen in gutem Esse zu conservieren.« – »Ja,« sagte ich, »das habe ich von meinem seligen Vater gelernet. Wir wollen vor solche Narrenpossen davor eines musicieren und mit zwei Violinen (denn der Student strich sehr wohl und perfect) etliche Sonaten geigen, dazu uns der Stadtorganist von Ollingen accompagnieren soll.« Also verschrieb ich denselben Künstler (scil.), der hackte bald Quarten, bald Quinten ineinander, daß wir oft eine Sonata mehr als dreißigmal von vornen anfangen mußten. Darum hieß ihn der Student nur den Ab initio, denn der Organist sprach immer, wenns nicht klingen wollte: » Ab initio, ab initio

Mit diesem Ab initio hatten wir manchen Spaß, absonderlich, wenn ihm der Wein in Kopf stieg. Da fing er an, sich hören zu lassen und seinen musikalischen Kunstsack auszuschütten. Wenn er nun am besten schlug, hängte ihm der Student einen Katzenschwanz auf den Buckel, und weil er sich in dem Figurieren mit dem ganzen Leib heimlich bewegte, zottelte ihm der Schwanz wie ein Glöcklein hin und wider, darüber ich mich oft krank hätte lachen mögen. Nichtsdestoweniger unterstund sich dieser Organist, mich die Composition zu lernen, die er doch selbst nicht recht konnte, und daher habe ich auch nicht viel von ihm gelernet, wie leichtlich und ohne hohe Scholastik kann geschlossen werden. Der Student verstund solche weit besser denn er; dannenhero klaubte er oft aus einer einzigen seinigen Aria, welche er mir gemeiniglich an hohen Festtagen in der Stadt zu Ehren drucken lassen, achtzig bis hundert Fehler heraus. Vor solche Arien gab ich ihm allezeit so viel Groschen, als Noten darinnen waren, welches, als ers merkte, machte er mir eine Motetten mit vier Stimmen, aber ich ließ es bei einem ducato solo bewenden. Also vertrieben wir die Zeit ziemlich lustig. Der Student borgte aus dem oberwähnten Kloster unterschiedliche Bücher, darinnen seine Studien fortzusetzen, übersatzte auch alles dasjenige, was der Soldat, welchen er vor meinen Vater angesehen und hernach wacker davor ist ausgelacht worden, erzählet und dem Schreiber gedictieret, ins Lateinische, mit welchem er sowohl die Zeit vertrieb, als sich in dem Stilo exercierte. Aber der Soldat spendierte uns nicht allein seine Erzählung, sondern auch etliche Müllerflöhe, die in dem Schlosse ziemlich gemein werden wollten. Darum ließ ich ihm ein neues Caput-Röcklein samt einem Paar Hirschhosen machen und reinigte ihn also von den lebendigen Pulverkörnern.


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