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II. Capitul. Verfluchet das Hof- und Stadtleben. Auf dem Turm erhebt sich ein Scharmützel.

»Siehe, mein herzlieber Bruder, so wird es dir gehen, wenn du in der Stadt dein Amt, dazu du berufen bist, betreten wirst. Es wird dir gehen wie einem Pelz: solange du Haar hast, wirst du gelobet und mit Händen gestrichen; fallen sie dir aus, so heißet und hält man dich für einen abgeschabenen Fuchsschwanz, der nirgend zu nutzet, als daß man die Fliegen damit davonjaget und totschlaget, mit welchem die Kinder auf der Gassen zu spielen und ihn in allen Kotlaken herumzuschleppen pflegen. Darum so gehe lieber nach Hofe. Dort setzet es immer gute Tage und heißet: Ecce quam bonum & quam jucundum! Zudem, so bist du kein Essigkrug, der etwan keinen Scherz, welcher bei Hofe tausendfältig vorzulaufen pfleget, verstehen könnte, du bist gedrechslet genug, die Stichreden einzunehmen und wieder gute Kopfnüsse auszugeben. So taugest du auch, wie ich sehe, viel besser nach Hof als in eine Stadt, wo man nur immer gegen die Erde sehen und die Pflastersteine zählen muß, wenn man nicht will für leichtfertig und ausgelassen angesehen sein. Du wirst auch, wie man wohl siehet, kein großer Heiliger irgend in einem Kloster werden, sonst hätte ich dir schon einen Namen erdacht, und man müßte dich heißen Sanct Echo, und dein Kupferstich müßte in ebendieser Figur gezeichnet werden, wie du in deiner Einsiedlerei in den Bach hinuntergefallen und hernach ganz nackicht, als die Amalia durch den Wald geritten, an der Sonne gestanden bist.

Zwar es hat ein jeder seinen Kopf vor sich, wie der Pfaff am Kalenberg gesagt hat. Dir aber stehet meines Erachtens der Hof und dessen Gebräuche etwas besser an, weil du nicht gar eingezogen leben kannst. Man dörfte dir in der Stadt wegen einer schlechten Ursach das Allerübelste auf dem Rücken nachreden, denn du siehest und hörest genugsam, daß man daselbst manchem sechse Schuld gibt, und sind zwölfe wahr. Man sagt sonst in dem Sprichwort: Es wird nichts jemal so klein gesponnen, es kommt doch an die Sonnen; aber in Städten heißet es anitzo: es wird nichts getan die ganze Wochen, es wird dem Rat doch aufgestochen. Der dir die allergeschmiertesten Wort gibt, der wird dich am ersten in die Pfann hauen, und wo du das Hälmlein nicht einem jeden durch das Maul streichest oder deine Pfeife nach ihrem Schnabel spitzest, so trummelt man dich wieder hinaus, worein man dich zuvor mit so vielen Liebkosungen gelocket hat. Aber zu Hofe hast du keine solche Hudeleien zu beförchten, und ob man daselbst gleich so wenig als in den großen Städten reines Garn zu spinnen pfleget, hat man sich doch um keine schuster- noch schneiderhaftige Ungunsten zu beförchten, und da der Bürgermeister in der Stadt vor dir den Hut auf seinem Schädel sitzen lasset, muß er solchen zu Hofe vor dir unter die Arme nehmen und zu einem jeden Paragrapho, den er mit dir redet, ein spanisches Compliment machen.

Diese Ehre, ob sie schon kein großes Interesse auf ihrem Capital stehen hat, schätze ich doch höher als tausend Specie-Kronen, absonderlich an einem solchen Menschen, wie du bist, der ohnedem genügsame Mittel hat, sein Corpumpus in der Welt durchzubringen. Es ist besser, daß man dich mit vier Pferden nacher Hof begleitet und dich in einer schönen Kutsche dahin führet, als wenn du in der Stadt von einem Schreiber, dem der Mantel wie eine Abwaschhadern (oder wie die Hochteutsche reden, ein Waschlappen) an dem Rücken hänget, auf das Rathaus zu gehen beordret wirst. Es ist viel köstlicher, wenn du zu Hofe bei einer wohlgedeckten Tafel in einer währenden schönen und lieblichen Musik dich enthaltest, als wenn du in der Stadt bald von einem Kürschner, bald von einem Weißgerber zu seiner Hochzeit geladen wirst, wo man statt der Fasanen gebratene Spatzen oder Ämmerlinge aufsetzet und statt des Confects rot und gelb gemalten Kinderzucker daherbringet, und statt der köstlichen Musik werden dir die Spielleute die Ohren so vollkratzen, daß, wenn du nicht bald darauf schröpfen lassest, dir eine gefährliche Krankheit oder der Verlust des Gehörs darüber zu beförchten ist.«

Solche und dergleichen Reden führte ich mit Philippen, welcher, ob er sonsten schon ein fähiges Ingenium hatte, sich dennoch in dieser Sache nicht geschwinde entschließen konnte. Endlich ließ er sich meinen Vortrag und gute Meinung gefallen, dankte mir als seinem wertesten Bruder und getreuesten Bonamico, schied also davon und ging nach Hof, nachdem ich ihm zuvor heimlich ins Ohr geblasen, daß er den Sentenz fleißig lernen solle, welcher in der Hof-Grammatica der allernötigste zu wissen sei, nämlich: Patienter ferre ignominias & magnas agere gratias, das heißet, wenn man einem bei Hof den Rock stiehlt, so solle man nicht darüber eifern, sondern auch den Mantel darzu hingeben.

»Du gehest in einen Ofen,« sagte ich, »je besser dein Gemüt ist, je ärger wird es geschmolzen werden.« – »Siehest du,« sprach er, »du willst nicht, daß ich in die Stadt gehe, und verleidest mir den Hof!« – »Ja,« antwortete ich, »lieber Bruder, der Prügel liegt überall bei dem Hunde; greif zu, wo du willst, es ist Gefahr dabei.« – » Ergo«, sagte er, » inter duo mala melius eligendum, ich will nach Hof!« Damit sprengte er mit seinem Pferde lustig über das Feld hinüber und schoß seine Pistolen los, welchen ich mit den meinigen durch das Fenster geantwortet habe.

Nach seinem Hinscheiden stieg ich wieder zu meinem Historicus auf den Turm hinauf, welcher, weil er schon ziemlich alt und von Kräften war, trefflich langsam schrieb. Aber mein Schreiber meinte, er hätte den Vorteil doch nicht vergessen, welchen er samt seinem Kameraden zu Osnabrück gelernet, da sie bei dem Barbier so gute Tage celebrieret, nachdem sie zuvor vor Iserlohn in Westfalen geschlagen worden. Und es kann wohl sein, daß ihm mein Brot ziemlich wohl geschmecket, weil er vom Hunger und Alter so abgemergelt war, daß ein Maler, wenn er den Tod hätte malen wollen, kein bessers Original in der ganzen Welt als diesen Stradioten hätte bekommen können.

Demnach kam ihm das Maulfutter trefflich zupaß. Denn ich war kein karger Stiegelhupfer, der etwan seinen Leuten das Brot einsperrte, sondern ich tractierte meine Dienstboten ehrlich und gebührlich, auf daß sie hernach desto hurtiger und fleißiger zur Arbeit waren, wie man denn diesen alten Scribenten allgemach wieder zunehmen sehen und ein ungewöhnliches rotes Färblein auf seinen Backen vermerkt hat, die sonsten so verrumpft und eingefallen waren wie eine Sackpfeife, aus welcher der Wind entgangen ist.

»Ich sehe wohl,« sagte ich zu ihm, »daß Euch das Schreiben ziemlich hart ankommet. Wo Ihr die Musquete nicht besser als die Feder gebrauchen können, so werdet Ihr nicht viel niedergeschossen haben. Ihr schreibet auch ziemlich undeutlich und machet große Solecismos, wie auch zum Teil so viel Säue auf das Papier, daß man damit den größten Schweinmarkt leichtlich besetzen könnte. Euere Constructiones kommen nicht wohl aufeinander, und ob ich zwar aus Eurer Schrift keine Zierlichkeit der Rede, sondern nur die Erzählung Eurer Geschichten und also lauter Materie verlange,so soll doch, um besserer Ordnung willen, gegenwärtiger Monsieur Ichtelhauser, als mein Schreiber, Euer Erzählung in gewisse Capitul bringen, auf daß das Werk desto schleuniger und correcter vonstatten gehe.«

Er ließ sich solches gar wohl gefallen, und ich sah in der erste als zur Probe zu, wie sie sich miteinander vergleichen würden. Gleichwie er aber zuvor langsam im Schreiben war, also war er anitzo desto langsamer im Erzählen, ritten also beiderseits auf einer Schildkrotte. Damit ging ich wieder davon und ließ den Referenten samt seinem Concipienten beieinander auf dem Turm in der warmen Stuben sitzen und solche Sachen entwerfen, an welchen ich ein großes Vergnügen suchte. Es gingen aber kaum zwei Stunden hin, als ich auf dem Turm ein großes Getümmel hörte. Der Schreiber, welchen ich gar ausführlich vernehmen konnte, schalt, daß sich die Turmspitze hätte biegen mögen, und der Soldat murrte seinen Teil auch mit unter wie ein alter Kater, der rammeln will, damit ging es wieder an ein Poltern und Werfen, daß es schallte. Unter solchem Tumult eilete ich hinauf und wußte nicht, an was ich mich am ersten verwundern sollte. Der Alte sah in dem Gesicht kohlschwarz, und dem Schreiber hing sein Überschlag an dem Halse wie ein Flügel an einer Windmühle. Der Tisch und alles, was darauf gestanden, lag in der Stube, und es fehlete nicht viel, so hätten sie mir beide Fenster eingedrücket, so feste hat der Schreiber den Landsknecht bei der Drossel gefasset. »Was habt ihr vor,« sagte ich, »ihr lose Lecker, und was treibet euch zu einem solchen Frevel? Wisset ihr nicht, was der Hausfrieden mit sich bringet, und daß ich Ursach hätte, euch beide Bachanten in den Kotter zu stecken?« Damit schlug ich einen sowohl als den andern mit meinem Wintermuff auf den Kopf, weil ich kein bequemes Instrument vor dieses Mal bei Händen hatte, ihnen das Capitolium zu lausen.

»Was?« sagte der Schreiber, »soll ich mir von dem keinnützen Landfahrer und verdorbnen Marodibruder solche Sachen weismachen lassen? Soll ich hören, daß ich ein Hurenkind sei? Hei, nimmermehr will ich solche Schmachreden leiden, die mir im Herzen wehe tun!« Damit wollte er wieder über den Alten her, aber ich stieß ihn auf die Treppe hinaus und fragte den Alten um ausführlichen Bescheid und um die Ursach, welche sie beide in einen so unverhofften Scharmützel gebracht hätte. »Gestrenger Herr,« antwortete der Stradiot schnaufend, weil er in dem Geraufe ganz atemlos geworden, »hie lesen Sie die Schrift, die ist daran Ursach, sonst weiß ich nicht, was ich ihm zuwider getan, denn ich habe ihn all mein Leben lang meines Wissens nicht gesehen. Sehet nur, wie mich der Schelm mit der Dinte begossen hat! Ich kann kaum ein Aug recht auftun, so sehr beißet sie mich. Wenn Euer Gestreng nit gekommen wäre, der Schelm hätte mich hier im Ecke erwürget.«

Hierauf nahm ich dasjenige, was der Schreiber geschrieben, und las durch etliche Paragraphos folgende Wort: ›Da ich nun besagtermaßen ganz nackicht ausgezogen worden, nahm ich im bloßen Hemde meinen Weg über ein Kornfeld unter einem schweren und großen Donnerwetter; wie froh und lustig, ist leichtlich zu gedenken. Im nächstgelegenen Dorfe sah mich der Mesner, welcher auf dem Turm zum Wetter läutete. Der nahm mich zu sich hinauf, allwo ich ihm die Stricke ziehen und also sein officium publicum & pastorale (diese phrasin hat mein Schreiber propter majorem elegantiam dazugesetzet) habe müssen administrieren helfen. Er interrogierte mich, wer ich oder cuius conditionis ich sei. Da narrierte ich ihm allerhand Circumstantien, meine Fortun betreffend. Dieser Mesner verhonorierte mir nach abgewichenem schweren Wetter ein hübsches vestimentum rusticanum, und in diesem kam ich auf einen Edelhof zu Dern, nicht weit vom Linebühel gelegen, allwo ich eine Magd schwanger hinterließ und meine Fugam nach Antissenhofen in das Bayerland zu nahm, willens, mich von da auf Hackelet, ein adeliges Schlößlein, zu begeben, allwo ich einen guten Freund hatte, der mich vielleicht demselbigen vom Adel hätte recommendieren oder sonsten mir mit einem guten Consilio succurrieren können.

Aber ich wurde bald von dem von Willenhag aufgefischet, mußte also das Hurenkind aufziehen, der Magd einen billigen Abtrag tun, und also saß ich in der Pfanne bis über die Ohren. Ich ließ das Knäblein Andreas nennen, und weil ich meine Zeit im Kriege durchzubringen suchte, hieß ich es nicht nach meinem Namen. Denn ich dachte, wo ich dermaleins ein großer Officier würde, dörfte es mir an meiner Reputation eine Hindernis bringen. Gab ihm also den Namen des Großvaters auf mütterlicher Seite, welcher Jacob-mituns hieß und ein reicher Bauer zu Pocking war. Dasselbe Kind ist hernach zu einem Kaufmann kommen und hat auch bei den Jesuiten zu Passau studiert, ist aber heimlich davongelaufen und hat sich in einem Nonnenkloster hin und wieder zum Ausschicken gebrauchen lassen. Von dannen weiß ich nicht, wohin der Knab gekommen, weil ich bald darauf, nachdem ich etwan etliche Jahre mich in der Guardi zu Schärding und auch zu Braunau aufgehalten, endlich nach Landshut und von dar gar nacher Ingolstadt geleget worden.‹

Bis hieher ging die Schrift des Schreibers, welcher Andreas-mit-uns hieß und welchem auch alle dasjenige begegnet ist, was der Alte erzählet hat. Dannenhero entstund zwischen ihnen dieser plötzliche Tumult, und allem Ansehen nach, so war dieser Alte des Schreibers natürlicher Vater, dem er auch an den Lineamenten ziemlich ähnlich gesehen. Hätte also der Narr besser getan, daß er einen andern Namen aufgezeichnet und die Sache bei sich selbsten verschwiegen hätte, als daß es durch einen großen Tumult nicht allein mir, sondern auch allen denen, welche dieses Buch zu ihrer Kurzweil lesen, hat müssen auf die Nase gebunden werden. »Ihr seid ein Eselskopf«, sagte ich zu dem Schreiber. »Müsset Ihr Euer eigene Schand mit Eurer Defension aufdecken? Eine geschehene Sache, so übel sie auch aussiehet, muß man zum besten deuten und absonderlich eine solche, daran unsere Ehre hanget. Ihr hätt', so Ihr gewollet, Eure Schande leichtlich verbergen und die Sache so verdrehen können, als wäret nicht Ihr, sondern ein anderer, der etwan auch also hieße, dadurch gemeinet. Aber nun habt Ihr Euch selbst in das Nest hofiert. Darinnen müsset Ihr liegen und die Wunde verbluten, gleich als wäre sie Euch von einem Hunde gebissen worden. Wer nicht schweigen kann, wenn er soll, der muß sich auslachen lassen, wenn er nicht will.«


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