Honoré de Balzac
Die Bauern
Honoré de Balzac

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VIII

Die große Revolution eines kleinen Tales

Nun, Meister Sibilet,« sagte der General am Morgen nach seiner Ankunft zu seinem Verwalter, ihm einen familiären Zunamen gebend, der bewies, wie sehr er die Kenntnisse des alten Anwaltsgehilfen zu schätzen wußte, »wir befinden uns also nach dem ministeriellen Wort in ernsten Umständen?«

»Jawohl, Herr Graf,« antwortete Sibilet, der den General begleitete.

Der glückliche Besitzer von Les Aigues lustwandelte vor dem Verwalterhause eine Bodenfläche entlang, wo Madame Sibilet Blumen züchtete und an deren Ende die durch den prachtvollen von Blondet beschriebenen Kanal bespülte ausgedehnte Wiese begann. Von dort aus erblickte man in der Ferne das Schloß Les Aigues, ebenso wie man von Les Aigues aus den Verwalterpavillon in Seitenansicht sah.

»Wo aber stecken die Schwierigkeiten?« fuhr der Graf fort. »Ich werde den Prozeß mit den Gravelot durchfechten, eine Geldwunde ist nicht tödlich; und ich will die Verpachtung meines Forstes so gut bekannt machen, daß ich dank der Konkurrenz den wirklichen Wert dafür bekommen werde.«

»Die Dinge gehen so nicht, Herr Graf,« erwiderte Sibilet, »was wollen Sie tun, wenn Sie keine Abnehmer finden?«

»Dann werde ich mein schlagbares Holz selber fällen und es verkaufen.«

»Sie wollen Holzhändler sein?« sagte Sibilet, der den General eine Schulterbewegung machen sah. »Ich bin dabei. Sehen wir aber einmal von Ihren Angelegenheiten hier ab. Versetzen wir uns nach Paris. Sie müssen dort einen Stapelplatz mieten, ein Patent und Steuern bezahlen, Schiffahrtsabgaben und Zölle entrichten, Ausgaben für Ausladen und Aufstapeln machen; endlich einen Rechnungsführer haben.«

»Das ist untunlich,« unterbrach ihn der erschrockene General lebhaft. »Doch warum sollte ich keine Abnehmer finden?«

»Der Herr Graf hat Feinde im Lande . . .«

»Wen?«

»Zuerst Monsieur Gaubertin . . .«

»Sollte das der Schuft sein, in dessen Stelle Sie gerückt sind?«

»Nicht so laut, Herr Graf,« sagte Sibilet bestürzt, »um Gotteswillen nicht so laut! Meine Köchin könnte Sie hören . . .«

»Wie, ich kann auf meinem Grund und Boden nicht von einem Elenden sprechen, der mich bestahl?« antwortete der Graf.

»Im Namen Ihrer Ruhe, Herr Graf, kommen Sie weiter fort . . . Monsieur Gaubertin ist Bürgermeister von Ville-aux-Fayes.«

»Ah! ich gratuliere Ville-aux-Fayes herzlich dazu; das ist, alle Wetter, eine gut verwaltete Stadt! . . .«

»Erweisen Sie mir die Ehre, mich anzuhören, Herr Graf, und glauben Sie mir, daß es sich um die ernstesten Dinge, um Ihre Zukunft hier handelt.«

»Ich höre. Setzen wir uns auf die Bank da.«

»Als Sie Monsieur Gaubertin fortgeschickt hatten, Herr Graf, mußte er sich eine Beschäftigung suchen; denn er war nicht reich.«

»Er war nicht reich! Und stahl hier jährlich mehr als zwanzigtausend Franken!«

»Ich beabsichtige nicht, ihn zu rechtfertigen, Herr Graf,« antwortete Sibilet. »Ich möchte Les Aigues prosperieren sehen, und wäre es nur, um Ihnen Gaubertins Unredlichkeit zu beweisen. Aber täuschen wir uns nicht, wir haben in ihm den gefährlichsten Schelm, den es in ganz Burgund gibt, und er hat sich in die Lage gesetzt, Ihnen zu schaden.«

»Und wie?« fragte der General, der besorgt geworden war.

»So wie Sie ihn sehen, steht Gaubertin an der Spitze von etwa dem dritten Teile der Pariser Verproviantierung. Als Generalagent des Holzhandels leitet er die Ausbeutung der Wälder, das Fällen, die Bewachung, das Flößen, das aus dem Wasser holen und die Verladung des Holzes. Da er ständig mit den Arbeitern in Fühlung steht, ist er Herr der Preise. Er hat drei Jahre gebraucht, um sich diese Stellung zu schaffen, sitzt dafür jetzt aber auch wie in einer Festung darin. Da er der Vertrauensmann aller Händler geworden ist, begünstigt er weder den einen noch den anderen; er hat alle Arbeiten zu ihrem Vorteil reguliert, und ihre Geschäfte werden besser und weniger kostspielig geregelt, als wenn jeder von ihnen wie früher seinen Rechnungsführer hätte. So hat er zum Beispiel alle Konkurrenz so gut beseitigt, daß er völlig Herr der Verdingungen ist; die Krone und der Staat sind ihm zinsbar. Die Holzschläge der Krone und des Staates, die versteigert werden, gehören Gaubertins Händlern; kein Mensch ist heute stark genug, sie ihnen streitig zu machen. Im letzten Jahre wollte Monsieur Mariotte aus Auxerre, durch den Domänendirektor aufgestachelt, Gaubertin Konkurrenz machen: zuerst hat Gaubertin ihn den üblichen Preis zahlen lassen; als es sich dann darum handelte, die Ausbeutung zu bewerkstelligen, haben die Avonneser Arbeiter derartige Preise verlangt, daß Monsieur Mariotte sich genötigt sah, solche aus Auxerre kommen zu lassen, und die aus Ville-aux-Fayes haben sie verprügelt. Es gab einen Strafprozeß gegen den Leiter der Koalition und den Leiter der Keilerei. Dieser Prozeß hat Monsieur Mariotte Geld gekostet; er hat, abgesehen von dem Odium, arme Leute haben verurteilen zu lassen, alle Kosten bezahlt, da die Verlierenden nicht einen roten Heller besaßen. Ein Prozeß gegen arme Leute bringt dem, der unter ihnen lebt, nur Haß ein. Lassen Sie sich diese Maxime nebenbei gesagt sein; denn Sie werden gegen alle Armen des Bezirks hier zu kämpfen haben. Das ist noch nicht alles. Alles gerechnet, verliert der arme Vater Mariotte, ein braver Mann übrigens, bei diesem Zuschlag. Er ist gezwungen, alles bar zu bezahlen, und verkauft auf Kredit; Gaubertin liefert Holz zu unerhörten Krediten, um seinen Konkurrenten zu ruinieren. Er gibt sein Holz fünf Prozent unter dem Selbstkostenpreis ab; auch hat der Kredit des armen Biedermanns Mariotte einen harten Stoß erlitten. Kurz, heute noch verfolgt und setzt Gaubertin dem armen Monsieur Mariotte so zu, daß er, wie es heißt, nicht nur Auxerre, sondern auch den Bezirk verlassen wird, und er tut gut daran! Infolge dieses Streiches sind die Besitzer für lange Zeiten den Händlern ausgeliefert, die jetzt die Preise machen, wie in Paris die Möbelhändler im Auktionshause den Auktionskommissaren. Doch erspart Gaubertin den Gutsbesitzern so viele Verdrießlichkeiten, daß sie dabei gewinnen.«

»Und in welcher Weise?« fragte der General.

»Erstens, jede Vereinfachung nützt früher oder später allen Interessenten,« antwortete Sibilet. »Zweitens haben die Besitzer Sicherheit für ihre Einkünfte. Wo es sich um Bodennutzung handelt, ist das die Hauptsache, Sie werden es sehen! Kurz, Monsieur Gaubertin ist der Vater der Arbeiter, er bezahlt sie gut und verschafft ihnen immer Arbeit. Da nun ihre Familien auf dem Lande wohnen, werden die Wälder der Händler und die der Besitzer, die ihre Interessen Gaubertin anvertrauen, wie es die Herren von Soulanges und von Ronquerolles tun, nicht mehr verwüstet. Man sammelt dort das abgestorbene Holz und das ist alles.«

»Dieser Schelm von Gaubertin hat seine Zeit nicht verloren!« rief der General aus.

»Er ist ein tüchtiger Mann,« erwiderte Sibilet. »Er ist, wie er sagt, der Verwalter der besten Hälfte des Bezirks, anstatt der Verwalter von Les Aigues zu sein. Jedem nimmt er eine Kleinigkeit ab, und diese Kleinigkeit bringt ihm auf zwei Millionen jährlich vierzig- oder fünfzigtausend Franken ein. Die Pariser Kamine, sagt er, bezahlen alles! Das ist Ihr Feind, Herr Graf! Meiner Meinung nach müßten Sie kapitulieren, indem Sie sich mit ihm aussöhnen. Wie Sie wissen, ist er mit Soudry, dem Gendarmerieunteroffizier von Soulanges, und mit Monsieur Rigou, unserem Bürgermeister von Blangy, befreundet; die Feldhüter sind seine Kreaturen. Die Unterdrückung der Delikte, die Sie ärmer machen, wird damit unmöglich. Besonders seit zwei Jahren werden Ihre Wälder schamlos verwüstet. Daher haben denn auch die Gravelot gute Aussichten, ihren Prozeß zu gewinnen; denn sie sagen: ›Nach dem Wortlaut des Vertrages liegt Ihnen die Bewachung der Wälder ob; Sie bewachen Sie nicht, Sie tun uns unrecht; geben Sie uns Schadenersatz mit Zinsen.‹ Das ist ziemlich billig, ist aber kein Grund, einen Prozeß zu gewinnen.«

»Man muß einen Prozeß anzunehmen und Geld dabei zu verlieren wissen, um in der Zukunft keinen mehr zu haben!« sagte der General.

»Sie werden Gaubertin sehr glücklich machen!« erwiderte Sibilet.

»Wie das?«

»Gegen die Gravelot einen Prozeß führen heißt für Sie: Leib an Leib mit Gaubertin kämpfen, der sie vertritt,« antwortete Sibilet. »Auch wünscht er sich nichts sehnlicher als diesen Prozeß. Er hofft, wie er sagt, Sie bis zum Kassationshof zu ziehen.«

»Ah!, der Schuft, der . . .«

»Wenn Sie Ihre Wälder selbst ausbeuten wollen,« fuhr Sibilet fort, indem er den Dolch in der Wunde umdrehte, »werden Sie in den Händen der Arbeiter sein, die Ihnen den ›Bourgeoispreis‹ und nicht den ›Händlerpreis‹ abfordern und Ihnen den Kopf schwer machen, das heißt, Sie wie den braven Mariotte in die Lage bringen werden, mit Verlust zu verkaufen. Wenn Sie eine Pacht ausbieten, werden Sie keine Abnehmer finden; denn Sie erwarten doch nicht, daß man für einen Privatmann wagt, was Vater Mariotte für die Krone und den Staat gewagt hat . . . Und ferner, mag der Biedermann der Verwaltungsbehörde gegenüber von seinen Verlusten reden! Die Verwaltungsbehörde ist ein Herr, der Ihrem Diener gleicht, als er noch beim Kataster angestellt war, ein würdiger Mann in fadenscheinigem Ueberrock, der an einem Tisch die Zeitung liest. Ob das Gehalt zwölfhundert oder zwölftausend Franken beträgt, man ist darum nicht teilnahmsvoller. Sprechen Sie also dem Fiskus gegenüber, der von solch einem Herrn repräsentiert wird, von Steuernachlaß und Milderung! Er wird Ihnen seine Feder schneidend mit ›Dideldum‹ antworten. Sie stehen ›außerhalb des Gesetzes‹, Herr Graf!«

»Was tun?« rief der Graf, dessen Blut kochte und der sich anschickte, mit großen Schritten vor der Bank auf und ab zu gehen.

»Herr Graf,« antwortete Sibilet brutal, »was ich Ihnen jetzt sage, liegt nicht in meinem Interesse: Sie müssen Les Aigues verkaufen und das Land verlassen.«

Als der General dieses Wort hörte, prallte er zurück, als hätte ihn eine Kugel getroffen, und sah Sibilet mit zweideutiger Miene an.

»Ein General der kaiserlichen Garde vor solchen Schuften davonlaufen! Und wenn es Madame in Les Aigues gefällt! . . .« sagte er. »Kurz, ich werde lieber hingehen und Gaubertin auf dem Marktplatze von Ville-aux-Fayes ohrfeigen, bis er sich mit mir schlägt, damit ich ihn wie einen Hund töten kann!«

»Gaubertin ist nicht so dumm, sich mit Ihnen zu schlagen, Herr Graf. Uebrigens beleidigt man den Bürgermeister einer so bedeutenden Unterpräfektur wie Ville-aux-Fayes nicht ungestraft!«

»Ich werd' ihn absetzen lassen; die Troisville werden mich unterstützen; es handelt sich um meine Einkünfte.«

»Sie werden keinen Erfolg damit haben, Herr Graf, Gaubertin hat sehr lange Arme. Und Sie werden sich Unannehmlichkeiten schaffen, aus denen Sie sich nicht mehr herauswickeln könnten . . .«

»Und der Prozeß,« sagte der General, »man muß ans Gegenwärtige denken.«

»Ich werde Sie denselben gewinnen lassen, Herr Graf,« erwiderte Sibilet mit pfiffiger Miene.

»Brav, Sibilet!« sagte der General, seinem Verwalter die Hand drückend. »Und auf welche Weise?«

»Sie werden ihn beim Kassationshof durch den Rechtsgang gewinnen. Meines Ermessens sind die Gravelot im Recht; doch genügts nicht, sich auf Recht und Tatsache zu stützen, man muß sich mit der Form ins reine bringen, und sie haben die Form vernachlässigt, was dem Rechtsanspruche stets schadet. Die Gravelot hätten Sie gerichtlich auffordern lassen müssen, die Wälder besser zu bewachen. Man stellt keinen Schadenanspruch bei Ablauf eines Vertrages hinsichtlich der Verluste, die man während einer neunjährigen Ausbeutung erlitten hat. Es findet sich in dem Vertrage ein Paragraph, den man in dieser Beziehung als Einrede dagegen vorbringen kann. Sie werden in Ville-aux-Fayes verlieren, Sie werden vielleicht auch noch beim ordentlichen Gericht verlieren, in Paris aber werden Sie gewinnen. Sie werden kostspielige Sachverständigenuntersuchungen und furchtbare Ausgaben haben. Indem Sie gewinnen, werden Sie mehr als zwölf- bis fünfzehntausend Franken verausgabt haben; doch werden Sie gewinnen, wenn Sie großen Wert darauf legen. Dieser Prozeß wird Sie mit den Gravelot nicht aussöhnen; denn für die wird er noch kostspieliger sein als für Sie; Sie werden ihr schwarzes Schaf sein; Sie werden für prozeßsüchtig gelten; man wird Sie verleumden, aber Sie werden gewinnen!«

»Was tun?« wiederholte der General, auf den Sibilets Beweisführungen wie die drastischsten Heilmittel wirkten.

Als er sich in diesem Augenblicke der Reitpeitschenhiebe erinnerte, die er Gaubertin versetzt hatte, wär's ihm lieber gewesen, er hätte sie sich selber übergezogen; und Sibilet las auf seinem feuerroten Gesicht alle seine Nöte.

»Was tun, Herr Graf? . . . Es gibt nur ein Mittel: sich vergleichen; aber Sie können sich nicht selber vergleichen. Es muß aussehen, als ob ich Sie bestehle. Da nun unser ganzes Vermögen und unser Trost auf unserer Rechtschaffenheit beruht, können wir armen Teufel den Anschein der Spitzbüberei kaum auf uns nehmen. Man beurteilt uns stets nach dem Augenschein. Gaubertin hat Mademoiselle Laguerre seinerzeit das Leben gerettet, und es hat so ausgesehen, als ob er sie beraube; auch hat sie ihn für seine Ergebenheit belohnt, indem sie ihn testamentarisch mit einem Solitär im Werte von zehntausend Franken bedachte, den Madame Gaubertin im Stirnband trägt.«

Der General warf einen zweiten Blick auf Sibilet, der ebenso zweideutig war wie der erste; doch der Verwalter schien von diesem Mißtrauen, das sich unter Gutherzigkeit und Lächeln verbarg, nicht betroffen zu sein.

»Meine Unredlichkeit dürfte Monsieur Gaubertin so sehr freuen, daß ich ihn mir zum Beschützer machen würde,« fuhr Sibilet fort. »Auch würde er mir mit beiden Ohren zuhören, wenn ich ihm folgenden Vorschlag unterbreitete: ›Ich kann dem Herrn Grafen zwanzigtausend Franken für die Herren Gravelot unter der Bedingung entreißen, daß sie sie mit mir teilen.‹ Wenn Ihre Widersacher einwilligen, will ich Ihnen zehntausend Franken bringen; Sie werden nur zehntausend verlieren, wahren den Schein, und der Prozeß ist erledigt.«

»Du bist ein braver Mensch, Sibilet,« sagte der General, indem er nach seiner Hand griff und sie drückte. »Wenn du die Zukunft ebensogut arrangieren kannst wie die Gegenwart, halt' ich dich für die Perle der Verwalter.« . . .

»Was die Zukunft anlangt,« erwiderte der Verwalter, »so werden Sie nicht Hungers sterben, wenn Sie zwei oder drei Jahre über kein Holz schlagen lassen. Fangen Sie damit an, Ihre Wälder besser bewachen zu lassen. Bis dahin wird sicherlich viel Wasser die Avonne hinuntergeflossen sein. Gaubertin kann sterben; kann sich für reich genug halten, um sich zurückzuziehen; schließlich haben Sie Zeit, ihm einen Konkurrenten vor die Nase zu setzen. Der Kuchen ist schön genug, um geteilt zu werden; Sie können einen anderen Gaubertin suchen, den Sie ihm entgegensetzen.«

»Sibilet,« sagte der alte Soldat, erstaunt über diese verschiedenen Lösungen, »ich schenke dir dreitausend Franken, wenn du es so zu Ende bringst; was den Rest anlangt, so wollen wir darüber nachdenken.«

»Herr Graf,« sagte Sibilet, »lassen Sie vor allem Ihre Wälder bewachen. Sehen Sie sie an, in welchen Zustand sie die Bauern während Ihrer zweijährigen Abwesenheit versetzt haben . . . Was konnte ich machen? Ich bin Verwalter, bin kein Wächter. Um Les Aigues zu bewachen, müssen Sie einen Hauptwächter zu Pferde und drei Unterwächter haben.«

»Wir wollen uns verteidigen. Es ist Krieg; schön, wir werden ihn führen! Das erschreckt mich nicht,« sagte Montcornet, sich die Hände reibend.

»Es ist ein Geldkrieg,« sagte Sibilet, »und der wird Ihnen viel schwieriger vorkommen als der andere. Man tötet wohl die Menschen, man tötet aber nicht die Interessen. Sie werden sich mit Ihrem Feinde auf dem Schlachtfelde schlagen, auf dem alle Eigentümer kämpfen: auf dem der Realisierung! Etwas erzeugen, bedeutet nichts, man muß verkaufen; und um zu verkaufen, muß man mit aller Welt in guten Beziehungen stehen.«

»Ich werde die Leute der Gegend für mich haben.«

»Und wodurch?« fragte Sibilet.

»Indem ich ihnen Gutes tue.«

»Den Bauern des Tales, den Kleinbürgern von Soulanges Gutes tun!« sagte Sibilet, infolge der Ironie, die in einem seiner Augen stärker flammte als im anderen, schrecklich schielend. »Der Herr Graf weiß nicht, was er unternehmen will! Unser Herr Jesus Christus würde hier ein zweites Mal am Kreuze sterben! . . . Wenn Sie Ihre Ruhe haben wollen, Herr Graf, ahmen Sie die verstorbene Mademoiselle Laguerre nach, lassen sich plündern oder jagen den Leuten Angst ein. Das Volk, die Weiber und die Kinder lassen sich durch den Schrecken regieren. Das war das große Geheimnis des Konvents und des Kaisers.«

»Ei, wir sind also im Walde von Boudy!« rief Montcornet.

»Lieber Freund,« sagte Adeline, die gekommen war, zu Sibilet, »dein Frühstück wartet auf dich.

Verzeihung, Herr Graf, aber er hat seit heute früh nichts zu sich genommen und ist schon bis Ronquerolles gewesen, um dort Getreide abzuliefern!«

»Gehen Sie, gehen Sie, Sibilet! . . .«

Am folgenden Morgen, nachdem er lange vor Tage aufgestanden war, kam der alte Kürassier durchs Avonnetor zurück, in der Absicht, mit seinem einzigen Wächter zu plaudern und dessen Ansichten zu erforschen.

Ein sieben- bis achthundert Arpent großes Stück des Waldes von Les Aigues zog sich die Avonne entlang, und um dem Flusse seine majestätische Physiognomie zu lassen, hatte man hohe Bäume auf der einen wie auf der anderen Seite dieses Kanals, der sich drei Meilen über in fast gerader Linie erstreckte, als Saum gelassen. Die Maitresse Heinrichs IV., der Les Aigues gehörte und die gerade so jagdlustig war wie der Béarnaiser, hatte 1593 eine stark gewölbte Brücke mit einem einzigen Bogen bauen lassen, um von diesem Teile des Waldes in den sehr viel ausgedehnteren zu gelangen, der für sie angekauft worden war und auf dem Hügel lag. Damals wurde das Avonnetor errichtet, um als Jagdtreffpunkt zu dienen, und man weiß, welche Pracht die Architekten für solche Gebäulichkeiten entfalteten, die dem größten Vergnügen des Adels und der Krone gewidmet waren. Von dort gingen sechs Alleen aus, deren Vereinigung einen Halbmond bildete. Im Mittelpunkte dieses Halbmondes erhob sich ein Obelisk, welcher von einer einstmals vergoldeten Sonne überragt wurde, die auf einer Seite das Wappen von Navarra, und auf der anderen das der Gräfin von Moret führte. Ein anderer Halbmond, der am Avonneufer angelegt worden war, stand mit dem des Treffpunkts durch eine gerade Allee in Verbindung, an deren Ende man den eckigen Rücken dieser Brücke in venezianischem Geschmacke sah. Zwischen zwei schönen Gittern von ähnlichem Charakter wie der des prachtvollen, so bedauerlicherweise demolierten Gitters in Paris, das den Garten der Place Royale umgab, erhob sich ein Backsteinpavillon mit Lisenen aus Haustein in Diamantrustika wie beim Schlosse mit ganz spitzem Dache und Fenstern, die gleichfalls mit in gleicher Weise behandelten Hausteineinfassungen versehen waren. Dieser alte Stil, der dem Pavillon einen königlichen Charakter verlieh, steht in Städten nur Gefängnissen wohl an, inmitten der Wälder jedoch erhält er durch die Umgebung einen besonderen Glanz. Ein dichtes Gehölz bildete einen Vorhang, hinter welchem der Hundestall, eine alte Falknerei, und die Pikörwohnungen, nachdem sie Burgunds Bewunderung gebildet hatten, verfielen.

Im Jahre 1595 brach von diesem prächtigen Pavillon eine königliche Jagd auf, voran jene von Paul Veronese und Rubens so geliebten Hunde, eine Gesellschaft auf stampfenden Pferden mit breiter bläulicher und weißer atlasartiger Kruppe, wie es sie nur auf Wouwermans wunderbaren Bildern gibt, gefolgt von jenen Dienern in großer Livree, angefeuert von jenen Pikören in Stulpenstiefeln und gelben Lederhosen, die van der Meulens große Leinwände füllen. Der zur Feier des Aufenthalts des Béarnaisers und seiner Jagd mit der schönen Gräfin von Moret errichtete Obelisk zeigte das Datum derselben unter dem Wappen von Navarra. Diese eifersüchtige Geliebte, deren Sohn legitimiert wurde, wollte dort das Wappen Frankreichs, das sie vom Throne ausschloß, nicht darauf figurieren sehen.

Im Augenblick, da der General das köstliche Bauwerk sah, grünte Moos auf den vier Dachflächen. Die von der Zeit zernagten Steine der Lisenen schienen aus tausend offenen Mündern Entweihung zu verkünden. Die auseinander klaffenden Bleifenster ließen die achteckigen Gläser der Scheiben, die der Augen beraubt zu sein schienen, herausfallen. Gelber Goldlack blühte zwischen den Balustraden, Efeu zwängte seine weißen und behaarten Klammerwurzeln in alle Löcher.

Alles zeugte anklagend von jener gemeinen Nachlässigkeit, dem Siegel, das von den Nutznießern allem, was sie besitzen, aufgedrückt wird. Zwei Fenster im ersten Stock waren mit Heu verstopft. Durch ein Fenster des Erdgeschosses blickte man in einen Raum voller Handwerkszeug und Reisigbündel, und durch ein anderes bekundete eine Kuh, indem sie ihr Maul zeigte, den Besuchern, daß Courte-Cuisse, um sich den Weg zu ersparen, der den Pavillon von der Fasanerie trennte, den großen Saal des Pavillons in einen Stall verwandelt hatte. Einen Saal mit einer kassettierten Decke, auf welcher die Wappen aller Besitzer von Les Aigues gemalt waren . . .

Schwarzes und schmutziges Pfahlwerk verunzierte die Zugänge zum Pavillon, die unter Bretterdächern Schweine, Hühner und Enten in kleinen quadratischen Abteilungen beherbergten, deren Mist alle sechs Monate entfernt wurde. Lumpen trockneten auf den Brombeersträuchern, die hier und da unverschämt wucherten.

Im Augenblick, da der General durch die Brückenallee anlangte, reinigte Madame Courte-Cuisse einen Tiegel, in welchem sie eben Milchkaffee gekocht hatte. Der Wächter saß auf einem Stuhle in der Sonne und sah seine Frau an wie ein Wilder die seinige betrachtet hätte. Als er das Pferdegetrappel hörte, wandte er den Kopf, erkannte den Herrn Grafen und machte ein verblüfftes Gesicht.

»Nun, Courte-Cuisse, mein Junge,« sagte der General zu dem alten Wächter, »ich wundere mich nicht, daß man mir meine Bäume abschneidet, ehe die Herrn Gravelot sie holen. Du hältst deine Stelle für eine Sinekure!«

»Meiner Treu, Herr Graf, ich bringe so viele Nächte in Ihren Wäldern zu, daß ich eine Erkältung erwischt habe. Ich hab' heute morgen so viele Schmerzen, und meine Frau macht grade den Topf rein, in dem sie meinen Breiumschlag erwärmt hat.«

»Mein Lieber,« sagte der Graf zu ihm, »ich kenne keine andere Krankheit als den Hunger, für den Umschläge von Milchkaffee gut sind. Höre, Schelm, ich hab' gestern meinen Wald und die der Herrn von Ronquerolles und von Soulanges besichtigt. Ihre sind vortrefflich behütet, und meiner ist in einem jämmerlichen Zustande . . .«

»Ach, Herr Graf; die sind alteingesessen im Lande, die! Man schont ihre Besitzungen. Wie soll ich mich denn mit sechs Gemeinden herumschlagen! Mein Leben ist mir lieber als Ihre Wälder. Ein Mann, der Ihre Forsten, wie es sich gehört, bewachen wollte, würde als Belohnung in einem Ihrer Waldwinkel eine Kugel in den Schädel kriegen!«

»Feigling!« rief der General, indem er die Wut bändigte, die Courte-Cuisses unverschämte Antwort in ihm auflodern ließ. »Heute Nacht war's herrliches Wetter, doch das kostet mich dreihundert Franken für den Augenblick und tausend Franken Schaden für die Zukunft . . . Sie werden hier, mein Lieber, wenn sich die Dinge nicht ändern, herausgesetzt. Für jede Sünde Barmherzigkeit. Hier sind meine Bedingungen: Ich überlasse Ihnen den Ertrag der Geldbußen; außerdem sollen Sie drei Franken fürs Protokoll haben. Wenn ich dabei nicht auf meine Rechnung komme, werden Sie die Ihrige haben und ohne Pension; während Sie, wenn Sie mir treu dienen, wenn es Ihnen gelingt, die Verwüstungen zu unterdrücken, dreihundert Franken Rente haben können. Ueberlegen Sie sich das. Hier sind sechs Wege,« sagte er auf die sechs Alleen hinweisend, »einen davon muß man einschlagen wie ich, der ich keine Angst vor Kugeln habe. Trachtet, den richtigen zu finden.«

Courte-Cuisse, ein kleiner sechsundvierzigjähriger Mann mit einem Vollmondgesicht, hatte die größte Freude am Nichtstun. Er rechnete damit, in diesem Pavillon, der sein Pavillon geworden war, zu leben und zu sterben. Seine beiden Kühe fanden ihre Nahrung im Walde, er hatte sein Holz und bebaute seinen Garten, anstatt Missetätern nachzulaufen. Diese Sorglosigkeit hatte Gaubertin auf dem Gewissen, denn Courte-Cuisse hatte Gaubertin verstanden. Der Wächter machte also nur Jagd auf die Holzsammler, um seinen kleinen Haß zu befriedigen. Er verfolgte die Mädchen, welche sich seinem Willen nicht fügten, und Leute, die er nicht liebte. Doch seit langem haßte er keinen Menschen mehr, da er von jedermann seiner Umgänglichkeit wegen geliebt wurde. Für Courte-Cuisse war der Tisch im Grand-I-Vert stets gedeckt; die Holzsammler leisteten ihm keinen Widerstand mehr; sein Weib und er empfingen von allen Plünderern Geschenke in Naturalien. Man brachte ihm sein Holz ins Haus und man bearbeitete seinen Weinberg. Kurz, er fand in allen seinen Delinquenten Diener.

Da er durch Gaubertin seiner Zukunft fast sicher war und auf zwei Arpents rechnete, wenn Les Aigues verkauft würde, wurde er aus seinem Traume durch das trockene Wort des Generals jäh aufgeschreckt, der endlich nach vier Jahren die Natur eines Bourgeois enthüllte, der entschlossen ist, sich nicht länger betrügen zu lassen. Courte-Cuisse nahm seine Mütze, seine Jagdtasche, sein Gewehr, legte seine Gamaschen und sein Wehrgehenk mit Montcornets neuem Wappen an, und ging mit jenem sorglosen Schritt, unter welchen die Landleute ihre tiefsten Gedanken verbergen, nach Ville-aux-Fayes, indem er die Wälder anschaute und seine Hunde herbeipfiff.

»Du beklagst dich über den Tapezier,« sagte Gaubertin zu Courte-Cuisse, »und dein Glück ist gemacht! Wie, der Einfaltspinsel gibt dir drei Franken für ein Protokoll und die Bußgelder? Sieh zu, daß du mit Freunden handelseins wirst; du kannst ihrer aufnehmen, soviel du willst, solcher Protokolle. Kannst sie ihm hundertweise bringen! Mit tausend Franken kannst du Rigou die Bâchelerie abkaufen, Bürger werden, für dich zu Hause arbeiten, oder vielmehr andere arbeiten, und dich ausruhen lassen! Nur – merk wohl auf: richte es so ein, daß du mir Leute verfolgst, die nackt sind wie Eier. Was keine Wolle hat, schert man nicht! Nimm, was der Tapezier dir anbietet, und laß ihn Kosten ernten, wenn's ihm Spaß macht. Jedes Tierchen hat sein Pläsierchen. Hat der Vater Mariotte nicht trotz meinem Rat lieber Verluste als Gewinste eingeheimst?«

Von Bewunderung für Gaubertin durchdrungen, kehrte Courte-Cuisse ganz heiß von dem Wunsche zurück, endlich Besitzer und Bürger wie die anderen zu werden.

Nach Hause zurückgekommen, erzählte der General de Montcornet Sibilet seine Expedition.

»Der Herr Graf hat recht getan,« antwortete der Verwalter, sich die Hände reibend; »doch auf so gutem Wege darf man nicht stehen bleiben. Der Feldhüter, der unsere Wiesen und unsere Aecker verwüsten läßt, müßte gewechselt werden. Der Herr Graf könnte sich leicht zum Bürgermeister ernennen lassen und anstelle von Vaudoyer einen alten Soldaten nehmen, der den Mut hat, die Instruktionen auszuführen. Ein Großgrundbesitzer muß Herr bei sich sein. Sehen Sie, welche Schwierigkeiten wir mit dem augenblicklichen Bürgermeister haben!«

Der Bürgermeister der Gemeinde Blangy, namens Rigou, ein ehemaliger Benediktiner, hatte sich im letzten Jahre der Republik mit der alten Dienerin des Pfarrers von Blangy verheiratet. Trotz des Widerwillens, den ein verheirateter Mönch der Präfektur einflößen mußte, machte man ihn 1815 zum Bürgermeister, denn er allein fand sich in Blangy als geeignet, diesen Posten auszufüllen. Als jedoch 1817 der Bischof den Abbé Brossette als Vikar in den Kirchensprengel Blangy gesandt hatte, der seit fünfundzwanzig Jahren des Pfarrers beraubt war, zeigte sich natürlicherweise eine heftige Meinungsverschiedenheit zwischen dem Apostaten und dem jungen Geistlichen, dessen Charakter bereits bekannt ist.

Der Krieg, welcher sich von der Zeit an zwischen der Bürgermeisterei und dem Pfarrhaus entwickelte, machte den bis dahin verachteten Beamten volkstümlich. Rigou, den die Bauern seiner wucherischen Kombinationen wegen verwünschten, repräsentierte auf einmal ihre politischen und finanziellen Interessen, die angeblich von der Restauration und vor allem vom Klerus bedroht wurden.

Nachdem der Constitutionnel, das Hauptorgan des Liberalismus, vom Café de la Paix aus bei allen Beamten herumgegangen war, kam er am siebenten Tage zu Rigou zurück; denn das Abonnement, das auf Vater Socquards, des Cafébesitzers, Namen ging, wurde von zwanzig Personen bezahlt. Rigou gab das Blatt an Langlumé, den Müller, weiter, der es in Fetzen an alle gab, die zu lesen verstanden. Die Pariser Leitartikel und die antireligiösen Enten des liberalen Blattes bildeten also im Tale von Les Aigues die öffentliche Meinung. So wurde Rigou, ebenso wie der »verehrungswürdige« Abbé Grégoire, ein Held. Bei ihm wie bei gewissen Pariser Bankiers deckte die Politik mit dem populären Purpur schändliche Erpressungen zu.

In diesem Augenblick wurde der abtrünnige Mönch ähnlich François Keller, dem großen Redner, für einen Verteidiger der Rechte des Volkes gehalten, er, der unlängst noch bei sinkender Nacht nicht in den Feldern spazieren gegangen sein würde, aus Furcht dort in eine Falle zu geraten, wo er einen zufälligen Tod erleiden möchte. In der Politik einen Menschen verfolgen, heißt nicht nur ihn größer machen, sondern auch noch seine Vergangenheit für unschuldig erklären. In dieser Beziehung war die liberale Partei eine große Wundertäterin. Ihr unheilvolles Journal, das damals die Klugheit hatte, ebenso platt, ebenso verleumderisch, ebenso leichtgläubig, ebenso dumm und hinterlistig zu sein, wie alle die Publika, aus denen sich die Volksmasse zusammensetzt, hat vielleicht ebensoviele Verheerungen unter den Privatinteressen wie in der Kirche angerichtet.

Rigou hatte sich geschmeichelt, in einem in Ungnade gefallenen napoleonischen General, in einem durch die Revolution emporgekommenen Kinde des Volkes, einen Feind der Bourbonen und der Priester zu finden, doch im Interesse seiner heimlichen Ehrgeizregungen richtete der General es während seiner ersten Aufenthalte in Les Aigues ein, Monsieur und Madame Rigous Besuche zu entgehen.

Wenn ihr das furchtbare Gesicht Rigous, des Luchses des Tales, aus der Nähe gesehen hättet, würdet ihr die Größe des zweiten Hauptfehlers begriffen haben, welchen der General seine aristokratischen Ideen begehen ließen, und den die Gräfin durch eine Ungehörigkeit, die ihren Platz in Rigous Geschichte finden sollte, verschlimmerte.

Wenn Montcornet sich des Bürgermeisters Wohlwollen erschlichen, wenn er die Freundschaft, vielleicht auch den Einfluß des Renegaten gesucht hätte, würde er Gaubertins Einfluß paralysiert haben. Statt dessen waren drei Prozesse, von denen Rigou schon einen gewonnen hatte, zwischen dem General und dem Exmönch beim Gerichte in Ville-aux-Fayes anhängig. Bis zu diesem Tage war Montcornet so sehr mit seinen Eitelkeitsinteressen und seiner Heirat beschäftigt gewesen, daß er sich Rigous nicht mehr erinnerte. Doch sobald ihm von Sibilet der Rat gegeben wurde, sich an Rigous Stelle setzen zu lassen, forderte er Postpferde und machte dem Präfekten eine Visite.

Der Präfekt, der Graf Martial de la Roche-Hugon, war seit 1804 mit dem General befreundet. Ein Wort, das der Staatsrat Montcornet gegenüber gelegentlich einer Unterhaltung in Paris geäußert, bestimmte die Erwerbung von Les Aigues. Der Graf Martial, Präfekt unter Napoleon, war unter den Bourbonen Präfekt geblieben und schmeichelte dem Bischof, um sich in seinem Amte zu behaupten. Nun hatte Hochwürden bereits mehrere Male um Rigous Absetzung gebeten. Den Grafen Martial, dem der Zustand der Gemeinde wohl bekannt war, entzückte des Generals Bitte, und dieser hatte im Laufe eines Monats seine Ernennung in der Tasche.

Ein ganz natürlicher Zufall wollte, daß der General während seines Aufenthalts in der Präfektur, wo sein Freund wohnte, einem Unteroffizier der ehemaligen kaiserlichen Garde begegnete, dem man sein Ruhegehalt streitig machte. Schon einmal hatte der General diesen braven Reiter namens Groison in irgendeiner Sache protegiert. Dieser erinnerte sich dessen und erzählte ihm seine Schmerzen; er war ohne alle Geldmittel. Montcornet versprach Groison, die ihm geschuldete Pension durchzusetzen und schlug ihm die Feldhüterstelle in Blangy als ein Mittel vor, sich ihm gegenüber dankbar zu erweisen, indem er sich seinen Interessen widme. Die Einsetzung des neuen Bürgermeisters und neuen Flurschützen fand zu gleicher Zeit statt, und der General gab, wie man sich denken kann, seinem Soldaten eingehende Instruktionen.

Vaudoyer, der abgesetzte Feldwächter, ein Bauer aus Ronquerolles, taugte wie die meisten Flurschützen nur zum Spazierengehen, Dummheitentreiben und sich von den Armen, die nichts lieber taten, als diese subalterne Autorität, diesen vorgeschobenen Posten des Besitztums, zu bestechen, verwöhnen zu lassen. Er kannte den Brigadier von Soulanges; denn da die Gendarmeriebrigadiers fast richterliche Funktionen in der Untersuchung von Kriminalprozessen ausüben, stehen sie mit den Flurschützen, ihren natürlichen Spionen, in Beziehung. Soudry schickte ihn also zu Gaubertin, der Vaudoyer, seinen alten Bekannten, sehr gut aufnahm und ihm zu trinken einschenkte, während er der Geschichte seiner Nöte lauschte.

»Mein lieber Freund,« sagte zu ihm der Bürgermeister von Ville-aux-Fayes, der mit jedem seine Sprache zu sprechen wußte, »was dir geschieht, steht uns allen bevor. Die Adligen sind zurückgekehrt und die vom Kaiser mit Titeln versehenen machen gemeinsame Sache mit ihnen. Alle wollen sie das Volk erdrücken, die alten Gesetze wieder einführen und uns unsere Güter fortnehmen; aber wir sind Burgunder, wir müssen uns verteidigen und die Arminacs nach Paris zurückschicken. Geh wieder nach Blangy, du sollst für Monsieur Polissards, des Holzsteigerers in Ronquerolles, Rechnung Holzaufseher werden. Geh, mein Junge, ich werd' schon Gelegenheit finden, dich das ganze Jahr über zu beschäftigen. Denk' aber daran, daß uns das Holz gehört! Daß kein Delikt vorkommt, oder es ist um dich geschehen! Schicke alle Holzsammler nach Les Aigues! Endlich, wenn es Bündelholz zu verkaufen gibt, soll man unseres kaufen, nie das von Les Aigues. Du wirst schon wieder Flurschütze werden, das dauert nicht mehr lange! Der General wird's satt kriegen, inmitten von Dieben zu leben! Weißt du, daß der Tapezier mich selber einen Dieb genannt hat? Mich, den Sohn des rechtlichsten der Republikaner! Mich, den Schwiegersohn Mouchons, des berühmten Repräsentanten des Volkes, der ohne einen Pfennig für sein Begräbnis gestorben ist!«

Der General erhöhte das Gehalt »seines« Flurschützen auf dreihundert Franken und ließ eine Bürgermeisterwohnung bauen, in der er ihn unterbrachte. Dann verheiratete er ihn mit der Tochter eines seiner Pächter, der gerade gestorben war und sie als Waise mit drei Arpent Weinbergen zurückgelassen hatte. Groison hing also an dem General wie ein Hund an seinem Herrn. Diese legitime Treue wurde von der ganzen Gemeinde zugegeben. Der Feldhüter war gefürchtet und respektiert, aber wie ein Kapitän auf seinem Schiff, wenn er bei der Mannschaft nicht beliebt ist; auch behandelten ihn die Bauern wie einen Aussätzigen. Dieser Beamte, der mit Schweigen oder mit einem Spott, der sich hinter Biederkeit verbarg, aufgenommen wurde, war eine von anderen Wachen überwachte Wache. Er vermochte nichts gegen die Uebermacht. Die Delinquenten belustigten sich damit, sich zu unfeststellbaren Straftaten zu verschwören, und der alte Schnauzbart ärgerte sich über seine Ohnmacht. Groison fand in seinen Funktionen den Reiz eines Freibeuterkrieges und das Vergnügen einer Jagd, der Jagd auf Vergehen. Durch den Krieg an jene Biederkeit, die in gewissem Sinne darin besteht, offenes Spiel zu spielen, gewöhnt, hatte dieser Feind des Verrats einen Widerwillen gegen Menschen, die perfid in ihren Berechnungen und geschickt in ihren Diebstählen waren und seine Eigenliebe verletzten. Er bemerkte bald, daß alle anderen Besitzungen geschont wurden; die Vergehen wurden einzig und allein auf dem Boden von Les Aigues begangen. Er verachtete daher die Bauern, die undankbar genug waren, einen General des Kaiserreichs zu plündern, einen wirklich guten und edelmütigen Mann. Und zur Verachtung gesellte sich bald der Haß. Aber er vervielfachte sich vergebens, er konnte sich nicht überall zeigen, und die Feinde begingen überall zu gleicher Zeit Missetaten. Groison setzte seinem General die Notwendigkeit auseinander, eine vollkommen kriegsmäßige Verteidigung zu organisieren, indem er ihm die Unzulänglichkeit seiner Ergebenheit bewies und ihm die üble Gesinnung der Talbewohner offenbarte.

»Es steckt irgendwas dahinter, Herr General,« sagte er zu ihm; »die Leute hier sind zu keck, vor nichts haben sie Angst; es sieht so aus, als ob sie auf den lieben Gott rechneten!«

»Wir werden sehen!« antwortete der Graf.

Ein verhängnisvolles Wort! Für große Politiker hat das Verbum sehen kein Futurum.

In diesem Augenblick mußte Montcornet eine Schwierigkeit beseitigen, die ihm dringlicher erschien: es fehlte ihm ein alter ego, das ihn im Bürgermeisteramt während der Zeit seines Aufenthalts in Paris vertrat. Genötigt, als Beisitzenden einen Mann zu suchen, der zu lesen und zu schreiben verstand, sah er in seiner ganzen Gemeinde nur Langlumé, den Pächter seiner Mühle. Diese Wahl war grundschlecht. Nicht nur waren die Interessen des General-Bürgermeisters und des Beigeordneten-Müllers diametral entgegengesetzt, Langlumé machte auch noch verdächtige Geschäfte mit Rigou, welcher ihm das für seinen Handel oder seine Ankäufe nötige Geld vorstreckte. Der Müller kaufte den Grasschnitt der Schloßwiesen, um seine Pferde zu füttern, und dank seinen Machenschaften konnte Sibilet ihn nur an ihn verkaufen. Alle Wiesen der Gemeinde wurden vor denen von Les Aigues zu guten Preisen überlassen, und da die von Les Aigues zuletzt an die Reihe kamen, erlitten sie, obwohl sie besser waren, eine Preisminderung. Langlumé wurde also ein provisorischer Beigeordneter. In Frankreich jedoch währt das Provisorium ewig, wiewohl die Franzosen im Rufe stehen, die Veränderung zu lieben. Der von Rigou beratene Langlumé spielte vor dem General den ergebenen Mann; er war also Beigeordneter in dem Augenblicke, wo dank der Allmacht des Geschichtschreibers dieses Drama anhebt.

In des Bürgermeisters Abwesenheit herrschte Rigou, der notwendigerweise Ratsmitglied der Gemeinde war, dort unbestritten und ließ Entschlüsse fassen, die den Interessen des Grafen entgegenliefen. Bald veranlaßte er dort Ausgaben, die nur für die Bauern von Nutzen waren, und deren Hauptanteil Les Aigues zur Last fiel, das infolge seiner Ausdehnung zwei Drittel der Steuern bezahlte. Bald verweigerte man dort nützliche Geldaufwendungen, wie einen Gehaltszuschuß für den Abbé, die Wiederherstellung des Pfarrhauses oder das Gehalt eines Schulmeisters.

»Wenn die Bauern zu lesen und zu schreiben verständen, was würde dann aus uns?« sagte Langlumé ganz unbefangen zum General, um diesen antiliberalen Entschluß zu rechtfertigen, den man gegen einen Bruder der Christlichen Lehre gefaßt hatte, welchen der Abbé Brossette in Blangy einzuführen versucht hatte.

Bei seiner Rückkehr von Paris machte sich der General, entzückt von seinem alten Groison, auf die Suche nach einigen Militärveteranen der kaiserlichen Garde, mit welchen er seine Verteidigung von Les Aigues auf furchtbarem Fuße organisieren konnte. Durch vieles Suchen und Herumfragen bei seinen Freunden und Offizieren auf Halbsold gelang es ihm, Michaud aufzuspüren, einen alten Oberquartiermeister bei den Kürassieren der Garde, einen jener Männer, die man beim Kommiß in der Soldatensprache »hartgesotten« nennt, eine der Biwakküche entlehnte Bezeichnung, wo es mehr als einmal zähes Hammelfleisch mit Rüben gibt. Michaud suchte unter seinen Bekannten drei Männer aus, die fähig waren, seine Mitarbeiter zu sein und Wächter ohne Furcht und Tadel zu werden.

Der erste, namens Steingel, ein Elsässer reinsten Bluts, war der natürliche Sohn eines Generals dieses Namens, der bei Bonapartes ersten Erfolgen zu Beginn des italienischen Feldzuges fiel. Groß und kräftig, gehörte er zu jener Art von Soldaten, die wie die Russen zu absolutem und passivem Gehorsam geschaffen sind. Nichts hinderte ihn an der Ausführung seiner Pflichten; kalten Blutes würde er einen Kaiser oder den Papst ermordet haben, wenn er Befehl dazu erhalten hätte. Für ihn gab es keine Gefahr. Als unerschrockener Legionär hatte er in sechzehn Kriegsjahren nicht die mindeste Schramme abgekriegt. Er schlief mit stoischem Gleichmut unter freiem Himmel oder in seinem Bette. Wurde die Last seiner Obliegenheiten vergrößert, so sagte er nur: »Es scheint heute so sein zu sollen!«

Der zweite, namens Vatel, ein Kind der Truppe, Korporal der Füsiliere, war lustig wie ein Fink, ein bißchen leichtsinnig dem schönen Geschlecht gegenüber, ohne irgendwelchen religiösen Grundsatz, tapfer bis zur Unbesonnenheit und würde seinen Kameraden lachend niedergeknallt haben. Ohne Fortkommen, nicht wissend, welchen Beruf er ergreifen sollte, sah er in den ihm vorgeschlagenen Funktionen einen lustigen Kleinkrieg, und da die große kaiserliche Armee ihm die Religion ersetzte, schwor er dem tapferen Montcornet für und gegen alles zu dienen. Er war eine jener recht eigentlich händelsüchtigen Naturen, denen das Leben ohne Feinde fade vorkommt, kurz, der geborene Sachwalter, der natürliche Polizeiagent. So würde er denn auch ohne die Anwesenheit des Gerichtsdieners die Tonsard und ihr Holzbündel mitten im Grand-I-Vert gepackt und das Gesetz über die Unverletzlichkeit der Behausung zum Henker geschickt haben.

Der dritte, namens Gaillard, ein alter, von Wunden durchlöcherter Soldat, der Unterleutnant geworden war, gehörte zu der arbeitenden Soldatenklasse. Das Los des Kaisers vor Augen, erschien ihm alles gleichgültig; er ging aber ebensoweit aus Sorglosigkeit wie Vatel aus Leidenschaft. Mit einer natürlichen Tochter belastet, fand er in dieser Stellung eine Existenzmöglichkeit und nahm sie an, wie er Dienst in einem Regiment genommen haben würde. Als der General in Les Aigues eintraf, wo er vor seinen Soldaten anlangte, um Courte-Cuisse fortzuschieben, war er über die unverschämte Keckheit seines Wächters verblüfft. Es gibt eine Art zu gehorchen, die beim Sklaven den blutigsten Spott über den Befehl erkennen läßt. In den menschlichen Dingen kann alles bis zum Unsinn getrieben werden, und Courte-Cuisse hatte die Grenzen desselben überschritten.

Hundertsechsundzwanzig Protokolle, aufgenommen gegen Missetäter, die in der Mehrzahl mit Courte-Cuisse unter einer Decke steckten, waren vor das Friedensgericht gebracht worden, das polizeigerichtlich in Soulanges aburteilte, und hatten Anlaß zu neunundsechzig regelrecht ausgefertigten und beförderten Urteilen gegeben, kraft welcher Brunet, der entzückt war über einen so unverhofften Fund, die durchaus notwendigen Akten hergestellt hatte, um zu dem zu gelangen, was man im Gerichtsstile Karenzprotokolle nennt, ein kläglicher Notfall, vor dem die Macht der Justiz aufhört. Es ist ein Akt, in dem der Gerichtsschreiber feststellt, daß die verfolgte Person nichts besitzt und sich im Zustande völliger Armut befindet. Da, wo es nichts gibt, verliert der Gläubiger ebenso wie der König das Recht . . . der Verfolgung. Die mit Bedacht ausgesuchten Armen wohnten in fünf benachbarten Gemeinden, wohin sich der Gerichtsdiener, immer in Begleitung seiner Sachverständigen, Vermichel und Fourchon, begeben hatte. Monsieur Brunet hatte Sibilet die Akten ausgehändigt, indem er ihnen eine Kostenrechnung von fünftausend Franken beifügte und ihn bat, den Grafen von Montcornet um neue Befehle anzugehen.

Im Moment, wo der mit den Aktenstößen bewaffnete Sibilet dem Vorgesetzten ruhig das Ergebnis der Courte-Cuisse allzu summarisch erteilten Befehle auseinandergesetzt hatte und mit ruhiger Miene eine der wildesten Zornaufwallungen mit ansah, die ein General der französischen Kavallerie jemals gehabt hat, erschien Courte-Cuisse, um seinem Herrn seine Aufwartung zu machen und ihn um etwa elfhundert Franken zu bitten, die Summe, auf welche sich die versprochenen Gratifikationen beliefen. Da ging die Natur mit dem General durch und riß ihn fort, so daß er weder an seine Grafenkrone noch an seine Stellung dachte; er wurde wieder Kürassier und spie Beleidigungen aus, derer er sich später schämen mußte.

»Ach, elfhundert Franken?« schrie er, »elfhundert Ohrfeigen! Elfhundert Tritte in den Hintern! . . . Glaubst du, ich kenne mich nicht aus? . . . Mach, daß du fortkommst, oder ich schlage dich zu Brei!« . . .

Beim Anblick des wild gewordenen Generals und bei seinen ersten Worten war Courte-Cuisse wie eine Schwalbe geflohen.

»Herr Graf,« sagte Sibilet ganz leise, »Sie haben unrecht!«

»Ich habe unrecht! . . . Ich? . . .«

»Mein Gott, Herr Graf, nehmen Sie sich in acht, Sie werden einen Prozeß mit dem Schelm bekommen.«

»Ich pfeife auf den Prozeß . . . Gehen Sie, der Schuft soll sofort weg; wachen Sie darüber, daß er alles daläßt, was mir gehört, und rechnen Sie mit ihm ab.«

Vier Stunden später sprach die ganze Gegend in ihrer Weise über diese Szene. Der General, hieß es, hätte den unglücklichen Courte-Cuisse halbtotgeschlagen; er verweigerte ihm sein Gehalt, hielt die ihm gebührenden zweitausend Franken zurück.

Von neuem liefen die merkwürdigsten Reden auf Kosten des Bourgeois von Les Aigues um; man hielt ihn für verrückt. Am folgenden Morgen brachte Brunet, der auf des Grafen Kosten protokolliert hatte, ihm in Courte-Cuisses Namen eine Vorladung vors Friedensgericht. Der Löwe mußte von tausend Mücken gestochen werden; seine Höllenpein sollte erst anfangen.

Die Installation eines Wächters geht nicht ohne einige Förmlichkeiten vor sich; er muß vor dem Gerichtshof erster Instanz schwören; einige Tage vergingen also, ehe die drei Wächter mit ihrer offiziellen Vollmacht versehen waren. Obwohl der General Michaud geschrieben hatte, er möge mit seiner Frau kommen, ohne zu warten, bis der Pavillon am Avonnetor zum Einzug hergerichtet sei, wurde der zukünftige Hauptwächter durch Vorbereitungen für seine Heirat und durch die Verwandten seiner Frau, die nach Paris gekommen waren, zurückgehalten und konnte erst nach vierzehn Tagen eintreffen.

Während dieser vierzehn Tage und infolge der Erfüllung der Formalitäten, zu denen man sich in Ville-aux-Fayes ziemlich widerwillig herbeiließ, wurde der Wald von Les Aigues durch die Plünderer verwüstet, welche die Zeit benutzten, da er von niemandem bewacht wurde.

Ein großes Ereignis bildete im Tale von Conches bis Ville-aux-Fayes das Erscheinen der in grünes Tuch – des Kaisers Farbe – gekleideten und prächtig gehaltenen drei Wächter, deren Gesichter einen soliden Charakter anzeigten. Alle waren sie gut zu Fuße, flink und fähig, die Nächte in den Waldungen zuzubringen.

Im ganzen Bezirk war Groison der einzige, der die Veteranen feierte. Entzückt von einer derartigen Verstärkung, ließ er einige Drohworte gegen die Diebe vom Stapel, denen man binnen kurzem gehörig zusetzen würde und die unmöglich weiter Schaden anrichten dürften. So fehlte es diesem lebhaften und zugleich unerbittlichen Kriege nicht an der üblichen Proklamation.

Sibilet bezeichnete die Gendarmerie von Soulanges im allgemeinen, und vor allem ihren Chef Soudry, als Les Aigues durchaus und heimlich feindlich gesinnt und ließ durchblicken, von welchem Nutzen eine von gutem Willen beseelte Abteilung für ihn sein würde.

»Mit einem guten Brigadier und Ihren Interessen ergebenen Gendarmen werden Sie das Land im Zaum halten können!« sagte er.

Der Graf eilte zur Präfektur, wo er bei dem General, der die Division befehligte, Soudrys Pensionierung und seine Ersetzung durch einen gewissen Viallet, einen ausgezeichneten Gendarmen des Hauptortes, den der General und der Präfekt rühmten, erlangte. Die Gendarmen der Abteilung von Soulanges, die durch den Obersten der Gendarmen, einen alten Kameraden Montcornets, alle nach anderen Orten des Bezirks versetzt wurden, erhielten auserlesene Leute zu Nachfolgern, denen insgeheim der Befehl erteilt worden war, darüber zu wachen, daß die Besitzungen des Grafen von Montcornet fortan keinen Schaden erlitten; besonders befahl man ihnen an, sich nicht von den Soulanger Einwohnern gewinnen zu lassen.

Dieser letzte Umschwung, der mit einer Schnelligkeit betrieben worden war, die keine Gegenwirkung zuließ, setzte Ville-aux-Fayes und Soulanges in Erstaunen. Soudry, der sich abgesetzt sah, beklagte sich, und Gaubertin fand Mittel und Wege, ihn zum Bürgermeister ernennen zu lassen, um die Gendarmerie unter seinen Befehl zu bekommen. Man zeterte sehr über die Tyrannei. Montcornet wurde überall verhaßt. Nicht nur fünf oder sechs Existenzen wurden so durch ihn verändert, sondern auch viele Eitelkeiten gekränkt. Die Bauern, welche durch die Worte, die den Kleinbürgern von Soulanges und denen von Ville-aux-Fayes, Rigou, Langlumé, Monsieur Guerbet, dem Postmeister von Conches, entschlüpften, aufgeregt worden waren, glaubten drauf und dran zu sein, zu verlieren, was sie ihre Rechte nannten.

Der General unterdrückte den Prozeß mit seinem alten Wächter, indem er allen seinen Forderungen nachkam.

Courte-Cuisse kaufte sich für zweitausend Franken eine kleine, von Les Aigues eingeschlossene Domäne am Rande des Schlupfgebüschs, wo das Wild aus dem Walde trat. Rigou hatte die Bâchelerie niemals hergeben wollen, machte sich aber ein boshaftes Vergnügen daraus, sie mit fünfzig Prozent Nutzen an Courte-Cuisse zu verkaufen. Der wurde also eine seiner zahlreichen Kreaturen; denn er hatte ihn durch den gestundeten Rest in der Hand, da der Exwächter nur tausend Franken anzahlte.

Die drei Wächter, Michaud und der Flurschütz führten also ein Guerillaleben. In den Wäldern schlafend, gingen sie sie unaufhörlich ab. Sie erlangten jene gründlichen Kenntnisse, aus denen sich das Wissen des Waldhüters zusammensetzt, das ihm Zeitverluste erspart, indem er die Nebenwege erforscht, sich mit den Holzarten und ihrem Vorkommen vertraut macht, und seine Ohren an die Erschütterungen und die verschiedenen Geräusche gewöhnt, welche in den Wäldern laut werden. Endlich beobachteten sie die verschiedenen Gesichter, ließen die verschiedenen Familien der verschiedenen Bezirksdörfer und die Individuen, aus denen sie sich zusammensetzten, ihre Sitten, ihren Charakter und ihre Existenzmittel vor sich Revue passieren. Eine Sache, die schwieriger ist, als man glaubt! Als die Bauern, die von Les Aigues lebten, so wohl berechnete Maßnahmen treffen sahen, setzten sie dieser intelligenten Polizei ein völliges Schweigen und eine spöttische Unterwürfigkeit entgegen. Vom ersten Augenblick an mißfielen Michaud und Sibilet sich gegenseitig. Der freimütige und rechtschaffene Militär, die Zierde der Unteroffiziere der jungen Garde, haßte die honigsüße Brutalität, die unzufriedene Miene des Verwalters, den er von Anfang an den »Chinesen« nannte. Bald durchschaute er die Einwände, mit denen Sibilet sich durchaus nützlichen Maßnahmen widersetzte, und die Gründe, mit denen er Dinge von zweifelhaftem Erfolge rechtfertigte. Anstatt den General zu beruhigen, reizte ihn Sibilet, wie man ja aus den kurzen Schilderungen hat merken müssen, unaufhörlich und stachelte ihn zu strengen Maßnahmen an, nicht ohne zu versuchen, ihn durch die überlegene Feindeszahl, durch die große Menge der Kleinlichkeiten und ewig neue und unbesiegbare Schwierigkeiten einzuschüchtern. Ohne zu erraten, daß Sibilet, der sich seit seiner Anstellung vorgenommen hatte, sich seinen Interessen gemäß zwischen dem General und Gaubertin selber einen Herrn zu wählen, die Rolle eines Spiones und bezahlten Unruhestifters spielte, erkannte Michaud in dem Verwalter eine habgierige und üble Natur. Auch war er sich über seine Rechtschaffenheit keineswegs im klaren. Die tiefe Feindschaft, welche die beiden höheren Beamten trennte, gefiel dem General übrigens. Der Haß veranlaßte Michaud, den Verwalter zu überwachen, eine Spionage, zu welcher er sich nie würde hergegeben haben, wenn ihn der General darum gebeten hätte.

Sibilet behandelte den Hauptwächter mit aller Zuvorkommenheit und schmeichelte ihm in niedriger Weise, ohne ihn aus einer ausnehmend höflichen Reserve herauslocken zu können, welche der biedere Militär wie eine Schranke zwischen sie stellte.

Nun, da diese einleitenden Einzelheiten bekannt sind, wird man das Interesse der Feinde des Generals sowie das der Unterhaltung durchaus verstehen, die er mit seinen beiden Dienern hatte.


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