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»Heinrich, komm! komm zurück! Das sind Deine Bäume, Dein Haus! Komm zu mir! Ich tanze Dir! Heinrich! Heinrich!«
So rief Frau Ceres.
»Kommen Sie,« sagte sie zu Fräulein Perini. »Seine Eriken müssen gut gepflegt werden, ich verstehe es, ich hab's von ihm gelernt. Gute Moorerde, die lassen wir trocknen und zerschlagen und sieben. Wenn er kommt, wird er sagen: das hast Du brav gemacht, Ceres; Du bist ganz gescheidt.«
Sie ging mit Fräulein Perini nach dem Treibhause und sagte mit Verständigkeit dem Obergärtner, wie er sorgsam darauf halten solle, daß die Luft bei den Eriken in mittlerer Temperatur und ständig feucht gehalten werde.
Fräulein Perini schickte einen Gartenburschen nach Erich, sie konnte es vor Beängstigung mit Frau Ceres allein nicht aushalten.
Frau Ceres war ganz ruhig; sie hob die Erikentöpfe etwas in die Höhe, um nachzusehen, ob die Untersetzer gehörig feucht seien; endlich wendete sie sich um und sagte:
»Es wäre Zeit, daß der Herr Hauptmann lernte, wie man die Pflanzen behandelt. Die Herren Gelehrten meinen immer, sie können von uns nichts lernen; von meinem Mann können sie sehr viel lernen. Mehr als zweihundert Sorten Eriken sind am Cap. Ja, Sie können es glauben. Er hat's gesagt. Nun wollen wir wieder ins Haus zurückgehen.«
Sie gingen und kamen auf den großen Platz, wo der See mit dem Springbrunnen war.
Plötzlich that Frau Ceres einen gellenden Schrei. Dort ging ein Mann im grauen Schnurenrock, mit ihm der Krischer.
»Heinrich! Heinrich! Da bist Du! Ich bin da. Komm. Warum wendest Du Dich ab.«
Der Mann wendete sich um, es war Adams. Frau Ceres schrie:
»Du bist in einen Neger verwandelt! Heinrich, wer hat Dir das gethan? Heinrich! Pfui! Thu die schwarze Haut ab, Heinrich!« schrie sie und sprang mit aller Kraft auf Adams zu und riß ihm die Kleider vom Leibe. Sie sank vor ihm nieder, sie wurde in Zuckungen von Adams und dem Krischer ins Haus getragen, als eben der Doctor und die Professorin ankamen.
Frau Ceres wurde nicht mehr zum Leben erweckt . . .
Manna und Roland knieten lautlos an der Leiche ihrer Mutter. Die schönen Blumen, die Sonnenkamp so sorgsam gepflegt, standen um die Leiche seiner Frau im Musiksaale.
Die Freunde kamen; sie umarmten und küßten Roland, auch Lina kam und umarmte Manna still; mit einem Händedruck, mit einer Umarmung sagte ein Jedes dem Leidtragenden: Ich bin bei Dir, ich möchte Dir helfen, ich lebe.
Auch Prancken erschien unter den Leidtragenden; er kniete an der Leiche nieder, neben ihm Fräulein Perini.
Die Leiche wurde in der Kirche eingesegnet, und von da wandelte das Gefolge nach dem Kirchhofe.
Knopf und der Lehrer Faßbender hatten den Gesangverein zusammen gebracht, sie sangen vor dem offenen Grabe. Roland stand an Erich gelehnt, Manna war von der Professorin und Claudine gehalten.
Der Gesang war zu Ende, der Pfarrer trat vor. Er ließ eine Weile still seinen Blick auf der Versammlung ruhen; kein Laut war vernehmbar, vom Walde hörte man nur die Elster schnattern und den Nußhäher kreischen.
Der Pfarrer sprach das Gebet um Sündenvergebung in das offene Grab hinein, dann weihte er das Grab mit den üblichen Worten, ließ Weihrauch darüber wehen und spritzte dreimal Weihwasser hinab. Jetzt bückte er sich, nahm die Schaufel und warf drei Schaufeln Erde hinab, indem er sprach: »Von Staub bist Du, zu Staub wirst Du.« Er erhob sich, sah die Versammlung ruhig an, sah still in das Antlitz der Leidtragenden, drückte das Gebetbuch an die Brust, und nachdem er einige allgemeine Betrachtungen ausgesprochen, rief er:
»Du armes reiches Kind aus der neuen Welt! Jetzt bist Du in der wahren neuen Welt. Du, Verewigte, bist jetzt geadelt, denn der Tod adelt und Du trägst einen Schmuck, schöner als alle Deine Diamanten, denn Du warst bei aller Weltlichkeit ein gläubig Gemüth; Du hast die Dornenkrone des Schmerzes getragen. Ihr aber, die Ihr lebendig hier steht, Euch rufe ich zu: Ihr könnt Landhäuser bauen, Ihr könnt sie schön ausstatten, aber es kommt der Fürst alles Lebens, der Tod. Ein Bretterhaus, das ist die Heimat, das ist das Landhaus, Jedem beschieden tief im Erdengrund. An jenen reichen Jüngling ging das Wort: Laß Alles hinter Dir und folge mir nach. Wollt Ihr auch weinend von dannen gehen, da Ihr von dem Besitzthum der Welt nicht lassen konntet? . . . O, ich rufe Euch – nein, der diesen Tag über uns heraufgeführt und der in dieses Grab hinunterschaut, hoch oben über Allem, er ruft Euch zu: Zerreißt die Bande der Sklaverei, Ihr selbst seid Sklaven! Seid frei! Du, edle Jungfrau, die Du das Beste in Dir gehegt, schau hinab in dieses Grab und hinaus über die Spanne Zeit, wo Dir solch eine Grube sich öffnet. Verschmähe die Hand nicht, die Dich retten will. Tage des Jammers, Nächte der Verlassenheit werden über Dich kommen. Du wirst am Tage fragen: wo bin ich und was soll ich auf der Welt? Und in die dunkle Nacht hinein wirst Du klagen und schaudern vor der Nacht des Todes. Du kanntest das Heil, Du trugst es in Dir. Und nun? Treulos . . . dreifach treulos! . . . Treulos an Dir, an Deinen Freunden und an Deinem Gott!«
Sich auf die Brust schlagend, mit thränengepreßter Stimme fuhr er fort:
»Wie gerne, wie freudig will ich sterben, ich, der hier zu Euch spricht, wenn ich sagen kann, ich habe Euch gerettet. Nein, nicht ich, der Geist hat Euch gerettet durch den Hauch meines Mundes. Kommt her, laßt Alles, was Euch hält, worauf Ihr Euch stützt – kommt her zu mir, Ihr Kinder des Schmerzes, zu mir, Ihr Kinder des Elends, des Leids, des Reichthums und der hilflosen Armuth!«
Er machte eine Pause, und als sich Niemand bewegte, fuhr er fort:
»Ich habe gesprochen, habe gemahnt, wie ich mußte und weil ich mußte. Ich rufe Dich an, deren Hülle wir jetzt der Erde übergeben, rufe Du Deinen Kindern zu: die drei Schollen sollt Ihr auf mein Grab werfen, wenn Eure Hand hingibt, was man das Besitzthum der Welt nennt, und was nichts ist als der Kaufpreis um die verlorne Seele. Thut Ihr es nicht, so beten wir für Euch, die Ihr todt seid im lebendigen Leibe, wie wir für Dich beten, die wir nun todten Leibes in die Grube senken, aber deren Seele aufgegangen ist in die Ewigkeit. Gib, daß Deine Kinder die Ewigkeit empfahen, die Ewigkeit allein . . .«
Der Pfarrer zitterte am ganzen Leibe und Roland bebte an der Seite Erichs.
Jetzt trat Weidmann an die andere Seite Rolands und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Das Grab wurde zugeschüttet. Der Pfarrer ging rasch von dannen; Prancken ging mit ihm; die Leidtragenden kehrten nach der Villa zurück. –
Roland war es zuerst, der sich ermannte und rief:
»Ich lasse mich nicht zerbrechen und knicken. Der schwarze Schrecken soll mich nicht verscheuchen.«
Auch Manna richtete sich auf.
Der Tod und die Erschütterung am Grabe der Mutter ward zur neuen Befestigung im Wesen der Kinder . . .
Am Tage nach dem Begräbniß bat Fräulein Perini um ihre Entlassung; sie erhielt noch die gesammte Garderobe der Frau Ceres. Sie ließ dieselbe in großen Kisten nach dem Pfarrhause bringen und reiste bald nach Italien zu der jungen Wittwe, der Tochter des Herrn von Endlich.