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»Heinrich, komm! Heinrich, komm zurück! Das sind Deine Bäume, Dein Haus! Komm zurück! Ich tanze Dir! Heinrich! Heinrich!«
So rief Frau Ceres.
Sie wollte auch gar nicht mehr essen, sie wollte warten, bis ihr Mann sagte: Liebes Kind, so genieße doch etwas. Nur auf eindringliches Zureden des Fräulein Perini nahm sie Speise zu sich.
Klagend ging sie durch die Gärten, durch die Treibhäuser.
Fräulein Perini hatte unsägliche Mühe, sie zu beruhigen.
Frau Ceres schalt auf den Gärtner, weil er die Wege reche, da seien Fußspuren von ihrem Manne, die dürfe man nicht verwischen, sonst müsse er sterben.
Am Fenster saß sie wieder stundenlang und schaute hinaus über den Strom, wo die Schiffe auf- und abgingen, zu den Bergen und Wolken, und leise klagte sie vor sich hin.
»Heinrich, ich habe Dich schwer gekränkt, Du darfst mich peitschen, wie Deine Sklaven; nur nimm mich zu Dir, verzeih mir. Ach, weißt Du noch, wie es war, als Du zu mir herauskamst? Cäsar spielte die Harfe, und ich tanzte in meinem blauen Kleidchen und meinen goldgelben Schuhen . . . Weißt Du noch? . . . Manna!« rief sie dann heftig. »Manna! bring Deine Harfe, spiel mir vor, ich will tanzen, ich bin noch schön. Komm, Heinrich!« Sie versuchte eine Tanzweise zu singen.
Plötzlich fragte sie dann Fräulein Perini: »Nicht wahr, er kommt wieder?« Und das fragte sie so ruhig, in so klarem Ton, daß man wieder von der Angst befreit wurde.
»Wenn ich sterbe, soll er Frau Bella heiraten, sagen Sie ihm das,« flüsterte sie vertraulich, mit großen Augen dreinstarrend. »Frau Bella ist eine schöne Wittwe, sehr schön, und er soll ihr meinen Schmuck geben, er wird ihr gut stehen. Lassen Sie anspannen, ich will zur Gräfin Bella, sie hat Briefe von ihm, ich weiß das.«
Fräulein Perini suchte sie zu beruhigen, aber Frau Ceres bestand darauf, sie wolle zur Gräfin Bella. In ihrer Angst schickte Fräulein Perini zur Professorin und zu Erich; sie hoffte, daß man Frau Ceres zerstreuen und von ihrem Gedanken abbringen könne, aber es gelang nicht; Frau Ceres blieb bei ihrer Forderung. Man sagte ihr, die Gräfin sei verreist.
»Dann ist sie mit ihm . . . mit ihm. Ich weiß, er hat ihr meinen Schmuck gegeben, ich habe den falschen. Ruft mir meine Kinder!«
Manna und Roland kamen, und mit einer erstarrenden Lustigkeit rief Frau Ceres:
»Euer Vater hat Frau Bella geheiratet, Ihr habt jetzt noch eine Mutter, sie ist schön . . . sehr schön. Da stehen sie Alle und sehen mich an! Fragt sie . . . fragt sie nur, ob es nicht wahr ist? Ich bin nicht dumm, er hat selber gesagt, ich sei gescheidt . . . O, ich bin gescheidt!«
Manna wendete sich an Claudine, und diese bestätigte, es sei allerdings wahr, daß Sonnenkamp mit Gräfin Bella entflohen sei.
Roland sah auf Erich. Erich senkte die Augen.
Die Kinder warfen sich an den Hals der Mutter und weinten und schluchzten.
»Sie hat keine Kinder, sie ist doch Eure Mutter nicht! Ihr bleibt bei mir, Ihr geht nicht zu ihr . . . Er wird Euch stehlen wollen. Laßt Euch nicht stehlen.«
Man legte Frau Ceres auf ein Ruhebett, sie hielt die Hände ihrer Kinder, bis sie einschlief. Manna und Roland saßen still. Wer kann ermessen, was durch ihre Seelen zog? Welches Erbe von Schmach häufte der Vater auf sie!
Weidmann ließ melden, daß er angekommen sei. Der Notar übergab ihm und Erich die Vollmachten, er hatte zugleich auch von Sonnenkamp Anweisung erhalten, wie man Nachrichten an ihn gelangen lassen könne. In einer südstaatlichen Zeitung sollte man unter der Chiffre S. B. Mittheilung machen von dem, was auf Villa Eden vorging. Ein Schauder überrieselte die Männer, daß in diesen Instructionen offen bezeichnet war, die Nachricht vom Tode der Frau Ceres solle man auch in genau bezeichnete englische und französische Zeitungen setzen. Es schien, daß Sonnenkamp einen Selbstmord seiner Frau erwartete.
Als Weidmann, der Notar und Erich wieder in den Hof kamen, trafen sie Roland. Er reichte Weidmann die Hand und fragte, ob er jetzt wissen dürfe, was sein Vater an ihn geschrieben habe. Weidmann übergab den Brief, worin Sonnenkamp ihm das Schicksal seines Sohnes ans Herz legte und das Vertrauen aussprach, daß sein Sohn in Allem sich der Leitung Weidmanns überlassen werde.
»Nun kann nichts mehr kommen, nun ist Alles erschöpft,« sagte Roland mit ruhiger Stimme.
Während die Männer noch beisammen standen, kam Knopf und mit ihm der Neger Adams. Adams trug einen grauen Schnurenrock, ganz ähnlich wie Sonnenkamp einen solchen, wenn er im Garten hin und her ging, zu tragen pflegte. Roland bot dem Neger die Hand und sagte:
»Du hast meinem Vater Böses thun wollen, ich verzeihe Dir, es ist Dir auch Böses geschehen.«
Jetzt erst erfuhr Erich, daß Roland nicht nachgelassen habe, bis man Adams holte.
Weidmann wünschte, daß Adams die Villa verlasse, er wollte ihn mit nach Mattenheim nehmen; Roland aber bat, Adams möge bleiben, bis er selber wieder nach Mattenheim zurückkehre. Der Major war gerne bereit, den Neger vorläufig in sein Haus zu nehmen.
Knopf berichtete mit einer Art von Triumph, welch ein Muster von Gaunerei dieser Neger sei; er habe die Absicht gehabt, zu Sonnenkamp zu gehen, offen seine That zu bereuen und ihm falsch Zeugniß anzubieten, natürlich für viel Geld; er sei daher außer sich gewesen, als er hörte, daß Sonnenkamp entflohen und sein falsches Zeugniß nun werthlos sei.
Knopf, ein so gutmüthiger, ja ein so weichmüthiger Mensch, hatte eine wahre Lust daran, nun vollkommene Gauner zu kennen, wie Sonnenkamp und Adams; wo er einmal Schlechtigkeit gefunden, führte er dieselbe wie alle Idealisten zur äußersten Consequenz.
Der Major ging nun mit Adams nach seinem Hause, er hatte eigentlich innerlich einen Widerwillen gegen diesen Menschen, aber er bezwang sich und war besonders freundlich.
Roland ging zu Manna und erzählte ihr, daß er den Neger habe kommen lassen; er halte es für seine Pflicht, diesem Manne zu zeigen, wie er ihm das Ueble, das er über das Haus gebracht, nicht nachtrage, es vielmehr sein Wille sei, ihm Gutes zu erweisen.
Manna wollte von dem Neger nichts wissen. Sie war scheu in sich zurückgezogen, sie hatte nicht die Fassung gewonnen, zu der Roland so rasch gelangt war, sie kam fast nie mehr nach dem grünen Hause. Sie blieb bei ihrer Mutter, war zutraulich und dankbar gegen Fräulein Perini und bat sie wiederholt um Entschuldigung, wenn sie jemals sie gekränkt. Die Stimme Manna's hatte wieder jenen umflorten Ton, über ihr ganzes Wesen schien sich wieder die Verschleierung zu breiten, die von ihr gewichen war.
Diese Gemüthsverfassung erschien Fräulein Perini als eine wohl zu benutzende. Sie ging zum Pfarrer und sagte, jetzt sei die Zeit, vielleicht die letzte, wo wiederum Alles zu gewinnen wäre; Sonnenkamp habe seine Kinder selbständig gestellt, Frau Ceres magere sichtbar ab und bei ihren Heftigkeiten ließe sich nicht absehen, wie sie plötzlich dahingerafft würde. Jetzt wäre es noch möglich, Manna aus der Umgarnung, in der die Dournay's sie gefangen hielten, zu befreien.
Der Pfarrer erachtete es ohnedies als Pflicht, sich dem Kinde, das sich ihm ehemals so vertraulich nahe gestellt, nicht zu entziehen; er lehnte aber auch vor Fräulein Perini jede andere Absicht ab. Er ging nach der Villa und ließ Manna sagen, daß er sie zu sprechen wünsche. Manna erbebte, sie ließ erwidern, daß sie sehr dankbar für seinen Besuch sei, sie sei jedoch die Verlobte Erichs und könne den Pfarrer nur im Beisein Erichs sprechen. Fräulein Perini lehnte es ab, dem Pfarrer diese Antwort zu überbringen.
»So gehe ich selbst,« sagte Manna. Sie ging hinab in den Balkonsaal und sagte, sie bitte dringend, daß der Pfarrer keinerlei Verletzung darin sehen möge, aber als die Braut Erichs müsse sie fortan auf jeden geistlichen Zuspruch verzichten.
Der Pfarrer sah sie nicht zornig, er sah sie mitleidig an und entgegnete:
»Gut, es geschehe nach Ihrem Willen.«
Er wendete sich ab und ging.