Armand (Friedrich Strubberg)
Saat und Ernte
Armand (Friedrich Strubberg)

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Zweites Kapitel.

Harry Williams lebte während dieser Zeit als ein allgemein hochgeachteter, sehr angesehener Mann auf seiner reizenden Plantage am Bernardflusse und die schöne Mulattin Lucy, welche die Männerkleidung wieder gegen die Frauentracht umgetauscht hatte, führte ihm den Haushalt. In ihrer Stellung ihm gegenüber war nicht viel geändert, denn wenn sie auch nach dem Gesetze des Landes ebenso frei war wie ein weißer Mensch, so blieb sie doch in der That Harry's Sklavin und wurde von Jedermann als solche angesehen. Ihr eigenes Benehmen aber gab hierzu die Hauptveranlassung, denn sie nannte Harry vor den Leuten nie anders als ihren Herrn, trat immer nur als dessen Dienerin auf und vermied es, sich in der Gegenwart von Beiden niederzusetzen. Sie that dies aber nicht etwa in dem sklavischen Gefühl ihres eigenen geringen Werths, sondern sie that es aus Liebe zu Harry, um Alles zu vermeiden, was ihm nur die kleinste Unannehmlichkeit oder Verlegenheit hatte bereiten können. Ihr Glück war vollkommen und sie hatte keinen Wunsch mehr, als sich dieses ihr Glück zu erhalten. Sie liebte Harry grenzenlos und unbedingt, und nichts in der Welt wäre im Stande gewesen, ihrer Liebe für ihn den mindesten Abbruch zu thun.

So weit Harry's Selbstsucht es erlaubte, liebte er auch sie eben ihrer Liebe wegen und weil sie ihm jeden Gedanken abzulauschen suchte, um Alles so zu thun, so einzurichten, wie er es gern hatte. Ihre vielen Fähigkeiten, namentlich ihre Kochkunst, kamen ihr in diesem Bestreben sehr zu Hülfe, und die Reize ihrer ungewöhnlichen Schönheit hielten seine Aufmerksamkeit auf ihr Thun und Treiben gerichtet. In seinem Hause herrschte die größte Ordnung und Reinlichkeit, seine Zimmer waren an jedem Morgen mit frischen Blumen geschmückt, und mit der größten Sorgfalt überwachte Lucy die Thüren, Fenster und Jalousien, um sie stets zur rechten Zeit zu öffnell oder zu schließen und dadurch immer die Luft in den Gemächern frisch und kühl zu erhalten. Kam Harry abends von einem Ritt nach Hause, so brachte ihm Lucy den leichten luftigen Schlafrock und die Pantoffeln, und wenn sie ihm dann das Abendbrod gereicht hatte und er sich in dem Schaukelstuhl vor dem Flackerfeuer im Kamin niedersetzte, sank sie vor ihm auf den Fußboden hin, unterhielt sich, mit ihren wonnestrahlenden Augen zu ihm aufschauend, mit ihm oder legte glückdurchbebt ihr schönes Haupt auf seine Kniee und ließ ihn mit der Pracht ihrer glänzenden schwarzen Locken spielen. War er verstimmt und ernst, so nahte sie sich ihm sehr vorsichtig und suchte durch ihren seelenvollen Blick, durch ein theilnehmendes herzliches Wort die Schatten von seiner Stirn zu verscheuchen und ließ dann erst ihren liebeglühenden Gefühlen freien Lauf. Ihr häuslicher Kreis war ihr irdischer Himmel, den sie niemals verließ. Harry dagegen war sehr oft vom Hause entfernt, denn er war eine Hauptpersönlichkeit in der politischen Welt. Sein Ziel, Texas von Mexico getrennt und als selbstständige Republik oder als Staat der Vereinigten Staaten zu sehen, hatte er nie einen Moment aus den Augen verloren und rastlos hatte er unter der amerikanischen Bevölkerung gearbeitet, sowie keine Kosten gescheut, um seine Ansichten, seine Wünsche zu allgemeinen zu machen. Die Unzufriedenheit der Texaner mit der Centralregierung in Mexico, welche unter dem durch Santa-Anna gestürzten Präsidenten Bustamente schon so sehr groß gewesen war, hatte sich nach Vereitlung der hochfliegenden Hoffnungen, die man in Santa-Anna setzten allgemein noch sehr gesteigert, und dessen wortbrüchiges, grausames Verfahren gegen den texanischen Abgesandten Austin hatte in allen Theilen des Landes Stimmen dafür laut werden lassen, daß man sich von Mexico trennen müsse. Die endliche Freilassung Austin's und dessen Rückkehr nach Texas hatten allerdings viel zur augenblicklichen Beruhigung der Gemüther beigetragen, dennoch blieb der Ausspruch allgemein, daß es so, wie es sei, nicht bleiben könne, nicht bleiben solle. Wie es aber werden müsse, darüber waren die Ansichten noch verschieden, und es hatten sich zwei Parteien gebildet, von denen die eine für Verbleiben in dem mexicanischen Staatenverband, die andere für Austritt aus demselben und für das Erheben von Texas zu einer selbstständigen Republik stimmte.

Der Führer der ersten Partei war General Houston, ein von der Natur zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit bestimmter Mann. Er glaubte nicht, daß schon der Zeitpunkt für Texas gekommen sei, um ein gewaltsames Losreißen von Mexico wagen zu dürfen, und verlangte nur Sicherstellung der Constitution von 1824, wonach es Texas frei stand, sich von Coahuila zu trennen und einen selbstständigen mexicanischen Staat zu bilden.

Die andere Partei wurde von Harry Williams geführt, der durchaus keine Beziehung zu Mexico mehr gelten lassen wollte und im Guten oder mit Gewalt der Waffen die selbstständige Republik verlangte. Er erhielt in dem aus seiner unerhörten Gefangenschaft zurückgekehrten Oberst Stephan Austin einen mächtigen Verbündeten, und wenn auch die Zahl seiner Anhänger noch die kleinere war, so vergrößerte sie sich doch von Tag zu Tag, denn die Regierung in Mexico sandte unermüdlich immer neue Lasten, neue Ungerechtigkeiten, neue Gewaltthaten über Texas. Alle Amerikaner waren aus dem Staatsdienste entfernt und ihre Stellen durch die verhaßtesten Mencaner besetzt worden, neue Abgaben wurden ausgeschrieben, Erpressungen für das gesetzliche Anerkennen von Landberechtigungen wurden gemacht und der Handel in jeder erdenklichen Weise erschwert und gehemmt.

Je mehr die eingewanderten Amerikaner ihre Unzufriedenheit gegen solchen Druck laut werden ließen, je mehr Widersetzlichkeit sie den mexicanischen Behörden zeigten, um so schärfer, um so gewaltsamer traten dieselben auf und um so zahlreicher wurden die mexicanischen Besatzungen im Lande. Die Geldstrafen, welche über derartige Verbrecher verhängt und mit Gewalt von ihnen einkassirt wurden, waren ungeheuer, und einzeln hatte man auch schon solche Missethäter nach Mexico abgeführt und sie zu langjähriger Arbeit in den Bergwerken verdammt.

Namentlich in der Gegend, wo Harry Williams wohnte, war die Unzufriedenheit sehr groß und ein Auflehnen gegen die Behörden häufig, denn er war rastlos in seinen Bemühungen, den Haß gegen die Mexicaner unter seinen nahen und fernen Nachbarn anzuschüren und zu nähren, und predigte allenthalben Gewalt gegen Gewalt. Es verging selten ein Tag, wo er nicht nach irgend einer Richtung hin einen Rundritt bei einer Anzahl von Farmern machte und mit ihnen das Unerträgliche, das Herabwürdigende des mexicanischen Jochs besprach.

Bei einer solchen Gelegenheit hielt er eines Tags bei einem Farmer Namens Dougall am nahen Brazosflusse sein Pferd an, um mit ihm zu Mittag zu speisen.

Dougall war einer der ältesten amerikanischen Ansiedler in diesem Lande, sehr wohlhabend und galt unter seinen Nachbarn für einen biedern, unbedingt zuverlässigen Mann. Seine herkulische, schöne Gestalt bezeichnete den Kentuckyer, der auch in seinem freundlichen, gutmüthigen, aber doch sehr bestimmten Wesen ausgeprägt war, und das Silber in seinem Haar verrieth, daß er den Sechzigen näher stand als den Fünfzigen.

Der Himmel hatte seine glückliche Ehe nur mit zwei Töchtern gesegnet, welche beide noch unverheirathet unter dem väterlichen Dache lebten.

Madame Dougall, eine kleine freundliche Frau, war die erste, welche Harry, als er vom Pferde stieg, bewillkommnete, denn sie saß unter der schattigen Veranda vor dem Hause und hechelte Wolle. Dann kamen die beiden Tochter, Alice, die ältere, und Kate, die jüngere, um ihn zu begrüßen, und zuletzt erschien der alte Dougall selbst mit einem Zügel in der Hand, da er eben ein Pferd aus der Weide geholt und in den Stall geführt hatte.

»Herzlich willkommen, Herr Williams«, sagte der Alte, indem er den Zaum auf das Geländer der Veranda legte und Harry dann die Hand reichte. »Sie kommen mir wie gerufen, denn ich hatte mir so eben ein Pferd aus dem Gras geholt und wollte nach Tische zu Ihnen hinüberreiten, um mir Ihren Rath auszubitten; es ist mit diesen mexicanischen Gaunern bald nicht mehr auszuhalten.«

»Habe ich es Ihnen nicht immer gesagt, daß es täglich schlimmer werden und daß auch Ihnen zuletzt die Galle überlaufen würde?« versetzte Harry rasch und heftig. Was will denn das Volk von Ihnen?«

»Ach, Herr Williams, es ist so schlimm nicht, wie Dougall meint; gegen den Strom kann man nicht schwimmen und gegen den Stachel nicht lecken; wer das

Schwert in der Hand hat, der regiert«, fiel Madame Dougall beruhigend ein und warf Harry einen Blick zu, als bäte sie ihn, die Sache ihrem Manne auszureden. Harry aber wollte sie nicht verstehen und entgegnete mit Begeisterung:

»Ganz recht, Madame Dougall; darum muß man selbst das Schwert in die Hand nehmen.«

»Denken Sie sich nur, Herr Williams«, nahm der Alte wieder das Wort, »kommt da heute früh eine solche elende Kröte von einem Mexicaner von Brazoria herauf und bringt mir von der dortigen Behörde den Befehl, ich solle keinen Ballen Baumwolle eher absenden, als bis ich sie sämmtlich fertig gepackt hätte. Man wollte genau wissen, wie viel Pfund ich gezogen hätte, um danach meine zu zahlende Abgabe zu berechnen. Ist Ihnen schon so etwas vorgekommen? Will man mir einen solchen Kerl hierher in mein Eigenthum schicken, der mir meine Baumwolle nachwiegen soll!«

»Schändlich, schimpflich, unerhört!« versetzte Harry in entrüstetem Tone. »Und werden Sie es sich gefallen lassen?«

»Nimmermehr, so wahr ich ein Kentuckyer bin«, antwortete Dougall mit der vollen Kraft seiner Stimme und schlug sich mit der mächtigen Rechten auf seine hochgewölbte breite Brust.

»Aber, bester Dougall, was willst Du denn thun gegen die Gewalt? Willst Du Dich im gelindesten Falle einer schweren Geldstrafe aussetzen oder Dich gar nach Mexico in die Bergwerke schicken lassen? Nimm doch Vernunft an!« fiel ihm die Frau abmahnend ins Wort.

»Dann reden wir Nachbarn auch noch ein Wort mit; so leicht führt man einen angesehenen Mann wie Dougall nicht von Haus und Hof fort«, sagte Harry mit einer drohenden Handbewegung.

»Wie können Sie nur solchen Rath geben, Herr Williams! Warum führte man denn schon viele angesehene Männer von Haus und Hof fort, ohne daß man es verhindern konnte? Sie wissen doch, daß in Brazoria eine Besatzung von einigen hundert Mann liegt und daß Colonel Bradburne, ein Amerikaner, dort commandirt«, hob die Frau wieder an.

»Dieser Schurke, dieser Verräther an seinen eigenen Landsleuten, der sich für elendes Gold erkaufen läßt, freie Männer unter das Joch solch elenden heuchlerischen Gesindels wie diese Mexicaner zu zwängen, er wird seinem Lohne nicht entgehen!« fiel Dougall mit Entrüstung ein.

»Was kannst Du aber allein gegen so Viele thun, lieber Vater? Gott bewahre uns vor solchen Schreckensscenen!« bat Kate ängstlich. »Und was liegt denn daran, ob man die Baumwolle hier wiegt oder nicht?«

»In unserm Eigenthum?« fiel ihr die ältere Schwester Alice heftig in das Wort. »Ei, dann dürfen sie uns auch das Brod zuwiegen und wissen wollen, wie viele Eier unsere Hühner legen. Soll mir einer in das Haus kommen!«

Bei diesen heftigen Worten blitzten des Mädchens tiefschwarze Augen ihrer blonden Schwester entgegen und ihre Wangen überflog ein feuriges Roth.

»Das ist echtes Kentuckyblut, welches aus Dir spricht, Alice. Soll man denn nicht mehr Herr in seinem Eigenthum sein?« versetzte Dougall mit einem belohnenden Blick auf die energische Tochter.

»Wer sich treten läßt, verdient getreten zu werden«, warf Harry kurz ein.

»Soll denn der Vater sein eigenes und unser aller Glück um einer so unwichtigen Veranlassung willen auf das Spiel setzen, Herr Williams? Die Abgabe müssen wir ja doch bezahlen, ob die Baumwolle hier oder anderswo gewogen wird«, sagte Kate noch ängstlicher als vorher und setzte dann mit mildem, besänftigendem Tone hinzu: »Sie sollten dem Vater zum Nachgeben rathen.«

»Kann ich ihm rathen, sich beschimpfen, entehren zu lassen, Fräulein?« entgegnete Harry in anscheinend höchster Entrüstung.

»Ich sehe durchaus nicht ein, wie eine Gewaltthat entehren kann, Herr Williams«, versetzte Madame Dougall, aufgebracht über das Benehmen Harry's. »Wenn Sie uns die Macht geben können, die Gewalt ohne Gefahr für unsere häusliche Ruhe, unsern Frieden zurückzuweisen, so werde ich selbst das Schwert in die Hand nehmen; so aber halte ich Ihren Rath weder für vernünftig noch für freundschaftlich.«

»Frau, thue dem Herrn Williams nicht Unrecht, er meint es gut«, fiel Dougall ihr schnell in die Rede. »Wohin wird uns unsere Langmuth, unsere Geduld denn zuletzt führen, Madame Dougall!« nahm Harry wieder das Wort. »Man wird die Lasten, die Gewaltthätigkeiten so lange steigern und erneuern, bis wir endlich doch losbrechen und Haus und Herd gegen unsere Unterdrücker vertheidigen müssen. Warum denn nicht schon jetzt diesem Gesindel zeigen, daß wir freie Männer sind?«

»Sie haben Recht, Herr Williams, und wenn mir noch einmal einer dieser erbärmlichen Wichte in meine Einzäunung kommt, so werfe ich ihn wie einen Frosch darüber hinaus, so wahr ich Dougall heiße!« sagte jetzt der Alte entschlossen und setzte dann noch kurz hinzu: »Nun genug, denn wenn ich der Hülfe bedürfen follte, so habe ich Freunde genug, und dann wird Herr Williams auch nicht unter ihnen fehlen.«

»Darauf dürfen Sie sich verlassen, ein Wink von Ihnen und ich setze die ganze Gegend in Aufruhr«, erwiderte Harry mit anscheinender Begeisterung.

Madame Dougall aber erhob sich schweigend und begab sich in das Haus. Auch Kate blieb stumm und ergriff die Hecheln, welche ihre Mutter aus der Hand gelegt hatte, nur Alice mußte ihrer Aufregung noch einmal Worte geben und sagte, mit strahlendem Blick lächelnd zu Harry aufschauend:

»Wenn Sie Ihre Freunde unter die Waffen rufen, Herr Williams, so vergessen Sie Alice Dougall nicht.«

Harry blieb zum Mittagsessen, und als er nach Tische sein Pferd bestieg und Dougall ihm zum Abschied die Hand reichte, sagte dieser:

»Es bleibt bei der Abrede; wenn etwas geschehen sollte, so lasse ich es Ihnen wissen«, worauf jener ihm nochmals seinen Beistand unter allen Verhältnissen zusicherte.

Harry hatte schon lange darauf gehofft, daß Dougall mit den Behörden in Zerwürfniß gerathen möchte, denn dieselben hatten ihre Gewalt bisher nur die kleinern Farmer recht drückend fühlen lassen, die wohlhabendern, einflußreichern waren weniger unmittelbar ihren Chicanen ausgesetzt gewesen. Dougall aber war gerade der Mann, der eine ernste Demonstration gegen sie herauf beschwören konnte; er hatte sehr viele Freunde, sehr großen Einfluß, und sein Name wurde im ganzen Lande mit Hochachtung genannt. Wenn einem solchen Manne ein ernstes Leid angethan wurde, dann konnte es an Thätlichkeiten gegen die Behörden und gegen das Militär nicht fehlen, und war einmal der Feuerfunke in die Mine gefallen, so mußten die Flammen emporlodern, dann mußten auch die Gemäßigten zu den Waffen greifen, denn sicher war es, daß die Mexicaner ohne Unterschied gegen sie vorgehen würden. War aber einmal der Schild erhoben, dann legten die Amerikaner auch die Waffen nicht eher nieder, als bis sie die Unabhängigkeit von Mexico errungen hatten, und im schlimmsten Falle rechnete Harry auf die Vereinigten Staaten, die ihre Kinder in Texas sicher nicht im Stiche lassen würden. Mit der Unabhängigkeit von Texas aber würde auch unfehlbar Sklaverei in ihm eingeführt werden, dann machten Harry's Ländereien ihn zum reichen Manne und sein mit Dandon verabredetes großes Unternehmen, Sklaven von Havanna einzuschmuggeln, konnte ins Leben treten.

Es verstrich eine Woche, ohne daß Harry etwas über Dougall's Angelegenheiten mit den Behörden vernahm, er hatte aber die Zeit benutzt, den Fall in der ganzen Umgegend mit den Pflanzern zu bereden und das Unerhörte desselben allenthalben in das grellste Licht zu setzen. Da eines Abends kam ihm bei seiner Rückkehr von einem langen Ritte Lucy entgegen und theilte ihm mit, daß ein Neger Dougall's wiederholt da gewesen sei, um ihm zu sagen, sein Herr sei verhaftet und nach Brazoria abgeführt worden. Derselbe hätte einen Wagen mit Baumwolle nach der Galvestonbai abgeschickt, die Mexicaner hätten denselben mit Beschlag belegen wollen und Dougall habe dann Gewalt gegen sie gebraucht und mehrere derselben verwundet, worauf man ihn überwältigt und in Ketten fortgeschleppt habe. Madame Dougall, sagte Lucy, ließe Harry flehentlichst bitten, ihrem Manne zu Hülfe zu kommen, da sie fürchte, man würde ihm ein Leid anthun.

Harry hörte den Bericht nachdenkend mit an und kam nach langem Ueberlegen zu der Ansicht, daß es bei weitem stärker auf die amerikanische Bevölkerung wirken werde, wenn Dougall wirklich nach Mexico in die Bergwerke abgeführt würde, als wenn man ihn jetzt aus den Händen der Mexicaner befreite. Er ritt sofort nach dessen Wohnung, wo er die Frau und die Töchter in Verzweiflung fand, tröstete sie aber mit dem Versprechen, noch in dieser Nacht alle Nachbarn von der Gewaltthat in Kenntniß zu setzen und am folgenden Tage mit den Waffen in der Hand den Gefangenen frei zu machen. Der folgende Tag aber verstrich, ohne daß Jemand zu

Dougall's Rettung erschien, und am nächsten Morgen lief die Kunde ein, daß Colonel Bradburne Standrecht über ihn gehalten und ihn habe erschießen lassen. Jetzt war Harry Feuer und Flamme, von Farm zu Farm, von Haus zu Haus spornte er sein Pferd und rief zur Rache auf für das Blut eines der angesehensten, bravsten Bürger. Stephan Austin's Wort hatte ungleich mehr Tragweite als das Harry's, auch er zog mit der Aufruhrfahne durch das Land und rief zu den Waffen, General Houston jedoch weigerte sich immer noch auf das bestimmteste, die Fackel der Revolution zu entzünden.

Harry Williams und Stephan Austin an der Spitze von einigen hundert bewaffneten Männern zogen am Tage, nachdem Dougall erschossen worden war, gegen Brazoria, griffen die dortige Besatzung unter Colonel Bradburne an und schlugen sie nach kurzem Widerstand in die Flucht. Die Truppen flohen nach der Meeresküste, erhielten dort aber Verstärkung und trieben dann die Aufständischen wieder zurück über Brazoria hinaus, in welchem Orte sie abermals Garnison bezogen. Colonel Bradburne verfolgte seinen Sieg nicht, und die Gerichte thaten keine Schritte gegen die Aufrührer, sondern ließen den Sturm verwehen, wohl aber sandten sie auf verschiedenen Wegen Eilboten mit Berichten nach Mexico an die Centralregierung.

Das Frühjahr von 1835 zog neu belebend und verjüngend über das von der Natur zum Paradiese der Welt geschaffene wunderbar schöne Mexico, auf seinem Volke aber lagen düstere Schatten, denn die Blutspuren des Bürgerkriegs waren kaum verraucht und schon ließ er wieder seine entsetzliche Stimme durch das Land schallen. Namentlich in der Hauptstadt herrschte ein dumpfes, unheimliches Schweigen, denn die Tyrannei mit dem Henker in ihrem Gefolge ging durch ihre Mauern.

Der Präsident General Santa-Anna hielt strenges Gericht über Unzufriedenheit und Auflehnung gegen seine Regierung und der Donner von Gewehrsalven verkündete den Bewohnern der alten Kaiserstadt wieder und wieder, daß das Haupt der Republik sich zum Kaiser über sie erheben wollte und einen jeden ihm dabei gefährlich Entgegentretenden erschießen ließ.

Santa-Anna war durch die Volkspartei auf den Präsidentenstuhl gehoben worden, hatte sich aber sofort gegen dieselbe und für die der Aristokraten erklärt, und als jene darauf die Waffen ergriffen, um ihre Rechte zu schützen, hatte er sie in mehreren Schlachten geschlagen und zersprengt und hielt sie dann mit grausamer Strenge nieder. In allen Provinzen des Reichs hatte er geheime Berichterstatter angestellt, und wehe dem, welchen dieselben ihm als verdächtig bezeichneten.

Namentlich aber in der Haupstadt war die geheime Polizei sehr zahlreich und thätig, und es gehörte zu den gewöhnlichen Ereignissen, daß Personen ohne Angabe eines Grundes aus ihren Wohnungen geholt und ohne Verhör in den Kerker geworfen wurden.

Seit den letzten Aufständen war in Mexico sowie in allen größern Städten des Reichs das Standrecht eingeführt, und wen man als Aufrührer ergriff, der wurde nach kurzem Kriegsgericht erschossen.

Solche Maßregeln, solche Gerichtspflege in einer Republik konnten wohl nicht verfehlen, das Volk gegen den Regenten aufzubringen und es immer wieder zu neuen Versuchen anzutreiben, dessen Gewalt zu brechen. Santa-Anna aber hatte seine Fäden fein und weit über das Land gesponnen und die Interessen der Mächtigen des Reichs so in die seinigen verwoben, daß sie selbst ihm den Weg zum Kaiserstuhle bahnen sollten. Der sehr begüterte einflußreiche Adel sah sich schon als Pfeiler des Throns nächst dem Kaiser stehen, die Geistlichkeit mit ihren unermeßlichen weltlichen Schätzen sah ihre Macht schon weit über dessen Macht erhaben, da er sich selbst demüthig vor ihr beugte, und das Militär fühlte sich als rechter Arm, als ausführende Gewalt Santa-Anna's, der es mit Ehren, mit Orden und mit Gold überschüttete. Die bei weitem größere Masse des Volkes, die

Indianer, hatte er dem Gesetze gegenüber für unvernünftig erklärt, hatte ihnen jedes bürgerliche Recht genommen und sie unter die unumschränkte Gewalt der Alcalden gestellt, deren tyrannisches Verfahren gegen sie durch das Militär und durch die Geistlichkeit unterstützt wurde. Je hoffnungsloser, je verzweifelter aber die Lage der republikanischen Partei sich von Tag zu Tag gestaltete, um so heißer, um so mächtiger glühte in ihr der Wille, das Joch abzuwerfen und die Tyrannei zu stürzen, und immer wieder lieferte sie derselben blutige Opfer.

Da erhoben sich im März vier Provinzen, unter denen auch Texas sich befand, und proclamirten die Reform von Zacatecas. Auch die benachbarten Provinzen betheiligten sich, wenn auch nicht öffentlich, an der Empörung und lieferten Soldaten, Geld und Waffen, sodaß bald ein bedeutendes Heer versammelt war, welches dem Präsidenten seinen Weg zum Kaiserthron streitig machen und ihn auf das Schaffot führen wollte.

Die Hauptstadt bebte, denn man sah auch in ihren Mauern dem Ausbruch des Bürgerkriegs entgegen, sobald die Truppen sie verlassen würden, um gegen den Feind zu ziehen.

Santa-Anna aber wählte nur eine geringe Zahl von ihnen aus, um ihm zur Schlacht zu folgen, die übrigen ließ er in der Hauptstadt zurück, besetzte namentlich die

Citadelle sehr stark und gab dem Commandanten derselben den Befehl, bei dem ersten Ausbruch von Unruhen die Stadt in den Grund zu schießen.

Mit klingendem Spiel zog er, der gefeierte Kriegsgott, an der Spitze seiner ihn anbetenden sieggewohnten Soldaten hinaus, griff die Empörer an und schlug sie aufs Haupt.

Sein Triumphzug in die Hauptstadt zurück war einer seiner glänzendsten; die Häuser waren aufs festlichste geschmückt, die Straßen, durch die er ritt, mit Blumen bestreut, und von den Balkonen herab begrüßten ihn die Schönen Mexicos unter dem feierlichen Geläute aller Glocken und unter dem Jubel des freud- und prunksüchtigen Volkes.

Jetzt sah Santa-Anna seinen Weg zum Throne offen und vorsichtig that er den nächsten Schritt an ihn hinan, indem er sich für Lebenszeit zum Dictator des Reichs ausrief. In der That war er jetzt Kaiser, denn er ergriff unumschränkt die Zügel der Regierung und sein Wille allein war Gesetz; die Krone wollte er sich dann erst auf das Haupt setzen, wenn er seinen Thron hinreichend befestigt haben würde.

Er kannte die Mexicaner und ihre Leidenschaft für öffentliche berauschende Belustigungen; er ließ die auf seinen Befehl geschlossenen Tanzhäuser öffnen, ließ die

Musikcorps seiner Regimenter an öffentlichen Vergnügungsorten spielen, hielt glänzende Militärschauspiele ab, zeigte sich täglich von seinem prunkenden zahlreichen Stabe umgeben und gab Volksfest über Volksfest, woran er in eigener Person sich betheiligte. Sein Palast strahlte Nacht für Nacht einen blendenden Lichterglanz aus und rauschende Janitscharenmusik schallte aus dessen Fenstern der jauchzenden Volksmenge in den Straßen zu. Aus allen Theilen des Reichs strömte der Adel in die Hauptstadt, um in dem Lichte der ihnen aufgegangenen Sonne zu glänzen und sich um den Thron ihres künftigen Kaisers zu schaaren, und die Geistlichkeit, deren weltliche Interessen er dem Volke gegenüber schützte und förderte, flehte in allen Kirchen den Segen des Himmels auf ihn herab.

Der Tag, an welchem man dem Dictator huldigte, war ein Festtag, wie ihn Mexico noch nicht gesehen hatte; alle Pracht, aller Reichthum ward entfaltet, Jubel und Lust tönte durch die geschmückte Stadt und Glockengeläute und Geschützdonner ließ sie in ihren Grundmauern erbeben. Die Schatten der Nacht zogen spurlos über das Lichtmeer hin, in dem sie schwamm und das sie in bunten Feuergarben über sich ausstrahlte, und die gewohnte nächtliche Stille floh vor den brausenden Tönen der Feste, der Lustgelage, die in ihr begangen wurden.

Keiner der vielen feurig glänzenden Paläste Mexicos aber bot einen solch zauberhaften Anblick als der des Grafen Don Ventura Romero. Wie ein Feenschloß mit Guirlanden und Kränzen geschmückt, zitterte das prächtige Gebäude in dem Scheine der zahllosen Lichter, die es beleuchteten; vor seinen Miradors glänzten die prächtigsten Blumen aus saftigem Grün hervor und über seinem platten, mit Palmen und Magnolien gezierten Dache wehten die mexicanischen Farben in kolossalen Flaggen. Auf dem großen, mit blühenden Tropengewächsen besetzten Balkone über dem Eingange aber prangte der Namenszug des Dictators in brillantfarbenen Lichtern. Santa-Anna wurde bei dem Grafen Romero zum Balle erwartet. Kopf an Kopf stand die entzückte Volksmenge vor dem Palast zusammengedrängt und ließ kaum Raum genug für die kostbaren Equipagen, welche rasch sich folgend vor die Marmortreppe fuhren und dort ihre reizenden, in Brillanten schimmernden Ladungen absetzten. Wie freudestrahlende Bacchantinnen schwebten die schönen Mexicanerinnen aus den Carrossen hervor und die Treppe hinauf in den hellerleuchteten, zu beiden Seiten mit Blütengesträuch geschmückten Corridor, wo sie von den reich galonirten Dienern des Grafen empfangen und nach den breiten Treppen geleitet wurden. Immer wieder erschallten die jubelnden Vivas der freudig bewegten Menschenmasse vor dem Palaste, bis sie plötzlich in einen Sturm von jauchzenden Hochs ausbrach, denn der Gott des Tages, der Dictator Santa-Anna nahte sich in seinem mit Gold überladenen, von sechs prächtigen Schimmeln gezogenen Staatswagen. Kaum hatte das Fuhrwerk Raum genug, um sich vorwärts zu bewegen, so drängte sich das begeisterte Volk zu ihm heran, um einen Blick nach dem irdischen Herrgott thun zu können. Als er aber endlich die Treppe erstieg, da glich der Jubel der Menge einem Erdbeben, und die Vivas stürmten noch ohne Unterbrechung fort, als Santa-Anna von dem Grafen und der Gräfin Romero an der Salonthür feierlichst empfangen und in tiefster Ehrerbietung begrüßt wurde.

Wie in einem Feenreiche schritt der große stolze Mann durch die beiden langen Reihen glänzend geschmückter schöner Frauen- und Mädchengestalten und erwiderte mit huldvoller, doch vornehmer Artigkeit deren Gruß sowie die tiefe Verbeugung der Männer, die hinter ihnen standen.

Dann ließ er sein scharfes Auge durch die Versammlung schweifen und hatte bald die Persönlichkeiten gewählt, die er auszeichnen wollte.

Sein Blick zog sie zu sich heran, und ihnen entgegentretend, goß er in gewandter Rede seine Huld und Gnade über sie aus. Alles stand in Hoffnung und

Verlangen nach einem Wort, einem Blick von ihm, und wen sein Auge traf, dessen Haupt neigte sich in Verehrung und Unterthänigkeit.

So wandte er sich, Glück und Hoffnung spendend links und rechts, ließ aber auch durch Nichtbeachtung in mancher Brust Bangigkeit, Neid und Haß aufkeimen.

Von dem schönen Geschlecht, welches er stets mit größter Aufmerksamkeit und feinster Artigkeit behandelte und welches ihm immer die schönsten Kränze für seine Siege geflochten hatte, wurde er wahrhaft vergöttert, und auch an diesem Abend strahlten ihm die Augen der vielen um ihn versammelten Schönheiten höchste, leidenschaftlichste Begeisterung entgegen. Er war ein eleganter, hoher, kräftiger Mann, unumschränkter Herrscher des weiten mexicanischen Reichs und Wittwer, drei Eigenschaften, die seinen Werth als liebenswürdiger Cavalier, als Held so vieler Schlachten in den Herzen der Schönen noch sehr erhöhten.

Die Brillantensaat überfunkelnd, waren die Augen der Damen fest auf ihn gerichtet, die blitzenden Fächer wurden mit unnachahmlicher Grazie und Koketterie geschwungen, da öffnete sich die weite Flügelthür zum anstoßenden Saale und die gewaltig rauschenden Klänge der Musik riefen zur Polonaise.

Es war nur ein Augenpaar im Salon, das beim

Ertönen der Musik in begeisterter Hoffnung und Erwartung nach Santa-Anna hinschaute und in wonnigem Entzücken aufblitzte, als es seinem Blick begegnete. Die Gräfin Donna Laodice Romero war es, die seiner Einladung zur Polonaise sehnlichst harrte und der er sich jetzt mit auszeichnender Artigkeit nahte. Er verneigte sich tief vor ihr, empfing ihre Hand und für die schmeichelnden Worte, die er ihr sagte, ihren Seligkeit strahlenden Blick und führte sie nun in graziösem Schritt den andern Paaren voran in den Saal. Stolz wie eine Kaiserin und triumphirend wie eine Siegesgöttin schritt die schöne Frau im Takte der Polonaise dahin und beantwortete die süßen Worte ihres Führers mit wonnehauchender Stimme, mit glühenden und wieder sehnsüchtig ersterbenden Blicken und mit erwiderndem, bebendem Druck ihrer Lilienhand.

Die Polonaise ging zu Ende und Santa-Anna führte die Condesa in den Salon zurück nach dem Divan, in welchem er sich, seine Lippen dankend auf ihre Hand drückend, neben ihr niederließ. Sie waren zwei schöne Gestalten, und alles Licht schien von ihnen auszugehen, denn des Dictators Brust war mit den kostbarsten Orden bedeckt und die Juwelen der Gräfin waren würdig, eine Kaiserkrone zu schmücken.

Die Tänzer und Tänzerinnen folgten dem hohen

Paare in den Salon, blieben aber von dem Divan fern und zogen sich bald wieder in den Tanzsaal zurück, denn sie sahen Santa-Anna in eifrigem Gespräch mit der Condesa und fürchteten, daß ihm ihre Gegenwart möglicherweise nicht erwünscht sei. So wanderten nur noch einige Paare hin und her durch den Salon, und bald versammelte die Musik alle wieder in dem Saale, nur Santa-Anna und die Gräfin blieben in dem Divan sitzen, während der glückliche Graf bei den Tanzenden alle Liebenswürdigkeit als Wirth entfaltete.

»Der Sieger in so vielen Schlachten ist auch der Besieger der Frauenherzen; ich zähle mich zu Eurer Herrlichkeit glücklichsten Sklavinnen«, erwiderte die Condesa auf eine Frage, welche Santa-Anna so eben leise an sie gerichtet hatte, und faltete, lächelnd ihre schwimmenden Augen zu ihm erhebend, ihre schönen Hände vor der Brust.

»Eine Sklavin, vor der auch der Kaiser seine Kniee beugen wird«, hob Santa-Anna schwärmend wieder an.

»Und eine Sklavin, wie sie der Kaiser nie ergebener und treuer besitzen wird«, fiel ihm die Condesa begeistert in das Wort.

Dabei wurden ihre schönen Züge immer ernster, und nach einigen Augenblicken fuhr sie fort:

»Eure Herrlichkeit wollen nur eine Friedenskrone sich auf das so oft bekränzte Heldenhaupt setzen, das Glück des Friedens aber wird dem Lande nie zu Theil werden, solange das Feuer auf dem Herde der Revolution nicht gelöscht ist, solange man noch gegen Texas mit Milde und Nachsicht verfährt und seine Aufrührer durch Güte und Gnade zu Freunden zu machen hofft; sie sind Schlangen, die wir im Busen nähren, bis sie uns ihr Gift in das Herz gegossen haben. Dieser letzte Aufruhr kam wieder von Texas herüber, von den Ungläubigen, den Ketzern, und unsere innern Provinzen haben die Schrecken des Kriegs dafür ertragen müssen; Texas selbst blieb verschont.

Ueber Santa-Anna's Züge flog es wie ein Schatten und seine buschigen Brauen näherten sich finster.

»Ich weiß es, schöne Condesa«, sagte er nach einer kurzen Pause und vergrößerte die sehr geringe Entfernung von ihr, welche während der leisen vertrauten Unterhaltung entstanden war. »Dieses Texas ist ein Krebsschaden in unserm Reiche, und nur die gänzliche Vernichtung des bösen Stoffs, welcher darin lebt, läßt eine dauernde Heilung zu.«

»So muß man das Glüheisen anwenden und die schadhafte Stelle ausbrennen; das feurige Schwert Eurer Herrlichkeit hat schon manche Kur vollbracht«, versetzte die Gräfin mit aufflammendem Blick.

»Zu lange schon hat man milde Mittel versucht und hoffte immer, durch Güte sich dort ein treues, energisches Volk als Bollwerk gegen die habsüchtigen Amerikaner zu schaffen. Es war ein Irrthum, ein thörichter Glaube, dieses Ketzervolk still stehen und zufrieden zu sehen; wenn es die halbe Welt sein eigen nennte, so würde es auch die andere Hälfte noch verlangen. Nur die größte Strenge kann uns Texas retten; sie ist dem Amerikaner unerträglich, und steht dann die Bevölkerung in offener Empörung auf, so werde ich dort ein Beispiel statuiren, welches auf lange Zeit alle Einwanderungslust nach Texas ersticken soll. Ich will die mit Blumen übersäeten Prairien mit amerikanischem Blute tränken.«

Diese Drohung sagte Santa-Anna in einem scharfen, verbissenen Tone, als verlange er nach dem Augenblick, wo er sie wahr machen könne, fügte dann aber ruhiger hinzu:

»Ich erwarte stündlich Depeschen aus Texas.«

»Die treue Sklavin Eurer Herrlichkeit kann Ihnen vielleicht die neuesten Nachrichten von dort mittheilen«, nahm die Gräfin wieder das Wort; »ich habe heute Briefe aus Velasco erhalten. Die Amerikaner in der Umgegend von Brazoria haben mit den Waffen in der Hand und mit großer Uebermacht die dortige Besatzung angegriffen und Colonel Bradburne genöthigt, sich nach der Meeresküste zurückzuziehen. Dort ist mein Vetter, der Hauptmann Don Alejo Munoz, von Velasco aus zu ihm gestoßen, und vereint haben sie die Aufrührer wieder in die Flucht geschlagen.«

»Bradburne wird sie dafür züchtigen«, entgegnete der Dictator; »er ist ein gewissenloser Schurke, der für unser Gold seine eigenen Landsleute verräth und geißelt. Er wird die Rädelsführer erschießen lassen und neue Aufstände dadurch veranlassen, bis eine allgemeine Empörung mir vor der Welt das Recht gibt, mit einem Heere gegen die Provinz vorzugehen und mit Gewalt die Ruhe herzustellen; es soll die Ruhe des Todes sein!«

»Warum nicht das Haupt der Schlange abschlagen und dadurch ein allgemeines Blutbad vermeiden?« fiel die Gräfin leidenschaftlich ein. »Es steht nur ein Missethäter an der Spitze der Revolution und sein Tod wird allein hinreichen, Texas zur Ordnung zurückzuführen.«

»Nicht doch, Condesa; es sind zwei revolutionäre Parteien in Texas, die eine von Houston, die andere von Austin geführt«, entgegnete Santa-Anna.

»Eure Herrlichkeit sind nicht wahr unterrichtet«, nahm die Gräfin wieder das Wort. »Die Partei, welche Houston leitet, will sich nicht von Mexico trennen, sie verlangt ja nur die der Provinz früher zugesicherten

Rechte zu genießen, die andere Partei aber, welche Losreißung von uns verlangt, wird nicht von Austin geleitet, der nur seinen Namen dazu hergibt, ein giftigerer Feind Mexicos führt sie und zieht durch seine rastlosen Umtriebe täglich mehr Anhänger zu ihr hin.«

»Sie setzen mich in Erstaunen, Condesa! Meine Nachrichten reden nur von Austin; wer soll denn der Uebelthäter sein?«

»Ein Bösewicht, dem die Natur den Stempel des Guten, des Edlen auf das Antlitz drückte, ein Undankbarer, den Eure Herrlichkeit selbst mit Freundlichkeit, mit Wohlwollen beehrten und dem auch unser Haus mit Vertrauen und Herzlichkeit geöffnet wurde; es ist jener Williams, den der amerikanische Consul Eurer Herrlichkeit vorstellte.«

»Williams, der blonde, elegante junge Mann, der hier so viel Aufsehen machte?« versetzte Santa-Anna überrascht.

»Derselbe«, antwortete die Gräfin mit gewaltsam unterdrückter Heftigkeit. »Er war es, der die Empörer gegen Colonel Bradburne führte, und er ist es allein, der unermüdlich das Feuer des Aufruhrs durch die Provinz verbreitet. Eure Herrlichkeit können sich selbst davon überzeugen.«

Bei diesen Worten zog die Gräfin einen Brief aus ihrer Robe hervor und reichte ihn Santa-Anna hin, der ihn hastig öffnete und durchlas.

»Ei, ei, junger Herr, bist du ein solcher Freiheitsheld? Ich will dir den Lorbeer um die Stirne flechten«, sagte er, den Brief zusammenfaltend, und gab ihn der Gräfin dann mit den Worten zurück:

»Ich danke Ihnen, Condesa, für die Nachricht, die möglicherweise unserer Provinz Texas viel Leid ersparen kann. Ich werde sofort Maßregeln ergreifen, um den gefährlichen Menschen unschädlich zu machen.«

»Nur sein Tod kann dies vollbringen«, versetzte die Gräfin heftig und für einen Augenblick ihrer innern Bewegung nachgebend, fuhr aber sogleich in milderem Tone fort: »Bedenken Eure Herrlichkeit, wie vieler Menschen Leben dadurch verschont bleiben könnte!«

Die Musik verstummte. Santa-Anna küßte der schönen Frau abermals die Hand und beide erhoben sich, um unter die in den Salon zurückkehrende, vom Tanze aufgeregte Menge zu treten.


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