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Alle Gefahr war vorüber, die Bank geschlossen und vor Morgen konnte keine Entdeckung stattfinden, dann aber befand Harry sich schon hundert Meilen weit von Natchez entfernt, und die Spur des verschwundenen Mädchens aufzufinden war unmöglich.
Mit Sehnsucht sah Harry dem Abend entgegen, um sein Werk durch den Besitz der Mulattin zu krönen. Er richtete sich in seiner Kajüte ein, legte einen vollständigen Leinenanzug für Lucy zusammen und ging dann auf das Verdeck hinaus, um dort den Uebergang der Dämmerung zur Dunkelheit abzuwarten, denn die Sonne war hinter dem Urwalde an der andern Seite des Stroms versunken und der Abendstern begann zu blitzen. Die Lichter in dem großen Salon und auf dem Verdecke des Schiffes waren angezündet, als Harry in seine Kajüte trat, das Paquet mit der Kleidung für Lucy unter den Arm nahm, die Kappe für sie in die Tasche steckte und sich an das Land begab, indem er dem Kapitän zurief, er werde zum Abendessen sich einfinden. Mit raschen Schritten durcheilte er die Stadt und ging aus der Hochstraße hinaus nach dem Platze, wo er am Nachmittag von Lucy geschieden war. Die Dunkelheit beschränkte den Blick auf die nächste Umgebung, doch der Weg war nicht sehr breit, sodaß Niemand an Harry vorübergehen konnte, ohne von ihm bemerkt zu werden.
Wohl eine halbe Stunde lang war er langsam auf und nieder geschritten, ohne daß ein menschliches Wesen sich genaht hätte, und die Zeit, zu welcher die Mulattin erscheinen wollte, war längst verstrichen. Harry wurde ungeduldig, unruhig und besorgt. Wie, wenn die Leute in der Bank nun doch Verdacht geschöpft hätten, oder wenn durch irgend einen unglücklichen Zufall einer derselben mit Herrn Newberry zusammengetroffen wäre und dieser den Betrug aufgedeckt haben sollte! Es war nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, und dann kam Harry in eine sehr mißliche Lage. Mit jedem Augenblicke steigerte sich seine Unruhe und mit größter Anstrengung lauschte und spähte er um sich; da kam es ihm vor, als höre er Tritte; er horchte schärfer, jetzt hörte er sie wieder, sie kamen auf der Straße von der Stadt her, es waren eilige, leichte Schritte, er ging ihnen rasch entgegen und nach wenigen Augenblicken flog ihm Lucy in die Arme.
»Da bin ich, Geliebter, Dein in Leben und Tod!« rief sie athemlos und schmiegte sich an Harry's Brust, dem mit ihrem Erscheinen eine schwere Last vom Herzen gefallen war.
»Gott Lob, daß Du da bist!« sagte er frei aufathmend. »Du bliebst lange, ich fing an besorgt zu werden.«
»Ich mußte meiner Herrin bei ihrer Toilette helfen«, sagte die Mulattin mit weicher Stimme, welche Thränen in ihren Augen verrieth. »Es ward mir doch recht schwer ums Herz, wenn ich dachte, daß sie mich bei ihrer Rückkehr nicht mehr finden würde. Sie war mir mehr Mutter wie Herrin!«
»Die nichts Unrechtes darin fand, einen solchen Engel wie meine Lucy als Sklavin zu besitzen und zu behandeln«, bemerkte Harry mit Zärtlichkeit.
»Das darf man ihr nicht so hoch anrechnen. Ich wurde ihr als Sklavin geboren, und daß ich mehr Bildung erhielt als andere Farbige, dafür habe ich ihr ja zu danken«, entgegnete Lucy wehmüthig, fuhr dann aber schnell fort: »Aber Dir, mein Geliebter, habe ich tausendmal mehr zu danken, denn nicht nur meine Freiheit willst Du mir geben, Du gabst mir Deine Liebe und durch sie meinem Leben einen Werth; es ist Dein Eigenthum und soll es ewig bleiben!«
»Und ich gebe Dir das meinige dafür, Du liebes Mädchen. Nun aber laß' uns gehen, dieser Weg führt uns durch das Holz am Flusse, dort kannst Du Dich umziehen; ich habe Deine Jungenkleider mitgebracht.«
»Und ein treuer Junge werde ich sein«, sagte die Mulattin freudig und hing sich an Harry's Arm.
Sie hatten bald das Holz erreicht und traten vom Wege ab in das Buschwerk, wo Lucy ihren Anzug mit Beinkleid, Weste und Rock vertauschte, ihr schönes Haar auf dem Kopfe zusammendrehe und die Wachstuchmütze darüber setzte und dann die abgelegten Sachen, in ein Bündel gepackt, unter den Arm nahm.
»Ich bin neugierig, mich zu sehen«, sagte sie lachend, indem sie Arm in Arm mit Harry dem Wege nach der großen Straße am Flusse folgte.
Sie waren bald an derselben angelangt und im Begriff, zwischen den letzten Büschen herauszutreten, als zwei Leute an ihnen vorüber auf der Straße hinschritten.
»Mein Gott, das ist Herr Randolph!« sagte Lucy erschrocken zurücktretend und barg sich mit Harry hinter dem Laubwerk.
»Wen mag er da bei sich haben?« fragte Harry, seine Blicke auf das Paar heftend, auf welches der ferne Lichterschein von den am Ufer liegenden Schiffen fiel.
»Es ist wahrhaftig Fräulein Blancha, ich kenne sie am Gange und wenn sie noch tiefer verschleiert wäre«, entgegnete Lucy überrascht.
»Und man könnte auch glauben, Du seiest es, mit der er lustwandelt. Du und Fräulein Blancha, Ihr habt ziemlich ähnliche Gestalten«, versetzte Harry sinnend.
»O nein, Harry, sie ist viel größer als ich«, fiel Lucy ein.
»Dennoch könnte man behaupten, Du seiest es gewesen«, fuhr Harry immer noch in Gedanken versunken fort, indem er den beiden Liebenden nachblickte, bis sie an der Biegung des Flusses verschwanden.
»Nun aber, theure Lucy, mußt Du in Deine Rolle eintreten, die Du bis an die Grenze von Texas zu spielen hast – Du bist nun mein Diener Charles. Bleib einige Schritte hinter mir zurück, die Straße wird hier schon ziemlich hell; nimm aber um des Himmels willen Deine Kappe nicht ab. Sobald wir auf das Schiff kommen, folgst Du mir schnell in meine Kajüte.«
Harry eilte nun, von der Mulattin gefolgt, dem Werfte zu, welches hell erleuchtet und noch ziemlich belebt war, und schritt, ohne sich umzuschauen, über dasselbe hin nach dem Dampfer, auf dem er seine Fahrt nach Neuorleans bedungen hatte. Rasch ging er mit Lucy in den Salon und von dort in seine Kajüte, deren Thür er hinter sich verschloß.
»So, mein süßes Mädchen, nun noch das größte Opfer, Dein schönes Haar, und wir gehören einander an für ewig«, sagte Harry, während Lucy ihre Kappe abwarf und ihr prächtiges langes Haar in schweren Locken herabfiel.
»Es ist kein Opfer, Harry, wird mir doch das Glück dafür, in Deiner Nähe leben zu dürfen! Gib mir eine Scheere und ich schneide sie selbst a«B, antwortete Luch mit freudig glänzendem Blick.
Harry aber nahm die Scheere aus seinem Koffer hervor und sagte:
»Laß mich es thun, geliebtes Mädchen, ich will mir das Haar zum Andenken aufbewahren.« Dann setzte Lucy sich auf den Stuhl nieder und Harry schnitt ihr die Locken ab, sodaß ihr Haar ganz kurz sich um ihren kleinen Kopf kräuselte. Als er die Arbeit sauber beendet hatte, schlang er liebkosend seinen Arm um die Mulattin, küßte sie und sagte:
»So, mein hübscher Charles, nun betrachte Dich einmal im Spiegel und sieh, ob Du nicht ein prächtiger Junge bist.«
Darauf packte er die Locken vorsichtig in ein Papier, legte sie in seinen Koffer und fuhr dann fort:
»Bei Tische mußt Du aber hinter meinen Stuhl treten und mich bedienen. Armes Mädchen, wie gern würde ich hinter Deinem Stuhle stehen! Es muß aber nun einmal sein, so leid es mir auch thut.«
»O wie glücklich macht es mich, selbst etwas für mein Glück zu thun. Sollst sehen, wie natürlich ich Deinen Diener spiele; bin ich es ja doch wirklich mit Leib und Seele«, antwortete Lucy und schlang ihren Arm liebeglühend um Harry's Nacken.
Dieser betrachtete nun den Anzug Lucy's von allen Seiten, band dann noch ein schwarzseidenes Halstuch mit zierlicher Schleife um ihren zarten Hals und sagte:
»Ein prächtiger Junge; es sollte mich nicht wundern, wenn man mir große Summen für Dich böte«, und setzte, die Mulattin küssend, noch hinzu: »Doch alles Geld in der Welt würde nicht hinreichen, Dich von mir zu kaufen, meine Lucy!«
Da ertönte die Glocke, welche zum Abendessen rief, Harry verschloß seinen Koffer, küßte das Mädchen nochmal mit den Worten: »Nun komm, beste Lucy!« und trat in den Salon hinaus, wo schon einige vierzig Passagiere sich um den Tisch gereiht hatten und auf die Damen warteten, die jetzt aus ihrem Salon hervortraten und sich oben an der Tafel niederließen. Dann nahmen alle Platz und Lucy trat hinter Harry's Stuhl. Sie bediente ihn schnell und unverzagt, und nachdem das
Essen beendet war und die Passagiere den Saal verlassen hatten, trat der Kapitän zu ihm und sagte:
»Sie haben da einen herrlichen Jungen. Haben Sie ihn hier gekauft?«
»O nein«, entgegnete Harry. »Ich brachte ihn mit von Texas, ich habe ihn aber während meines Aufenthalts hier im Lande bei einem Freunde wohnen lassen, da ich hier seine Dienste nicht brauchte und weil er mich im Lande nichts kostete. Es ist ein guter Junge.«
Nachdem nun die Beamten des Schiffes gleichfalls gespeist hatten, setzte sich die schwarze Dienerschaft an den Tisch und mit ihnen auch Lucy, um ihr Mahl einzunehmen. Harry hatte eine Cigarre angezündet und sich hinaus auf das obere Verdeck begeben, wo er sich niederließ und in Gedanken versunken seinen Blick über das Werft schweifen ließ, da trat Lucy zu ihm und sagte leise: »Habe ich meinen Dienst nicht gut versehen? Zur Belohnung will ich mich aber nun zu meines Herrn Füßen hinsetzen, das wird ja nicht auffallen.«
»Ganz und gar nicht, süßes Mädchen«, antwortete Harry ebenso leise. »Jetzt darfst Du immer bei mir bleiben!« worauf die Mulattin sich neben ihm auf den Fußboden niederließ.
Es ging auf elf Uhr, die Passagiere hatten sich zur Ruhe begeben und auch auf dem Werfte wurde es leer, nur hier und dort waren noch einzelne Arbeiter mit Wegschaffen von Gütern beschäftigt, da schritt plötzlich Albert Randolph unweit des Dampfschiffs vorüber und folgte dem Wege am Flusse hin.
»Randolph wieder!« sagte Harry überrascht. »Wohin will der noch so spät?«
»Das thut er oft. Er geht häufig noch um elf Uhr in der Nacht spazieren, namentlich aber bei Mondenschein, der heute freilich fehlt«, entgegnete Lucy, gleichfalls Albert nachschauend.
»So«, sagte Harry gedankenvoll, sprang nach einigen Minuten rasch auf und eilte, von Lucy gefolgt, in seine Kajüte. Dort nahm er schnell sein Schreibzeug aus dem Koffer und schrieb mit verstellter Hand:
»Der Advocat Albert Randolph hat die Mulattin Lucy des Herrn Newberry um elf Uhr in dieser Nacht in den Fluß geworfen.«
Dann schloß er den Brief, versiegelte ihn mit einer Oblate und adressirte ihn an den Staatsprocurator. Er bat Lucy in der Kajüte zu bleiben, nahm Hut und Stock und eilte nun fliegenden Schritts nach der Post, wo er den Brief in den Kasten warf.
Um elf Uhr kehrte Madame Newberry aus der Gesellschaft zurück und wurde von ihrem Gemahl selbst an der Hausthür empfangen.
»Warum hast Du mir Lucy nicht gesandt? Ich habe allein nach Hause gehen müssen«, sagte sie ungehalten beim Eintreten.
»Lucy? Ist Lucy nicht bei Dir?« antwortete Herr Newberry erstaunt. »Sie ist nicht hier; wir glaubten, sie wäre fortgegangen, um Dich abzuholen.«
»Lucy nicht hier? Du erschreckst mich! Lucy nicht hier? Das ist ja unmöglich, wo wäre sie denn? Es muß ihr ein Unglück zugestoßen sein«, sagte die Frau mit zunehmender Angst, trat in das Zimmer und warf Hut und Shawl von sich.
»Ist Herr Randolph zu Hause?« fuhr sie dann hastig fort.
»Nein, er ist noch nicht gekommen«, erwiderte Newberry.
»Mein Gott, was kann mit dem Mädchen geschehen sein?« nahm die Frau wieder das Wort.
»Sollte sie fortgelaufen sein?« versetzte der Mann.
»Bist Du wahnsinnig? Lucy fortlaufen! Eher verlassen alle Sklaven in den Vereinigten Staaten ihre Herren, ehe Lucy von mir ginge. Nein, nein, es ist ihr ein Unglück begegnet. Wenn nur Herr Randolph hier wäre«, fuhr Madame Newberry in höchster Aufregung fort, doch nach einer Weile sagte sie, sich plötzlich beruhigend:
»Ach, sie ist mit Herrn Randolph gegangen, jetzt wird mir die Sache klar; unsere liebe Blancha hat wahrscheinlich auf einer Promenade eine Dienerin bei sich haben wollen. Ja, ja, so ist es«, rief sie lachend aus. »Wie man doch so dumm sein kann, sich so zu ängstigen!«
»Du hast Recht, so ist es auch, und Randolph hat die Entschuldigung für das Mädchen bei uns übernommen«, versetzte Newberry.
»Es ist aber elf Uhr, sie müssen doch nun bald zurückkommen. Ich will sie hier erwarten, damit ich Lucy beim Umkleiden bei mir habe«, nahm die Frau wieder das Wort und setzte sich vollständig beruhigt bei dem Kamin in einen Armsessel, während ihr Gemahl sich an dem Tische niederließ und die Abendzeitung zur Hand nahm.
»Ich begreife aber doch nicht, wo sie bleiben«, hob Madame Newberry nach einiger Zeit wieder an. »Der alte Dandon muß zum Abendessen ausgebeten sein, sonst könnte Blancha nicht so lange vom Hause bleiben.«
Sie stand auf und schritt im Zimmer auf und nieder und sagte wiederholt: »Unbegreiflich, räthselhaft!« Plötzlich aber blieb sie mit den Worten stehen:
»Da schlägt es halb zwölf! Es ist irgend etwas geschehen, sonst wäre Lucy hier, und doch, wo kann sie sein als mit Randolph?«
Da ertönten Tritte vor dem Hause und Madame
Newberry sprang mit dem Ausruf: »Gott Lob, da sind sie!« in den Corridor hinaus. Die Hausthür öffnete sich und Albert trat allein herein.
»Ist Lucy nicht bei Ihnen, Herr Randolph?« fragte die Frau mit bebender Stimme.
»Lucy? Ich habe Lucy nicht gesehen. Ist sie nicht hier?« entgegnete Albert verwundert und schritt mit Madame Newberry in das Zimmer.
»Nein, nein, sie ist nicht hier«, rief diese jetzt außer sich, und alle drei standen bestürzt und rathlos da.
»Sie muß fortgelaufen sein«, nahm Newberry zuerst wieder das Wort, seine Frau aber und Albert widersprachen ihm auf das allerbestimmteste und behaupteten, daß sie durch irgend etwas gewaltsam müsse abgehalten sein, nach Hause zu kommen. In dieser Nacht aber war es nicht möglich, Schritte zu ihrer Auffindung zu thun, und so begab man sich mit Angst und Sorgen zur Ruhe. Am frühen Morgen jedoch verließ Herr Newberry sowohl wie auch Albert das Haus, um in verschiedenen Richtungen Erkundigungen über die Mulattin einzuziehen. Das Verschwinden derselben wurde bald in der Stadt bekannt und allenthalben erregte die Nachricht davon großes Erstaunen, da Jedermann das gute Verhältniß zu ihrer Herrschaft kannte und wußte, wie sie mehr als Kind denn als Sklavin in der Familie behandelt worden war.
Madame Newberry wartete zu Hause mit zunehmender Besorgniß von Minute zu Minute auf Nachricht über das Schicksal des Mädchens, denn daß dasselbe aus eigenem Antrieb entflohen sei, das kam ihr nicht einen Augenblick in den Sinn. Es war zehn Uhr, als die Schelle gezogen wurde, und mit gespannter Erwartung eilte die Frau selbst an die Hausthür und öffnete dieselbe. Der Staatsprocurator Heald trat herein und fragte, ob Herr Newberry zu Hause sei, und als dessen Gattin die Frage verneinte, bat er um die Erlaubniß einer kurzen Unterredung mit ihr selbst.
»Ist Ihr Mulattenmädchen Lucy hier, Madame Newberry?« fragte er, mit dieser in das Zimmer tretend.
»Ach nein, Herr Heald, wir sind in der größten Besorgniß um sie. Sie kam gestern Abend nicht nach Hause«, antwortete die Frau.
»Um welche Zeit ist sie denn weggegangen, und wissen Sie, wohin sie sich begab?«
»Sie begleitete mich zu Shields am Markt, wo ich den Abend verbrachte, und von diesem Weg ist sie nicht wieder zurückgekehrt.«
»Wissen Sie, ob Herr Randolph gestern Abend zu Hause war oder um welche Zeit er zurückkam?«
»Er war während des ganzen Abends auf und kehrte um halb zwölf Uhr zurück; ich selbst empfing ihn an der Thür, weil ich glaubte, daß es Lucy sei.«
»Ist Ihnen nicht bekannt, ob Herr Randolph ein Verhältniß mit dem Mädchen gehabt hat?«
»O nein, Herr Heald, sicher nicht. Lucy ist ein äußerst braves, unschuldiges Mädchen und für Herrn Randolph kann ich bürgen, daß er niemals mit einem Gedanken ihr nachgestrebt hat; er ist ein Muster von einem jungen Mann, wie man selten findet«, antwortete die Frau lebhaft.
»Er ist also um halb zwölf Uhr nach Hause gekommen«, sagte Heald nachdenkend, als abermals die Schelle an der Hausthür erklang. Gleich darauf trat der Kassirer der Bank herein und schaute betroffen den Staatsprocurator an.
»Ich will gar nicht stören, Madame Newberry«, sagte er sich verneigend, »wir hören aber so eben, daß Ihre Mulattin Lucy verschwunden sei, und ich wollte mich erkundigen, ob sie das Geld an Sie abgeliefert oder ob sie es vielleicht mitgenommen hat.«
»Welchds Geld?« fragte die Frau überrascht.
»Die zweitausend Dollars, welche Sie uns schriftlich gebeten haben dem Mädchen auszuzahlen.«
»Ich?« rief Madame Newberry erschrocken. »Ich habe kein Geld durch sie einkassiren lassen.«
»Wäre es möglich? Sollte ein Betrug an uns verübt worden sein?« versetzte der Kassirer gleichfalls erschrocken. »Hier ist Ihr Schreiben. Madame.«
Hierbei zog er den Brief, welchen Harry im Namen der Frau an die Bank geschrieben hatte, aus der Tasche hervor und reichte ihr denselben hin.
»Das habe ich nicht geschrieben, es ist eine Fälschung, Herr!« antwortete die Frau und gab ihm das Schreiben zurück.
Der Staatsprocurator hatte schweigend der Unterhaltung zugehört und bat den Kassirer jetzt, ihm den Brief zu zeigen.
Er las denselben durch, schaute noch einige Augenblicke gedankenvoll auf das Papier und sagte dann zu dem Kassirer: »Sie vertrauen mir wohl auf eine Viertelstunde den Brief an? Ich möchte einige Worte mit Madame Newberry reden und werde Ihnen dann das Schreiben selbst in die Bank bringen; es kann möglicherweise für Ihr Interesse sein.«
»Sehr gern, Herr Heald. Ich werde Sie in der Bank erwarten«, erwiderte der Kassirer, empfahl sich und verließ das Haus.
»Können Sie mich wohl einen Blick auf den Schreibtisch des Herrn Randolph thun lassen? Sie würden mich sehr dadurch verbinden«, wandte sich jetzt der Procurator an die Frau.
»Sehr gern. Sein Zimmer ist offen«, antwortete diese verwundert, worauf Heald mit ihr aus der Stube ging und sich durch sie nach Albert's Zimmer führen ließ.
Dort trat er rasch an den Schreibtisch, öffnete den Brief, welchen ihm der Kassirer gelassen hatte, und verglich nun die Schrift mit der Handschrift Albert's, welche sich auf unzähligen auf dem Tische liegenden Papieren seinen Blicken darbot. Seine Aufmerksamkeit, mit welcher er dieselbe betrachtete, steigerte sich mit jedem Augenblick, er nahm immer wieder ein neues Blatt zum Vergleich vor sich, bis er plötzlich, wie zu einem Resultat gekommen, den Brief in seiner Tasche verbarg und, sich an Madame Newberry wendend, sagte:
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, bitte Sie aber im Namen des Gesetzes, Herrn Randolph nichts von meinem Besuch wissen zu lassen für den Fall, daß er bald nach Hause kommen sollte.«
Dann schritt er eilig aus dem Zimmer, verabschiedete sich bei der Frau und verließ das Haus.
Er begab sich geraden Wegs nach der Bank, wo er von dem Präsidenten derselben empfangen und in dessen Privatzimmer geführt wurde.
»Unser Kassirer hat Sie bereits von dem gestern an uns verübten Betrug in Kenntniß gesetzt, Herr Heald«, hob der Präsident an, indem er sich mit jenem in Armsesseln niederließ.
»Das ist der Grund meines Besuchs bei Ihnen, Herr Präsident«, antwortete der Staatsprocurator und zog den Brief aus der Tasche. »Höchst sonderbare Zusammentreffen werfen großen Verdacht auf eine Person, die eigentlich über allem Verdacht hoch erhaben steht. Wer aber kann dem Menschen in das Herz sehen?«
»Und darf ich wissen, wer diese Person ist?« fragte der Präsident sehr gespannt.
»Was ich Ihnen mittheile, Herr Präsident, bleibt auf das strengste unter uns«, versetzte Heald, rückte dann seinen Stuhl näher zu jenem hin und fuhr fort: »Heute früh erhielt ich einen Brief ohne Unterschrift, in welchem mir angezeigt wurde, daß der junge Advocat und Dichter Albert Randolph gestern Nacht um elf Uhr die Mulattin Lucy in den Fluß geworfen habe.«
»Randolph? Das ist unmöglich!« sagte der Präsident mit augenscheinlicher Entrüstung.
»Ebenso unmöglich erschien es mir«, nahm der Staatsprocurator wieder das Wort. »Ich wollte mich aber doch überzeugen, ob die Mulattin wirklich vermißt würde, und begab mich dieserhalb zu Madame Newberry, wo ich nun durch Ihren Kassirer von dem Betrug in Kenntniß gesetzt wurde, den man an Ihnen gestern mit
Hülfe dieser Mulattin verübt hat. Die Anzeige von dem Mord gewann durch die Betheiligung des Mädchens an dem Betrug an Glaubwürdigkeit, und bei Ansicht des Briefes an die Bank kam mir der Gedanke, die Handschrift mit der des angeblichen Mörders Randolph zu vergleichen. Ich bat Madame Newberry, mich auf dessen Zimmer zu führen, verglich dort dessen Handschrift mit dem Briefe und fand zu meiner großen Bestürzung eine unverkennbare Aehnlichkeit zwischen beiden, ja ich konnte mich nicht gegen die Ueberzeugung wehren, daß Randolph diesen Brief geschrieben habe.«
»Es ist ja aber gar nicht möglich, Herr Heald!« fiel ihm der Präsident in das Wort. »Dieser Randolph, das Muster eines anständigen, soliden, edlen jungen Mannes!«
»So fühle auch ich, und doch, was das Auge sieht, glaubt das Herz. Es ist meine Pflicht, die Sache zu verfolgen und mich der Person Randolph's zu versichern.«
»Es wäre ja aber schrecklich für ihn, wenn er unschuldig wäre. Bedenken Sie seine hohe, gefeierte Stellung in der Welt.«
»Es wäre ein Unglück, welches das Schicksal über ihn brächte, und dennoch bleibt mir nichts übrig, als ihn gefangen nehmen zu lassen und seine Papiere durchzusehen, ob sich weitere Verdachtsgründe in denselben finden. Es thut mir leid, meine Pflicht aber läßt mir keinen andern Weg frei, denn er kann sich jeden Augenblick entfernen. Ich bitte, mir nun auch die Anweisung, die in dem Briefe gelegen hat, einzuhändigen.«
»Sehr gern«, antwortete der Präsident, zog die Schelle und ließ sich durch den eintretenden Beamten die Anweisung bringen.
»Sie ist mit dem Namen des Herrn Dandon unter zeichnet und zwar in dessen Handschrift so treu, daß er selbst glauben muß, er habe es geschrieben«, bemerkte der Präsident, indem er Heald die Anweisung reichte. Derselbe betrachtete das Papier und sagte dann: »Diese Schrift ist wieder eine ganz andere, sie hat mit der Randolph's gar keine Aehnlichkeit. Ich will nun gehen, um die nöthigen Schritte zur Verhaftung des jungen Mannes zu thun, und werde ihn ohne alles Aufsehen zuerst nach meiner Wohnung kommen lassen; dort will ich mit ihm reden und sehen, welchen Eindruck die Anklage auf ihn macht.«
Hiermit erhob sich der Staatsprocurator, reichte dem Bankpräsidenten die Hand und sagte im Weggehen:
»Ich bitte nochmals um strengste Verschwiegenheit.«
Madame Newberry war, als der Staatsprocurator ihr Haus verließ, schnell an das Fenster getreten und hatte dann, soweit ihn ihr Blick verfolgen konnte, ihm staunend nachgesehen.
Was in aller Welt hatte der Mann wohl mit seinen Fragen über Herrn Randolph gewollt und aus welchem Grunde hatte er den gefälschten Brief mit dessen Handschrift verglichen? Sah es doch wahrlich aus, als ob er Verdacht gegen diesen edlen, unvergleichlich braven Jüngling habe!
Eine unnennbare Unruhe hatte sich bei Gedanken dieser Art der Frau bemächtigt, und bald drängte es sie, Blancha von dem Geschehenen zu unterrichten, bald aber Randolph aufsuchen zu lassen und ihn von Heald's Betragen in Kenntniß zu setzen. Dieser hatte ihr ja aber im Namen des Gesetzes Schweigen aufgelegt, und so durfte sie, ohne sich an demselben zu vergehen, nichts von seinem Besuche laut werden lassen.
Wer konnte denn aber auch wissen, was er gewollt hatte und in welcher Weise sein Verfahren mit Randolph's Person in Beziehung stand! Ein Unrecht konnte man in diesem unmöglich suchen.
Die Glocke in dem Hotel, in welchem Albert zu Mittag speiste, rief zu Tische, als dieser mit dem Advocaten Portman in dessen Office saß und mit ihm einen wichtigen Rechtsfall beendet hatte, dessen Entscheidung nahe bevorstand. »Ihre Ansichten stimmen mit den meinigen vollkommen überein und der Proceß muß verloren gehen; ich kann und werde die Vertheidigung für keinen Preis übernehmen«, sagte Portman, indem er die Papiere, welche sie durchgesehen hatten, zusammenlegte und sie Randolph hinreichte.
Dann lehnte er sich in dem großen Armsessel zurück, schlug ein Bein über, und fuhr mit vertraulichem, freundlichem Tone fort:
»Mit Ablauf des Jahres, lieber Randolph, habe ich nun fest beschlossen, meine Praxis aufzugeben und Ihnen dieselbe zu überlassen; ich bin stolz darauf, einen solchen ehrenwerthen, talentvollen Nachfolger zu bekommen. Halten Sie stets, wie ich es that, an dem Grundsatz fest, sich immer nur des Rechts anzunehmen, nie aber sich herabzuwürdigen, aus dem Unrecht Recht zu machen; einen Schurken können Sie niemals zum ehrlichen Manne erheben, wohl aber sich selbst mit ihm auf gleiche Stufe stellen. Der Gewinn, den Sie aus dem Unrechte ziehen, wird sich Ihnen stets in Verlust umwandeln, und unterliegen Sie auch in der Vertheidigung des Rechts, so bleiben Sie in dem Gefühl jedes rechtlichen Mannes doch immer Sieger. Wir wollen bald die Ankündigung veröffentlichen, daß Sie mit dem neuen Jahre meine Praxis übernehmen werden.«
»Ihr liebevolles, väterliches Wohlwollen, Herr
Portman, macht mich mehr wie glücklich und ich werde durch Fleiß und unbedingtes Festhalten an Ihren ehrenhaften Grundsätzen mich bestreben, Ihrer Güte, Ihres Vertrauens würdig zu sein«, sagte Albert tief ergriffen, erfaßte die Hand des alten Biedermannes und küßte sie. Da öffnete sich die Thür der Office und der Sheriff trat herein.
»Nun, was bringen Sie uns, Herr Sheriff?« fragte Portman zu ihm aufsehend.
»Ich habe mich eines Auftrags zu entledigen, den ich gern einem Andern überlassen haben würde«, antwortete dieser mit befangener Stimme.
»So ernst, Herr Sheriff? Sie wollen mich doch nicht verhaften?« sagte Portman lächelnd.
»Nein, Herr Portman. Nicht Ihnen, dem Herrn Albert Randolph gilt mein Besuch; im Namen des Gesetzes muß ich Besitz von seiner Person nehmen«, entgegnete der Beamte und heftete seinen Blick auf Albert, der ihn lächelnd und fragend anschaute, als erwarte er nun die Erklärung des Scherzes. Im nächsten Augenblick aber wurden seine Züge ernst und mit fester, unmuthiger Stimme sagte er:
»Ich verstehe Sie nicht, Herr Sheriff, und verbitte mir solche Thorheiten.«
»Es ist voller Ernst, Herr Randolph. Hier ist der
Verhaftsbefehl gegen Sie«, antwortete der Gerichtidiener und zeigte ihm denselben vor.
»Was ist das?« rief Portman aufspringend, ergriff das Papier und warf einen flüchtigen Blick auf dasselbe, dann fuhr er mit Entrüstung fort: »Auf welchen Grund hin will man meinen Geschäftsführer verhaften?«
»Das kann ich nicht sagen, Herr Portman«, erwiderte der Sheriff. »Ich soll den Herrn Randolph zu dem Staatsprocurator führen.«
»Eine Rücksichtslosigkeit sondergleichen!« sagte Portman mit zornigem Tone. »Ich dächte, diesem Herrn Heald, der mir seine Stelle zu verdanken hat, wäre der Weg wohl nicht zu weit gewesen, selbst hierher zu kommen und diesen einfältigen Spaß zu erklären.«
Dann wandte er sich zu Randolph und sagte beruhigend:
»Kommen Sie, mein lieber junger Freund, ich werde Sie selbst zu diesem großthuenden Herrn begleiten und eine genugthuende Aufklärung erbitten.«
»Nein, nein, bester Herr Portman. Warum sollen Sie sich ärgern? Lassen Sie mich allein gehen, ich dente schon mit ihm fertig zu werden«, fiel Albert mit unterdrücktem Zorn ein, nahm seinen Hut und sagte zu dem Gerichtsdiener: »Ich bin bereit, Herr Sheriff, Ihnen zu folgen!« Doch Portman schlang Randolph's Arm mit den Worten in den seinigen:
»Wer Sie angreift, greift mich an, und wo Sie bleiben, bleibe auch ich. Kommen Sie, der Mann soll wissen, wer wir sind!«
Hiermit schritt der alte Herr mit Albert stürmisch in die Straße hinaus und der Sheriff folgte ihnen schweigend.
Mit wachsender Aufregung und Spannung eilten sie dahin und erwiderten kaum die vielen Grüße, die ihnen von allen Seiten geboten wurden.
»Was um des Himmels willen mag es nur sein, was sie vorhaben! Irgend eine juristische Spitzbüberei, Sie zu verhaften!« sagte Portman im Vorwärtsschreiten mit vor Zorn bebender Stimme.
»Gott weiß, ich habe gar keine Ahnung davon; es soll aber dem Urheber ein theurer Scherz werden«, versetzte Albert, seine Entrüstung bekämpfend.
»Haben Sie denn mit Jemand Streit gehabt oder eine Drohung gegen irgend Jemand ausgestoßen?«
»Durchaus nicht, ich lebe mit Jedermann in Frieden und gutem Vernehmen. Meines Wissens habe ich gar keinen Feind«, entgegnete Albert, und hin und her denkend und fragend erreichten sie die Wohnung des Staatsprocurators.
Der Sheriff trat mit ihnen in das Haus ein und öffnete die Zimmerthür Heald's mit den Worten:
»Hier bringe ich den Gefangenen Albert Randolph.«
»Und hier ist John Portman, um Rechenschaft über ein so rücksichtsloses Verfahren gegen meinen Geschäftsführer und also auch gegen mich von Ihnen zu fordern, Herr Heald«, sagte Portman, indem er mit Albert in das Zimmer trat, wo der Staatsprocurator sie mit einer ernsten Verbeugung empfing.
»Setzen Sie sich, meine Herren!« nahm dieser das Wort und deutete auf zwei Stühle, welchen gegenüber er selbst Platz nahm. Dann fuhr er mit ruhigem Tone fort:
»Es ist mir lieb, Herr Portman, daß Sie selbst mitgekommen sind, damit Sie sich davon überzeugen, daß Sie unter denselben Verhältnissen vollständig ebenso gehandelt haben würden wie ich.«
»Sie machen mich wirklich neugierig, Herr Heald«, entgegnete Portman ungeduldig.
»Herr Randolph ist des Mordes bei mir angeklagt und desselben sowie einer bedeutenden Fälschung verdächtig«, sagte Heald und heftete seinen Blick fest auf Albert.
Halb erschrocken fuhr Portman bei diesen Worten herum und sah Albert an, als wolle er dessen Antwort auf seinem Gesichte lesen.
Dieser aber warf dem Staatsprocurator einen wuthflammenden Blick zu und sagte mit vor Zorn zitternder Stimme:
»Daß Sie, Herr Heald, einer solchen nichtswürdigen Verleumdung Ihr Ohr leihen und darüber eine Frage an mich stellen können, erkläre ich für eine Theilnahme an dieser Schandthat selbst. Es ist unter meiner Würde, darauf zu antworten.«
Albert sagte diese Worte mit so unverkennbarer innerster Entrüstung und mit solchem Stolz, daß der Staatsprocurator für den Augenblick die Fassung verlor und mit einem entschuldigenden Tone antwortete:
»Wenn ich auch selbst nicht an Ihre Schuld geglaubt habe, so darf ich in meiner Stellung doch meinem eigenen Gefühl nicht folgen, sondern muß solche triftige Verdachtsgründe, wie gegen Sie vorliegen, berücksichtigen. Um aber so schonend als möglich gegen Sie zu verfahren, habe ich Sie zu mir hierher führen lassen.«
»Ich bitte, mir die Verdachtsgründe, auf welche hin man mich verhaften konnte, zu bezeichnen und mir meinen Ankläger zu nennen«, versetzte Albert mit festem, stolzem Tone.
»Sie sind angeklagt, die Mulattin des Herrn
Newberry in verflossener Nacht in den Fluß geworfen zu haben. Das Mädchen ist verschwunden«, sagte Heald.
»Und wer hat die Anzeige hiervon bei Ihnen gemacht?«
»Ein Unbekannter durch einen Brief, welchen ich heute früh erhielt.«
»Zweifelsohne war es der Mörder selbst, der diesen Brief schrieb, Herr Heald«, fiel Portman rasch ein.
»So dachte auch ich«, fuhr der Staatsprocurator fort, »bis ich hörte, daß diese Mulattin Lucy gestern in der Bank auf eine gefälschte Anweisung zweitausend Dollars einkassirt habe.«
»Und darin können Sie einen Verdachtsgrund gegen Herrn Randolph finden?« nahm Portman mit verbissenem Zorn wieder das Wort.
»Nein«, antwortete Heald ruhig. »Die Anweisung wurde aber der Bank in einem gefälschten Schreiben übergeben und in diesem Schreiben fand ich den Grund zu dem Verdacht«, entgegnete Heald, nahm Harry's Brief von dem Tisch und reichte ihn Portman mit den Worten hin: »Was halten Sie von dieser Handschrift?« Bei dem ersten Blick, den der alte Herr auf das Schreiben that, fuhr er wie vom Blitz getroffen zusammen, stierte noch eine Weile auf das in seiner Hand zitternde Papier und hob nun seine Augen fragend zu
Albert auf. Dieser aber sah ihn verwundert an sagte mit unbefangenem, doch erstauntem Tone:
»Und in welcher Weise wirft dieser Brief einen Verdacht auf mich?«
»Haben Sie dieses geschrieben, Randolph?« fragte Portman jetzt mit feierlichem Tone und reichte Albert das Papier hin.
Dieser erschrak sichtbar und wurde bleich, auch in seiner Hand zitterte das Blatt und sein Blick stierte die Schrift an, als ob er ein Gespenst vor sich sähe. Dann aber schaute er dem Alten offen in die Augen und sagte:
»Nein, so wahr ich an Gottes Barmherzigkeit glaube! Es ist eine Schandthat, die ein Nichtswürdiger an mir verübte, indem er meine Handschrift fälschte.«
»Ich hoffe, ich bin nun vor Ihnen beiden gerechtfertigt wegen meines Verfahrens«, hob der Staatsprocurator an, indem er den Brief aus Albert's Hand empfing.
»Vollkommen, Herr Heald. Es ist Ihre Pflicht, das gerichtliche Verfahren gegen meinen jungen Freund fortzusetzen. Wieviel Caution verlangen Sie für dessen Freiheit während der Zeit der Verhandlungen?« versetzte Portman mit einer höflichen Verbeugung, worauf der Staatsprocurator einige Augenblicke sinnend vor sich, hinschaute und dann sagte:
»Zehntausend Dollars ist keine zu hohe Forderung bei einer so schweren Anklage.«
»Ich übernehme es, diese Sicherheit für ihn zu leisten, und werde sogleich den Betrag nach Ihrer Verfügung niederlegen«, erwiderte Portman aufstehend und reichte Albert die Hand mit den Worten:
»Nun lassen Sie uns nach Hause gehen und den Aerger über diese Schurkerei zu vergessen suchen.«
»Ich habe die Zimmer des Herrn Randolph versiegeln lassen müssen, weil ich dessen Papiere durchzusehen genöthigt bin, und vor morgen früh werde ich nicht zu dieser Arbeit schreiten können«, fiel Heald ein und fügte noch höflich hinzu: »Ich wollte dieses Geschäft aus Rücksicht für Sie beide, meine Herren, keinem Andern übertragen.«
»So werde ich unsern Gefangenen mit mir nach meinem Hause nehmen«, sagte Portman lächelnd, reichte Heald die Hand zum Abschied, Albert that ein Gleiches und dann begaben sie sich nach Portman's Wohnung.