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Mit Tagesgrauen waren auf Ralphs Plantage die Sklaven schon an der Arbeit auf den Feldern. Tom Norwood ritt zwischen ihnen herum und fand seine Freude daran, seine schwere Peitsche auf ihre Rücken niedersausen zu lassen. Es war ihm eine grausame Befriedigung, Männer oder Frauen nackt an einen Baum binden zu lassen und ihrer Auspeitschung zuzusehen.
Mit seinem Vater hatte er deswegen schon einige ernste Auftritte gehabt. Denn Ralph bevorzugte sichtlich einige hübsche junge Quadroninnen vor den übrigen Sklaven, kleidete sie in Seide und sprach sie von jeder Arbeit frei. Tom aber kehrte sich nicht daran und holte die Mädchen bei jeder Gelegenheit, wenn sein Vater abwesend war, zur Arbeit heran und schikanierte sie.
Wieder einmal war das Frühstück infolge eines Wortwechsels zwischen Vater und Sohn höchst unerquicklich verlaufen. Noch sei er der unumschränkte Herr hier im Hause, hatte Ralph erklärt, und nur er habe zu bestimmen, wann die Mädchen arbeiteten. Tom wollte eben wütend davonstürmen, als ein Fremder gemeldet wurde. Vater und Sohn traten auf die Veranda.
Die Neger hatten sich bereits des Pferdes des Besuchers angenommen, dieser kam die Treppe herauf. Bei dem Anblick des mächtigen Mannes mit dem schwarzen Vollbart hatte Ralph sofort das unangenehme Gefühl, daß er diesen Menschen in der Tracht der Westjäger schon einmal getroffen haben mußte.
»Mein Name ist Duncan«, sagte der Fremde. »Ich bin heute schon fünf Stunden unterwegs und wäre ihnen dankbar, wenn ich ein wenig bei Ihnen rasten dürfte.«
»Ich heiße Norwood. Bitte treten Sie näher!«
Bei dem Namen Norwood zuckte der Schwarzbärtige zusammen. Ralph entging das nicht.
»Sie kommen mir bekannt vor, obwohl ich mich nicht entsinnen kann, wann wir uns begegnet sind. Doch scheint auch mein Name nicht unbekannt?«
»Ich wüßte nicht, wo wir uns begegnet sein sollten, Mister Norwood. Ihren Namen hörte ich allerdings vor einiger Zeit oben am Canadian River. Stammen Sie nicht aus Florida?«
»Allerdings! Ich bin erst vor kurzer Zeit nach Texas übergesiedelt.«
»Ich rastete in der Hütte eines Seminolenhäuptlings Tallihadjo, den es nach Ihrem Skalp gelüstete ...«
Ralph erschrak, aber faßte sich rasch.
»Die Seminolen sollten mir dankbar sein, daß ich sie vor unnützem Blutvergießen bewahrte und ihre Auswanderung aus Florida ermöglichte. Statt dessen gieren sie nach meinem Skalp. Na, von hier bis zum Canadian ist ein weiter Weg.«
»Oh, die Jäger der Seminolen streifen häufig bis in diese Gegend herunter«, bemerkte Duncan mit leisem Spott.
Ralph erwiderte nichts darauf, sondern bat ihn zu einem Imbiß ins Haus. Auf dem Kreuzgang kamen ihnen Eloise und Berenice entgegen. Als Eloise den Schwarzbart erblickte, streckte sie abwehrend die Hände gegen ihn aus.
»O Gott!« rief sie. »Flournoy!«
Duncan verneigte sich höflich vor ihr.
»Mein Name ist Duncan! Ich habe den Eindruck, daß man mich hier mit einer anderen Person verwechselt, der ich vielleicht ähnlich sehe?«
»Verdammt ähnlich!« entfuhr es Ralph, der sich nach Eloises Ausruf sogleich über den Fremden klar war.
»Wer ist denn dieser Doppelgänger von mir?« Duncan blickte Norwood herausfordernd an.
»Ein Mann, mit dem ich noch eine Rechnung zu begleichen habe! Ein blutiger Pirat, der später am Galgen endete! Er hieß Flournoy!«
Duncan wandte sich an die zitternde Eloise.
»So beruhigen Sie sich doch, Madam! Wenn der Mann tot ist, kann ich es schwerlich sein! Und für einen Geist habe ich zuviel Fleisch und Blut! Aber ich sehe, daß diese Ähnlichkeit scheinbar unangenehme Erinnerungen bei Ihnen weckt. Darum möchte ich es vorziehen, Ihre Gastfreundschaft nicht in Anspruch zu nehmen.«
Er verbeugte sich und ging. Draußen rief er nach seinem Pferde und ritt schleunigst davon. Es war in der Tat Flournoy, der vor zwei Jahrzehnten in Baltimore durch die Methodisten vor dem Galgen gerettet worden war und sich in den Wilden Westen geflüchtet hatte. Das unerwartete Wiedersehen mit Norwood änderte seine Pläne. Seinem Reichtum nach mußte Norwood großen Einfluß besitzen, den er leicht benutzen konnte, ihm gefährlich zu werden. Darauf wollte Flournoy es nicht ankommen lassen. Ohne Zeit zu verlieren, machte er sich auf den Rückweg nach Norden. Das unverhoffte Wiedersehen sollte ihm noch Kapital einbringen!
Ralph Norwood war durch das Erscheinen des totgeglaubten Piraten zwar weniger erschreckt als Eloise, die nur mit Schmerz und Abscheu an den Mörder ihres Vaters denken konnte, doch immer mehr beunruhigte ihn der Gedanke, daß Flournoy ihn und seinen jetzigen Wohnort an Tallihadjo verraten könnte.
Er ließ sich daher sein schnellstes Pferd satteln und machte sich auf, den ehemaligen Freibeuter zu verfolgen und zu stellen. Er war entschlossen, ihn ohne weiteres niederzuschießen. Eine Zeitlang konnte er auch die Spur des Trappers verfolgen, doch dann verlor er sie und fand sie nicht wieder. Flournoy-Duncan hatte es in der Wildnis gelernt, seine Fährte zu verwischen.
Mißmutig und müde kehrte Ralph spätabends auf seine Plantage zurück. Eloise kam ihm weinend entgegen.
»Tom ist tot!«
Kaum war Ralph am Vormittag fortgeritten, als Tom die Lieblinge seines Vaters rufen ließ und ihnen befahl, Hacken zu nehmen und ihm aufs Feld zu folgen. Die Quadronen zögerten. Zornig forderte er sie nochmals auf, doch sie weigerten sich unter Berufung auf den General. Da griff Tom in höchster Wut zur Peitsche und trieb sie aufs Feld.
Den ganzen Vormittag blieb er bei ihnen und schlug sie bei jeder Gelegenheit. Als die Tischglocke zum Essen rief, versprach er ihnen, daß sie nachmittags noch besser arbeiten würden.
Nach Tisch hatte sich Tom auf die Veranda vor dem Hause gesetzt, um bei einer Zigarre eine Tasse Kaffee zu trinken. Er hatte sich den Hufschmied der Sklaven kommen lassen und warf ihm vor, sein Pony zu schwer beschlagen zu haben. Als der Schwarze das bestritt, drohte er, ihm die Hufeisen eigenhändig unter die nackten Füße zu nageln, und jagte ihn davon. Dann trank er die Tasse Kaffee aus.
Als er bald darauf aufstehen wollte, wankte er hin und her und brach mit einem Schrei zusammen. Eloise und Berenice eilten erschreckt herbei und ließen ihn ins Haus tragen. Seine Augen waren stier, sein Gesicht bleifarben, sein Atem ging immer schwerer, und seine Glieder wurden immer steifer. Die Frauen waren ratlos. Eloise schickte einen reitenden Boten zu Farnwald. Als dieser eintraf, war es bereits zu spät. So viel auch Eloise und Berenice von dem Toten hatten erdulden müssen, so war es doch immerhin ihr Sohn oder Bruder. Farnwald hatte Mühe, sie zu trösten. Er blieb bei ihnen, um die Rückkehr Norwoods abzuwarten.
Ralph Norwood traf die Nachricht vom Tode seines Sohnes wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Alle Streitigkeiten waren vergessen, der plötzliche Verlust verwischte sie und erweckte alle Gefühle der Vaterliebe wieder. Er konnte, er wollte die Wahrheit nicht glauben. Er stieß Eloise beiseite und eilte auf Toms Zimmer zu. In der Tür trat ihm Farnwald entgegen.
»Zu spät, Herr General! Ihr Sohn ist vergiftet, allem Anschein nach mit Strychnin ...«
Norwood starrte ihn an, als könne er seine Worte nicht fassen. Mit aufeinandergepreßten Lippen und geballten Fäusten trat er an das Totenlager.
»Himmel und Hölle!« tobte er plötzlich los. »Vergiftet! Wer war das?«
Er jagte wie ein Wahnwitziger durch das Haus und verhörte einen jeden. Dann rannte er zu den Negerhütten und brachte heraus, was am Morgen vorgefallen war. Mit gräßlichen Verwünschungen schwur er, den Mörder langsam zu Tode zu martern. Die Quadronen bestritten hartnäckig jede Schuld.
Es war eine schreckliche Nacht. Farnwald blieb und leistete den weinenden Frauen Gesellschaft, er suchte Eloise zu trösten und beruhigte Berenice. Norwood betrank sich schließlich bis zur Besinnungslosigkeit.
Als Tom am nächsten Morgen in der Nähe der Plantage am Waldrande zur Ruhe bestattet wurde, war Ralph noch nicht wieder nüchtern. Farnwald fühlte sich durch seinen Anblick angewidert. Als er nach Hause zurückritt, reifte in ihm der Entschluß, Sorge zu tragen, daß Berenice wenigstens bald aus der Umgebung dieses Menschen herauskäme. Wenn Norwood nicht gutwillig einer Heirat mit James Arnold zustimmte, dann mußte es hart auf hart gehen. Dazu war Farnwald fest entschlossen.