Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

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Im Dorf der Seminolen

Still und klar lag das Mondlicht auf Berg und Tal. Leise zog die kühle Nachtluft durch die Wälder und kräuselte das üppige Laub. Auch in den Orangenbäumen vor Norwoods Blockhaus rauschte der spielende Wind. Er wehte um die Magnolie über des alten Mannes Grab und nahm den Duft der weißen Riesenblumen mit sich.

Neben dem Grabhügel knieten drei Menschen um ein kleines, stark rauchendes Kohlenfeuer und murmelten leise Worte: Tallihadjo, Onahee und Tomorho.

»Unser weißer Bruder ist glücklich und empfängt mit Freude den süßen Duft, den wir ihm senden«, sagte der Häuptling. »Er blickt mit Dank auf uns herab und wird die roten Kinder ewig lieben!«

»Du mußt Ralph aufsuchen«, wandte sich Tallihadjo zu seinem Sohn. »Geh und such seine Spur, und wenn du weißt, wo er weilt, bring mir die Nachricht! Seines Vaters letzte Bitte an mich war, über ihn zu wachen!«

Als sie mit dem Pfad die Landstraße erreichten, trennten sie sich. Tomorho schlug die Straße nach Norden zu ein, Tallihadjo verschwand bald mit Onahee auf einem kaum erkennbaren Weg im dichten Walde, auf dem sie dem Lager ihres Stammes zueilten.

Dieses befand sich nur sechs Meilen von Norwoods Niederlassung entfernt am westlichen Ufer des Ocklockny River. Tallihadjo nannte einen bedeutenden Strich Landes in der Umgegend seinen Jagdgrund und sein Eigentum, und noch war er unbestritten in diesem Besitz, noch war es keinem weißen Siedler eingefallen, sich einfach darauf niederzulassen und Felder anzulegen, denn noch traute sich niemand so weit in die Wildnis vor.

Tallihadjos Stamm, einst zahlreich und mächtig, war jetzt nur noch einige hundert Krieger stark. Er lebte wie die meisten Stämme der Seminolen familienweise in hölzernen, mit Tierhäuten bedeckten Hütten und längst nicht mehr in Lederzelten, die dem früheren Wanderleben entsprochen hatten.

Wohl war die Jagd noch die Hauptbeschäftigung dieser Indianer, aber ihre Streifzüge wurden mehr und mehr durch die Ansiedlungen der Weißen und Gebietsstreitigkeiten untereinander eingeschränkt und dauerten nicht mehr Monate, sondern nur noch Tage.

Je weniger Ertrag die Jagd bot, um so mehr wandten sich die friedlichen Stämme nun der Vieh- und Pferdezucht zu. Und weil sie ihre einfache Lebensweise beibehielten, mehrte sich ihr Wohlstand, aber damit auch die Habgier ihrer weißen Nachbarn, die mit allen Mitteln die Wilden zu übervorteilen und zu betrügen suchten. Man nötigte ihnen im Tauschhandel wertloses Zeug zu übertriebenen Preisen auf, und man führte vor allem den Branntwein unter ihnen ein, um sie der klaren Überlegung zu berauben und aus ihrer Verdorbenheit Nutzen zu ziehen.

Der Mond versank hinter den unabsehbaren Wäldern an der Nordgrenze Floridas, als der Häuptling mit Onahee seine Hütte erreichte. Auf dem Feuerplatz davor lag ein glühender Baumstamm, an dem die Flamme erstorben war. Um ihn herum ruhte Tallihadjos Familie: Satochee, seine Frau, deren zwei Söhne und zwei Töchter im Alter von zwei bis acht Jahren und noch sechs andere Frauen, die Dienerinnen und Arbeiterinnen waren. Des Häuptlings älterer Sohn, der sechzehnjährige Tomorho, stammte von seiner ersten Frau, die schon früh gestorben war. Auch einige zwanzig Neger, Männer, Frauen und Kinder, lagen unweit des Feuerplatzes in tiefstem Schlaf.

Viele Hunde sprangen ihrem Herrn freudig kläffend entgegen und umdrängten ihn schmeichelnd. Satochee erwachte und bewillkommnete den Gatten.

»Hast du die Seele des Toten mit süßem Rauch erfreut? Er war eines der wenigen Bleichgesichter, die es ehrlich mit uns meinen.«

»Ich kenne nur noch zwei hier in unserer Nähe«, sagte der Häuptling gedankenvoll. »Den alten Arnold und seinen Sohn. Er kam in unser Land, bald nachdem Tom mit uns die Friedenspfeife geraucht hatte. Damals stillte der Büffel noch im Sommer an den klaren Quellen der blauen Berge Virginias seinen Durst und labte sich im Winter an dem saftigen Gras Floridas. Damals jagten unsere Väter noch an den felsigen Ufern des Ohio den Bären, und in Florida wurden nur ihre Stimmen gehört ...«

»Beide kamen und baten um unsere Freundschaft und gaben uns dafür die ihre.«

»Die anderen Bleichgesichter kamen mit dem Donner in der Hand und schleuderten ihre Blitze. Sie brachten Feuerwasser und Krankheiten. Der Große Geist hat unserm Volk den Weg, den die Sonne zieht, abgeschnitten, und so muß es hier zugrunde gehen. Schritt für Schritt wird es in die Sümpfe dieses Landes zusammengedrängt. Der Zorn des Großen Geistes liegt auf uns, wir werden täglich weniger, und die Weißen mehren sich wie die Heuschrecken.

Bald wird kein Seminole mehr sagen können, daß dieses Land seinem Volk gehört hat, keiner wird mehr von den Siegen seiner Väter über ihre Feinde erzählen können. Der Pflug der Bleichgesichter wird die Gräber der Seminolen aufwühlen, und zwischen ihren Gebeinen wird Mais und Baumwolle wachsen.«

Als sie zum Lager zurückkehrten, hatten die Frauen das Frühstück aus unreifem, in Wasser abgekochtem Mais und geröstetem Hirschfleisch bereitet. Vor den nicht weit entfernten Hütten der übrigen Familien von Tallihadjos Stamm rüsteten sich die Männer zur Jagd. Zu Fuß und zu Pferde, teils mit Büchsen, teils mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, zogen sie, von einer Menge Hunde umschwärmt, dem Fluß zu, durchschritten ihn auf einer seichten Furt und verschwanden jenseits im hohen Walde.

Tallihadjo wies seinen Negern Arbeit an. Einige schickte er zum Angeln an den Fluß, andere mußten Feuerholz besorgen. Er selber setzte sich vor den Eingang seiner Hütte und versah den Hahn seiner Büchse mit einem neuen Feuerstein.

Am nächsten Tag kehrte Tomorho zurück und berichtete, daß Ralph Norwood beim alten Arnold wohne und in Kürze auf sein Eigentum ziehen wolle, um dort Mais und Baumwolle zu bauen.

»Möge der Große Geist ihn in seinem Vorsatz bestärken und die falschen Zungen der Bleichgesichter von ihm fernhalten«, sagte Tallihadjo erfreut. »Dann wird das Indianerblut in seinen Adern sein Herz stark machen, und er wird uns die Freundschaft seines Vaters ersetzen! Möge sein Leben froh und heiter werden wie der schäumende Bach der Gebirge, wenn er das Tal erreicht und zwischen den duftenden bunten Blumen der Prärie ruhig dahinfließt.«


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