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Von Edgar Allan Poe
In Paris, wo ich das Frühjahr und einen Teil des Sommers 18.. verbrachte, machte ich die Bekanntschaft eines Herrn C. Auguste Dupin. Dieser junge Mann war von ausgezeichneter, ja von ganz hervorragender Familie; durch mannigfache widrige Umstände war er jedoch so verarmt, daß seine Charakterstärke der Armut erlag. Er hörte auf, sich in der Welt nach einem Fortkommen umzusehen, und machte keinen Versuch, wieder zu Vermögen zu gelangen. Die Nachsicht seiner Gläubiger beließ einen kleinen Überrest des väterlichen Erbteils in seinem Besitz; und aus dem Einkommen, das dieser Rest ihm brachte, verstand er es, durch äußerste Sparsamkeit sich das zum Leben Notwendigste zu beschaffen. Auf den Überfluß verzichtete er. Sein einziger Luxus waren Bücher, und die kann man in Paris leicht haben.
Wir trafen uns zum ersten Male in einer obskuren Bibliothek der Rue Montmartre, wo wir zufällig ein und dasselbe sehr seltene und sehr ungewöhnliche Buch suchten. Dies brachte uns in nähere Berührung. Wir sahen uns von da ab häufiger. Ich interessierte mich lebhaft für die kleine Familiengeschichte, die er mir eingehend und mit all der Offenheit erzählte, mit der Franzosen über sich selbst zu sprechen pflegen. Ich war auch über seine außergewöhnliche Belesenheit erstaunt; vor allem aber erwärmte sich meine Seele an der regen Lebendigkeit und dem wilden Aufflammen seiner Phantasie. Ich fühlte es deutlich: für die Ziele, denen ich damals in Paris nachging, würde die Gesellschaft dieses Mannes einen unschätzbaren Gewinn bedeuten; und diese Überzeugung sprach ich offen aus. Wir vereinbarten schließlich, daß wir während meines Pariser Aufenthalts zusammen wohnen würden. Da die irdischen Güter mir weniger knapp zugemessen waren als ihm, so durfte ich die Kosten der Miete und der Ausstattung eines kleinen Hauses in einem ganz entlegenen, verlassenen Teile des Faubourg St. Germain tragen. Die Ausstattung entsprach ganz der düsteren Phantastik, die unser beider Wesen erfüllte; und das Haus selbst, altersgrau, verwittert und von groteskem Aussehen, war wegen irgendwelcher abergläubischer Furcht, deren Ursprung wir nicht nachforschten, längst verlassen und verwahrlost und schien seinem gänzlichen Zerfall zuzuwanken.
Hätte die Welt gewußt, auf welche Weise wir unser Leben in diesem Hause verbrachten, sie hätte uns für Verrückte, wenn auch vielleicht für harmlose Verrückte, gehalten. Wir lebten in strengster Abgeschlossenheit. Wir empfingen keine Besucher. Um jeden Verkehr von uns fernzuhalten, hatte ich unseren jetzigen Aufenthaltsort vor allen meinen früheren Freunden und Genossen sorgfältig verschwiegen; und was Dupin betrifft, so hatte er schon seit langen Jahren aufgehört, Paris zu kennen oder in Paris Bekannte zu haben. Wir lebten allein in unserer eigenen Gesellschaft.
Zu den Absonderlichkeiten im Wesen meines Freundes (wie kann man es anders nennen?) gehörte es, daß er die Nacht liebte, leidenschaftlich liebte, um ihrer selbst willen. Ich gab dieser bizarren Laune, wie allen seinen anderen, ohne es zu wissen, nach; ich erlag völlig dem Einflusse seiner wilden Phantasie, von der ich mich willenlos umstricken ließ. Die düstere Göttin der Nacht weilte nicht stets bei uns, aber wir konnten ihre Anwesenheit künstlich herbeiführen. Beim ersten Morgengrauen verschlossen wir die massiven Läden unseres alten Hauses, dann entzündeten wir einige stark parfümierte Fackeln, die ein recht gespenstisches, ganz schwaches Licht von sich gaben. Bei den kärglichen Strahlen dieser Fackeln arbeiteten unsere Seelen – wir träumten, lasen, schrieben oder plauderten, bis die Uhr uns das Herannahen der wirklichen Dunkelheit ankündigte. Dann verließen wir unser Schlupfloch, tauchten in das Getriebe der großen Stadt, schlenderten Arm in Arm durch die Straßen, unsere früheren Gespräche fortsetzend, und trieben uns so bis zu später Stunde herum; in den grellen Lichtern und Schatten der volkreichen Stadt suchten wir jene unerschöpfliche geistige Anregung und Erregung, die sich aus ruhiger Beobachtung gewinnen läßt.
Bei solchen Anlässen erregte eine besondere geistige Fähigkeit meines Freundes immer wieder meine Bewunderung: eine ganz ungewöhnlich ausgebildete Gabe der gedanklichen Analyse, haarscharfer Logik und verblüffend richtiger Schlußfolgerungen. Es bereitete ihm augenscheinlich auch ein lebhaftes Vergnügen, diese Fähigkeit zu betätigen; nicht um davon Aufhebens zu machen, sondern aus Freude an dem Erfolge des geistigen Schaffensprozesses. Er rühmte sich mir gegenüber mit seinem leisen Kichern, daß die meisten Menschen Fenster in ihrer Brust trügen, durch die er tief in ihr Inneres blicken könne; und er ließ dieser Behauptung stets höchst überraschende Beweise seiner genauen Kenntnis meines Wesens auf dem Fuße folgen. In solchen Augenblicken war seine Art eisig und völlig weltentrückt; seine Augen blickten ausdruckslos ins Weite; seine Stimme, gewöhnlich ein wohllautender Tenor, hob sich zu einem Fistelton, der unruhig und nervös geklungen hätte, wenn nicht die vollständige Klarheit der Aussprache und der reiflich durchdachte Inhalt seiner Rede gewesen wären. Wenn ich ihn in solcher Stimmung beobachtete, so verweilte ich häufig in Gedanken bei der uralten Philosophie des Doppelseins und gefiel mir in dem Gedanken an einen doppelten Dupin: den schöpferischen und den grüblerischen. Ein Beispiel mag seine große Gabe der Analyse beleuchten.
Wir schlenderten eines Abends eine lange, schmutzige Straße in der Nähe des Palais Royal entlang. Da wir beide anscheinend in Sinnen versunken waren, so hatte keiner von uns seit mindestens fünfzehn Minuten ein Wort gesprochen.
Endlich brach er das Schweigen. Er sagte:
»Ja, es ist richtig. Er ist ein sehr kleines Kerlchen und würde sich besser für das Théatre des Variétés eignen.«
»Das läßt sich nicht leugnen,« antwortete ich unbewußt. Ich war so in Gedanken vertieft gewesen, daß ich nicht gleich bemerkte, wie glatt seine Äußerung sich meinem stillen Gedankengange einfügte. Erst einen Augenblick später besann ich mich. Ich war über die außergewöhnliche Verstandesschärfe, mit der er meinen Gedanken gefolgt war, aufs höchste überrascht.
»Dupin,« sagte ich ernst, »das geht über mein Begriffsvermögen hinaus. Ich muß Ihnen offen sagen, ich bin so erstaunt, daß ich kaum meinen Sinnen traue. Wie konnten Sie wissen, daß ich gerade an –«
Hier hielt ich absichtlich inne, um mich zu vergewissern, ob er tatsächlich wußte, an wen ich eben gedacht hatte.
»– an Chantilly dachte?« ergänzte er meine Frage. »Warum reden Sie nicht weiter? Sie hatten doch gerade zu sich selbst die Bemerkung gemacht, daß er sich wegen seiner kleinen Körpergestalt nicht für das Trauerspiel eignet.«
Das traf vollständig zu. Ich hatte wirklich in diesem Augenblick an Chantillys kleine Figur gedacht. Chantilly war früher ein Schuhflicker in der Rue St. Denis gewesen, war mit einem Male bühnentoll geworden und hatte sich an die Rolle des Xerxes in Crébillons gleichnamigem Trauerspiel gewagt, wofür er nach Gebühr zerzaust worden war.
»Sagen Sie mir doch, um Himmels willen,« rief ich aus, »nach welcher Methode – wenn es auf diesem Gebiet überhaupt eine Methode gibt – Sie es fertig gebracht haben, meine unausgesprochenen Gedanken zu erraten.«
Ich war in Wirklichkeit in größerer Erregung, als ich äußerlich zu erkennen geben wollte.
»Es war der Obstverkäufer,« antwortete mein Freund, »der Ihre Gedankenreihe zu der Schlußfolgerung führte, daß der Sohlenflicker nicht die für Xerxes und das ihm verwandte Theatergeschlecht erforderliche Körpergröße besitzt.«
»Der Obstverkäufer? Wie kommen Sie nur darauf? Ich kenne gar keinen Obstverkäufer.«
»Ich meine den Mann, der gegen Sie anrannte, als wir in diese Straße einbogen. Es mögen jetzt fünfzehn Minuten her sein.«
Jetzt erst fiel mir ein, daß mich tatsächlich ein Obsthändler, der einen großen Korb Äpfel auf dem Kopf trug, beinahe über den Haufen gerannt hätte, als wir von der Rue C. in die Straße kamen, auf der wir eben standen. Was dies aber mit Chantilly zu tun hatte, konnte ich nicht begreifen.
Dupin war alles, nur kein Charlatan. »Ich will es Ihnen erklären,« sagte er. »Und damit Sie den ganzen Zusammenhang klar verstehen, wollen wir zunächst Ihren Gedankengang zurückverfolgen von dem Augenblick, wo ich zu Ihnen sprach, bis zu Ihrem Zusammenstoß mit dem Obsthändler. Die hauptsächlichen Glieder Ihrer Gedankenkette sind von rückwärts nach vorn: Chantilly, Orion, Epikur, Stereotomie, die Pflastersteine und der Obsthändler.«
Es gibt wohl wenige Menschen, die nicht an irgendeinem Abschnitt ihres Lebens sich gern damit beschäftigt haben, die Schritte auf der Gedankenbahn zurückzulenken, auf der sie zu gewissen Schlußfolgerungen gelangt sind. Diese Beschäftigung ist häufig höchst interessant. Wer sich zum ersten Male damit befaßt, ist überrascht von der anscheinend grenzenlosen Distanz und völligen Zusammenhanglosigkeit zwischen dem Ausgangs- und dem Endpunkt der Bahn. Man kann sich vorstellen, wie erstaunt ich war, als ich den Franzosen so sprechen hörte und zugeben mußte, daß er die Wahrheit gesprochen hatte. Er fuhr fort:
»Wenn ich mich recht erinnere, so hatten wir, gerade als wir die Rue C. verließen, von Pferden gesprochen. Das war der letzte Gegenstand, über den wir uns unterhielten. Als wir in diese Straße einbogen, stieß ein Obsthändler, der rasch an uns vorbeiging, gegen Sie an und warf Sie auf einen Haufen Pflastersteine, die dort, wo die Straße eben verbessert wird, aufgeschichtet sind. Sie traten auf einen losen Stein, glitten ab und verzerrten sich den Knöchel; Sie waren anscheinend ärgerlich, brummten etwas vor sich hin, drehten sich um, sahen sich den Steinhaufen an und gingen dann schweigend weiter. Ich habe mich nicht besonders bemüht, auf das, was Sie in jenen wenigen Augenblicken taten, achtzugeben; aber das scharfe Beobachten ist mir seit einiger Zeit eine Art Lebensnotwendigkeit geworden.
Sie blickten eine Zeitlang zu Boden,« fuhr er fort, »und betrachteten mit unmutigem Gesichtsausdruck die Löcher und Risse im Pflaster. Daran erkannte ich, daß Sie noch immer an die Steine dachten. Wir kamen dann in die kleine Lamartine-Allee, die man versuchsweise mit hochkantigen, fest verkeilten Quadern gepflastert hat. Jetzt erhellten sich Ihre Züge, und Ihre Lippen bewegten sich. Sie sprachen unzweifelhaft das Wort »Stereotomie« aus, – die anspruchsvolle Bezeichnung, mit der man diese Art von Pflasterung benennt. Ich wußte aber, daß Sie nicht an Stereotomie denken konnten, ohne daß gleichzeitig der Begriff der Atomien und damit die Lehre des Epikur in Ihrem Geiste auftauchte. Wir hatten uns erst vor kurzem über diesen griechischen Philosophen unterhalten, und ich hatte erwähnt, wie merkwürdig es sei, daß die ganz unbestimmten Vermutungen des edlen Griechen durch die jüngsten Entdeckungen der Kosmogonie der Nebelflecke bestätigt worden sind. Ich empfand, daß Sie es ganz gewiß nicht unterlassen würden, in diesem Zusammenhange Ihre Augen himmelwärts zu richten, um sich die Nebel des Orion zu betrachten; und richtig, Sie blickten tatsächlich zum Himmel auf, und ich wußte jetzt, daß ich Ihren Gedanken genau gefolgt war. Nun hat in der gestrigen Nummer der Zeitschrift »Musée« der satirische Herr, der die bitteren Glossen über das Spiel Chantillys schrieb, auch eine bösartige Anspielung darauf gemacht, daß der Schuhflicker seinen Namen änderte, als er den Kothurn bestieg. Er zitierte dabei einen lateinischen Vers, über den wir oft gesprochen haben. Ich meine das Zitat: » Perditit antiquum litera prima sonum« (Der erste Buchstabe hat den früheren Klang vernichtet). Ich sagte Ihnen, daß dieser Vers sich auf den Orion bezog, der früher Urion geschrieben wurde. Einige treffende Glossen, die Sie zu meiner Bemerkung machten, gaben mir die Gewißheit, daß Sie das Zitat nicht vergessen würden. Es war mir somit klar, daß Sie die beiden Begriffe »Orion« und »Chantilly« auch jetzt in Zusammenhang bringen würden. Daß Sie das wirklich taten, erkannte ich an dem eigenartigen Lächeln, das in jenem Augenblick um Ihre Lippen schwebte. Sie dachten tatsächlich daran, wie der arme Chantilly von jenem Kritiker hingeschlachtet wurde. Bis dahin war Ihr Gang lässig gewesen; jetzt aber sah ich, wie Sie sich zu Ihrer ganzen Höhe aufrichteten. Nun wußte ich, daß Sie an die winzige Figur Chantillys gedacht hatten. An diesem Punkt unterbrach ich Ihre Betrachtungen mit der Bemerkung, daß dieser Chantilly tatsächlich ein ganz kleines Kerlchen sei, der besser für das Théâtre des Variétés passe.« – –
Kurz nach diesem Zwischenfall überflogen wir die Abendausgabe des »Journal des Tribunaux«, als folgender Bericht unsere Aufmerksamkeit fesselte:
Sensationeller Doppelmord
»Heute früh gegen drei Uhr wurden die Bewohner des Quartier St. Roch durch rasch aufeinanderfolgende, furchtbare Schreie aus dem Schlafe geweckt. Das entsetzliche Geschrei ging augenscheinlich von dem vierten Stockwerk eines Hauses in der Rue Morgue aus, in dem, wie man in der Nachbarschaft wußte, nur eine gewisse Madame L'Espanaye und ihre Tochter Fräulein Camille L'Espanaye wohnten. Nach einigem Zeitverlust, der dadurch verursacht wurde, daß man sich vergeblich bemühte, auf dem gewöhnlichen Wege ins Haus zu gelangen, wurde das Haupttor mit einem Stemmeisen aufgebrochen, und acht bis zehn Nachbarn drangen in Begleitung von zwei Schutzmännern in das Haus. Inzwischen hatten die Schreie aufgehört; als aber die Nachbarn und Schutzleute die Treppen zum ersten Stock hinaufliefen, konnte man zwei oder mehrere zornige Stimmen wie von heftig Streitenden unterscheiden. Diese Stimmen schienen von dem oberen Teile des Hauses zu kommen. Als das zweite Stockwerk erreicht war, hatten auch diese Geräusche aufgehört, und es herrschte vollkommene Ruhe. Die Nachbarn verteilten sich in Gruppen und eilten von Zimmer zu Zimmer. In einem großen, dem Hof zu gelegenen Gemach im vierten Stock, das man gewaltsam öffnen mußte, weil die Tür von innen verschlossen war, bot sich den Eindringenden ein Schauspiel, das sie in nicht geringerem Maße mit Erstaunen wie mit Entsetzen erfüllte.
Im Zimmer herrschte die wüsteste Unordnung. Die Möbel waren zertrümmert und lagen in allen Richtungen herum. Es war eine Bettstätte im Gemach, und von dieser war das Bett entfernt und mitten auf den Fußboden geworfen worden. Auf einem Stuhl lag ein mit Blut besudeltes Rasiermesser. Auf dem Herd erblickte man zwei oder drei lange und dicke Flechten von grauem Menschenhaar, gleichfalls mit Blut bedeckt; sie schienen mit der Wurzel ausgerissen worden zu sein. Auf dem Fußboden fand man vier Napoleonsdors, einen Ohrring aus Topas, drei große silberne Löffel, drei kleinere aus Métal d'Alger und zwei Säcke, die ungefähr viertausend Franken in Gold enthielten. Die Schubfächer einer Kommode, die in einer Ecke stand, waren offen und waren augenscheinlich geplündert worden, obschon viele Gegenstände darin zurückgelassen worden waren. Unter dem Bett (nicht unter der Bettstätte) entdeckte man eine kleine eiserne Kassette; sie war offen, und der Schlüssel stak noch in dem Schloß. Außer einigen alten Briefen und anderen unwichtigen Papieren war nichts in der Kassette.
Von Madame L'Espanaye war keine Spur zu entdecken. Da man auf dem Herde eine ungewöhnlich große Menge Ruß fand, so untersuchte man den Kamin und zog – es war ein furchtbarer Anblick – die Leiche der Tochter, die kopfabwärts im Schornstein stak, daraus hervor. Der Körper war durch die enge Öffnung weit hinaufgezwängt worden. Er war, als man ihn hervorholte, noch ganz warm. Die Haut war an vielen Stellen ganz zerschunden, was unzweifelhaft davon herrührte, daß der Körper mit großer Kraft gewaltsam in den Kamin geschoben und später ebenso gewaltsam herausgezerrt wurde. Das Gesicht war arg zerkratzt, und der Hals wies dunkle Flecke und die Spuren tief eingegrabener Fingernägel auf. Alles deutete darauf hin, daß Fräulein L'Espanaye erdrosselt worden war.
Weitere Nachforschungen in allen Teilen des Hauses blieben ergebnislos. Die Leute begaben sich nunmehr in einen kleinen, gepflasterten Hof an der Rückseite des Gebäudes, und dort fand man den toten Körper der alten Dame. Ihr Hals war vollständig durchschnitten, so daß er beim ersten Versuch, den Körper vom Boden aufzuheben, sich ganz vom Rumpf trennte. Rumpf und Kopf waren furchtbar verstümmelt; namentlich der Rumpf sah kaum noch einem menschlichen Gebilde ähnlich.
Wie wir erfahren, fehlt bisher auch die leiseste Spur von den Urhebern dieser furchtbaren und geheimnisvollen Tat.« –
Am nächsten Tage brachte die Zeitung folgenden ergänzenden Bericht:
Das blutige Drama in der Rue Morgue
»Im Verlauf der Untersuchung dieser ganz außergewöhnlichen und entsetzlichen Angelegenheit sind zahlreiche Personen verhört worden. Ihre Aussagen haben jedoch kein Licht auf die dunkle Angelegenheit geworfen. Nachstehend verzeichnen wir die Ergebnisse dieser Verhöre.
Pauline Dubourg,
Wäscherin, bekundet, daß sie die ermordeten Frauen seit drei Jahren gekannt hat. Sie hat während dieser Zeit für die beiden Damen die Wäsche besorgt. Mutter und Tochter vertrugen sich ausgezeichnet; sie schienen einander sehr zugetan zu sein. Sie bezahlten pünktlich. Wie und wovon die beiden lebten, kann die Wäscherin nicht angeben; sie glaubt, daß Madame L'Espanaye von Beruf Wahrsagerin und Kartenlegerin gewesen sei. Die Mutter soll Ersparnisse gehabt haben. Die Zeugin hat nie Fremde in dem Hause angetroffen und weiß bestimmt, daß die beiden Damen keine Dienerschaft hatten.
Pierre Moreau,
Tabakhändler, sagt aus, daß er seit nahezu vier Jahren der Madame L'Espanaye gelegentlich kleine Quantitäten Rauch- und Schnupftabak verkauft hat. Der Zeuge ist in der Rue Morgue unweit dem Hause der beiden Damen geboren und hat immer in seinem Geburtshause gewohnt. Die beiden ermordeten Damen hatten in dem Gebäude, in dem sich der Mord ereignete, seit über sechs Jahren gewohnt. Es gehörte der Madame L'Espanaye. Früher hatte sie es an einen Juwelier vermietet, der die oberen Räume an verschiedene Personen weitervermietete. Die alte Dame war darüber ungehalten, daß ihr Haus zu unsauberen Zwecken mißbraucht wurde, kündigte dem Juwelier und zog mit ihrer Tochter selbst ein. Sie bewohnte das vierte Stockwerk und wollte die übrigen Teile des Hauses nicht vermieten. Die Dame war wohl etwas kindisch. Der Zeuge hatte die Tochter nur fünf- bis sechsmal gesehen. Die beiden lebten ganz zurückgezogen. Man sagte, daß sie Geld hätten. In der Nachbarschaft hieß es, daß Madame L'Espanaye Karten legte und weissagte; Zeuge wollte es nicht glauben. Er hat nie einen Menschen die Schwelle des L.schen Hauses überschreiten gesehen außer den beiden Frauen, ein- oder zweimal einen Gepäckträger und acht- bis zehnmal einen Arzt.
Zahlreiche andere Personen, alle Nachbarn, sagten in demselben Sinne aus. Keiner von ihnen hat je das Haus betreten. Keiner wußte, ob Verwandte der Frau L. und ihrer Tochter existierten. Die Läden der Vorderfenster waren selten offen; die nach dem Hof gehenden Fenster hatten stets geschlossene Läden mit Ausnahme des großen Hinterzimmers im vierten Stock. Das Haus war solid gebaut und nicht sehr alt.
Isidor Muset,
Schutzmann, gibt zu Protokoll, daß er gegen drei Uhr früh in das Haus gerufen wurde. Er fand vor dem Eingangstor zwanzig bis dreißig Personen, die bemüht waren, das Tor zu öffnen, um in das Haus zu gelangen. Zeuge sprengte schließlich das Tor mit seinem Bajonett (als einer Brechstange) auf, was ihm nicht sonderlich schwer fiel, da es ein Flügeltor war und weder oben noch unten ein Riegel vorgeschoben war. Die Schreie waren hörbar, bis das Tor aufgebrochen war, dann hörten sie mit einem Male auf. Sie schienen von einer oder von mehreren Personen herzurühren, die in Todesangst waren. Zeuge lief als erster die Treppe hinauf. Als er das erste Stockwerk erreichte, hörte er zwei Stimmen in lautem, erregtem Streit; die eine klang barsch und schroff, die andere viel schriller. Es war eine ganz eigentümliche Stimme. Er konnte einige Worte der barschen Stimme vernehmen; es war bestimmt ein Franzose, der sprach. Eine weibliche Stimme war es sicher nicht. Zeuge hat genau die Worte » sacré« und » diable« gehört. Die schrille Stimme war die eines Ausländers. Ob es eine männliche oder weibliche Stimme war, konnte Zeuge nicht unterscheiden. Ebensowenig verstand er, was der zweite sagte, der nach Ansicht des Zeugen Spanisch gesprochen hat. Der Zustand, in dem sich das Zimmer und die Leichen befanden, wurde von dem Zeugen so geschildert, wie wir ihn gestern dargestellt haben.
Henri Duval,
ein Nachbar, seines Zeichens Silberschmied, sagte aus, daß er zu der Gruppe gehörte, die zuerst das Haus betrat. Er bestätigte die Aussage des Schutzmanns in allen wesentlichen Punkten. Nachdem der Trupp sich gewaltsam Eintritt in das Haus verschafft hatte, wurde das Tor wieder geschlossen, um die trotz der frühen Morgenstunde rasch anwachsende Menge fernzuhalten. Zeuge glaubt, daß die schrille Stimme die eines Italieners gewesen sei. Französisch war es bestimmt nicht. Ob es eine männliche Stimme war, kann Zeuge nicht genau angeben; es mag auch die Stimme einer Frau gewesen sein. Zeuge kann kein Italienisch. Er konnte die Worte nicht unterscheiden, aber nach dem Wortklange zu urteilen war der zweite, davon ist Duval überzeugt, ein Italiener. Zeuge kannte Frau L'Espanaye und ihre Tochter, hatte mit beiden oft gesprochen. Daß die schrille Stimme einer der beiden Damen angehörte, sei ausgeschlossen.
Odenheimer, Gastwirt
Dieser Zeuge hat sich freiwillig gemeldet. Da er nicht Französisch spricht, wurde ein Dolmetscher herangezogen. Zeuge ist in Amsterdam geboren. Er ging an dem Hause vorbei, als die gellenden Schreie ertönten. Sie dauerten nach seiner Schätzung etwa zehn Minuten; es waren langgezogene, entsetzlich anzuhörende Rufe aus höchster Not. Er betrat mit den anderen das Haus. Zeuge bestätigte alle vor ihm abgegebenen Aussagen in allen Einzelheiten bis auf eine: er war überzeugt, daß die schrille Stimme die eines Mannes, und zwar eines Franzosen war. Was dieser sprach, konnte Zeuge nicht verstehen. Die Worte kamen laut und schnell heraus, der Stimmklang war ungleich und verriet ebenso deutlich Furcht wie Zorn. Die Stimme war hart, – weniger schrill als hart. Zeuge sagt, man könne die Stimme nicht geradezu schrill nennen. Die barsche Stimme sagte wiederholt » sacré«, » diable« und einmal » mon Dieu«.
Jules Mignaud,
Bankier, in Firma Mignaud und Sohn, Rue Deloraine. Ist der ältere Mignaud. Madame L'Espanaye besaß einiges Vermögen, hatte seit acht Jahren ein Konto im Bankhause und pflegte dort häufig kleinere Beträge zu deponieren. Sie hatte von ihrem Depot nie Gelder abgehoben; erst drei Tage vor ihrem Tode erschien sie in der Bank und ließ sich 4000 Franken in Gold auszahlen. Ein Kontorist wurde mit dem Gelde in ihre Wohnung geschickt.
Adolphe Lebon,
Kontorist im Bankhause Mignaud und Sohn, sagte aus, daß er an dem vorbenannten Tage gegen Mittag Madame L'Espanaye mit den 4000 Franken, die in zwei Säcken untergebracht waren, in ihre Wohnung begleitet habe. Als die Tür geöffnet wurde, erschien Fräulein L. und nahm ihm einen der beiden Beutel ab, während Frau L. den zweiten entgegennahm. Zeuge hat zur bezeichneten Zeit niemanden auf der Straße gesehen. Die Rue Morgue, sagte er, sei eine Seitenstraße, sehr einsam und abgelegen.
William Bird,
ein Schneider, sagte aus, er sei mit den übrigen ins Haus gegangen. Er ist ein Engländer, der seit zwei Jahren in Paris wohnt. Er war einer der ersten, die die Treppen hinaufgingen. Er hörte die Stimmen der beiden Streitenden. Die barsche, rauhe Stimme war die eines Franzosen. Zeuge verstand einzelne Worte, die er sich indessen nicht gemerkt hat; deutlich hat er nur die Worte » sacré« und » mon Dieu« gehört. Eine Zeitlang hörte er ein Geräusch, wie wenn mehrere Personen ins Handgemenge geraten wären. Die schrille Stimme war sehr laut, lauter als die barsche. Zeuge erklärt bestimmt, es sei nicht die Stimme eines Engländers gewesen; er halte sie für die eines Deutschen. Es war möglicherweise eine Frauenstimme. Zeuge versteht kein Deutsch.
Vier von den bereits vernommenen Zeugen, die nochmals aufgerufen wurden, sagten übereinstimmend aus, daß die Tür des Zimmers, in dem die Leiche des Fräuleins L. gefunden wurde, von innen verriegelt war, so daß das Zimmer mit Gewalt geöffnet werden mußte. Alles war ruhig, kein Stöhnen oder sonstiges Geräusch war zu vernehmen, kein Mensch war zu erblicken. Sowohl die Fenster des Vorder- wie des Hinterzimmers waren geschlossen und von innen befestigt. Die Tür zwischen den beiden Zimmern war zugemacht, aber nicht abgesperrt. Die Tür, die vom Vorderzimmer auf die Diele führt, war abgesperrt, der Schlüssel stak in der Innenseite. Ein kleines Zimmer in der Vorderfront des Hauses, im vierten Stock, das an der anderen Seite der Diele lag, war offen, die Tür stand weit auf. Dieses Zimmer war mit alten Betten, Kisten und sonstigem Hausrat angefüllt. Alle diese Dinge wurden sorgfältig untersucht; es gab überhaupt keinen Zollbreit im ganzen Hause, der nicht mit der größten Genauigkeit durchforscht worden wäre. Sogar der Kamin wurde mit langen Besen abgesucht. Das Haus ist vierstöckig und hat Mansarden. Eine auf dem Dach angebrachte Falltür war fest zugenagelt, sie war augenscheinlich seit Jahren nicht benutzt worden. Die Zeit, die zwischen dem Lärm der zankenden Stimmen und dem gewaltsamen Öffnen der Zimmertür verstrich, wird von den Zeugen verschieden mit drei bis fünf Minuten angegeben. Die Tür konnte nur mit Mühe geöffnet werden.
Alfonso Garcio,
Leichenträger, sagt aus, daß er in der Rue García wohnt. Er ist ein Spanier von Geburt. War mit im Hause, als die Schreie ertönten, blieb aber unten am Fuße der Treppe, da er nervös ist und jede Aufregung fürchtet. Er hörte die Stimmen der Zankenden. Die barsche Stimme war die eines Franzosen. Zeuge konnte nicht unterscheiden, was gesprochen wurde. Die schrille Stimme war sicher die eines Engländers. Zeuge versteht kein Englisch, urteilt aber nach dem Klang der Sprache.
Alberto Montani,
Zuckerbäcker, sagt aus, er sei unter den ersten gewesen, die die Treppen hinaufeilten. Auch er hat die Stimmen der Streitenden gehört. Die barsche Stimme war die eines Franzosen. Zeuge verstand mehrere Worte. Der eine schien dem andern heftige Vorwürfe zu machen. Was die schrille Stimme antwortete, konnte Zeuge nicht verstehen. Der Zweite sprach schnell und mit ungleichem Tonfall. Es war vermutlich die Stimme eines Russen. Zeuge ist Italiener. Hat nie mit einem Russen gesprochen.
Mehrere nochmals vernommene Zeugen sagten aus, daß die Kamine aller Zimmer des vierten Stockes zu eng waren, um einen menschlichen Körper durchzulassen. Man untersuchte jeden Rauchfang sorgfältig, indem man zylinderförmige Kehrbesen wiederholt auf und ab schob. Eine Hintertreppe, auf der jemand hätte hinabsteigen können, während die Leute sich in den vierten Stock begaben, ist nicht vorhanden. Der Körper des Fräuleins L'Espanaye war so fest in den Schornstein eingekeilt, daß es der vereinten Kräfte von vier oder fünf Männern bedurfte, um ihn herauszuziehen.
Paul Dumas,
Arzt, bekundet, daß er gegen Tagesanbruch gerufen und aufgefordert wurde, die Leichen zu besichtigen. Sie lagen beide, als er die Wohnung betrat, auf der Matratze der Bettstatt in dem Zimmer, in dem Fräulein L. tot aufgefunden worden war. Der Körper der Tochter war an vielen Stellen wundgescheuert und wies zahlreiche Quetschungen auf, was sich durch die Tatsache, daß er gewaltsam in den Schornstein gezwängt worden war, hinlänglich erklärte. Der Hals war stark wundgerieben. Gerade unter dem Kinn waren mehrere tiefe Kratzwunden und zahlreiche fahle Stellen; beide rührten offenbar von der Umklammerung krallender Finger her. Das Gesicht war furchtbar verzerrt, die Augen quollen aus ihren Höhlen. Die Zunge war teilweise durchgebissen. Eine tiefe Quetschwunde wurde in der Bauchhöhle entdeckt; sie war augenscheinlich durch einen starken Druck mit dem Knie verursacht. Das Gutachten des Arztes lautete dahin, daß Fräulein L'Espanaye von einer oder mehreren unbekannten Personen erdrosselt worden sei. Der Körper der Mutter war furchtbar verstümmelt. Alle Knochen des rechten Beines und Armes waren mehr oder weniger vollständig zerschmettert. Das linke Schienbein war geradezu zersplittert, ebenso alle Rippen auf der rechten Seite. Der ganze Körper furchtbar zerquetscht und von unnatürlicher Färbung. Auf welche Weise diese Verwundungen herbeigeführt wurden, konnte der Zeuge nicht angeben. Sie mochten von einem schweren Holzknüppel, einer dicken Eisenstange, einem Stuhl, überhaupt von einer mit außergewöhnlicher Kraft geschwungenen stumpfen Waffe herrühren. Eine Frau wäre nicht imstande, derartige wuchtige Schläge zu führen. Der Kopf der Frau L. war, als der Zeuge die Leiche sah, gänzlich vom Rumpf getrennt und war gleichfalls völlig zerschmettert. Der Hals war offensichtlich mit einem sehr scharfen Instrument, wahrscheinlich einem Rasiermesser, durchschnitten worden.
Alexander Etienne,
Chirurg, wurde gleichzeitig mit Herrn Dumas in das Haus gerufen, um die Leichen zu besichtigen. Zeuge bestätigt die Angaben Dumas' und schließt sich seinen Ansichten an.
Außer diesen Aussagen wurde nichts von Wichtigkeit in Erfahrung gebracht, obschon noch mehrere andere Personen vernommen wurden. Nie zuvor war in Paris ein so geheimnisvoller, in allen Einzelheiten so rätselhafter Mord begangen worden. Liegt überhaupt ein Mord vor? Die Polizei ist völlig ratlos, was ihr in derartigen Fällen nicht eben häufig zu passieren pflegt. Nicht die kleinste Spur, nicht der geringste Anhaltspunkt zur Lösung des Rätsels ist vorhanden.«
So weit der Bericht in der »Gazette des Tribunaux«. In der Abendausgabe fand sich noch die Mitteilung, daß im Quartier St. Roch noch immer die größte Aufregung herrsche, daß das Haus nochmals auf das genaueste durchsucht und neue Zeugenvernehmungen vorgenommen worden seien, ohne daß neue Tatsachen ans Licht gefördert worden wären. In den Nachrichten nach Schluß der Redaktion wurde gemeldet, daß der Kontorist Adolphe Lebon verhaftet worden sei, trotzdem im Grunde genommen keine stichhaltigen Verdachtsmomente gegen ihn vorlagen. –
Dupin schien sich für diese Sensationsaffäre und ihren Entwicklungsgang ganz außerordentlich zu interessieren. Ich schloß dies aus seinem Benehmen; er selbst äußerte sich nicht über die Sache. Erst als er erfuhr, daß Adolphe Lebon verhaftet worden war, fragte er mich, was ich von dem Morde halte.
Ich konnte ihm nur sagen, daß ich genau so dächte wie ganz Paris: daß man vor einem unlösbaren Geheimnisse stehe. Mir sei es durchaus unklar, welche Mittel den Behörden zu Gebote stünden, um eine Spur zu finden.
»Man darf die Möglichkeit, die geeigneten Mittel zu finden, nicht nach der bisherigen oberflächlichen Untersuchung beurteilen,« sagte Dupin. »Die Pariser Polizei, von deren Scharfsinn man so viel Aufhebens macht, ist listig, verschlagen, weiter nichts. In ihrem Verfahren liegt keine Methode; sie folgt den Eingebungen des Augenblicks. Sie paradiert vor der Öffentlichkeit selbstgefällig mit den »Maßregeln«, die sie trifft; diese Mittel sind aber häufig so untauglich, daß einem unwillkürlich jener Monsieur Jourdain einfällt, der sich seinen Schlafrock bringen läßt, um die Musik besser hören zu können. Die von der Polizei erzielten Ergebnisse sind nicht selten überraschend, werden aber in den meisten Fällen durch bloßen Fleiß und eifrige Tätigkeit herbeigeführt. Wo diese Eigenschaften nicht ausreichen, stellt sich stets ein Mißerfolg ein. Vidocq zum Beispiel hatte, wie man sagt, einen guten Riecher und besaß große Ausdauer. Da aber sein Denkvermögen nicht trainiert war, beging er gerade infolge allzu angestrengten Nachforschens Fehler auf Fehler. Er schränkte sein Sehfeld ein, indem er den Gegenstand zu nahe vor sich hielt. Er sah wohl einen oder zwei einzelne Momente mit außergewöhnlicher Klarheit, aber gerade dadurch verlor er die Übersicht über das Ganze. Man darf eben nicht zu »profund« sein. Die Wahrheit liegt nicht immer im tiefen Brunnen. Durch übertriebene, zu dem Gegenstande nicht passende »Tiefe« schwächen und verwirren wir die Denkkraft.
Was nun den vorliegenden Fall, den Doppelmord in der Rue Morgue, betrifft, so wollen wir uns eine eigene Meinung erst bilden, nachdem wir selbst die Sache untersucht haben. Eine von uns selbst vorgenommene Prüfung des Tatbestandes wird uns Vergnügen bereiten (ich fand den Ausdruck »Vergnügen« ein wenig merkwürdig, sagte aber nichts); außerdem bin ich dem Lebon wegen einer Gefälligkeit, die er mir einmal erwiesen hat, zu Dank verpflichtet. Wir wollen uns das Haus in der Rue Morgue mit eigenen Augen ansehen. Ich kenne den Polizeipräfekten G. und werde von ihm ohne Schwierigkeit einen Passierschein erhalten.«
Wir erhielten tatsächlich die behördliche Erlaubnis zur Besichtigung des Hauses und machten uns sofort auf den Weg nach der Rue Morgue. Es ist dies eine jener elenden Straßen, die die Rue Richelieu mit der Rue St. Roch verbinden. Es war spät am Nachmittag, als wir dort ankamen, denn das Quartier St. Roch ist von der Gegend, in der wir wohnen, sehr weit entfernt. Vor dem Hause, auf der anderen Straßenseite, standen noch immer viele Menschen, die mit zweckloser Neugierde zu den geschlossenen Fensterläden des vierten Stocks hinaufsahen. Es war ein gewöhnliches Pariser Haus mit einem Torweg; an einer Seite des Torwegs befand sich die Portierloge. Bevor wir das Haus betraten, gingen wir die Straße aufwärts, bogen in ein Gäßchen ein, kehrten dann um und gingen an der Rückseite des Hauses vorbei. Dupin beobachtete die ganze Zeit über das Haus und seine ganze Umgebung mit einer Genauigkeit, deren Zweck ich nicht begreifen konnte.
Wir begaben uns schließlich zum vorderen Hauseingang, zogen die Glocke, zeigten den im Hofe postierten Polizeibeamten unseren Erlaubnisschein und wurden eingelassen. Im vierten Stock angelangt, betraten wir das Zimmer, in dem die Leiche des Fräuleins L'Espanaye gefunden worden war. Jetzt lagen die Leichen beider Damen dort. Die Unordnung im Zimmer war, wie in solchen Fällen üblich, auf behördliche Anordnung nicht beseitigt worden; alles lag noch ebenso durcheinander wie nach dem Morde. Ich konnte in dem Zimmer nichts anderes sehen als das, was in der »Gazette des Tribunaux« berichtet worden war. Dupin untersuchte alles auf das sorgfältigste, sogar die beiden Leichen. Wir gingen auch in die anderen Zimmer und in den Hof. Ein Schutzmann begleitete uns überallhin. Dupins Untersuchung dauerte bis zum Einbruch der Dunkelheit; dann machten wir uns auf den Heimweg. Unterwegs ging Dupin in eine Zeitungsexpedition, wo er etwa eine Viertelstunde verweilte.
Ich habe schon früher erwähnt, daß mein Freund mannigfache Eigenheiten besaß, denen ich willig Rechnung trug. So hatte er jetzt die Laune, alle Erörterung dessen, was wir eben gesehen hatten, abzulehnen und kein Wort über den Mord, der unsere Gedanken beschäftigte, zu sprechen. Erst am nächsten Mittag frug er mich ganz unvermittelt, ob ich auf dem Schauplatz der furchtbaren Bluttat »etwas Besonderes« bemerkt hätte.
In der Art, wie er die Worte »etwas Besonderes« betonte, lag etwas, was mich schaudern machte. Warum, wußte ich nicht.
»Nein, ich habe nichts Besonderes bemerkt,« antwortete ich. »Ich meine, nichts, was nicht in der Zeitung berichtet worden wäre.«
»Nach meiner Ansicht,« entgegnete Dupin, »hat die Gazette dem unerhört Grauenhaften, das diese Morde kennzeichnet, nicht die genügende Beachtung geschenkt. Wir können aber die unmaßgeblichen Ansichten dieses Blattes auf sich beruhen lassen. Ich meine: gerade der Umstand, der angeblich die Lösung des Rätsels unmöglich macht, müßte in Wirklichkeit die Lösung erleichtern. Und dieser Umstand ist die über alles Maß und Ziel hinausgehende Furchtbarkeit des Verbrechens, neben der völligen Abwesenheit irgendeines zureichenden Grundes für die beiden Morde. Der Polizei fällt nur das letztere auf, nicht auch die Hauptsache, – die augenscheinlich ganz unmotivierte Grauenhaftigkeit des Mordes. Sie ist auch deshalb ratlos, weil die Stimmen zweier miteinander Streitenden gehört wurden, während doch auf dem vierten Stock außer dem ermordeten Fräulein L'Espanaye niemand gesehen worden war und es niemandem möglich gewesen wäre, unbemerkt die Räume im vierten Stock zu verlassen. Dazu kommt das wüste Durcheinander im Zimmer, der Körper der erdrosselten Tochter, der kopfabwärts in den Schornstein gezwängt worden war, die entsetzliche Verstümmelung der Leiche der Mutter und manches andere, was die Tätigkeit der Polizei lähmt, weil ihr vielgepriesener Spürsinn sie angesichts dieser ihr unverständlichen Vorgänge vollständig im Stiche läßt. Sie begeht den groben, aber oft wiederkehrenden Fehler, das Außergewöhnliche mit dem Unverständlichen, Absonderlichen zu verwechseln. Bei Nachforschungen wie derjenigen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen, muß man nicht in erster Linie fragen: »Was ist geschehen?«, sondern: »Worin liegt das Außergewöhnliche in dem, was geschehen ist?« Ich kann nur sagen, ich werde die Lösung dieses Rätsels finden, wenn ich sie nicht schon gefunden habe, – und die Leichtigkeit, mit der mir dies gelingt oder schon gelungen ist, steht im geraden Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die in den Augen der Polizei das Rätsel unlösbar machen.«
Ich starrte ihn stumm vor Staunen an.
Er blickte in der Richtung unserer Zimmertür. »Ich erwarte jetzt einen Mann, der vielleicht nicht der Urheber dieser Schlächterei ist, jedenfalls aber mit der Verübung des Verbrechens irgend etwas zu tun hat. Sehr wahrscheinlich ist er an dem Schlimmsten von dem, was in der Rue Morgue vorgefallen ist, unschuldig. Ich erwarte diesen Mann jeden Augenblick in diesem Zimmer. Es ist allerdings möglich, daß er nicht kommt; wahrscheinlich ist indessen, daß er kommt. In diesem Falle wird es vielleicht notwendig sein, ihn mit Gewalt hier zurückzuhalten. Hier sind zwei Pistolen. Wir beide wissen ja, wie wir mit ihnen umzugehen haben, wenn dies erforderlich werden sollte.«
Ich nahm die Pistolen an mich. Ich wußte kaum, was ich tat, noch glaubte ich recht an das, was ich hörte. Dupin aber fuhr mit seinen Erläuterungen fort. Er sprach mehr zu sich selbst als zu mir. Ich habe früher erwähnt, daß er bei solchen Anlässen wie geistesabwesend vor sich hinredet. Seine Bemerkungen waren an mich gerichtet, aber seine Stimme hatte, wenngleich sie nicht laut war, jenen erhöhten Klang, in den man gewöhnlich verfällt, wenn man zu jemandem aus großer Entfernung spricht. Seine ausdruckslosen Augen waren an die Wand geheftet.
»Jene streitenden Stimmen,« fuhr er fort, »die von den Leuten gehört wurden, waren nicht die der Mutter und Tochter. Das ist durch die Ermittlungen zweifelsfrei festgestellt. Damit ist auch die Frage hinfällig, ob nicht die alte Dame erst ihre Tochter umgebracht und dann Selbstmord verübt hat. Man muß an alles denken; so verlangt es die Methodik. Die Körperkraft der Frau L'Espanaye hat bestimmt nicht ausgereicht, die Leiche ihrer Tochter den Schornstein hinaufzuwerfen; und die Art ihrer eigenen Wunden schließt die Annahme eines Selbstmordes vollständig aus. Es ist also ein Mord von einem Dritten begangen worden, und die Stimme dieses Dritten war die, die von den Leuten auf dem Wege zum vierten Stockwerk vernommen wurde. Ich möchte nun auf die Zeugenaussagen hinweisen, soweit sie sich auf die beiden zankenden Stimmen beziehen. Nicht auf die Aussagen als solche, sondern auf das, was an ihnen eigentümlich, auffallend war. Ist Ihnen etwas an diesen Aussagen aufgefallen?«
Ich antwortete mit der Feststellung, daß alle Zeugen die barsche Stimme als die eines Franzosen bezeichnet haben, während über die schrille – oder, wie ein Zeuge sie nannte, die rauhe – Stimme die Meinungen sehr weit auseinandergingen.
»Was Sie hier vorbringen,« entgegnete Dupin, »ist eine Zusammenfassung der Zeugenaussagen, aber nicht das Auffallende an diesen Aussagen. Und doch boten sie ein höchst eigentümliches Kennzeichen. Wie Sie richtig bemerken, stimmen die Aussagen über die barsche Stimme durchaus überein. Was aber die schrille Stimme betrifft, so liegt das Merkwürdige der Zeugenaussagen nicht darin, daß sie weit auseinandergingen, sondern daß alle – der Italiener, der Engländer, der Spanier, der Holländer, der Franzose – übereinstimmend erklärten, es sei die Stimme eines Ausländers gewesen. Jedem von diesen klang die Stimme fremdländisch, jeder erklärte bestimmt, daß sie nicht einem Landsmann angehören konnte. Dabei kann keiner bestimmt angeben, welcher Nation der Ausländer angehört haben mochte; denn keiner versteht die Sprache, in der der »Ausländer« gesprochen haben soll. Der Franzose glaubt, es wäre die Stimme eines Spaniers; er hätte vielleicht einige Worte aufgefangen, »wenn er Spanisch verstünde«. Der Holländer meint, es sei die Stimme eines Franzosen gewesen; aber es heißt in dem Bericht, daß »der Zeuge kein Französisch versteht und daß daher ein Dolmetscher herangezogen werden mußte«. Der Spanier will bestimmt wissen, daß es die Stimme eines Engländers war; er urteilt aber nur nach ihrem Tonfall, »da er der englischen Sprache nicht mächtig ist«. Der Engländer hält die Stimme für die eines Deutschen, gibt aber zu, das Deutsche nicht zu verstehen. Der Italiener erklärt, seiner Meinung nach sei es die Stimme eines Russen, hat aber »niemals mit einem Russen gesprochen«. Ein zweiter Franzose ist übrigens anderer Ansicht als sein Landsmann; er ist davon überzeugt, daß die Stimme die eines Italieners gewesen sei; da er aber vom Italienischen nichts versteht, beruht seine »Überzeugung«, wie die des Spaniers, auf dem »Tonfall«. Wie ungewöhnlich, wie auffallend muß eine Stimme gewesen sein, über die solche Zeugenaussagen gemacht werden! Eine Stimme, deren Tonfall und Wortbildung den Angehörigen von fünf großen europäischen Sprachenfamilien fremd ist! Sie werden sagen: es war vielleicht die Stimme eines Asiaten oder Afrikaners. Weder Asiaten noch Afrikaner laufen in Paris in großen Mengen herum. Ich will immerhin die Möglichkeit zugeben, möchte Sie aber auf dreierlei aufmerksam machen. Die Stimme wird von einem Zeugen als »eher hart als schrill« bezeichnet. Zwei andere schilderten sie als »schnell und ungleichmäßig«. Keine Worte, keine wortähnlichen Laute sind von den Zeugen unterschieden worden.«
»Ich weiß nicht,« fuhr Dupin fort, »welchen Eindruck meine bisherigen Ausführungen auf Ihr eigenes Urteilsvermögen gemacht haben. Ich stehe aber nicht an, zu erklären, daß schon die Schlußfolgerungen, die aus diesem Teil der Zeugenaussagen abgeleitet werden können – ich meine den Teil, der sich auf die barsche und die schrille Stimme bezieht –, an sich hinreichen, um einen Verdacht hervorzurufen, der allen weiteren Untersuchungen die Richtung geben sollte. Die Schlußfolgerungen, die ich meine, sind die einzigen logisch unanfechtbaren, und der Verdacht, von dem ich spreche, muß sich als einzig mögliches Ergebnis aus ihnen herausbilden. Zu welchem Verdacht ich gelangt bin, möchte ich jetzt noch nicht sagen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß er stark genug war, meinen Nachforschungen in jenem Zimmer eine ganz bestimmte Richtung, eine bestimmte Tendenz zu geben.
Wir wollen uns in Gedanken in das Zimmer zurückversetzen. Was suchen wir dort zunächst? Die Gewißheit darüber, auf welchem Wege der oder die Mörder ins Freie gelangt sind. Ich brauche nicht erst zu erwähnen, daß weder Sie noch ich an übernatürliche Dinge glauben. Mutter und Tochter L'Espanaye sind nicht von Geistern umgebracht worden. Die Urheber des Verbrechens waren greifbare, materielle Wesen und sind auch auf materielle Art entkommen. Wie aber? Glücklicherweise gibt es in diesem Punkt nur einen einzigen Weg, der zu richtigen Schlußfolgerungen und damit zu der endgültigen Gewißheit führt. Wir wollen die möglichen Auswege ins Freie einzeln prüfen. – Es ist klar, daß die Mörder zu der Zeit, als die Nachbarn die Treppe hinaufeilten, sich in dem Zimmer befanden, in dem Fräulein L'Espanaye gefunden wurde, oder doch in dem anstoßenden Gemach. Die Ausgänge, durch die die Mörder entkamen, können also nur in diesen beiden Zimmern gesucht werden. Die Polizei hat die Fußböden, die Plafonds und das Mauerwerk in allen Richtungen bloßgelegt. Ein etwaiger geheimer Ausgang wäre sicherlich von ihr entdeckt worden. Da ich mich aber auf die Augen der Polizei nicht verlassen wollte, habe ich mit meinen eigenen nachgeprüft: es gibt dort tatsächlich keine geheimen Ausgänge. Beide Türen, die von den Zimmern zur Diele führen, waren fest abgesperrt; die Schlüssel staken in den inneren Schlössern. Nun zu den Schornsteinen. Diese haben allerdings acht bis zehn Fuß über dem Herde die übliche Weite, sind aber weiter oben so eng, daß nicht einmal eine halbwegs große Katze hineingehen würde. Bleiben nur noch die Fenster. Durch die Fenster im Vorderzimmer hätte niemand entkommen können, ohne von der Menschenmenge, die sich auf der Straße angesammelt hatte, bemerkt zu werden. Die Mörder müssen also durch die Fenster im Hinterzimmer entwichen sein. Da wir nun auf solch unanfechtbare Art zu diesem Schluß gelangt sind, so haben wir es nicht nötig, uns in unserem Gedankengange dadurch stören zu lassen, daß wir unsere Schlußfolgerung als unmöglich verwerfen. Wir haben lediglich zu beweisen, daß diese anscheinenden »Unmöglichkeiten« in Wirklichkeit keine sind.
Im Zimmer sind zwei Schiebefenster. Das eine ist nicht durch Möbel verstellt und daher vollständig sichtbar. Vom andern ist die untere Hälfte durch das Kopfende der unförmlichen Bettstelle verdeckt, die dicht an dieses Fenster gerückt ist. Das erste Fenster war, wie feststeht, von innen fest verschlossen. Es widerstand den größten Kraftanstrengungen der Leute, die es öffnen wollten. In die linke Seite des Fensterrahmens war ein großes Loch gebohrt worden, in das ein starker Nagel bis fast an den Kopf hineingetrieben war. Bei der Untersuchung des andern Fensters fand man einen ähnlichen Nagel, der auf ähnliche Art in den Rahmen gebohrt war; und auch hier war ein kräftiger Versuch, den Rahmen zu heben (beide waren, wie schon gesagt, Schiebefenster), erfolglos geblieben. Die Polizei war nun fest davon überzeugt, daß es den Mördern unmöglich gewesen sei, aus einem dieser Fenster zu entkommen. Und deshalb betrachtete sie es als eine überflüssige Anstrengung, die Nägel herauszuziehen und die Fenster zu öffnen.
Meine eigene Untersuchung war gründlicher und ging mehr auf die Einzelheiten ein. Es war mir klar, daß ich hier einsetzen mußte, wenn ich beweisen wollte, daß das anscheinend Unmögliche es in Wirklichkeit nicht war.
Ich begann in meiner Gedankenreihe von rückwärts. Die Mörder – davon ging ich aus – sind durch eines dieser Fenster entkommen. Somit konnten sie die Fensterrahmen nicht wieder von innen befestigt haben. Diese richtige Erwägung hatte die Polizei veranlaßt, ihre Nachforschungen, soweit sie sich auf die beiden Fenster bezogen, einzustellen. Und doch waren die Fensterrahmen tatsächlich festgemacht! Was mußte man daraus schließen? Daß hier irgendwie eine Vorrichtung war, durch die sie sich selbst schließen konnten. Diese Schlußfolgerung war zwingend, unausweichlich. Ich ging zu dem Schiebefenster, das nicht durch Möbel verstellt war, zog mit einiger Mühe den Nagel heraus und versuchte, den unteren Teil des Fensters in die Höhe zu ziehen. Wie ich es mir gedacht hatte, war meine Kraftanstrengung vergeblich. Jetzt war es mir klar, daß hier irgendwo eine verborgene Feder angebracht sein mußte. Ich suchte sorgfältig nach ihr und fand sie schließlich auch. Ich drückte auf die Feder, unterließ es aber zunächst, den Fensterladen in die Höhe zu heben. Ich war vorläufig mit meiner Entdeckung zufrieden, denn sie bewies mir, daß zum mindesten die Prämisse meines Gedankenganges richtig war.
Ich steckte den Nagel wieder an seinen Ort zurück und betrachtete ihn aufmerksam. Ein Mensch, der durch das Fenster ins Freie gelangte, konnte das Fenster wieder geschlossen haben, und die Feder konnte wieder eingeschnappt sein. Das alles war möglich; unmöglich war aber, daß er den Nagel wieder hätte einschlagen können. Dies war sonnenklar. Das Gebiet meiner Nachforschungen war dadurch erheblich kleiner geworden. Die Mörder konnten nur durch das andere Fenster entkommen sein. Wenn nun – wie anzunehmen war – die Federn an beiden Fenstern die gleichen waren, so mußte in betreff der Nägel ein Unterschied bestehen oder doch mindestens in betreff der Art ihrer Befestigung. Ich stieg auf die Bettstelle und betrachtete über das Kopfende hinweg genau das zweite Schiebefenster. Ich schob meine Hand in den engen Zwischenraum zwischen Bettstelle und Fenster und entdeckte die Feder, auf die ich drückte. Wie ich vorher gesehen hatte, war sie von genau derselben Beschaffenheit wie die andere. Ich besah mir nun den Nagel. Er war ebenso stark wie der andere und anscheinend in derselben Weise befestigt; denn auch er war fast bis zum Kopf in das Bohrloch hineingetrieben.
Wenn Sie etwa glauben, daß mich dies irre machte, so haben Sie meinen Gedankengang mißverstanden. Nein, ich war durchaus auf der richtigen Spur; ich hatte sie nicht einen Augenblick verloren. Die Glieder meiner Gedankenkette griffen lückenlos ineinander. Ich hatte dem Geheimnis bis in seine letzten Falten nachgespürt, und das Ergebnis meiner Spürarbeit war – der Nagel. Er sah, wie ich schon sagte, ganz genau so aus wie sein Pendant am andern Fenster. Dieser Umstand war für die Polizei entscheidend gewesen; für mich war er sehr unerheblich im Vergleich zu der Erwägung, daß meine Spur hier – an jenem Fenster und jenem Nagel – endete. »Mit diesem Nagel hier«, so setzte ich meine Berechnungen fort, »ist etwas nicht in Ordnung.« Und richtig: als ich an dem Nagel zog, blieb der Kopf und dazu etwa ein Viertelzoll des Stieles in meiner Hand. Der Rest des Stieles war in dem Bohrloch geblieben, in dem er abgebrochen war. Der Bruch war augenscheinlich schon alt, denn die Ränder der Bruchstelle waren vom Rost angefressen; er rührte wahrscheinlich von den Hammerschlägen her, mit denen man den Nagel in den linken Fensterrahmen hineingetrieben hatte. Ich steckte nun den abgebrochenen oberen Teil sorgfältig wieder in das Loch zurück, und siehe: er hatte vollständig das Aussehen eines ganzen Nagels. Der Bruch war nicht zu sehen. Ich drückte auf die Feder und hob das Fenster sacht einige Zoll in die Höhe; der Nagelkopf ging mit dem Fenster hinauf, wobei er fest in seiner Öffnung blieb. Ich schloß das Fenster, und jetzt sah der Nagel wieder aus, als ob er ganz wäre.
Soweit wäre das Rätsel gelöst. Der Mörder war durch dieses Fenster, vor dem das Bett stand, entwichen. Das Fenster fiel, nachdem der Mörder ins Freie gelangt war, von selbst herunter oder wurde von ihm absichtlich wieder geschlossen; unten wurde es, wie zuvor, von der Feder festgehalten. Die Polizei aber glaubte, daß es der Nagel sei, der das Fenster festhielt, und hielt daher weitere Nachforschungen für unnötig.
Die nächste Frage war: wie ist der Mörder vom vierten Stock auf die Straße gelangt? Über diesen Punkt habe ich mir Gewißheit verschafft, als ich mit Ihnen um das Gebäude herumging. Ungefähr fünf und einen halben Fuß von jenem Fenster entfernt läuft eine Blitzableiterstange. Von dieser Stange aus wäre es freilich niemandem möglich gewesen, das Fenster mit der Hand zu erreichen, geschweige denn, durch das Fenster ins Zimmer zu gelangen. Ich habe aber bemerkt, daß die Fensterläden des vierten Stocks von der eigentümlichen Art sind, die von den Pariser Zimmerleuten » ferrades« genannt werden; eine Art, die heute in Paris nur noch selten zu sehen ist, desto häufiger aber bei alten Wohnhäusern in Lyon und Bordeaux. Sie sehen aus wie eine gewöhnliche Tür (eine einfache, nicht eine Flügeltür), nur daß die untere Hälfte als offenes Gitterwerk verarbeitet ist, an dem sich eine Hand fest und sicher anhalten kann. Die Läden vor jenen beiden Fenstern sind volle dreieinhalb Fuß breit. Als wir sie gestern von der Straße aus sahen, waren die Läden ungefähr halb offen, das heißt, sie standen in einem rechten Winkel zur Mauer. Möglich, daß die Polizei, wie ich es tat, die Rückseite des Hauses genau untersucht hat; sicher ist, daß ihr hierbei die erhebliche Breite der Fensterläden nicht aufgefallen ist, oder doch, daß sie diese Breite nicht genügend in ihre Berechnung gezogen hat. Sie war eben davon überzeugt, daß von jenen Fenstern aus ein Entkommen unmöglich war, und hat sich deshalb mit einer flüchtigen Prüfung der Fenster begnügt. Mir aber war es klar, daß der Laden, der zu dem »Fenster mit der Bettstelle« gehört, nicht mehr als zwei Fuß von der Blitzableiterstange entfernt sein kann, wenn man ihn ganz gegen die Mauer zurückschlägt. Ebenso einleuchtend war es für mich, daß ein ganz außergewöhnlich geschickter und mutiger Turner auf diesem Wege an das Fenster und von da in das Zimmer gelangen könnte. Wenn wir also annehmen, daß zur Zeit des Mordes der Fensterladen ganz offen, das heißt: gegen die Mauer gelehnt war, so ist es wohl möglich, daß ein kühner Einbrecher sich von der Stange aus am Gitterwerk fest angehalten hat; daß er sich dann von der Stange losgelassen, seine Füße vorsichtig gegen die Wand gestemmt hat und mit einem kühnen Satz den Laden dem Fenster zu geschwungen hat, so daß er, falls das Fenster gerade offen war, sich sogar direkt ins Zimmer geschwungen haben kann.
Ich bitte Sie, ganz besonders darauf zu achten, daß ich von einem ganz außergewöhnlichen Grade von Geschicklichkeit und Mut gesprochen habe, die zum Gelingen eines derartigen gefährlichen Wagnisses unerläßlich sind. Es ist mir zunächst darum zu tun, Ihnen zu zeigen, daß dieses Wagnis vollbracht werden kann; hauptsächlich möchte ich Ihnen den ganz ungewöhnlichen, den fast übernatürlichen Charakter der Behendigkeit, die zum Gelingen eines solchen Kunststücks gehört, in vollem Umfange begreiflich machen. Und nun halten Sie diese höchst ungewöhnliche Behendigkeit zusammen mit der höchst eigentümlichen schrillen (oder harten) und ungleichmäßigen Stimme, über deren Nationalität nicht zwei Menschen derselben Ansicht waren und deren Aussprache den Zeugen unartikuliert erschien.«
Bei diesen Worten dämmerte in mir ein nebelhaftes, entferntes Verständnis dessen, was Dupin meinte, auf. Es schien mir, als stünde ich dicht vor dem vollen Verständnisse, ohne es fassen zu können, – wie es gelegentlich vorkommt, daß man ganz nah daran ist, sich einer Sache zu erinnern, und sich ihrer schließlich doch nicht erinnern kann. Mein Freund aber fuhr fort:
»Sie werden bemerkt haben, daß ich statt der Frage, wie der Mörder entwichen ist, die Frage aufgeworfen habe, wie er in das Zimmer gelangt ist. Ich habe es absichtlich getan, um Sie darauf zu bringen, daß beides, der Eingang und der Ausgang, auf dieselbe Weise und an denselben Stellen bewerkstelligt worden ist. – Kehren wir nun in das Innere des Zimmers zurück. Die Schubfächer der Kommode, so wurde berichtet, seien geplündert worden, obschon zahlreiche Kleidungsstücke darin zurückgeblieben seien. Diese Ansicht ist absurd; es ist lediglich eine Vermutung, und noch dazu eine törichte. Woher wissen wir, ob nicht die in den Schubfächern gefundenen Kleidungsstücke schon früher den ganzen Inhalt der Kommode ausmachten? Frau L'Espanaye und ihre Tochter lebten überaus zurückgezogen; sie empfingen keine Besuche, gingen selten aus und hatten daher keinen Bedarf für eine große Garderobe. Die in den Schubfächern gefundenen Kleider waren von guter Qualität. Wenn ein Dieb Kleider aus der Kommode genommen hat, warum nahm er nicht diese guten, warum nicht die besten fort? Warum sollte er viertausend Franken in Gold dagelassen und statt dessen sich mit einem Bündel Kleider oder Wäsche geschleppt haben? Tatsache ist, das Gold war zurückgelassen worden. Fast die ganze, von dem Bankier Mignaud genannte Summe wurde in Säcken auf dem Fußboden aufgefunden. Das Gold kann also nicht das Motiv des scheußlichen Verbrechens gewesen sein.
Wir wollen die Punkte, auf die ich Ihre Aufmerksamkeit gelenkt habe, fest im Auge behalten: die eigentümliche Stimme, die ungewöhnliche Behendigkeit und das höchst auffällige Fehlen eines zureichenden Grundes für ein so grauenhaftes Verbrechen. Verweilen wir nun kurz bei diesem Gemetzel selbst. Eine weibliche Person ist mit bloßen Händen erwürgt, ihre Leiche kopfabwärts in den Kamin gezwängt worden. Gewöhnliche Mörder haben eine andere Art zu morden. Zum allerwenigsten schaffen sie ihre Opfer auf andere Weise beiseite. In dem Einfall, den Leichnam in den Schornstein hinaufzuzwängen, liegt, wie Sie mir zugeben werden, etwas über alles Maß des Verbrechertums Hinausgehendes, etwas, was mit unseren landläufigen Anschauungen vom menschlichen Handeln ganz unvereinbar ist. Auch der verworfenste Mensch kommt nicht auf einen solchen Gedanken. Denken Sie auch darüber nach: wie enorm muß die Kraft gewesen sein, die einen menschlichen Körper durch eine solche Öffnung mit solcher Gewalt hinaufstoßen konnte, daß es selbst der vereinten Anstrengung mehrerer Personen nur mit Mühe gelang, ihn herabzuziehen!
Beachten Sie, bitte, auch die anderen Tatsachen, die auf eine ganz erstaunliche Körperkraft hindeuten. Auf dem Herde lagen dicke, sehr dicke Strähnen Menschenhaar. Diese sind mit der Wurzel ausgerissen worden. Es ist Ihnen sicher bekannt, welche große Kraft erforderlich ist, um auch nur zwanzig oder dreißig Haare auf einmal mitsamt der Wurzel auszureißen. Sie haben diese Haarbüschel ja auch gesehen. Es war ein gräßlicher Anblick: an den Wurzeln klebten geronnene blutige Fleischfetzen, die aus der Kopfhaut gerissen waren. Ein untrüglicher Beweis der riesigen Kraft, mit der der Mörder vielleicht eine halbe Million Haare mit den Wurzeln auf einmal ausgerissen hat. Der Hals der alten Dame war nicht einfach aufgeschnitten, sondern der Kopf war buchstäblich vom Rumpf getrennt worden, und zwar mit einem einfachen Rasiermesser. Beachten Sie ferner das Viehische dieses Verfahrens. Von den Schrammen und Beulen am Körper der Frau L'Espanaye spreche ich später. Herr Dumas und sein trefflicher Gehilfe Herr Etienne haben erklärt, daß diese von einem stumpfen Instrument herrühren, und diese Herren haben in ihrer Art ganz recht. Das »stumpfe Instrument« war unzweifelhaft das Steinpflaster im Hofe, auf welches das Opfer vom Fenster des Hinterzimmers im vierten Stock gefallen war. Auch auf diesen Gedanken, so naheliegend er ist, ist die Polizei nicht gekommen, aus demselben Grunde, aus dem ihr die Breite der Fensterläden nicht aufgefallen ist: die Nägel an den Fenstern hatten ihr Denkvermögen hermetisch verschlossen. Die Polizei dachte gar nicht an die Möglichkeit, daß die Fenster zur Zeit des Mordes überhaupt geöffnet sein konnten.
Nun rekapitulieren Sie alle diese Dinge und denken Sie noch ein wenig über die seltsame Unordnung nach, die im Zimmer herrschte; dann hat unsere Gedankenkette folgende Glieder aufzuweisen: erstaunliche Gelenkigkeit, übermenschliche Körperkraft, brutale Wildheit, unmotiviertes Abschlachten harmloser Menschen, eine nahezu groteske Scheußlichkeit, die fernab von allem Menschlichen liegt, und eine Stimme, die den Ohren vieler Menschen vieler Nationen fremdartig klingt und die der deutlichen, verständlichen Silbenbildung entbehrt. Welches Gesamtbild ergeben diese Züge? Welchen Eindruck hat meine Schilderung auf Ihre Phantasie gemacht?«
Ich fühlte, wie mir ein Schauer über den Leib ging, als Dupin diese Frage an mich richtete. »Ein Wahnsinniger,« sagte ich, »muß diese Morde verübt haben. Irgendein Irrsinniger, ein Tobsüchtiger, der aus dem nächsten Irrenhause entsprungen ist.«
»Diese Vermutung ist in mancher Hinsicht beachtenswert,« erwiderte er. »Aber die Stimmen Wahnsinniger haben selbst in ihren wildesten Anfällen keine Ähnlichkeit mit der ganz eigenartigen Stimme, die von den Nachbarn gehört wurde. Auch ein Wahnsinniger gehört irgendeiner Nation an; und seine Äußerungen mögen wohl ganz unzusammenhängend sein, aber seine Sprache entbehrt nicht des Zusammenhanges der Silbenbildung. Außerdem sehen die Haare eines Verrückten nicht aus wie die, die ich hier in der Hand halte. Ich habe dieses kleine Büschel den starren, geballten Fingern der Frau L'Espanaye entwunden. Was halten Sie davon?«
»Dupin,« antwortete ich gänzlich fassungslos, »das sind ganz ungewöhnliche Haare. Das sind keine Menschenhaare!«
»Das habe ich auch gar nicht behauptet,« sagte er. »Ehe wir aber diesen Punkt endgültig erledigen, sehen Sie sich doch, bitte, die kleine Skizze an, die ich auf dieses Papier gezeichnet habe. Es ist eine genaue Abbildung der dunklen Schrammen und tiefen, von Fingernägeln herrührenden Krallwunden am Halse des Fräuleins L'Espanaye, die von Dumas und Etienne als »eine Reihe von fahlen Flecken, durch tiefe Fingereindrücke hervorgebracht« bezeichnet wurden. – Sie werden bemerken,« fuhr er fort, indem er das Papier auf dem Tische vor uns ausbreitete, »daß diese Zeichnung eine Vorstellung von dem festen, sicheren Griff des Mörders gibt. Von einem Abrutschen der Finger ist hier nichts zu sehen. Jeder Finger hat sich in den Hals eingekrallt und hat den furchtbaren Griff nicht losgelassen, bis bei dem Opfer der Tod eingetreten war. Jetzt versuchen Sie doch, alle Ihre Finger zu gleicher Zeit auf die entsprechenden Eindrücke hier auf dieser Zeichnung zu legen.«
Ich versuchte es, aber vergebens.
»Vielleicht gehen wir bei dem Experiment nicht ganz korrekt vor,« sagte er. »Das Papier liegt auf einer glatten Fläche, der menschliche Hals hat aber die Form eines Zylinders. Dieses Holzscheit hier hat ungefähr den Durchmesser eines Halses. Wickeln Sie das Papier um diese Rolle und wiederholen Sie Ihren Versuch.«
Ich tat es. Diesesmal gelang er mir aber noch weniger als zuvor. »Diese Spuren rühren nicht von Menschenhand her,« sagte ich.
»So, und nun lesen Sie einmal diese Stelle aus Cuvier,« sagte Dupin.
Er gab mir ein Buch des berühmten Zoologen, in dem sich eine genaue anatomische und allgemeine Beschreibung des rotbraunen Orang-Utans der ostindischen Inseln befand. Ich las. Was Cuvier von der gigantischen Gestalt, der ungeheuren Körperkraft, der unglaublichen Behendigkeit, der unbezähmbaren Wildheit, von dem Nachahmungstrieb dieser Tiere erzählt, ist ja allgemein bekannt. Das Grauenhafte, Schauerliche des Mordes wurde mir mit einem Male in seinem ganzen Umfange klar.
»Die Beschreibung der Zehen,« sagte ich, nachdem ich zu Ende gelesen hatte, »stimmt genau mit dieser Zeichnung überein. Ja, es ist richtig: nur ein Orang-Utan, und zwar einer von dieser Spezies hier, konnte solche Fingerspuren in den Hals einkrallen, wie Sie sie gezeichnet haben. Auch dieses rotbraune Haarbüschel sieht ganz aus wie die Haare des Cuvierschen Tieres. Ich kann aber die einzelnen Vorgänge dieses furchtbaren Geheimnisses nicht verstehen. Und übrigens: die Leute im Hause haben doch zwei sich streitende Stimmen gehört, und eine davon war unbestreitbar die eines Franzosen.«
»Richtig. Sie werden sich auch erinnern, daß fast alle Zeugen aussagten, von dieser Stimme den Ausruf » Mon Dieu!« gehört zu haben. Dieser Ruf ist von einem Zeugen, dem Zuckerbäcker Montani, zutreffend als ein Ausdruck des Vorwurfs und schärfsten Tadels aufgefaßt worden. Auf diese beiden Worte habe ich daher meine Hoffnung, daß mir die Lösung des Rätsels vollständig gelingen werde, hauptsächlich gegründet. Ein Franzose wußte um den Mord. Es ist möglich, ja sogar in hohem Grade wahrscheinlich, daß er an den blutigen Ereignissen in der Rue Morgue unbeteiligt war. Ich denke mir das so: Der Orang-Utan ist ihm vielleicht entwischt; er hat das Tier bis zu dem Hinterzimmer im vierten Stock verfolgt, aber infolge der furchtbaren Aufregung über die nun folgenden entsetzlichen Geschehnisse hat er den Affen nicht wieder einfangen können. Der Orang-Utan läuft noch immer frei herum. Das sind allerdings bloße Vermutungen, die ich nicht weiter ausspinne. Wenn aber der Franzose tatsächlich, wie ich vermute, an diesen Greueln unschuldig ist, so wird dieses Inserat, das ich gestern abend auf unserem Heimwege in der Expedition der Zeitschrift »Le Monde« aufgegeben habe, ihn sicher veranlassen, zu uns in diese Wohnung zu kommen.«
»Le Monde« ist, wie ich hier einschalten möchte, eine Fachzeitschrift für Schiffahrt und wird von Matrosen viel gelesen.
Er reichte mir die Zeitung, und ich las:
Ein großer, dunkelhaariger Orang-Utan
von der Borneo-Spezies ist gestern in den ersten Morgenstunden im Bois de Boulogne eingefangen worden. Der Eigentümer, der, wie festgestellt werden konnte, ein Matrose auf einem Malteser Schiffe ist, kann das Tier zurückerhalten, wenn sich dessen Besitzer ausweisen kann und einen kleinen Betrag als Belohnung für das Einfangen und Ersatz für Barauslagen bezahlt. Näheres Rue ... Nr. ..., drei Treppen.
»Wie war es Ihnen möglich,« frug ich, »zu ermitteln, daß der Mann ein Matrose ist und einem Malteser Schiffe angehört?«
»Ich behaupte nicht, daß ich es weiß,« antwortete Dupin. »Ich bin dessen keineswegs sicher. Ich schließe es lediglich aus diesem Endchen Band hier, das ich am Fuße der Blitzableiterstange gefunden habe. Nach seiner Form und seinem fettigen Aussehen zu urteilen, ist es augenscheinlich von einem Matrosen dazu benutzt worden, seine Haare in einen Zopf zu binden, wie ihn die Seeleute so gern tragen. Speziell dieses Band hier wird außer von Matrosen von wenigen anderen Leuten benutzt, und am häufigsten wird es von Malteser Matrosen getragen. Es ist somit nahezu ausgeschlossen, daß es einer der beiden ermordeten Frauen gehört hat. Sollte ich mich aber in meinen Schlußfolgerungen geirrt haben, sollte es nicht zutreffen, daß jener Franzose ein Matrose auf einem Malteser Schiff ist, – nun wohl, selbst in diesem schlimmsten Falle, so habe ich mit dem, was in der Annonce steht, der Sache doch nicht geschadet. Habe ich mich tatsächlich geirrt, so wird er sich höchstens denken, daß ich durch irgendeinen Umstand, über den er sicherlich nicht weiter Nachdenken wird, irregeleitet worden sei. Habe ich aber richtig vermutet, so ist damit ein großer Vorteil erzielt. Der Franzose, der von dem Morde weiß, wird, wenngleich er gänzlich unschuldig ist, naturgemäß zunächst zögern und mit sich zu Rate gehen, ob er der Annonce Folge geben und den Orang-Utan reklamieren solle. Dann aber wird er ungefähr so denken: »Ich bin an dem Verbrechen unschuldig; ich bin arm; mein Orang-Utan ist sehr wertvoll, für einen Menschen in meiner Lage geradezu ein Vermögen. Warum sollte ich ihn aus törichter Furcht vor einer Gefahr verlieren? Ich brauche nur die Hand auszustrecken, um ihn wiederzubekommen. Das Tier ist im Bois de Boulogne eingefangen worden, also sehr weit von dem Schauplatz jenes Verbrechens. Wer sollte auf den Gedanken kommen, daß eine wilde Bestie die Morde verübt hat? Die Polizei weiß mit der Sache nichts anzufangen, sie hat bisher nicht die kleinste Spur entdeckt. Sollte sie aber doch herausbekommen, daß der Orang-Utan der Mörder ist, so wird es ihr ganz unmöglich sein, mir nachzuweisen, daß ich um die Morde gewußt habe. Das wichtigste aber ist: man kennt mich bereits als den Eigentümer der Bestie. In der Annonce steht, daß ich der Besitzer des Orang-Utans bin. Wieweit der Mann, der das Inserat aufgab, von den Vorgängen unterrichtet ist, weiß ich nicht. Wenn ich es unterlasse, ein so wertvolles Eigentumsobjekt zu reklamieren, so lenke ich den Verdacht zum mindesten auf das Tier. Ich habe aber gar keine Veranlassung, die Aufmerksamkeit der Behörden auf mich oder den Affen zu lenken. Ich denke, es ist das beste, ich beantworte die Annonce persönlich, hole mir den Orang-Utan und halte ihn in sicherem Gewahrsam, bis Gras über die Geschichte gewachsen ist.«
In diesem Augenblick hörten wir Schritte auf der Treppe.
»Halten Sie die Pistolen in Bereitschaft,« sagte Dupin. »Zeigen Sie sie aber nicht und machen Sie keinen Gebrauch von ihnen, bevor ich Ihnen nicht ein Zeichen gebe.«
Das Haustor war offengelassen worden, und der Besucher war, ohne die Glocke zu ziehen, eingetreten. Auf der Treppe blieb er, anscheinend zaudernd, stehen. Jetzt hörten wir, wie er die Treppe wieder hinabstieg. Dupin schritt rasch zur Tür; wir hörten den Mann jedoch wieder die Treppe hinaufsteigen. Er schritt diesesmal fest und entschlossen die Stufen hinauf und klopfte an unsere Zimmertür.
»Herein!« rief Dupin aufmunternd.
Der Mann, der das Zimmer betrat, war allem Anschein nach tatsächlich ein Matrose. Er war groß, stark, muskulös aussehend, mit einem gewissen draufgängerischen Gesichtsausdruck, der ihm nicht übel anstand. Sein sonnverbranntes Gesicht war mehr als zur Hälfte von seinem Backen- und Schnurrbart verdeckt. In der Hand trug er einen riesigen Eichenknüppel, im übrigen war er anscheinend unbewaffnet. Er machte eine linkische Verbeugung und wünschte uns einen guten Tag mit einem Akzent, der zwar ein wenig nach Neuchâtel klang, aber dennoch deutlich die Pariser Herkunft des Mannes verriet.
»Nehmen Sie Platz, guter Freund,« sagte Dupin. »Sie kommen wohl wegen des Orang-Utans. Auf mein Wort, ich beneide Sie fast um das Tier. Es ist ein ungewöhnlich schönes und sicherlich auch wertvolles Exemplar. Wie alt mag er wohl sein?«
Der Matrose holte tief Atem. Er sah aus wie einer, dem eine unerträgliche Last vom Herzen gefallen ist. Mit sicherer Stimme sagte er:
»Genau weiß ich es nicht, er kann aber nicht älter als vier oder fünf Jahre sein. Haben Sie ihn hier?«
»O nein; wir haben hier keinen Platz, um ihn unterzubringen. Er ist ganz in der Nähe in einem Mietsstall in der Rue Dabourg. Sie können ihn morgen früh abholen. Sie sind doch wohl in der Lage, sich als sein Eigentümer auszuweisen?«
»Gewiß.«
»Es wird mir leid tun, mich von ihm zu trennen,« sagte Dupin.
»Sie sollen sich nicht umsonst alle diese Mühe gemacht haben,« sagte der Besucher. »Ich bin gern bereit, einen angemessenen Finderlohn zu bezahlen.«
»Das ist sehr nett und sehr schön. Hm ... gewiß. Ja, was soll ich von Ihnen verlangen? Lassen Sie mich einen Augenblick nachdenken. – Ich hab's. Hören Sie mal: Als Belohnung verlange ich, daß –«, hier dämpfte Dupin seine Stimme – »daß Sie mir alles mitteilen, was Sie von dem Doppelmord in der Rue Morgue wissen.«
Dupin hatte die letzten Worte sehr leise und sehr ruhig gesagt. Ebenso ruhig schritt er zur Tür, verschloß sie und steckte den Schlüssel in die Tasche. Dann zog er eine Pistole aus der Brusttasche und legte sie vor sich auf den Tisch. Er tat dies ohne die geringste Spur von Erregung.
Das Gesicht des Matrosen wurde blaurot, als wenn er dem Ersticken nahe wäre. Er sprang auf und griff nach seinem Knüppel; im nächsten Augenblick sank er jedoch kraftlos auf den Stuhl zurück. Er zitterte heftig und war bleich wie der Tod. Er konnte kein Wort hervorbringen. Er tat mir im innersten Herzen leid.
»Mein Freund,« sagte Dupin begütigend, »Sie regen sich ganz unnötigerweise auf. Wirklich, ganz ohne Grund. Wir haben nichts Schlimmes im Sinne. Ich gebe Ihnen mein Wort als Gentleman und als Franzose, daß wir Sie in keiner Weise in Ungelegenheiten bringen wollen. Ich weiß durchaus, daß Sie an dem scheußlichen Verbrechen in der Rue Morgue gänzlich unschuldig sind. Sie werden aber nicht in Abrede stellen wollen, daß Sie irgendwie mit der Sache zu tun haben. Aus dem, was ich Ihnen bisher gesagt habe, werden Sie sicher entnommen haben, daß mir über diese Mordaffäre Informationen zur Verfügung stehen, von denen Sie keine Ahnung haben können. Die Dinge stehen so: Sie haben nichts getan, was Sie hätten unterlassen können, – sicherlich nichts, wodurch Sie sich strafbar gemacht hätten. Sie haben sich nicht einmal des Diebstahls schuldig gemacht, trotzdem Sie ganz bequem und ungestört hätten stehlen können. Sie haben es nicht nötig, irgend etwas zu verbergen. Sie haben keine Veranlassung dazu. Andererseits sind Sie durch die einfachsten Gebote des Anstandes und der Ehre verpflichtet, alles mitzuteilen, was Sie von der Sache wissen. Ein Unschuldiger schmachtet im Gefängnis unter der schweren Anklage desselben Verbrechens, dessen Urheber Sie den Behörden namhaft machen können.«
Der Matrose hatte, während Dupin sprach, seine Geistesgegenwart zum großen Teil wiedergefunden; das frühere sichere Auftreten war jedoch dahin.
»So wahr mir Gott helfe,« rief er« nach kurzer Pause aus, »ich will Ihnen alles erzählen, was ich weiß. Ob Sie mir aber auch nur die Hälfte davon glauben, bezweifle ich sehr. Ich selbst würde es nicht glauben, wenn es mir ein anderer erzählte. Und doch bin ich unschuldig. Ich muß es mir vom Herzen herunterreden, und wenn es mich das Leben kostete.«
Der Mann erzählte im wesentlichen folgendes:
Er hatte vor kurzem eine Reise nach dem Indischen Archipel gemacht. Eine Gruppe, darunter auch er, landete in Borneo und begab sich ins Innere der Insel, um dort einen Ausflug zu machen. Er hatte zusammen mit einem Gefährten den Orang-Utan gefangen. Der Gefährte starb, und so ging das Tier in den ausschließlichen Besitz des Matrosen über. Nach unendlichen Mühen, die die unbezähmbare Wildheit des Affen ihm auf der Heimreise verursachte, gelang es ihm schließlich, den Orang-Utan in seiner Pariser Wohnung sicher unterzubringen. Dort hielt er das Tier, um nicht die lästige Neugierde der Nachbarschaft zu erregen, sorgfältig verborgen und wartete die Zeit ab, bis die Wunde am Fuß, die der Affe sich an Bord des Schiffes durch einen Splitter zugezogen hatte, geheilt sein würde. Dann gedachte er das Tier zu verkaufen.
Als er in der Nacht oder genauer an dem Morgen, an dem sich der Mord ereignete, von einer Unterhaltung nach Hause zurückkehrte, fand er in seinem Schlafzimmer den Orang-Utan, der von dem anstoßenden Zimmer, in dem der Matrose das Tier sicher verschlossen wähnte, dorthin eingebrochen war. Das Rasiermesser in der Hand, kunstgerecht eingeseift, saß der Affe vor einem Spiegel und versuchte, sich zu rasieren. Er hatte unzweifelhaft früher durch das Schlüsselloch beobachtet, wie sein Herr diese Prozedur an sich vollzog. Der Matrose war beim Anblick der wilden Bestie, die mit einer so gefährlichen Waffe hantierte, wie versteinert und wußte im ersten Augenblick nicht, was er tun sollte. Er hatte bei früherer Gelegenheit das Tier, auch wenn es noch so ungebärdig war, mit der Peitsche gebändigt, und zu diesem Mittel glaubte er auch setzt greifen zu müssen. Als der Affe die gefürchtete Peitsche sah, sprang er schleunigst aus der Zimmertür die Treppe hinab und erreichte durch ein Fenster, das glücklicherweise offen stand, die Straße.
Der Franzose lief ihm in heller Verzweiflung nach. Der Affe, der das Rasiermesser noch immer in der Hand hielt, blieb einige Male stehen und schnitt seinem Verfolger Grimassen. Wenn der Matrose dann ganz nahegekommen war, rannte der Affe wieder weiter. So dauerte die Jagd eine ganze Weile. Die Straßen lagen in tiefer Ruhe, denn es war nahezu drei Uhr. Als das Tier in seinem Laufe in eine Nebengasse hinter der Rue Morgue gelangte, zog ein Licht, das von dem Zimmer der Frau L'Espanaye durch ein offenes Fenster auf die Straße hinausschien, die Aufmerksamkeit des Affen auf sich. Er eilte auf das Haus zu, erblickte an der Mauer die Blitzableiterstange, kletterte mit unheimlicher Geschwindigkeit an ihr hinauf bis in den vierten Stock, griff nach dem Fensterladen, der ganz an die Mauer zurückgeschlagen war, und schwang sich mittelst des Ladens geradenwegs auf das Kopfende des Bettes. Alles dies war das Werk von nicht ganz einer Minute. Als der Orang-Utan in das Zimmer gelangte, schlug er den Fensterladen wieder zurück.
Der Matrose wußte inzwischen nicht, ob er sich freuen oder ob er zittern sollte. Er hoffte, jetzt den Affen endlich einfangen zu können. Er glaubte, die Bestie werde nun wohl kaum aus der Falle, in die sie gegangen war, entweichen können. Der einzige Ausweg wäre die Stange gewesen, und wenn der Affe sich auf ihr herabgelassen hatte, so wäre es vielleicht möglich gewesen, ihm den Weg abzuschneiden. Andererseits erfüllte der Gedanke an das Unheil, das der Affe im Hause anrichten könnte, den Mann mit Entsetzen. Die Furcht vor solchem Unheil bestimmte ihn, den Flüchtling weiter zu verfolgen. Einem Matrosen macht es keine sonderliche Schwierigkeit, eine Blitzableiterstange hinaufzuklettern. Als er aber auf der Höhe des Fensters im vierten Stock, das weitab zu seiner Linken lag, angelangt war, mußte er Halt machen; weiter ging es nicht. Er konnte nichts mehr tun, als sich so weit wie möglich zu dem Fenster hinüberzubiegen, um einen Blick in das Zimmer zu werfen. Was er dort sah, packte ihn mit solchem lähmenden Entsetzen, daß er beinahe die Stange losgelassen hätte und in die Tiefe gestürzt wäre. Gerade als er in das Zimmer blickte, gellten die furchtbaren Schreie der Frau L'Espanaye und ihrer Tochter durch die Nacht und weckten die Nachbarn aus ihrem Schlummer. Mutter und Tochter, in ihren Nachtkleidern, waren augenscheinlich damit beschäftigt gewesen, in einer eisernen Kassette Papiere zu ordnen. Die Kassette war mitten ins Zimmer geschleudert worden; sie war offen, und ihr Inhalt lag auf dem Boden verstreut herum.
Als der Matrose von der Stange aus die Vorgänge im Zimmer beobachten konnte, hatte das riesenhafte Tier Frau L'Espanaye bei den Haaren gepackt und schwang das Rasiermesser um ihr Gesicht herum, als wollte er sie barbieren. Die Tochter lag regungslos auf dem Fußboden; sie war in Ohnmacht gefallen. Die Angstschreie der Mutter, der der Affe die Haare büschelweise ausriß, hatten die Wirkung, daß die Bestie, die ursprünglich der Frau wahrscheinlich nichts antun wollte, einen Wutanfall bekam. Mit einem entschlossenen Ruck seines muskulösen Armes trennte der Affe den Hals der Frau fast vollständig vom Rumpf. Der Anblick des Blutes steigerte seine Wut zur Raserei. Zähneknirschend, mit feuersprühenden Augen sprang die Bestie auf die Tochter los und krallte ihre furchtbaren Klauen tief in den Hals der Unglücklichen, die bald verröchelte. Die wilden, rollenden Augen des Tieres, die im Zimmer suchend umherschweiften, fielen jetzt auf das Kopfende des Bettes, über welchem das schreckverzerrte Gesicht des Matrosen sichtbar wurde. Im Augenblick verwandelte sich die Wut des Tieres, das jetzt wahrscheinlich an die unausbleiblichen Peitschenhiebe dachte, in Furcht. Im, Bewußtsein, eine Züchtigung verdient zu haben, schien das Tier sich alle erdenkliche Mühe zu geben, um seine Bluttaten vor seinem Herrn zu verbergen. Es sprang in wahnsinniger Aufregung im Zimmer herum, wobei es die Möbel umwarf und zerbrach und das Bett aus der Bettstätte schleuderte. Schließlich packte es erst die Leiche der Tochter und zwängte sie mit Gewalt den Schornstein hinauf, dann warf es die alte Dame durch das Fenster in den Hof.
Als der Affe sich mit seiner furchtbar verstümmelten Bürde dem Fenster näherte, bog sich der Matrose erschreckt zur Stange zurück, an der er mehr hinabglitt als kletterte. Er eilte, so schnell ihn seine Füße trugen, nach Hause zurück, und da er fürchtete, irgendwie in die Mordtat verwickelt zu werden, so entschlug er sich in seiner Angst aller Sorgen um das weitere Schicksal des Affen. Die Worte, die die Nachbarn auf der Treppe vernahmen, waren die Ausrufe des Entsetzens und Grauens, die der Franzose ausstieß und in die sich das scheußliche Stammeln der Bestie mischte. –
Ich habe der Erzählung des Matrosen kaum etwas hinzuzufügen. Der Orang-Utan muß unmittelbar, bevor die Tür des Zimmers von den Nachbarn erbrochen wurde, auf dem Blitzableiter entkommen sein. Er hat unzweifelhaft auf der Flucht das Fenster wieder geschlossen. Sein Besitzer hat ihn später doch noch eingefangen und ihn um einen hohen Preis an den Jardin des Plantes verkauft. Dupin erzählte den Zusammenhang der Dinge der Polizei (er würzte seinen Bericht mit einigen Kommentaren), worauf Lebon sofort in Freiheit gesetzt wurde. Der Polizeipräfekt war meinem Freunde zwar gewogen, konnte aber doch nicht ganz seinen Unmut über die Wendung verbergen, die die Dinge durch das Eingreifen Dupins erfahren hatten; und so ließ er seinerseits einige sarkastische Bemerkungen fallen, die darauf hinausliefen, daß die Leute besser täten, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
»Lassen Sie ihn ruhig reden,« sagte Dupin, der es nicht für notwendig gehalten hatte, ihm zu antworten. »Lassen Sie ihn Vorträge halten, so viel er will. Es wird sein Gewissen erleichtern. Ich habe die Genugtuung, ihn in seiner eigenen Festung besiegt zu haben. Immerhin ist es keineswegs so verwunderlich, wie er glaubt, daß ihm die Lösung des Rätsels nicht geglückt ist. Unser Freund, der Präfekt, ist nämlich ein wenig zu schlau, um tief zu sein. Aber er ist trotz allem ein guter Kerl, und ich mag ihn gut leiden.«
(Aus dem Englischen übertragen von C. A. Bratter)