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Die Reichsstadt Leutkirch wollte sich einmal einer wichtigen Angelegenheit willen Rats erholen und sandte darum ihren Bürgermeister nach Ulm. Den Bürgermeister begleitete aber ein Stadtknecht namens Thoma Frick, ein durchtriebener und zu allen Schalkheiten aufgelegter Mann. Wer fragte unterwegs seinen Herrn, was er denn zu Ulm so Notwendiges zu verrichten hätte. Antwortet ihm der Bürgermeister: »Thoma, Thoma, das gebührt mir nicht dir zu sagen, viel weniger dir, daß du mich das fragst oder zu wissen begehrst; ich werd's dir darum auch nicht sagen.« Sagt darauf der Knecht: »Wohlan, Herr Bürgermeister, verhehlet vor mir die Sache, soviel Ihr wollet; ich wette aber, daß ich Eure Geschäfte erfahre, bevor Ihr Ulm wiederum verlassen habet.« Der Bürgermeister wollte es nicht glauben und ging die Wette ein, und zwar sollte der, welcher verliere, dem andern eine gute neubackene Mutschel kaufen, wie man sie in Ulm schon damals in hervorragender Weise zu backen verstand. Wie sie nun nach Ulm in ihre Herberge kamen, schickte der Bürgermeister alsbald seinen Knecht zum Ulmer Bürgermeister, um ihn fragen zu lassen, wann er bei ihm vorsprechen könne. Thoma Frick ging hin, und nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet und Bescheid erhalten hatte, sagte er vor dem Weggehen zum Ulmer Bürgermeister: »Ach, Herr, ich muß Ew. Weisheit noch eins ansagen: Mein Herr hört nit wohl und muß man gar laut mit ihm reden, sonst versteht er's nicht; zudem schreit er sehr laut beim Reden. Damit weiß sich Ew. Weisheit wohl darnach zu halten.« Der Ulmer Bürgermeister sprach: »Wohlan, guter Gesell, du hast wohlgetan, daß du mir solches hast angezeigt. Ich will mich darnach richten und ihn zu mir allein in mein oberes Stüblein nehmen.« Damit ging der Thoma Frick zu seinem Bürgermeister und sagte ihm, was er ausgerichtet. Aber des letzten Punktes geschwieg er. Und zum Beschluß sprach er: »Weiser Herr, ich kann Ew. Weisheit nit verbergen: Der Bürgermeister allhie hört gar übel, daß es schade ist um den stattlichen Mann. Ich hab' ihm laut zuschreien müssen, auch hat er selber sehr laut gesprochen; das wollen sich Ew. Weisheit nit irren lassen.« Der Leutkircher Bürgermeister sprach: »Es ist recht, daß du mich dessen hast unterrichtet, will ihm laut und hell genug reden.« Damit gingen die beiden über Tisch, waren fröhlich und guter Dinge, legten sich darauf auch friedlich zu Bette. Des Morgens um die bestimmte Stunde ging der Leutkircher Bürgermeister zu dem von Ulm. Es wartet auch sein Knecht, der Thoma Frick, bei dieser wichtigen Staatsaktion ganz geflossen auf. Also empfingen beide Bürgermeister, Ihre Weisheiten, einander aufs stattlichste. Sie redeten auch beide so laut miteinander, daß ein Zuhörer dessen würde gelacht haben. Und nach langem Gepränge gingen sie miteinander in das obere Stüblein. Der Frick folgte ihnen ganz heimlich nach und blieb vor dem Stüblein stehen. Also zeigt der Bürgermeister von Leutkirch seinen Auftrag dem andern an, und der Ulmer gibt ihm darauf den Bescheid. Das geschah aber mit so lauten Reden, daß Thoma ganz gut alle Worte vor dem Stüblein hören konnte, wiewohl er nicht tat, als ob er horche. – Als die zwei Leutkircher nun wieder in die Herberge kamen und zu Mittag gegessen hatten, auch auf den Abend wieder nach Hause reiten wollten, sprach der Bürgermeister zu dem Fricken: »Wohlan, Thoma, sag' mir nun, was ich allein zu schaffen gehabt habe, oder du hast die Wette verloren.« Der Knecht tat zuerst, als ob er darüber nicht übel entsetzt wäre und nichts davon wüßte, ließ auch den Bürgermeister eine gute Weile auf dem Wahn. Zuletzt aber rückte er heraus und konnte ihm schier von Wort zu Wort sagen, was von den beiden Bürgermeistern im Stüblein war geredet worden. Dessen konnte ich der Leutkircher Bürgermeister nicht genug verwundern, noch viel weniger sich denken, wie er's erfahren hatte. Er mußte darum bekennen, daß er die Wette verloren habe, und die Mutschel bezahlen. Die nahmen sie mit auf den Weg und teilten sie brüderlich miteinander, als sie Hunger hatten. Also kamen die beiden in gutem Frieden wieder heim, wo auch der Bürgermeister mit großem Verwundern den Seinen eröffnet hat, was zu Ulm geschehen war.
(Nach der Zimmerschen Chronik von R.)