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Ein Osterspaß

In Meßkirch lebte zu Anfang des 16. Jahrhunderts ein Bürger namens Paul Hebenstreit, ein solch eigener und streitiger Mann, wie es zur selbigen Zeit wohl einen mehr gab. Der saß einmal in der Fastnacht noch spät bei etlichen guten Gesellen im Wirtshaus. Es kam auch die Rede auf die Weiber, und wer das gehorsamste und folgsamste Weib von ihnen hätte. Hebenstreit rühmte die seine; doch wollt's ihm niemand glauben, dieweil sie als böses, ungezähmtes Weib allenthalben bekannt war. Man ging eine Wette ein, und Hebenstreit sandte hin zu seiner Frau und begehrte, sie solle ihm einen Zipfel von ihrem Bett schicken. Die Frau lag zu Bette. Sie stand aber sofort auf, schnitt einen Zipfel von ihrem Bett ab und sandte ihn ihrem Mann, er also die Wette gewonnen hatte.

Damals war es Sitte, daß der Pfarrer am Ostertag nach der Predigt einen guten lächerlichen Schwank auf der Kanzel erzählte, um den Leuten eine Freude machen und das sogenannte Ostergelächter herbeizuführen. Die Gemeinde stimmte dann zum Schluß das Lied an, »Christ ist erstanden«. Der Pfarrer Adrian Dorfnagel in Meßkirch ließ sich nun dieses Vorkommnis nicht entgehen und predigte am nächsten Ostertag von Paul Hebenstreit und seiner Frau in der Kirche, wie gehorsam, wie folgsam sie ihm sei, darum er mit Recht als ein Meister in seinem Haus vor andern zu Meßkirch solle gerühmt werden. Auch sei es nur billig, daß er vor männiglich den herrlichen Lobgesang, das »Christ ist erstanden«, solle anfangen dürfen zu singen. Das verdroß den Mann gar sehr, so daß er überlaut in der Kirche anfing auf den Pfarrer zu schimpfen und zu sagen, er wolle, daß der Pfarrer alle Plagen hätt', ihm zu Gefallen singe er nicht. Damit ging er aus der Kirche hinaus, so daß jedermann lachte.

Der Pfarrer forderte nun einen andern Mann auf, der in seinem Haus der Meister sei, das Lied anzustimmen; aber keiner wollte es tun. Hierauf sagte Herr Adrian, der Pfarrer: »Ist das nit zum Erbarmen? Ich hab' den Männern als dem edleren und würdigeren Geschöpf am heutigen Tag die Ehre zumessen wollen, daß sie Meister im Haus seien; aber keiner hat's annehmen wollen, auch der nicht, so sich dessen hätte billig und wahrhaftig rühmen können. Damit aber doch jemand im Haus die Meisterschaft habe, so soll den Lobgesang eine unter den ehrbaren Frauen anstimmen, wofern sie sie sich dünkt, daß sie in ihrem Haus die Meisterschaft hätte.« Der Pfarrer konnte das Wort nicht ausreden, so fingen ihrer bei den hundert zugleich an zu singen. Hernach ward von wegen dieses Singens unter der Bürgerschaft ein solches Gezänk, daß böse Folgen zu befürchten waren, weshalb verboten wurde, fernerhin solche Spässe auf der Kanzel zu treiben.

(Nach der Zimmerschen Chronik von R.)

Schlußvignette

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