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I. Das lustige Turnier zu Rottweil.
Wenn zu Rottweil unter freiem Himmel das alte Hofgericht abgehalten wurde, dann war die Stadt voll von Leuten, die über diese Zeit hier Kurzweil und Vergnügen suchten. Rennen und Lanzenstechen waren da zu schauen, und fast jeden Tag gab es wieder etwas Neues. Einmal kam zum Bürgermeister ein alter Dienstmann der Gräfin von Öttingen, hieß Hans von Praunen, ein zu allen Streichen aufgelegter und gar spaßhafter Mann. Der bat um die Erlaubnis, auf offenem Markte ein Lanzenstechen abhalten zu dürfen. Da ihm solches verwilligt wurde, bot er Hans Sättelin, ein altes Reiterlein, das einst sein Kriegsgesell gewesen war, zum Stechen aus. Sättelin nahm die Forderung an und rüstete zu, was er zum Stechen für nötig hielt. Hans von Praunen aber ließ insgeheim einen Mann aus Tuch machen. Den stopfte er mit Stroh aus und tat auch »etlich Blattern voller Schweiß« (Blut) darein, den er bei einem Metzger geholt hatte. Als nun der bestimmte Tag kam, war der Marktplatz mit Zuschauern dicht gefüllt. Die beiden Stecher in Harnisch und Waffen, begleitet von ihren Trabanten, ritten in die Bahn. Hans von Praunen aber ritt als Trabant verkleidet neben seinem Strohmann einher, der so künstlich gemacht war, daß jedermann meinte, Hans von Praunen säße auf dem Roß. Wie nun die Trompeter anfingen zu blasen, sprengten die beiden Stecher aufeinander los. Sie fehlten sich aber mit den Lanzen und rannten aneinander vorbei. Deshalb wurde das Stechen wiederholt, und nun traf Sättelin seinen Gegner, den Strohmann, so gut, daß er ihm etliche Blattern zerstieß und der Schweiß allenthalben aus dem Stechzeug hervorrann. Da schrie alles zusammen: Hans von Praunen ist erstochen! Hans von Praunen ist tot! Wie Sättelin das hörte, meinte er, es sei wahr. Und als er vollends den Schweiß in Menge auf den Boden fließen sah, ergriff ihn eine große Angst. Er floh mit verhängten Zügeln durch das Volk hindurch, die Stadt hinab zur St. Johanneskomturei, wo eine Freistatt für Totschläger war. Daselbst flehte er den Komtur um Gotteswillen an, er möchte ihn doch in die Freistatt aufnehmen, erzählte ihm auch alles, was in der Stadt geschehen war. Und obgleich etliche kamen und ihm sagten, es sei nur ein Scherz gewesen, so wollte er ihnen doch nicht glauben aus Sorge, sie wären von der Obrigkeit abgeschickt worden, um ihn aus der Freistatt zu locken und zu fahen. Deshalb floh er in die Kirche. Hier blieb er, bis endlich Hans von Praunen selbst mit etlichen Spottvögeln kam und ihn herausführte. In Rottweil war darüber ein großes Gelächter, und noch lange erzählte man von diesem lustigen Turnier.
(Nach bei Zimmerschen Chronik von K. Rommel.)
II. Die geheimnisvolle Truhe.
Die Rottweiler wollten einst ihr Archiv auf dem Rathause neu ordnen. Da fanden sie unter anderem »ein Trüchlein, ist mit Wachs überzogen gewest und gar wohl verwahrt, dabei soviel Berichts, daß es nit soll geöffnet werden; hat auch von altersher niemand sagen können, was darin verschlossen und behalten«. Der Rat wußte nicht, was tun. Aber nach langem Hin- und Herreden wurde doch beschlossen, »sollich Trüchlein zu öffnen und heimlich zu erkundigen, was darin sei. So hat ein ganzer Rat fünf außer ihnen erkoren, die das tun sollen; doch ist ihnen ausdrücklich befohlen worden, haben auch dessen vor einem gesessenen Rat ein aufgehebten Eid schwören müssen, sobald sie das Trüchlein geöffnet und besehen, solches gleich wieder zuzutun und zu vermachen, auch was sie gefunden, keinem Rat oder niemanden zu offenbaren, sondern bis in ihren Tod zu verschweigen. Das haben die fünf auch vollstreckt, und weiß also ein Rat soviel als zuvor.«
III. Das Rottweiler Kaiserbild
Die gute alte Reichsstadt Rottweil a. N. hing treu an Kaiser und Reich, bis sie 1803 württembergisch wurde. Zwar lag sie nahe der Südgrenze des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, aber die Grenze von Vorderösterreich zog ziemlich nahe vorüber, und so war es klug, dem Reichsoberhaupt habsburgischen Geschlechts eine kleine Aufmerksamkeit zu erweisen. Das geschah einst – man sagt, es sei etwa 300 Jahre vor Einverleibung in den heutigen Staatsverband gewesen – durch Aufstellung des kaiserlichen Standbildes im städtischen Rathaus. Aber der damalige Kaiser starb zu Ende seiner Tage, und sein Nachfolger ward ein anderer, der auch ein Habsburger war, doch an Gestalt von dem Bilde abwich. Es galt nun, diesen zu ehren, und so stand der wohllöbliche Magistrat vor einer peinlichen Frage: Durfte man das alte Bild, das doch so schön war und auch ein gutes Geld gekostet hatte, in die Rumpelkammer stellen? Das wäre eine Schmach für das Andenken des guten Kaisers und eine Schande für die Stadt gewesen! Konnte man aber heute schon wieder so viel Geld aufwenden, da man nicht wußte, wie lang oder kurz der neue Kaiser am Ruder sein werde? Was würden die Bürger als Steuerzähler dazu sagen! Nach langem Für und Wider entschloß man sich für einen glücklichen und billigen Ausweg. Der Magistrat beschloß, das bisherige Kaiserbild im Gesicht entsprechend verändern zu lassen, so daß es dem neuen Kaiser ähnlich sah. Auch bei späteren Thronwechseln wurde so verfahren: das einemal genügte die bloße Überstreichung, das andremal mußte durch Aufklebung oder Abschabung die Gesichtsfülle ins richtige Verhältnis gebracht werden. Der Zweck aber ward erreicht: stets war das Bild des lebenden Kaisers im Ratssaale zu Rottweil zu sehen, und nie beschwerten sich die Bürger über allzugroßen Aufwand.
(Nach der Rottweiler Oberamtsbeschreibung und einem brieflichen Bericht von A. H.)
IV. Die »gewichtigen« Klosterbrüder
Die Mönche im Predigerstifte zu Rottweil führten seinerzeit wie allerorten ihre Brüder ein recht ungeistliches Leben. Sogar die Seelenmessen, die von Rittern und Adeligen gestiftet waren, versäumten sie mehr und mehr. Das verdroß den Schirmherrn des Klosters, den gottesfürchtigen Freiherrn von Zimmern. Er befahl seinem Schreiber, dem Prior und Konvent darob einen Brief zu schreiben, in dem die Mönche weder gelobt noch gescholten würden. Als das Schreiben fertig war, ließ er's sich vorlegen. Da fand er, daß den Klosterleuten die Titel »ehrwürdig, würdig, geistlich, andächtig« und ähnliche zugelegt waren. Er strich sie alle aus und erklärte, die Mönche seien weder ehrwürdig, noch würdig, noch geistlich, noch andächtig, sondern von allem das Gegenteil. Wie nun der Schreiber fragte, welchen Titel er sonst den Kuttenträgern geben sollte, erklärte sein Herr: Nichts als den einen »gewichtig«; denn diesen verdienten sie in der Tat, und sie seien damit auch weder gelobt noch gescholten. – Und so ging der Brief nach Rottweil an die »gewichtigen« Herren ab.
(Nach der Zimmerschen Chronik von Fr. Hummel.)
V. Der Jude auf der Geldtruhe
Freiherr Johannes von Zimmern ließ ein altes Schloß in Benzenberg niederreißen und fand in dem steinernen Gemäuer eine beträchtliche Summe Geldes verborgen. Diesen Schatz ließ er zur größeren Sicherheit nach Rottweil bringen und dort im Kappelturm in einer Truhe verwahren. So oft er nun nach Rottweil kam, um aus der Truhe Geld zu holen oder darein zu legen, entfernte er sich von denen, die um ihn waren, mit der Ausrede, es komme ihn eine Not an – er müsse Geld bei einem Juden entlehnen. Und in der Tat hatte er das Bild eines Juden auf die Truhe malen lassen, in der sein Schatz verwahrt lag. – Wenn jemand ihn um Geld zu leihen anging, so pflegte er zu sagen, er habe keines, sonst wollte er es gerne geben. Er wisse aber einen Juden, der es ihm vorstrecke, wenn es genau auf die versprochene Zeit zurückbezahlt werde. Wenn nicht, so leihe ihm der Jude keinen Pfennig mehr.
(Nach der Zimmerschen Chronik von Fr. Hummel.)