Willibald Alexis
Cabanis
Willibald Alexis

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8. Das Wunder

»Was sind die Güter dieser Welt, wenn man am Rande der Ewigkeit steht ...«, hatte der gütige Graf zu Eugenie gesprochen, als er von seinem Krankenlager ihr ankündigte, daß er den Wünschen ihres Herzens sich nicht mehr widersetzen wolle. Er ließ auch Etienne Gerechtigkeit widerfahren: »Nur sein Vater! – Warne ihn vor der Politik des Mannes. Gütiger Himmel, wie kann einen Menschen das Alter so kindisch machen! – Der Mann ist unfähig, einen Plan zu fassen – die Vernunft hat ihn völlig verlassen –, nun, wir sind alle schwach – aber so schwach, so bizarr zu sein, so unfähig, auf einen Gedanken einzugehen und ihn zu verfolgen, so inkonsequent in allem, was er tut, so ohne bestimmtes Ziel, hier- und dorthin irrend ...«

Etienne konnte nicht schnell genug herbeigerufen werden. Es war, als bezahle der Graf eine drückende Schuld, die er nicht schnell genug abschütteln könne. In Etienne schien sich etwas dagegen zu sträuben, eine Gunst, so erworben, anzunehmen; ein erschrockener Blick Eugenies machte ihn jedoch stumm; der Vater legte beider Hände ineinander, segnete sie, küßte ihre Stirnen und entließ, freier atmend, den Glücklichen.

Die Liebenden opferten durch Stummsein ihrem Glück. Die Welt umher war für sie nicht da, ihre Zeichensprache trug nichts zur Unterhaltung der anderen bei. Es wurde still, sogar unheimlich, was indessen noch einen anderen Grund hatte als – wie Fräulein Amalie gegenüber dem Kammerherrn klagte – den übermäßigen Anwuchs von Liebesstoff im Schlosse. Es waren die betrübenden Nachrichten, welche mit jedem Tage über die Lage des preußischen Königs einliefen. Der General, einsilbig, zerstreut, hob oft früher die Tafel auf; man suchte mehr auf der Jagd Zerstreuung; gemeinsame Unterhaltungen kamen selten zustande.

»Jede Gesellschaft mit einem Liebespaar, dem keine Schwierigkeiten mehr gemacht werden, ist unausstehlich«, sagte Amalie zum Kammerherrn. »Der ewige Leutnant und meine Kusine bringen eine Eintönigkeit unter uns, daß man darüber vergehen möchte. Sie müssen etwas ersinnen, Eduard, das uns wieder in Bewegung setzt. Man hat es Ihnen auch zu leicht gemacht, ich war eine gutwillige Törin, daß ich Sie nicht länger schmachten ließ.«

»Taten Sie das nicht lange genug?« entgegnete der Baron, zärtlich ihre Hand küssend.

»Lange nicht genug. Ihre glühende Leidenschaft rührte mich. Ich dachte an die Vergänglichkeit unseres Lebens. Ach, Eduard, was ist das Leben?«

»Ein Faden, den die Parzen Ihnen noch so lange spinnen mögen wie meine Wünsche.«

»Und wer gibt mir für die letzteren Bürgschaft?«

Er drückte ihre Hand an sein Herz.

»Ach, ihr Männer«, entgegnete sie seufzend, »so seid ihr alle. Alles versprecht ihr uns, bis wir schwach werden, und wenn ihr Herren und Gebieter seid, wo sind dann die Wünsche hingeflogen, der Faden, für dessen Ewigkeit ihr betetet, wird euch nur zu oft viel zu lang.«

Als die Tür aufging und die Komtesse an Etiennes Arm eintrat, lag er auf den Knien, und sie hob ihn nicht auf.

»Was bedeutet das?« fragte Eugenie zurückfahrend.

»Kann ich dafür, daß er auf den Knien liegt? Aber jetzt stehen Sie auf!« befahl das Fräulein. »Der Fußboden ist schmutzig; dafür kann ich nicht, auch nicht dafür, daß es so gekommen ist, wie Sie sehen. Komteß und Herr Marquis, ich habe die Ehre, Ihnen hier in der Person des Königlichen Kammerherrn Baron von Kurz meinen geliebten Bräutigam vorzustellen. Längst von seiner innigen und aufrichtigen Zuneigung zu mir überzeugt, habe ich nicht länger angestanden, ihm mein Jawort zu geben. Ja, wir werden vereinigt den Pfad durch das dornenvolle Leben antreten. Die Karten werden aber erst ausgeschickt, wenn Friede ist. Von Ihrer innigen, aufrichtigen Teilnahme sind wir überzeugt.«

Das Fräulein ließ es zu keiner Versicherung in Worten kommen, sondern begann und schloß die gerührte Szene mit einer Umarmung. Alsdann schickte sie den Bräutigam mit dem Leutnant ins Freie, daß sie am Busen ihrer Freundin alle die Gefühle, die ihre Brust zersprengten, ausschütten könne.

»Ich bin erstaunt«, rief Eugenie, und ihre Augen sprachen mehr als der Mund.

»Daß ich mir auch die Freiheit genommen habe, Braut zu sein? Oder neiden Sie mir den Kammerherrn?«

»Ich überlasse es dir selbst, über dich zu richten. – Mädchen, liebst du ihn denn, kannst du ihn lieben?«

»Als ob man nur aus Liebe heiraten könnte! Wir sind doch längst nicht mehr siebzehnjährige Fräuleins! Ich heirate ihn, erstens, weil er ein Mann ist, zweitens, weil er ein reicher Mann ist, und drittens weil er ein reicher und bornierter Mann ist. Sie wissen von alters her, was ich von der Ehe denke. Eine Heirat soll die Unvollständigkeiten des Einzellebens ausgleichen; konnte ich nun eine bessere Wahl treffen, konnte mir jemand besser als der Kammerherr zu dem verhelfen, was mir fehlt? Ich bin arm; er ist reich. Sie meinen immer, meine Klugheit wäre bissig; nun, er ist doch offenbar um so viel zu simpel, wie ich klug bin. Ich bin – nicht übermäßig hübsch, dafür ist er ein schöner Mann. Ein Mann braucht sogar nicht schön zu sein; er könnte noch mehr abgeben. Was die übrigen Eigenschaften anlangt, so findet sich das ebenso. Nun bitte ich Sie aber einmal, sehen Sie, um meine fromme, gute, menschenfreundliche Intention schätzen zu lernen, von mir ab und denken Sie für den Kammerherrn. Konnte der eine bessere Partie machen als mich, eine Frau, die seinen schönen Zügen Seele gibt, seinem Gelde eine Bestimmung und dem ganzen Menschen einen Zweck? Und ich versichere Ihnen: es soll aus meinem Manne etwas werden. Es heißt zwar, aus einem Klotz wird kein Gott, aber wieviel böhmische Steine glänzen für Brillanten, und ich sehe nicht ein, was der arme Kurz verbrochen hat, daß er weniger sein soll als so mancher vornehme Dummkopf. Ich will, ich werde mich seiner annehmen, und ich versichere Ihnen, ich staffiere ihn zu einem leidlichen, wo nicht gar mit der Zeit zu einem außerordentlichen Manne heraus. Ja, ich prophezeihe Ihnen, wenn Sie es mir nicht zu übel deuten, ich bringe ihn etwas weiter in seiner Karriere, als meine teuerste Kusine ihren Leutnant Cabanis.«

»Also einen Mann, um ihn zu verspotten!«

Amalie blickte schweigend eine Weile vor sich nieder. »Nein, das ist eigentlich doch nur Nebensache. Man nimmt es mit. Im völligen Ernst aber sehe ich nicht ab, wie es mir besser hätte werden sollen. Kusine ist mit ihrem Geliebten zufrieden. Gut, aber er wird nicht anders, als er ist. Meiner soll es täglich werden. Ich schaffe mir ihn erst, und ich weiß noch gar nicht mal recht, wie ich ihn haben will. Das wird meiner Ehe immer neue Würze geben, während Sie, liebste Kusine – ach Gott, ich will keine böse Prophetin werden, und darum schweige ich. Aber es ist mein Ernst, mein voller Ernst, ich will glücklich sein, und was ich bisher gewollt, habe ich noch immer durchgesetzt. Und dann, gestehen Sie nur, um wieder gut zu werden, es war doch recht gut und außerordentlich freundschaftlich von mir, erstens, daß ich mich nicht unterstand, vor Ihnen einen Bräutigam zu nehmen, und ich wartete geduldig ab, bis meine gnädige Gebieterin versorgt war, und zweitens, daß ich dann mit dem zufrieden war, was sie nicht mochte. Daß sie sich das fortgeworfene Kleid ein bißchen nach ihrem Geschmack zustutzt, kann doch keine gnädige Frau ihrem Kammermädchen verdenken ...«

Amalie war ungehalten über die kriegführenden Potentaten, und sie schien drauf und dran zu sein, dem preußischen Monarchen das Wort zu reden, da er doch eigentlich unter allen am meisten Lust zum Frieden hätte. Denn sie fand es unrecht, daß der Krieg noch fortdauere, während ihr Liebesroman zu Ende sei. Dem Einwand, daß der Friede und der Ehestand doch etwas Langweiliges wären, begegnete sie damit, daß auch eine interessante Erzählung langweilig werde, wenn die Spannung allzulange dauerte.

Ihre Laune fand wenig Anklang. Die Offiziere waren, wie sie versicherte, unausstehlich, der Kammerherr gegen sie ein Mann von Geist, er fügte sich ja in das Unabwendbare und haschte nicht nach dem Unmöglichen, zum Beispiel seiner Freiheit.

Etienne suchte den täglichen Kampf, den er mit sich rang, vor der, welche allein ihm folgen konnte, zu verbergen, aber das Auge der Liebe ließ sich nicht täuschen. »Warum machen dich gerade die Briefe deines Vaters trüb?« fragte sie.

»Weil sie mir bestätigen, daß Friedrichs letzte Hoffnungsquelle versiegt ist. Seit Georgs des Zweiten Tode ist an keine Subsidien aus England zu denken.«

»Ein Wunder, warte nur auf ein Wunder!« sagte sie lächelnd, mit der Hand leise über die Stirn fahrend.

»Er müßte Goldminen in den Müggelbergen graben, wo die verwunschene Prinzessin verschüttet liegt!« erwiderte der Offizier.

Man wartete auf den General. Er war mit seiner Begleitung zum König geritten, welcher gerade eine Tour durch die Winterunterkünfte machte; aber man wartete – wenigstens zwei Personen im Schloß – auf mehr. Der General hatte dem Leutnant beim Abschied die Hand gedrückt: »Heut kehre ich doch mit guter Botschaft wieder, Ihre Verdienste führen diesmal eine klingende Sprache, die etwas gilt.«

Die Abenddämmerung lagerte schon über den weiten Schneefeldern und den gefrorenen Teichen, welche man vom Saalfenster übersah. Es stäubte ein sanfter Schnee aus dem gleichmäßig grau bedeckten Himmel. Etienne und Eugenie sahen die Reiter auf dem Wege, der aus dem schwarzen Kiefernwalde nach dem Damm sich schlängelte. Es mochte noch eine halbe Stunde dauern, ehe sie das Schloß erreichen konnten. Den Kopf an seine Brust gelehnt, flüsterte sie ihm zu: »Mut, Mut! Wie dein Herz pocht!«

»Das Herz lügt. Weiß ich doch, was sie bringen.«

»Nun, was bringen sie, Prophet?«

»Der König ist verdrießlich gewesen, die Meldung hat er gehört, gescholten, es ist ihm nichts recht gewesen. Und dann ist er, als der General den Bericht über die Kassen vorgetragen hat, ihm mit der Frage ins Wort gefallen: ›Ist auch genau nachgezählt, ob nichts unterschlagen worden ist?‹«

»Du bist ungerecht gegen Friedrich. So kann ein König nicht gesprochen haben.«

»Er hat so gesprochen. Ach, Eugenie, er spielt nicht mehr die Flöte, er trägt Gift bei sich. – Es ist weit mit dem Großen gekommen. Wenn er rückwärts muß, was kann ich vorwärts verlangen? Wenn mir ein Leutnant eine Geldkasse gerettet hätte, ich weiß auch nicht, ob ich an seiner Stelle eine freundliche Miene machte.«

»Und worauf hoffst du denn – für mich?« fragte sie an seinem Halse. Es war niemand im Zimmer.

»Ich will auf – ein Wunder hoffen«, entgegnete er sanft; »auf ein Wunder, allein auf ein Wunder!«

Man hatte sich im Saale versammelt. Die zurückkehrenden Offiziere hatten viel zu erzählen; der General unterhielt sich noch mit dem Grafen, als Etienne still lächelnd Eugenie zunickte: »Weißt du nun, was Friedrich gesagt hat?«

»Noch tat er ja nicht den Mund auf.«

»Wenn es etwas Freudiges zu melden gäbe, würde wohl der General einen Augenblick mit der Botschaft gewartet haben! Lies doch in seiner Miene. Er zaudert, nur um mich zu schonen ...«

Der General ging jetzt an dem Paar vorüber. Er drückte schweigend Etiennes Hand; sein Blick bestätigte es auch der Komtesse, wenn sie noch gezweifelt hätte.

»Auf ein Wort, Leutnant Etienne!« sprach er, den jungen Offizier zu sich ziehend. »Sie sind mir sehr wert, brauche ich Ihnen das zu versichern? Mehr wert, als Sie selbst vielleicht glauben. Doch habe ich eine Bitte an Sie – nehmen Sie Ihren Abschied.«

Als Etienne nicht antwortete, fuhr er fort: »Sie sind unabhängig, ein glücklicher Bräutigam; mit uns hier sieht es schlecht aus, und ein Vorteil ist nicht mehr zu erkämpfen, Ehre nicht mehr, als wir schon haben. Bei Gott, ich trenne mich so ungern von Ihnen wie von einem Bruder, aber – nehmen Sie Ihren Abschied.«

Etienne neigte etwas den Kopf und antwortete mit fester Stimme, aber nicht trotzig: »Euer Exzellenz, ich kann und werde ihn nicht nehmen.«

»Etienne«, wiederholte der General bewegt, »nehmen Sie Ihren Abschied.«

»Und wenn ich Ihrem Rat nicht folge ...?«

»Sie rechtfertigen sich nicht – nie – nimmermehr.«

»Wenn auch nicht vor ihm, doch vor einem anderen, um dessen Beistimmung mir mehr zu tun ist, vor meinem Gewissen, und – greifen Sie, Exzellenz, an Ihre Brust – ich stehe so gerechtfertigter auch vor Ihnen. Ja, dauerte dieser Krieg noch dreißig Jahre, und müßte ich noch dreißig Jahre fechten und Leutnant sein mit weißem Haar, dennoch – es ist keine Jugendaufwallung, kein Rausch des Augenblicks, es ist der Beschluß des Mannes, das Resultat einer langen Beratung mit mir selbst –, dennoch, Herr General, bleibe ich bei Friedrich.«

Der General sah ihn kopfschüttelnd, doch freundlich an, er bemerkte jetzt erst, daß auch Eugenie seine Zuhörerin gewesen war: »Und die Komtesse ist Ihrer Meinung? – Diese leuchtenden Augen sprechen statt der Lippen das ›Ja‹ aus, sie sprechen von einem heroischen Entschluß. –- Was wollen meine armen Gründe gegen solche Selbstaufopferung? Meine teuren Freunde, so stärke Sie ein Glaube der Märtyrer in Ihrem Mute, der Heroismus selbst muß Ihr Lohn sein, denn ich zweifle, ob ein anderer Ihnen je zuteil wird. Friedrich schwieg bei dem Bericht, sein Geist verfolgte vielleicht die verlorenen Schlachten. Ich wiederholte mit kurzen Worten das Wesentliche, ich erwartete seinen Bescheid. Er winkte: Weiter! Ich glaubte, nun reden zu müssen, die abwesenden Gedanken des Monarchen zurückzurufen; ich wagte, ihm Ihr Avancement vorzuschlagen. Es war zu viel. Eine ältere Erinnerung wurde wach statt derer, die ich wollte; unwillig glänzte sein Auge auf, ein: ›Meint Er?‹ schwebte auf seiner Lippe, ein: ›Ich meine anders‹ glänzte im Auge, er winkte mit der Hand und rief: ›Weiter!‹«

»Ich durfte nichts Besseres erwarten«, sagte Etienne. »Meine Freundin weiß, was ich gehofft habe.«

»Richten Sie, junger Mann, den Großen nicht danach. Bewahren Sie sich etwas von dem, was Sie ehedem für ihn fühlten. – Ach, mein Gott, meine Freunde, wenn Sie ihn gesehen hätten, wie ich jetzt, das innigste Mitleid hätte Sie durchschauert. Es geht mit dem großen Geist zur Neige, seine letzten Nahrungssäfte sind aufgezehrt. Die Augen, wie sie aus dem abgezehrten Körper, gleich zwei Sternen, irr hervorleuchten, sprechen mehr als die Manifeste und Zeitungen der Feinde: es ist mit ihm aus. Er möchte noch, er wollte noch, es fehlt das Öl der Lampe. Er schlägt keine Rettungsschlacht von Leuthen mehr; Torgau ist die letzte Perle im Diadem seines Ruhmes. Ich betrachtete die abgemagerte Hand des Monarchen, sein Auge ruhte darauf und schien aus dem Strahl seines Diamantringes Nahrung zu saugen. – Die Sage spricht, in dem Ringe ruhe die Dosis Aqua Toffana, welche den größten Geist, den diese Erde erzeugte, zur ewigen Nacht zurückrufen will, sobald dieser Geist das Rechnungsbuch seiner Ehre für geschlossen erklärt. Ich fürchte, wir sind am letzten Blatt. Möchte es eine große, ehrenvolle Schlacht werden, in der dies Licht seines Jahrhunderts erlischt!«

»Das Heer soll wieder vollständig rekrutiert sein«, sprach Etienne nach einer ernsten Pause.

Der General schüttelte den Kopf: »Wenn auch die gepreßten Bauernburschen zu Helden, unsere vierzehnjährigen Offiziere jeder zu einem Seydlitz würden, wir könnten einmal vielleicht Daun schlagen, einmal die Schweden übers Meer jagen, aber die Hunderttausende von Rußland her erdrücken uns, und wäre jeder preußische Grenadier ein Herkules und ein Leonidas in einer Person. Elisabeth läßt marschieren vom Ural und Eismeer, aus Sibirien und von der chinesischen Grenze kommen die Barbaren heran, die Preußens junges, glänzendes Königreich nicht besiegen, sondern ersticken sollen – wenn nicht ein Wunder hilft!«

Es war noch nie so schweigsam am Abendtisch zugegangen. Das nasse Schneewetter, der heulende Wind begleiteten die abgerissene, gedankenlos geführte Unterhaltung. Man hatte eigentlich nur gesprochen, weil man sich vor dem Schweigen fürchtete. Früher als gewöhnlich gab der General das Zeichen zum Aufbruch. Schon an der Tür hörte er es heftig an der Hausglocke reißen. »Wer kommt in dem Wetter?« fragte man. »Es klingt wie ein Kurier.« Es war ein Kurier, ein Feldjäger, dessen schwere Stiefeln die Steintreppe heraufklirrten.

»Das kann nur aus dem Hauptquartier sein. Was aber Wichtiges, da der Kurier nur um ein paar Stunden später als wir abgeritten sein muß?«

»Euer Exzellenz, eine Nachricht von Wichtigkeit«, sprach der eintretende Feldjäger, »welche Seine Königliche Hoheit Prinz Heinrich aus besonderer Freundschaft für Hochdieselben mir auf die Seele gebunden haben, Ihnen noch heute zu überreichen. Hier die flüchtige Depesche.«

Die Komtesse blickte forschend auf Etienne, er schüttelte den Kopf. Der General erbrach das Siegel, seine Hand zitterte, seine Farbe wechselte. Wie unwillkürlich faltete er die Hände, das Blatt zerknitternd, die Augen flossen über von Freude. Danach sich zu den anderen umwendend, sprach er mit einer Stimme, deren Bewegung der geprüfte Befehlshaber nicht einmal mäßigen konnte: »Meine Herren, wer ein guter Preuße ist, erhebe seine Hand dankend zu dem Lenker über den Sternen – Friedrich ist gerettet! Elisabeth von Rußland ist nicht mehr. Peter der Dritte wird Kaiser und bietet unserem König seine Hilfe an. – Es lebe unser König Friedrich, in Ewigkeit! Er siegt über die Sterne selbst.«


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