Abraham a Sancta Clara
Fabeln und Parabeln
Abraham a Sancta Clara

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Bäume und Hopfenstange

Es sind auf eine Zeit die Bäumer in einer gewissen Gesellschaft zusammengekommen, worbei ein jeder seine guten und herrlichen Qualitäten hervorgestrichen. »Ich«, sagte der Ölbaum, »trag eine so stattliche Frucht, daß ich die ganze Welt mit Schmieralien besteche, und ist niemand, der mir deswegen nit mit schmutzigem, d. h. fettem, Maul danken tut.« – »Ich«, sagte der Feigenbaum, »bin so keck, daß ich auch großen Fürsten und Herren die Feigen zeig und so ein Schnippchen schlag, und werd ich allemal perfekt und Präfekt unter dem Konfekt sein.« – »Ich«, sagte der Nußbaum, »trag eine so gute Frucht, daß man mir allerseits mit Prügeln nachstellt; auch bewahrt keiner seinen Kern so gut wie ich.« – »Was?« sagt der Apfelbaum; »mir laß ich an meiner Prärogativ und Vorrang nichts nehmen; denn ich und kein andrer ist's gewest, der dem ersten Menschen so gefallen.«

Wie sie nun so miteinander disputierten, fast um das Majorat wie die Apostel (Matth. Kap. 20, 24 ff.), da nehmen sie wahr, daß auch die Hopfenstang sich unter ihnen befind. »Pfui, Teixl!« sagten die Bäumer; »daß sich dieser Lumpenhund in unsre Gesellschaft mischt! Schau, schau, daß nit die Hopfenstang auch unter die ehrlichen Bäumer gehöre! Fort mit ihr zum Feuer!« – »Gemach, gemach«, sagt die Hopfenstangen; »es ist zwar wahr, und kann's nit leugnen: eine bloße und kahle, eine arme, nackende Tröpfin bin ich; ich gesteh's: keine Frucht trag ich nit wie ihr – es ist nur zu wahr; aber das tue ich: meinem Nächsten hilf ich! Der Hopf, der arme Tropf, mitsamt seinem bitteren Schopf müßte zugrund gehen, wenn ich nit wär. Also hilf ich ihm als meinem Nächsten!« – Worauf ist erkannt worden, daß auch dieser unter die Zahl und Gesellschaft der ehrlichen Bäumer könne gezählt werden.

Wahr ist's, daß mancher vor unserm Herrn inmitten der fruchtbaren Bäumer: der großen, meritierten und verdienten Heiligen stehen wird am Jüngsten Tag und bekennen: »Ja, mit solcher Frucht kann ich nit prangen wie diese: so rein und unbefleckt nit wie Antonius von Padua, so eifrig im Gebet nit wie Franciscus Seraphicus . . . wenig dergleichen, ja, schier gar nichts; aber das bisweilen hab ich, wie die Hopfenstang, gehabt: hab zuweilen meinem Nächsten Hülf geleistet und ihm aufgeholfen, bin den kranken Leuten mit Rat und Tat an die Hand gangen, hab ein armes Kind und Waiserl auferzogen und in Summa: dem Nächsten etwas Gutes getan.« – Ei, so wird Gott auch sagen: »Der hat das ganze Gesatz erfüllt; denn er hat seinen Nächsten geliebt wie sich selbst.«

 


 


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