Heinrich Zschokke
Der tote Gast
Heinrich Zschokke

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»Es sind nun wirklich«, fing er an, »zweihundert Jahre voll, als der Dreißigjährige Krieg angefangen und der Kurfürst Friedrich von der Pfalz die Krone des Königreichs Böhmen auf sein Haupt gesetzt hatte. Der Kaiser aber und der Kurfürst von Bayern, an der Spitze der Katholiken Deutschlands, brachen auf, die Krone wieder zu erobern. Die große entscheidende Schlacht am Weißen Berge bei Prag wurde geliefert. Der Kurfürst Friedrich verlor die Schlacht und die Krone. Wetterschnell flog die Nachricht von Mund zu Mund durch Deutschland. Alle katholischen Städte jubelten über den Untergang des armen Friedrich, der seinen Thron nur wenige Monate besessen hatte, und den man deswegen schlechthin den Winterkönig zu nennen pflegte. Man wußte, daß er in Verkleidung mit geringem Gefolge aus Prag entflohen sei.

Das wußten auch unsere lieben Vorfahren in Herbesheim vor zweihundert Jahren. Sie plauderten damals schon ebensogern von Stadt- und Staatsneuigkeiten wie wir, ihre würdigen Enkel; sie waren aber damals, ich darf nicht sagen religiöser, wohl religionswilder. Die Freude über Niederlage und Flucht des Winterkönigs war als ungefähr ebenso ausgelassen, ja weit stürmischer, als bei uns vor einigen Jahren über Niederlage und Flucht des Kaisers Napoleon.

Drei bildschöne Jungfrauen saßen einst, vom Winterkönig plaudernd, zusammen. Sie waren alle drei gute Freundinnen und alle drei hatten einen Bräutigam, das heißt jede einen besonderen für sich, weil sie sonst nicht Freundinnen gewesen wären. Die eine hieß Veronika, die andere Franziska, die dritte Jakobea.

Man sollte den König der Ketzer nicht aus Deutschland entwischen lassen! sagte Veronika. So lange er lebt, wird das Ungeheuer der Lutherei leben und nicht ruhen, Verderben auszuspeien.

Ja, rief Franziska, wer den totschlägt, hat eine große Belohnung vom Kaiser, vom Kurfürsten von Bayern, von der ganzen heiligen Kirchen und vom Papste zu erwarten; ja er hat auf den Himmel zu zählen!

Ich wollte, rief Jakobea, er käme in unsere Stadt, o ich wollt' es! Er müßte durch die Hand meines Liebsten sterben. Mein Liebster bekäme wenigstens eine Grafschaft zum Lohn.

Es ist die Frage, sagte Veronika, ob dich dein Liebster zur Gräfin machen möchte, denn er hat kaum Herz genug zu solcher Heldentat. Der meinige würde, ich dürfte nur mit den Augen winken, das Schwert anlegen und den Winterkönig zu Boden schlagen. Und die Grafschaft wäre dir vor der Nase weg erobert.

Macht euch beide nur nicht so breit! sagte Franziska. Mein Liebster ist doch der Stärkste von allen. Ist er nicht schon im Kriege gewesen als Hauptmann? Und wenn ich ihm geböte, den Großtürken auf dem Throne niederzuhauen, er ginge. Freut euch auf die Grafschaft nicht zu sehr.

Indem die Jungfrauen noch um die Grafschaft stritten, entstand ein heftiges Getrappel jagender Rosse auf der Straße vom Tore her. Flugs alle drei Mädchen zum Fenster. Es war aber ein schreckliches Wetter draußen; der Regen schoß in Strömen auf die Gassen von allen Dächern und Rinnen. Der Sturmwind sauste und trieb die Fluten des Regens gegen Häuser und Fenster.

Daß sich's Gott erbarme! rief Jakobea. Wer bei solche, Wetter noch unterwegs ist, der reist gewiß nicht aus Lust.

Den treibt die wilde Not! sagte Veronika.

Oder das böse Gewissen! setzte Franziska hinzu.

Gegenüber vor dem Wirtshause zum Lindwurm hielten dreizehn Herren zu Pferde still und stiegen eilfertig ab. Zwölf blieben bei den Rossen, der dreizehnte in weißen Kleidern ging in das Haus des Wirtes. Bald kam der Wirt mit den Knechten. Die Pferde wurden in den Stall, die Herren ins Wirtshaus geführt. Trotz des Regens lief Volk in der Gasse zusammen, die fremden Reiter und Pferde zu sehen. Das schönste Roß gehörte dem weißen Herrn; es war ein schneeweißer Schimmel mit prächtigem Geschirr.

Wenn das der Winterkönig wäre! riefen die drei Jungfrauen, als sie sich von den Fenstern abwandten, im ersten Augenblicke und einander bedenklich mit großen Augen anstarrend.

Da polterte es auf der Treppe. Siehe, herein traten die drei Bräutigame der Jungfrauen. Wißt ihr schon, rief der eine, der flüchtige Winterkönig ist in unseren Stadtmauern.

Da wäre ein Fang zu machen! sagte der zweite.

Die Angst liegt dem langen, hagern Weißrock im Angesicht! rief der dritte.

Ein froher Schauder überfloß die Mädchen. Sie starrten sich wieder mit großen, forschenden Augen an. Es war, als redeten sie mit den starrten Blicken zusammen, als verständen sie einander. Plötzlich reichten sie einander die Hände und sagten: Ja, es gilt, es gilt! Alle drei miteinander und ungeteilt. Dann ließen sie die Hände los und jede drehte sich hin zu ihrem Bräutigam.

Veronika sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig lebendig aus unseren Stadtmauern ziehen, so will ich lieber des Winterkönigs Metze als meines Liebsten ehelich Gemahl sein. So wahr mir Gott helfe mit seinen Heiligen.

Franziska sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig diese Nacht überleben, will ich eher den Tod als meinen Liebsten küssen, und mein Liebster soll ewig die Hochzeit umsonst erwarten. So wahr mir Gott mit seinen Heiligen helfe.

Jakobea sprach zu dem ihrigen: Der Schlüssel zu meinem Brautkämmerlein ist nun und ewig verloren, bringt morgen der Herzallerliebste mein nicht purpurrot sein Kriegsschwert vom Blute des Winterkönigs.

Die drei Bräutigame erschraken; doch sammelten sie ihre Geister bald wieder, indem sie die schönen Jungfrauen liebreizender, denn jemals, vor sich stehen und der Antwort gewärtig sahen. Keiner wollte zurückbleiben; jeder der erste sein, die Inbrunst seiner Liebe durch ein Heldenstück zu beurkunden. Also verhießen sie, der Winterkönig solle die Sonne nicht wiedersehen.

Sie beurlaubten sich von den Bräuten, die nun frohlockend beisammensaßen und von dem ewigen Ruhm ihrer Geliebten, von deren Mut und Zärtlichkeit, und zuletzt von der Grafschaft plauderten, wie sie dieselbe unter sich teilen wollten. Die drei jungen Männer aber beredeten sich, gingen alsbald ins Wirtshaus zum Lindwurm, forderten einen Trunk, forschten gesprächig den Fremden nach und wer der König sein möge und wo er schlafe und ob er ein schönes Zimmer habe. Sie kannten aber alle jeden Winkel des Hauses wohl. Und sie zechten bis tief in die Nacht.

Vor Tagesanbruch ritten eilfertig zwölf der fremden Gäste fort bei Sturm und Wetter. Der dreizehnte lag tot im Blute schwimmend auf dem Bette. Er hatte drei Todeswunden. Niemand konnte sagen, wer er sei; doch versicherte der Wirt, der König sei es nicht. Und er hatte recht; denn der Winterkönig entkam, wie bekannt, glücklich nach Holland und lebte noch manches Jahr. – Der tote Gast wurde noch desselben Tages begraben, aber nicht auf dem Kirchhofe in geweihter Erde zu den Gebeinen anderer katholischer Christen, sondern als ein vermutlicher Ketzer, aus christlicher Liebe, auf dem Schindanger ohne Sang und Klang.

Ängstlich warteten indessen die drei Bräute auf die Ankunft ihrer Liebsten, um ihnen süßen Lohn zu zollen. Aber sie kamen nicht. Sie schickten wohl nach ihnen aus in alle Gassen und Häuser, aber es hatte sie niemand mehr seit der Mitternachtsstunde gesehen. Selbst der Wirt und dessen Frau, Mägde und Knechte wußten nicht zu sagen, wohin sie gegangen und was aus ihnen geworden.

Da härmten sich die armen Mädchen bitterlich, und sie weinten Tag und Nacht, und bereuten den frevelvollen Befehl, den sie so treuen und schönen Männern gegeben.

Am meisten jammerte heimlich die reizende Jakobea, denn sie hatte zuerst den gefährlichen Anschlag auf das Leben des Winterkönigs vor ihren Gespielinnen getan. Zwei Tage waren seit der Unglücksnacht verflossen, der dritte fast verflossen. Noch wußten die Bräute, noch die bekümmerten Eltern nichts über das Schicksal der Jünglinge.

Da ward an Jakobeas Tür gepocht, und es trat ein fremder vornehmer Mann herein und fragte nach dem Mägdlein, das weinend neben dem Vater und der Mutter saß. Der Fremde überreichte einen Brief, den er unterwegs von einem Jüngling empfangen und zu bestellen versprochen hatte. Oh, wie freudig erschrak Jakobea! Das Briefchen kam vom Geliebten.

Es war aber fast dunkel. Die Mutter eilte und brachte zwei brennende Lampen, den Brief zu lesen und den Fremden besser zu sehen. Er war ein Mann bei dreißig Jahre alt, von hoher, magerer Gestalt, ganz schwarz gekleidet, doch nach der Sitte damaliger Zeit mit großem, von schwarzen Federn umwehtem Hut, schwarzem Wams mit weit überliegendem Spitzenkragen auf den Achseln, schwarzen Unterkleidern und weiten Stiefeln; an der Seite ein Schwert, dessen Griff mit Gold und Perlen und blitzenden Steinen ausgelegt war. Funkelnde Edelsteine sah man mit allerlei Licht von seinen Fingerringen strahlen. Doch sein Angesicht war regelmäßig und edel, war, trotz dem Feuer seines Blicks blaß und erdfarben, und der schwarze Anzug machte ihn noch bleicher. Er setzte sich; und der Vater las bei der Lampe den Brief. Er lautete: Wir haben den Unrechten getroffen; drum, Liebchen, lebe wohl, dieweil ich den Schlüssel zum Brautkämmerlein verloren. Ich zieh in Krieg gen Böhmenland und suche mir eine neue Braut, die nicht fordert vom Liebsten ein purpurrotes Schwert. Tröste dich, wie ich mich. Da send' ich dir den Ring zurück. Der Ring fiel aus dem Briefe.

Als Jakobea solches verlesen hörte, ward sie schier ohnmächtig, und sie weinte und fluchte dem Ungetreuen. Vater und Mutter trösteten das arme Kind, und der Fremde redete viel holdselige Worte: Hätt' ich gewußt, daß der Schalksknecht mich zum Überbringer solcher Verzweiflung mache, so wahr ich bin der Graf von Gräbern, ich hätt' ihm den Johannissegen mit meinem guten Schwert erteilt. Trocknet Eure schönen Augen, holdes Fräulein; eine einzige Tränenperle, die über Eure rosenroten Wangen rinnt, ist genug, alle Flammen Eurer Liebe auszulöschen.

Aber Jakobea konnte nicht aufhören zu weinen. Der Graf entfernte sich endlich und bat um die Erlaubnis, die schöne Leidende am folgenden Tage noch einmal besuchen zu können.

Er hielt auch Wort und kam, und da er mit Jakobea allein war, sprach er: Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können, indem ich immer Eurer Schönheit und Eurer Tränen gedachte. Ihr seid mir wohl ein Lächeln schuldig, daß meine von Schlaflosigkeit blassen Wangen wieder Röte gewinnen.

Wie kann ich lächeln? sagte Jakobea. Hat nicht der Ungetreue mir den Ring gesandt, das Herz umgewandelt?

Der Graf nahm den Ring und warf ihn hinaus zum Fenster. Weg mit dem Ring! rief er. Wie gern ersetzt' ich ihn mit einem schönern! und er legte den prächtigsten Reif von seinen Fingern vor ihr auf den Tisch, wie gern mit allen diesen Ringen, und an jedwedem hängt eine reiche Herrschaft!

Jakobea errötete. Sie schob den prächtigen Ring zurück. Seid nicht so grausam, sprach der Graf, denn nun ich Euch einmal gesehen, kann ich Euch nimmer vergessen. Hat Euch Euer Liebster verschmäht, verschmäht ihn wieder. Das ist süße Rache. Mein Herz und meine Grafschaft liegen zu Euren Füßen.

Zwar Jakobea mochte nicht davon hören; aber doch fand sie in ihrem Herzen, der Graf habe mit der Rache recht, und der Treulose müsse vergessen sein. Sie sprachen noch vieles miteinander. Der Graf redete sehr bescheiden und einnehmend, nur war er nicht so schön wie der verlorene Bräutigam, sein Gesicht auch gar zu bleich und erdfarben. Doch wenn er anmutig redete, vergaß man die Farbe leicht. Und da alles seine Zeit hat, so hörte auch Jakobea auf zu weinen, und sie mußte wohl zuweilen zu den Scherzen des Grafen lächeln.

Die Anwesenheit des reichen Herrn in Herbesheim ward bald in der ganzen Stadt ruchbar, denn er hatte prachtvoll gekleidete Dienerschaft und machte viel Aufwand. Auch daß er Jakobea einen Brief von dem verschwundenen Bräutigam gebracht, erfuhr bald jeder. Als dies Veronika und Franziska hörten, eilten sie zu ihrer Freundin und fragten, ob der vornehme Graf nichts von den übrigen beiden gewußt habe und baten, danach zu forschen.

Solches tat auch Jakobea; und da der Graf sagte, er wolle die leidtragenden Freundinnen selbst aufsuchen, um nach den Beschreibungen zu urteilen, wer ihre Liebsten wären, dankte ihm das Mägdlein sehr. Auch tat sie ihm schon gütiger, denn sie hatte nachts bei sich selber mancherlei überlegt, und den kostbaren Ring viel betrachtet und gedacht: Da darf ich ja nur die Hand ausstrecken und die Grafschaft nehmen, ohne sie mit Veronika und Franziska teilen zu müssen. So hat mir doch die Tat des Ungetreuen zur Grafschaft geholfen. Und sie zeigte den Eltern das Juwel, das der Herr auf dem Tische hatte liegen lassen, und von seinen ehrbaren Anträgen erzählte sie alles, und von seinen weitläufigen Herrschaften was sie wußte. Die Eltern erstaunten sehr und wollten lange nicht daran glauben. Wie aber der Graf wiederkam und die Eltern geziemend bat, ihrer Jungfrau Tochter eine Kleinigkeit zum Sonntagsschmuck verehren zu dürfen, und wie er aus kostbarem Kästlein ein Diamantenkreuz an siebenfacher Perlenschnur zog, bekamen sie den Glauben. Da beredeten sich Vater und Mutter und sprachen: Der Eidam steht uns wohl an, den müssen wir fahen!

Nun redeten sie ihrer Tochter viel zu, ließen sie auch viel im Kämmerlein mit dem Grafen allein, und bewirteten ihn mit Leckerbissen und edeln Weinen, oft noch spät in der Nacht. Er nahm nichts ohne Dank, und die Eltern erfreuten sich seiner schönen Geschenke. Jakobea freute sich im Geiste, als Gräfin von Gräbern den Neid und die Bewunderung der ganzen Stadt zu erregen, und ward gegen den Ungestüm des neuen Liebhabers nachgiebiger.

Dieser aber war doch ein böser Vogel. Denn als er zu Veronika kam, fand er sie noch schöner als die schöne Jakobea; und wie er endlich gar die blondlockige Franziska sah, deuchten ihm die andern fast häßlich. Er sagte aber der blondlockigen Franziska und der rabenlockigen Veronika, einer jeden insbesondere, von ihrem Liebsten fast die gleiche Geschichte. Er habe unterwegs die drei Junggesellen in einer Herberge gefunden, mit zwei jungen Mädchen gar ausgelassen scherzend, bei vollen Weinbechern. Alle hätten in den Krieg nach Böhmenland ziehen wollen, und die Dirnen mit ihnen. Als sie von ihm im Gespräch vernommen, er werde auf seiner Reise durch das Städtlein Herbesheim ziehen, habe der eine an Jakobea den Brief geschrieben und ihn gebeten, solchen mitzunehmen. Die andern hätten aber gespottet und gesagt: Wir haben wohl hier bei lustigen Mädeln Besseres zu tun als Briefe zu schreiben; wollt Ihr Euch für uns beschweren, so sagt ihnen wir zögen nach Böhmenland, weil wir auf ihr Geheiß ein übles Werk getan. Und wir schickten ihnen statt des Briefes den Brautring zurück. Sie sollen sich durch den Mann trösten lassen, dem er besser als ihnen an den Finger passe.

Schon bei Veronika behauptete der Graf, der Ring passe ihm vortrefflich; aber bei Franziska fand er, der Ring wäre wie ausschließlich für ihn gemacht. Und er tröstete jede gar beredt und fragte sie, ob ein Bräutigam solche Tränen verdiene, der sein Liebchen so schnöde verlassen und an der Seite einer leichtfertigen Buhlin Ring und Herz wegwerfen könne? Und er spielte seine Rolle bei jeder so gut, wie bei Jakobea, und wußte zuletzt jede zu trösten; jeder machte er Geschenke. Jeder bot er sein Herz und die Grafschaft, und jede gewöhnte sich bald an sein blasses Gesicht.

Die drei Freundinnen aber machten sich gegenseitig aus ihrem Umgang mit dem Grafen und aus ihren Entwürfen ein Geheimnis; denn eine fürchtete die andere, daß sie ihr Netz nach dem reichen Liebhaber auswerfen möchte. Sie besuchten sich nicht mehr wie sonst und ärgerten sich sehr, wenn sie zufällig erfuhren, daß der Graf auch die Bekanntschaft der andern unterhalte. Eine auf die andere eifersüchtig, wollte es den übrigen zuvortun, ließ sich anfangs Liebkosungen gefallen und erwiderte endlich dieselben, um den Anbeter enger zu fesseln.

Niemand freute sich dieser Eifersucht mehr als der lose Graf. Denn vermittels derselben gewann er in kurzer Zeit immer größere Vorteile über die drei Schönen. Zwar beteuerte er jeder, bei allem was heilig im Himmel ist, daß er die übrigen häßlich und albern fände; aber doch müsse er sie von Zeit zu Zeit, Höflichkeit willen, noch besuchen. Auch diese Ausrede half ihm zuletzt nichts mehr. Wie aber jede nun von ihm, als Beweis wahrer Liebe, begehrte, er müsse die anderen beiden gänzlich meiden, stellte er sich sehr betroffen. Und er machte eine Gegenbedingung: förmliche Verlobung und Ringwechsel in Gegenwart der Eltern, und nach diesem eine stille Stunde in der Nacht, wo Liebende ungestört von der Hochzeit, von der Reise und von den Einrichtungen im gräflichen Palaste kosen könnten. – Auch das gab jede der drei Schönen zu, und das Wort ward mit einem Kusse versiegelt. Aber im Küssen sagte jede: Liebster Graf, wie seid Ihr doch so gar bleich? Legt das schwarze Gewand ab, es macht Euch noch blässer. Dann antwortete er immer: Ich trage schwarz, um ein Gelübde zu erfüllen. Am Hochzeitstage erscheine ich rot und weiß, wie, Herzallerliebste, deine Wangen.

Also hielt der Graf Verlobung mit jeder, das geschah am gleichen Tage. Dann schlich er im Finstern zu jeder ins Schlafkämmerlein. Das geschah in der gleichen Nacht. – Als des anderen Morgens die Mädchen zu lange schliefen, gingen die Eltern, sie zu wecken. Da lag jede der Jungfrauen eiskalt im Bette und den Hals umgedreht, das Gesicht im Nacken.

Zetergeschrei fuhr aus den drei Häusern über die Gassen. Alles Volk rannte erschrocken zusammen. Mord! Mord! ward geschrien; und weil der Verdacht auf den Grafen von Gräbern fiel, sammelten sich die Menschen vor dem Wirtshause zum Lindwurm, und die Stadtweibel und Hatschiere drangen hinein. Da wehklagte im Hause der Wirt, sein Gast sei verschwunden mit allen seinen Knechten, und niemand habe sie sehen fortwandern. Alles Gepäck, dessen so viel gewesen, sei davon und habe es doch niemand von hinnen getragen; aus dem wohlverschlossenen Stalle seinen die vielen prächtigen Rosse entkommen, und keiner auf den Straßen, kein Wächter an den Toren habe von ihnen gehört.

Da erschrak alle Welt, und jeder schlug ein Kreuz und segnete sich, wer an den Häusern der unglücklichen drei Bräute vorüberging. Drinnen heulte Jammer und Schmerz, und bedenklich mußte jedem vorkommen, daß die reichen Geschenke, die prächtigen Brautkleider, die der Graf schon gegeben, die Perlenschnüre, Steinringe und Diamantenkreuze nicht mehr gefunden werden konnten.

Es war nur ein kleines Leichengefolge, das den Särgen der drei Jungfrauen zum Tor hinaus nachwandelte, in schwarze Mäntel gehüllt. Und als die Särge auf dem Gottesacker bei der Sebalduskirche niedergesetzt worden waren und das Gebet verrichtet werden sollte, sah man einen langen Mann aus dem Gefolge hinweggehen, den man bisher nicht bemerkt hatte. Und wie man ihm nachsah, wunderte sich jeder, wie er, obgleich vorher schwarz gekleidet gewesen, allmählich ganz weiß ward. Und es erschienen drei rote Flecken auf dem weißen Wams, und das Blut träufelte sichtbar über die Schöße des Wamses herunter. Und der lange bleiche Mann ging zum Schindanger.

Jesus Maria! schrie der Wirt vom Lindwurm, das ist der tote Gast, den wir vor einundzwanzig Tagen dort einscharren ließen.

Entsetzen ergriff die auf dem Kirchhof waren, und alle liefen mit Grausen davon, und die Schuhhacken wurden ihnen unter den Füßen lang. Ein Sturmwind mit Schnee und Regen blies in heftigen Stößen ihnen nach. Drei Tage und drei Nächte blieben die Särge unbeerdigt stehen neben den offenen Grüften.

Als die Obrigkeit endlich befahl, sie einzusenken, und die Eltern viel Geld an herzhafte Männer boten, das letzte Liebeswerk zu leisten, verwunderten sich die Männer gar sehr. Denn wie sie die Särge aufhoben, fanden sie dieselben so leicht, als wenn sie leer wären, und doch sah man noch die Deckel fest vernagelt. Einer faßte Mut, holte Stemmeisen und Hammer, und ein anderer mußte den Herrn Pfarrer und Kaplan rufen. Als die Särge geöffnet wurden, fand man dieselben ganz leer, und auch kein Totenkissen, kein Leinentuch, keinen Strohhalm darin. Also wurden die leeren Särge vergraben.«



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