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In der Gamslecke oberhalb Sölden ist noch eine geräumige Felsenhöhle, welche die Fräuleinhöhleheißt. Diese soll in grauer Vorzeit von kleinen, netten Weiblein, die man jetzt gewöhnlich diewilden Fräulein heißt, bewohnt gewesen sein. Alte Leute erzählen jetzt noch, wie ihre Großväterin der Höhle zwar nicht mehr die Fräulein, aber die Überbleibsel ihrer Einrichtung gesehen haben.
– Die Fräulein verstanden sich vorzüglich auf das Wetter. Sie wußten in vorhinein, ob das kommende Jahr ein gutes oder schlechtes sein werde; sie sagten den Bauern, was man säen solle und wanndie Ernte einzufechsen sei.
– Es war im Herbste. Der Roggen stand noch fast grün auf dem Acker, da sagte ein Fräulein zueinem rathlosen Bauern: »Schneide deinen Roggen!« Der Bauer folgte den Worten, schnittden Roggen und brachte ihn in die Scheuer. – Die übrigen Bauern lachten den frühen Einheimseraus und foppten ihn auf allen Wegen und Stegen. Allein ihr Übermuth verwandelte sich in Trauer;denn ehe man es vermuthete, begann es zu schneien und zu schneien, daß der Roggen auf denFeldern ganz und gar verdarb.
Die Fräulein sahen die Knaben nicht ungerne und lockten sie in ihre Höhlen, wo sie die kleinen Burschen herrlich bewirtheten und alles taten, was sie ihnen aus den Augen lesenkonnten. Diese verzogenen Kinder wurden dann die ärgsten »Ragger« im Tal. Besonders führtendiese Zöglinge der Weiblein im Winter ein tolles und volles Leben und kutschierten auf denkleinen goldenen Schlitten der Fräulein »über Teufl und Tuifl,« wie die Söldner nochsagen, ins Tal herunter.
Als die Söldner dies gesehen hatten, ließen sie ihre Kinder nicht mehr zur Höhle der wilden Fräulein hinauf. Darüber entstand bei den Weiblein großer Jammer und großes Klagen, dasman besonders in stillen Nächten hörte. Ein Knabe, der ein Fräulein allzu gern hatte, konnte dasKlagen nicht länger hören, lief seinen Eltern davon und schlich sich zu seiner kleinen Geliebten.Die Eltern ließen links und rechts nach dem Knaben suchen, allein nirgends konnte man ihnfinden. Schon hatte man die Hoffnung, von ihm jemals wieder etwas zu erfahren, aufgegeben, alsman am Vorabende des WalburgiTages in der Höhle droben Klaggesänge hörte. DieTalbewohner lauschten und hörten folgendes:
»Die Runa und der Tuit sind g'storben,
Uns trifft's morgen!«
Seit diesem Abend hörte und sah man nichts mehr von denFräulein. Die räthselhaften Weibchen und der Knabe warenspurlos verschwunden. (Ötztal.)