Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
Soldatenbüchlein
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwei alte Adler

Es hielten auf zween Thürmen
Zwei alte Adler Wacht,
Ob schwarze Gewitter stürmen,
Ob golden die Sonne lacht,
In schlummerloser Acht
Saßen sie Tag und Nacht.

Sie konnten sich nicht mehr schwingen,
Doch nahte sich wer dem Ort,
Da sah man sie feurig springen,
Mit blut'gen Schnäbeln ringen,
Und mit den Griffen dringen,
Und treiben die Feinde fort.

»Wie heißt ihr starken Adler zwei?«
»»Ich hier in Arad heiße
Herr Berger von der Pleiße!
Wie immer kühn der Feind auch sey,
Kommt er mir nicht durch Hunger bei,
Sein Feuern ist mir einerlei!

Wohl kennen die Honved mein Geschlecht,
Ihre Vater führt' ich in's Gefecht;
Doch das sind der Väter Söhne nicht,
Der Väter, die ich preise;
Die starben in des Kaisers Pflicht,
Und in der Ehren Gleise!««

»Wie heißt da drüben der andre Aar?«
»»Herr Ruckawina von Temeswar!««General Rukavina, fast 80 Jahre alt, starb unmittelbar nach dem Entsatze der Festung, in der er einen für alle Zelten denkwürdigen Widerstand geleistet hatte. Die Festung hatte in hundertsiebentägiger Belagerung über 16,000 Bomben und 25,000 Vollkugeln verschossen. Die Bewohner, sowie die aus 8500 Mann und 150 Offizieren bestehende Garnison hatten nur sehr spärlich Pferdefleisch zu aller Nahrung. Von der Garnison fielen bei 500 Mann von feindlichen Kugeln, über 2000 waren am Typhus und an der Cholera gestorben und bei 3000 Mann und 60 Officiere fanden sich noch zur Zeit des Entsatzes in den Spitälern der Festung.
»Gebt auf die Stadt noch heute,
Sie ist der Flammen Beute;
Die Krieger liegen auf der Bahr',
Die Pest frißt eure Leute!«

Und zu dem Feind im Graben tief
Ruckawina von der Mauer rief:
»»Numantia in alter Zeit
Hat sich freiwill'gem Tod geweiht;
Nicht Mindres soll in künft'gen Tagen
Von Temeswar die Nachwelt sagen.

Ihr Honved drüben, horchet auf!
Zwar kleiner stets wird das Geleit,
Stets enger Sarg an Sarg gereiht;
Doch liegen die Todten auch Hauf' an Hauf',
Und steigen die Flammen die Brustwehr auf,
Wie eng ihr immer sie berennt,
Nicht thu' ich euch die Festung auf,
Bis mir im Sack das Schnupftuch brennt!
Und träf' auch euer Blei mich Alten,
Nebst mir noch tapfre Helden walten!««Vor allen der General Graf Leiningen, die Seele der Vertheidiger; der im Laufe der Belagerung von einer Bombenkugel getödtete Obristlieutenant Simonovics vom Geniecorps; der Obrist Blomberg von Fürst Schwarzenberg-Uhlanen.

Und also kräftig wie er spricht,
Der alte General auch ficht!
Die Stadt macht Pest, Schwert, Hunger licht,
Doch sie ergibt dem Feind sich nicht;
Und als hundert und sieben Tag
Der Honveb vor den Mauern lag,
Da schien mit einemmal am Morgen
In seiner Haut er nicht geborgen,
Und nicht mehr dröhnte, wie er pflag,
Der Bomben und Karthaunen Schlag.
Und Reiter rasseln zum Thor hinan
Und pochen an die Festung an:
»Herr Ruckawina, frisch aufgethan!
Anreitet Held Haynau im Siegesreigen,
Der thut euch zu Ehren den Degen neigen!« –
Da starb vor Freude der alte Mann!


 << zurück weiter >>