Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
Soldatenbüchlein
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz

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Custozza.

1. Somma-Campagna.

Auf, auf! die Waffen angethan,
Es naht die dunkle Nacht heran;
Kein Trommelwirbel, kein Hörnerklang,
Stumm ziehn die Reihn den Weg entlang.

Die Wolken hängen tief und schwer
Am schwarzumzognen Himmel her,
Im Sturmesbrausen der Lärm verhallt,
Kein Fußtritt in die Ferne schallt.

Der Regen strömt, der Donner grollt,
Und in des Wetters Toben rollt
Geschütz und Brückzeug ungehört,
Von Feindeswachen ungestört.

So aus Verona zieht das Heer,
Der Morgen sieht die Festung leer,
Im Nachtsturm hat es ungeahnt
Sich rasch und still den Weg gebahnt.

Vom Hochgebirg kommt ThurnFeldmarschall-Lieutenant Graf Thurn, Kommandant des 2. Armeecorps. heran,
Lichnowsky bricht am Garda Bahn,
Weil Zobel kreist im Adlerflug
Hoch über kahler Berge Zug.

Und längs dem Mincio, als kaum
Karl Albert wach vom Morgentraum,
Schlägt WocherFeldmarschall-Lieutenant Wucher, Kommandant des 1. Reservecorps. kühn drei Brücken, dicht
Dem Sardenkönig vor's Angesicht.

Und als der helle Mittag schien,
Da donnerten die Batterien,
Da ritt der Tod durch's blut'ge Feld,
Da lag im Staub manch stolzer Held! –

Jetzt, Krieger Oestreichs, jetzt heran,
Zeigt was das Heer des Kaisers kann,
Zeigt, wie es Schanzen nimmt im Sturm,
Trotz Bastion, trotz Waffenthurm!

Und ob er hinter Mauern steckt,
Ob Graben und Verhau ihn deckt,
Am Ort, wo Eure Fahnen stehn,
Soll jede Spur vom Feind verwehn!

Und durch das weite Blutgefild
Stürmt jetzt die Schlacht, und gräßlich wild
Ringt Heer mit Heer im Kampfe heiß
Um ungewissen Siegespreis.

Doch ruhig lenkt Radetzky's Blick
Des Kampfs unsicheres Geschick,
Und wo die Wage unstät schwankt,
Fliegt HeßFeldmarschall-Lieutenant Ritter von Heß, Chef des Generalstabes. herbei und hält was wankt;

Und mißt und steuert der Gefahr,
Und macht des Feldherrn Willen klar;
Und SchönhalsFeldmarschall-Lieutenant Baron Schönhals, Generaladjutant. Auge überwacht
Mit ihm den wirren Knäul der Schlacht!

Gegen drei Sardenbatterien
Stellt SwirtnikChef der Artillerie in Italien. unsrer eine hin,
Und sich dazu; dann drei zu drei
Stehn die Geschütz' – Er gilt für zwei! –

Und wie der Tag zu Ende neigt,
Der Donner der Kanonen schweigt,
Stehn alle Höhen schon bekränzt,
Von Oestreichs Waffen überglänzt.

Doch eine grause Todesnacht
Folgt der fast schon erkämpften Schlacht,
Und übermächtige Gewalt
Gebietet hier den Siegern Halt! –

Es ist der Feind noch eins so stark,
In seinem Arm auch Kraft und Mark;
Ein Sardenheer ist's, Schelmvolk nicht
Der welschen Städte, das hier ficht.

Somma-Campagna sollte schaun
Noch vieler Tapfern Todesgraun;
Noch hören mancher Mutter Sohn
Ausröcheln seinen letzten Ton.

Neu krönt die Berg' ein ganzes Heer;
Ein Sechstheil ist es, und nicht mehr,
Das gegensteht, nicht weicht, nicht wankt,
Wie eng es auch der Feind umrankt!18,000 Piemontesen gegen 3,000 Oestreicher des Regiments Emil von Hessen unter dem tapferen General Simbschen und dem Oberst Sunstenau.

Nur eine Vorhut klimmt empor,
So scheint's, den dichten Massen vor –
Doch niemand folgt, sie steht allein –
Die Trommeln wirbeln fern zum Schein!

Doch kühn auf blut'ger Todesbahn
Rückt näher stets das Häuflein an;
die Garden aber faßt ein Graun,
Den einen Aufschlag nur zu schaun!

»Täuscht uns der dichte Pulverdampf?
Sind's Geister, die hier stehn im Kampf,
Die wieder nahn, die Wangen roth,
Wenn sie erschlagen auch und todt?«

»Wer ist der Führer? dreimal gut
Traf ihn die Kugel schon, sein Blut
Entfloß im Strom den Wunden breit,
Und immer steht er vorn im Streit?«

»Ha, jetzt! jetzt traf die Brust das Blei –
Arm, Hand, die Brust, Blutstrahlen drei!
Umsonst daß noch sein Degen winkt –
Bleich wird sein Antlitz – seht, er sinkt!« – –

Ja, eine Eiche brach im Wald,
Ein Held der Zukunft, den gar bald
Der Ruhm genannt hätt' durch die Welt –
Hier ward ihm früh sein Ziel gestellt!

Doch schmucklos soll zum Orkus hin
Der tapfere Sunstenau nicht ziehn!
Den höchsten Preis, den Oestreich hegt,
Hat es auf seinen Sarg gelegt! –Das Maria-Theresienkreuz

Das kleine Häuflein aber sich ficht
Und weicht dem mächt'gen Heere nicht,
Bis aus der Ferne ihm heran
Endlich die späten Helfer nahn! – –Haynau schickte sie auf seine eigene Verantwortung aus Verona, als er von dort mit Ferngläsern den Gang der Schlacht beobachte!

»Doch hier noch nicht, bei Volta liegt
Des Tags Entscheid! Wohlan, dort siegt!«
Und neu beginnt das Morden jetzt,
Und neue Loose sind gesetzt! –

Und wär' der Tag noch eins so heiß,
Oestreichs Geschichte stehn zum Preis,
Ob es mit seinen Tapfern fällt,
Ob's fort noch durch Aeonen hält.

Noch aber kam die Stunde nicht,
Wo sein uraltes Scepter bricht;
Noch steht sein Heer, ein heil'ger Rest.
»Hoch Oestreich, hoch!« noch stehst du fest!

2. Volta

»Wer ist's, der dort auf den Hügeln steht.
Dort oben am Bergesrand,
Am rechten Flügel bei Volta, seht,
Wo eben »Franz Karl«Ungarisches Infanterie-Regiment Nr. 51 noch stand?
Dort drüben, trügt mich nicht der Sinn,
Dort drüben stehn blaue Schaaren.
Wo sind die tapfern Weißen hin,
Die erst noch oben waren?
Was ist mit ihnen denn geschehn?
Sie sind erschlagen, sind todt;
Sonst würden sie ohne Wanken stehn
Und kämpfen, vom Blute roth!

Adjutant, jagt schnell durch's Leichenfeld,
Durch den Kugelregen dicht,
Und seht ob d'Aspre, der tapfere Held,
Ob WimpfenGraf Wimpfen, Divisions-Commandant noch lebt und ficht;
Und die Ihr findet, die nehmet mit,
Und die Ihr treffet am Ort,
Die Truppen, und führt sie im Sturmesschritt,
Und jagt mir die Sarden fort!
Beim lebendigen Gott, es stehet die Schlacht
Auf der Spitze, ein einziges Haar,
Und die Wage schnellt, und die welsche Macht
Siegt über den Doppelaar!«

Der Marschall spricht es, von dannen fliegt
Der Bote; bald trifft er die Schaar,
Wie sie todt und matt am Boden liegt,
Die eben noch siegreich war!
Von der Sonne glühendem Pfeil gesengt,
Erschöpfet vom blutigen Kampf,
Vom Durste die trockene Kehle geengt
Und dem qualmenden Pulverdampf!
Dort auf dem Boden, mit Leichen bedeckt,
Dort liegt sie verschmachtet schier;
Er sieht sie bleich auf den Grund gestreckt
Voll Mitleid der Officier.

»Ich seh' es, Ihr Tapfern, Ihr könnt nicht mehr,
Ich sag' es dem Marschall an;
Ich bringe wohl andere Truppen her –
Doch die Noth wächst furchtbar heran!
Und ein Augenblick noch, und verloren ist
Mit dem Siege die Ehre zugleich;
Auf den Schanzen zu Volta, zu dieser Frist,
Schwebt des Kaisers Kron' und sein Reich.«
Da erhebt sich ein Krieger vom Boden und spricht:
»Wir brauchen, wenn's so ist, der Ruhe nicht.
Wir lassen den Marschall grüßen schön,
Wir werden stürmen und nehmen die Höhn!«

Und immer schauet gen Volta hin
Der Marschall: »Was ist geschehn?
Die Blauen eilig von dannen ziehn
Und oben die Weißen stehn!«

3. Goito.

Der Tag ist unser – auf, die grünen Zeichen!
Auf, daß die Feinde sie mit Ingrimm sehen,
Von Meer zu Meer, so weit die Augen reichen,
Laßt Eure Fahnen stolz und freudig wehen.

Sie sind in Blut gedrängt bis an die Spitzen,
Im Blut der Feinde, die Euch feig verrathen,
Die Ihr zerschmettert habt mit Euren Blitzen,
Ihr schnödes Wort bestraft durch Eure Thaten.

Die hundert Schanzen, die das Land durchschnitten,
Die Besten mit den hundert Batterien,
Sie sind erstürmt, erstiegen, sind erstritten,
Und die drin prahlten, wußten nur zu fliehen! –

Dieß Volk, das mit dem Kainsmal an der Stirne
Die Zeit durchschritten, das uns Schmach geboten,
Fühlt Euer Schwert nun tief in seinem Hirne;
Die nicht entlaufen, liegen bei den Todten. –

Hin stoben sie zerstreut nach allen Seiten!
Umsonst, daß Sarden zu Italiens Wehre
Noch kurzen Kampf nach Kriegerweise streiten,
Um rein zu waschen ihres Landes Ehre.

Auch sie sind heim geflohn in wilder Eile,
Und selbst die Zwingburg, die sie aufgemauert,
Goito hat kaum eine kurze Weile
Der Stürmer kühnen Anlauf ausgedauert.

Karl Albert hat an dieser Lieblingsstelle
Noch jüngst von großen Siegen uns gedichtet;
Nun flattert Oestreichs Banner von der Schwelle
Und zeugt: der König habe falsch berichtet!

So von des Mincio's Strand zur Kathedrale
Von Mailand fliehn erschreckt die Feindesschaaren,
Doch bald an ihrem marmornen Portale
Soll Oestreichs Grenadiere man gewahren!

Ihr kommt, umglänzet von des Ruhms Geschmeide,
Ihr kommt, umgürtet mit dem Schwert des Sieges,
Ihr kommt, geschmückt mit Eurem blut'gen Kleide,
Ihr tragt den Ehrenschild gerechten Krieges.

»Custozza« schriebt Ihr mit Gigantenlettern,
Ein »Mene Tekel« an Italiens Wände;
Sie sahn den Namen blitzen in den Wettern,
Sie sahen ihn im Licht der Feuerbrände!

Sie werden diesen Namen nicht vergessen.
»Weh' dem, der rühret an die Eisenkrone!«
Sie bleibt dem echten Herrn, die sie vermessen
Dem Condottiere ausgesetzt zum Lohne!


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