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Der Hof von Ansbach hielt sich noch einige Tage länger bei uns auf. Die Grumbkow war der Anlaß; mein Schwager, der Markgraf, hatte sich in sie verliebt. Er vertrug sich so schlecht mit meiner Schwester, daß er ganz gefühllos schien. Sie war so eifersüchtig, daß er mit keiner Dame zu reden wagte. Die Grumbkow hatte keinen Grund, auf ihre Eroberung stolz zu sein. Jede andere würde sich den Ton, den der Markgraf ihr gegenüber anschlug, verbeten haben. Er machte ihr den Hof wie einer liederlichen Person. Die Grumbkow war namenlos verschmitzt, sie hatte die böse Zunge ihres Onkels geerbt, ihr Spott kannte keine Schranken, mit diesen Fehlern vereinigte sie viel Koketterie und Hochmut und die größte Verlogenheit. Ich traute ihr nicht im mindesten, da ich ihre Bosheit durchschaute. Meine Schwester war über diese keimende Leidenschaft ganz außer sich. Ich tat mein möglichstes, um die Grumbkow zur Vernunft zu bringen, doch vergebens, sie wußte, daß ich ihres Onkels halber gewisse Rücksichten auf sie nehmen mußte, und sie kümmerte sich sehr wenig um mich. Durch die Abreise des Ansbachschen Hofes wurde diese Sorge wieder von mir genommen. Der Markgraf, der sich die ganze Zeit hindurch beherrscht hatte, richtete jetzt alle Sticheleien wider seinen Sohn und wider mich. Er sandte Herrn von Voigt zu mir, um mir zu sagen, er sei noch nicht tot und hoffe, mir zum Verdrusse noch eine Reihe von Jahren am Leben zu bleiben. Solange er lebe, wolle er aber zeigen, daß er der Herr im Hause sei, und nicht dulden, daß ich mich als die Regentin aufspiele, wie es kürzlich geschehen sei, als ich ihm seine Gemächer in Monplaisir entzogen hätte, um sie dem Markgrafen von Ansbach zur Verfügung zu stellen; ich sei es gewesen, die den König angetrieben hätte, ihm die unangenehmen Dinge zu sagen, die er vernehmen mußte; Fräulein von Sonsfeld, die er als seine schlimmste Feindin betrachte, sei schuld an all dem Übel; er sei der ewigen Intrigen müde, die sie aushecke, und fest entschlossen, sie nach der Festung Plassenburg zu schicken, um ihr zu beweisen, daß mit ihm nicht gut Kirschen essen sei, und ihr etwas mehr Achtung vor ihm beizubringen.
Ich gestehe, daß ich über dies Kompliment aufs höchste aufgebracht war, ich ließ mich in heftigen Worten über den Markgrafen aus und schonte seiner nicht. Voigt und meine Hofmeisterin warteten ab, bis mein erster Zorn verflogen war. Letztere machte sich gar nichts aus den Drohungen des Markgrafen und lachte nur darüber; sie riet mir, ihm in aller Höflichkeit zu schreiben und sein unerhörtes Benehmen mit aller Sanftmut zu erwidern. Ich kam auf den Einfall, den Prinzen Albert mit diesem Brief zu betrauen und ihn zu bitten, daß er uns versöhne. Ich hatte Zeit gehabt, ihn kennen zu lernen. Er stand als Generalleutnant im Kaiserlichen Heer und hatte sich in allen Feldzügen, die er mitmachte, sehr ausgezeichnet. Er war häßlich, ohne unangenehm zu sein, seine Manieren waren gefällig, und man konnte sich gut mit ihm unterhalten; bei all diesen Vorzügen besaß er einen guten Charakter und sehr viel Scharfsinn; er war seinem Neffen und mir sehr zugetan und weilte viel in unserer Gesellschaft. Ich hatte ihm schon öfters von meinen Leiden erzählt, er kannte seinen Bruder von Grund aus und gab mir manchmal Ratschläge. Er fand, daß der Markgraf in diesem Falle ganz im Unrecht war, besonders nachdem ich ihm die Briefe gezeigt, die mir dieser von Selb aus geschrieben und worin er mir mitgeteilt hatte, daß ich in seiner Abwesenheit alles übernehmen und ihm eine Zelle überweisen möge. »Geben Sie mir diese Briefe, Prinzessin« sagte er, »wir müssen ihn durch seine eigene Schrift überführen; ich verspreche Ihnen, daß ich ihm unverblümt die Wahrheit sagen werde; dies alles sind nur Schikanen. Der Markgraf könnte es nicht zwei Tage aushalten, ohne hinter jemandem her zu sein; er war so von frühester Jugend an, seine melancholische Gemütsart ist daran schuld.« Und in der Tat bewies er ihm so deutlich sein Unrecht, daß er nichts zu erwidern fand und recht beschämt war, sich so überführt zu sehen. Er machte mir allerlei Liebesbezeigungen und gab mir Judasküsse dazu, denn im stillen plante er schon neue Streiche. Da meine Entbindung sehr nahe bevorstand, bat man ihn, nach Bayreuth zurückzukehren. Ich fand mein Schlafzimmer sehr nett möbliert, was ich mit vieler Mühe durchgesetzt hatte, und eines meiner getäfelten Zimmer, in dem ich mein Porzellan aufgestellt hatte, machte meine Räume viel freundlicher. Der Markgraf mit dem Prinzen, seinem Bruder, nahmen tags darauf Abschied von mir, da sie nach Himmelkron gehen wollten. Der Markgraf teilte mir mit, daß er mich erst nach meiner Niederkunft zu sehen gedenke. Ich erwiderte ihm, daß ich sehr bedauerte, ihn so bald von mir gehen zu sehen; was sich mit mir ereignen würde, stünde bei der Vorsehung, vielleicht sei uns hienieden kein Wiedersehen mehr beschieden; er möge versichert sein, daß ich ihn nie beleidigen wollte; ich sei stets um seine Gunst bemüht gewesen und hätte unser gutes Einvernehmen stets angestrebt; und wenn Gott mich am Leben ließe, wollte ich ihm auch fürderhin die Reinheit meiner Absichten zu erkennen geben. Ich sagte ihm dann, daß jemand nach Berlin geschickt werden müsse, um den König von meiner Niederkunft zu benachrichtigen, und daß Herr von Voigt hierfür am geeignetsten sein dürfte; da Himmelkron an dem Wege läge, könnte er auch selbst zugleich Meldung erhalten. Der Markgraf errötete und blieb eine Weile in Nachdenken versunken. »Daß er nach Berlin fährt,« sagte er, »ist recht und gut, doch mag er sich die Mühe ersparen, nach Himmelkron zu kommen; ich habe angeordnet, daß man Kanonen in bestimmten Zwischenräumen aufstellt, so daß ich auf diese Weise schneller Nachricht erhalten werde, als durch einen Kurier.« »Wenn Euer Durchlaucht die Wahl des Herrn von Voigt nicht belieben, werden Sie vielleicht die Güte haben, mir einen anderen zu bezeichnen; es hieße meiner Pflicht zuwiderhandeln, wenn ich anders verführe.« »Will man in Freundschaft zusammenleben,« sagte er, »so muß man alle Zeremonien beiseitelassen; ich hasse sie tödlich, und Ew. Königliche Hoheit werden mir einen großen Gefallen tun, mich damit zu verschonen; ich werde Herrn von Voigt nach Berlin senden und hoffe von ganzem Herzen, bei meiner Rückkehr einen Enkel anzutreffen, der seiner Mutter ähnlich sieht.« Er umarmte mich und ging. Prinz Albert hatte dieser Unterredung beigewohnt. Ich fragte ihn, was wohl der Markgraf für einen Grund haben könne, so vorzugehen, und was er mir zu tun anriete. »Er hat keinen anderen Grund als seine Laune,« erwiderte er; »man muß Geduld mit ihm haben, und da er nicht will, daß Ew. Königliche Hoheit ihm einen Boten senden, muß man sich nach ihm richten.«
Ich erkrankte am 29. abends, war am 30. sehr schlimm daran und schwebte am 31. in großer Gefahr. Um sieben Uhr abends genas ich jedoch einer Tochter, als man an meinem Leben wie an dem meines Kindes verzweifelte. Man sagte mir später, der Erbprinz sei in einer bemitleidenswerten Verfassung gewesen; seine Freude, mich gerettet zu sehen, war grenzenlos; er fragte nicht einmal nach dem Kinde, alle seine Gedanken waren auf mich gerichtet. Ich konnte ihm meine Erkenntlichkeit nicht bezeigen, denn ich fiel von einer Schwäche in die andere. Herr von Voigt machte sich alsbald auf den Weg nach Berlin; kaum hatte er die Stadt verlassen, als dreifacher Kanonendonner erscholl. Die Geistlichkeit erschien in corpore, um vor meinem Bett Gebete zu verrichten; ich hörte nichts, da ich fast immer in Ohnmacht lag. Obwohl der Markgraf von meiner gefährlichen Lage Meldung erhalten hatte, nahm er sich nicht die Mühe, sich nach mir zu erkundigen. Die Nacht hindurch stand es sehr schlecht mit mir; doch gegen Morgen fiel ich in einen Schlaf, durch den ich etwas gekräftigt wurde.
Der Erbprinz erhielt um Mittag ein Billett seines Onkels, in dem dieser ihm mitteilte, daß dem Markgrafen infolge des Gegenwindes und der unrichtigen Aufstellung der Kanonen die Nachricht meiner Niederkunft nicht zugekommen sei; deshalb sei er der erste gewesen, der ihm die Nachricht überbrachte; er wisse nicht, was über seinen Bruder gekommen sei, seine Laune sei fürchterlich; er täte zwar alles, um ihn zur Rückkehr in die Stadt zu bewegen, könne jedoch nichts Bestimmtes darüber berichten.
Dennoch erschien der Markgraf um zehn Uhr abends. Er schickte erst nach Herrn von Reitzenstein, bei dem er sich bitter über seinen Sohn und mich beklagte, daß wir ihn wie einen alten Handschuh behandelten; wir hätten nicht einmal so viel Rücksicht gehabt, ihm meine Niederkunft anzuzeigen. Er sei der letzte seines ganzen Hofes gewesen, der sie erfahren habe; seine Geduld sei aber jetzt erschöpft; er wolle endlich durch Taten zeigen, daß er der Herr sei; denn er sei fest entschlossen, seinen Sohn nach der Plassenburg zu schicken. »Ich befehle Ihnen,« sagte er, »beide davon in Kenntnis zu setzen.« Reitzenstein war tödlich erschrocken, ihn in solchem Zorn zu sehen, und bat ihn, doch ja einen anderen mit solchem Auftrag zu betrauen, denn er könne sich nicht das Herz fassen, mir in meiner gefährlichen Lage eine derartige Nachricht zu überbringen; die geringste Aufregung könne mir das Leben kosten; er könne nicht begreifen, wodurch der Prinz ihn so sehr erzürnt habe, und bäte ihn, um Gottes willen zu überlegen, was er zu tun gedenke, bevor er zu solchen Maßregeln schritte. Prinz Albert, der etwas witterte, trat indessen hinzu; er ergriff offen unsere Partei. »Aber mein Gott, lieber Bruder,« sagte er, »ich war doch zugegen, als Sie Ihrer Königlichen Hoheit beim Abschied ausdrücklich verboten, Ihnen ihre Niederkunft anzuzeigen; sie war unsicher, was sie tun sollte, und ich riet ihr selbst, sich nach Ihrem Willen zu richten.« Der Markgraf war höchst betroffen, da er sich nicht bewußt gewesen war, daß sein Bruder jene Unterredung mitangehört hatte. Er war sehr verlegen, und da er nicht wußte, wie er sich herausreden sollte, berief er sich auf sein schlechtes Gedächtnis und wetterte dagegen, da es, wie er sagte, täglich schwächer würde. Er ließ den Prinzen rufen, den er freundlich empfangen wollte; allein seine Verlegenheit verriet, wie wenig aufrichtig er es meinte. Sie verfügten sich dann alle zu mir. Es fiel allen auf, wie er sich bezwingen mußte, um zuvorkommend gegen mich zu sein. Er machte mir einen langen Sums vor: es sei Sitte hierzulande, daß ein Kind am dritten Tage nach seiner Geburt getauft werde; diese Zeremonie müsse mit großem Pomp am folgenden Morgen vorgenommen werden, »denn«, sagte er, »die kleine Prinzessin hat einen König zum Großvater und muß deshalb größere Vorrechte genießen, als es sonst der Fall wäre.« Ich antwortete ihm, daß er darüber zu verfügen habe, wie es ihm beliebe, doch möge er mir um Gottes willen gestatten, daß ich in Ruhe gelassen werde, da ich zu schwach sei, um viele Leute zu sehen und ihre Glückwünsche entgegenzunehmen. Er bat mich, die Paten und Patinnen zu wählen. Ich wehrte mich lange dagegen, aber da er darauf bestand, so nannte ich ihm den König, die Königin, die Kaiserin, die Königin von Dänemark, seine Schwester, die verwitwete Markgräfin von Kulmbach, seine Mutter, meinen Bruder, meine Schwester in Ansbach und den Prinzen Albert. Er war mit der Zusammenstellung sehr zufrieden, und einen Augenblick später verließ er mich.
Am folgenden Tage wurde mit Pauken und Trompeten das Signal gegeben. Der Markgraf, von seinem ganzen Hofstaat gefolgt, begab sich zu mir. Die Prinzessin Charlotte, die seit einiger Zeit wieder zurückgekehrt war, trug meine Tochter zur Taufe. Sie empfing das Sakrament unter dem Baldachin in meinem Audienzzimmer. Während des Taufaktes wurden Kanonenschüsse abgegeben. Abends war Galatafel und Ball.
Mein Schwager, Prinz Wilhelm, kam vierzehn Tage später von seiner Reise nach Frankreich und Holland zurück. Der Erbprinz hatte sich sehr auf seine Ankunft gefreut, da er ihn sehr liebte; denn sein gutes Herz machte ihn allen seinen Angehörigen wert. Er führte ihn zuerst zu mir. Dieser Prinz zählte zwanzig Jahre und war nicht größer als ein Kind von vierzehn; sein Gesicht war schön, ohne doch anziehend zu sein; trotz seiner kleinen Gestalt war er doch gut gewachsen; seine Manieren kamen an Kindlichkeit seiner Statur gleich; sein Verstand war sehr begrenzt, oder besser gesagt, es war keiner vorhanden; er hatte in Utrecht studiert, ohne etwas zu lernen, denn sein flüchtiger und zerstreuter Geist konnte sich auf nichts konzentrieren; sein Herz war gut, mehr aus Natur denn aus Prinzip. Solange er in Bayreuth blieb, suchten der Prinz und ich nach Kräften, ihn zu beeinflussen, doch war es ohne Erfolg. Er war Oberst in einem kaiserlichen Infanterieregiment und sollte zu seinem Regiment nach Italien zurückkehren und sich einige Zeit mit seinem Onkel in Wien aufhalten.
Herr von Voigt war auch von Berlin zurückgekehrt. Er überbrachte mir die huldvollsten Briefe vom König und der Königin und versicherte mir, der König habe vom Erbprinzen und mir im innigsten Ton gesprochen, und es herrsche in Berlin allgemeine Freude über meine Entbindung.
Ich hatte angefangen, wieder etwas aufzuatmen, als ich durch einen Brief des Königs aufgeschreckt wurde, der dem Erbprinzen befahl, sich sofort nach Berlin zu verfügen, um von dort zu seinem Regiment zurückzukehren; er versicherte ihn seiner Zuneigung, die er ihm offenkundig beweisen werde. Dies war für mich ein schwerer Schlag. Ich liebte den Prinzen mit Leidenschaft, unsere Ehe war die glücklichste; eine lange Trennung ließ mich alles befürchten. Ich fürchtete, daß er bei seiner Jugend in Ausschweifungen verfallen könne, denn die preußischen Offiziere waren, von ihrem Berufe abgesehen, ausgelassen und ungeschlacht, wie ich wohl wußte. Ich hatte mehrere sehr liebenswürdige Prinzen gekannt, die im Dienste des Königs ihre Manieren einbüßten und ganz brutal geworden waren. Er selbst war sehr betrübt; aber alles, was wir erreichen konnten, war, daß wir die Reise möglichst lange hinausschoben. Am 3. Oktober jedoch mußte geschieden sein. Da der Markgraf ihm kein Geld geben wollte, mußte er es leihen. Meine Gesundheit, die sich zu bessern anfing, geriet durch die Sorgen, die seine Abwesenheit in mir hervorrief, wieder ins Schwanken. Die ganze Familie, der Markgraf ausgenommen, versammelte sich allabendlich bei mir; wir suchten gemeinsam die Zeit totzuschlagen.
Ich machte endlich meinen ersten Ausgang und bereitete mich auf meine Reise nach Berlin vor, als mich ein Brief des Königs in neue Verlegenheit setzte. Er befahl mir, nach Ansbach zu fahren. »Ich wünsche nichts so sehr«, schrieb er mir, »als die gute Eintracht Ihrer beiden Häuser; Ihre Politik, Ihr Interesse, kurz alles erheischt es. Ich weiß, daß mein Schwiegersohn und meine Tochter es sehr übelnehmen werden, wenn Sie sie nicht besuchen; Sie müssen durch Ihre Gegenwart alle Feindseligkeit vermeiden und unterdrücken; dann können Sie Ihrem liebenden Vater entgegeneilen, der Ihnen seine Zuneigung beweisen wird.« Ich schickte diesen Brief dem Markgrafen. Er ließ mir durch Herrn von Voigt sagen, der Rat des Königs sei vortrefflich, und er sei ganz der Meinung, daß ich ihn befolgen sollte.
Dies war alles recht schön und gut, allein ich hatte kein Geld. Meine Mittel, die ich zugunsten des Prinzen verwendet hatte, waren erschöpft, und niemand wollte mir Kredit geben. Ich beschloß also, über diesen und mehrere andere Punkte mit dem Markgrafen zu reden. »Ich hörte durch Herrn von Voigt,« sagte ich zu ihm, »daß Eure Durchlaucht meine Reise nach Ansbach gutheißen. Es ist mir außerordentlich peinlich, Ihnen bei dieser Gelegenheit zur Last fallen zu müssen; allein Sie wissen, daß ich außerstande bin, meine unvorhergesehenen Ausgaben zu bestreiten; meine geringen Einkünfte reichen kaum zu meinem Unterhalt hin, so daß ich nicht in der Lage bin, diese und meine Berliner Reise auf eigene Kosten zu unternehmen. Übrigens fürchte ich, daß ich meine Tochter nicht nach letzterem Orte mitnehmen kann, da die Jahreszeit schon zu weit vorgeschritten ist. Ich kann sie auch nicht den Händen ihrer Kammerfrauen überlassen; ich möchte sie gerne einer Dame übergeben, die mit der Zeit ihre Erziehung beaufsichtigen könnte.« »Ich werde alles in Erwägung ziehen«, sagte er, »und Herrn von Voigt mit meiner Antwort betrauen.« Sie war seiner würdig. Er ließ mir sagen, daß er sehr bedaure, mich in den beiden Punkten nicht befriedigen zu können; in meinem Heiratskontrakt sei nichts für meine Vergnügungsreisen, noch für etwaige Töchter, die ich bekommen würde, gewährleistet worden; da er seinen jüngsten Sohn für die Armee ausstatten müsse, seien seine Finanzen so zerrüttet, daß er mir keinen Beistand zusichern könne.
Ich hatte mehrmals Briefe vom Prinzen erhalten, der die Güte, die ihm der König erzeigte, nicht genug loben konnte. Er schrieb mir, daß sowohl der König wie die Königin ungeduldig auf meine Ankunft warteten, und jedermann versichere ihm, der König gedenke zu unseren Gunsten etwas zu tun; er müsse jetzt unverzüglich zu seinem Regiment zurückkehren und würde über Ruppin fahren, um dort meinen Bruder aufzusuchen. Diese Briefe erweckten in mir die Hoffnung, daß der König meine Reise bestreiten würde. Ich wandte mich also an ihn und beschwor ihn, mir Geld zu schicken und mir zu sagen, was mit meiner Tochter geschehen solle. Um keine Zeit zu verlieren, ließ mir Herr von Voigt zweitausend Taler zufließen, die er unter seinem Namen entlieh.
Mittlerweile erkrankte der Markgraf. Obwohl man die Gefahr, in der er schwebte, sehr geheimhielt, waren alle davon unterrichtet, so daß ich meine Abreise um einige Tage verschob. Er wollte niemanden sehen und weigerte sich, mich zu empfangen. Während seiner Zurückgezogenheit konnten wir etwas aufleben; denn der gute Fürst hatte das Unglück, seine Umgebung mit seiner ewigen Moral und seinen ewigen Wiederholungen einzuschläfern. Statt seiner trat eine ebenso langweilige Persönlichkeit auf wie er: es war sein jüngster Bruder, den ich künftig den Prinzen von Neustadt nennen werde, weil er dort zu Hause war.
Er stand als Oberst im dänischen Heere und kam unmittelbar von Kopenhagen, und zwar auf Brautschau, wie wir später erfuhren. Er zeigte dem Markgrafen seine Ankunft von Neustadt aus an und meldete ihm, daß er in einigen Tagen nach Bayreuth kommen würde. Dieser Prinz war der Auswurf der Familie. Der Markgraf konnte ihn nicht leiden und hatte keine Lust, ihn zu sehen, besonders da er sich krank fühlte. Er erwiderte ihm, daß er sich über seinen Besuch freuen würde, doch möge er warten, bis ich von Ansbach zurückgekehrt sei und er sich erholt hätte. Der Prinz erhielt diesen Brief, als er Bayreuth nahezu erreicht hatte. Die Wege waren so schlecht, daß er nicht mehr umkehren konnte. Er fühlte sich durch den Brief seines Bruders in seiner Würde sehr verletzt; um sich zu rächen, stieg er im Posthause ab, wo er die Nacht zubrachte, ohne weder den Markgrafen noch seine Familie zu benachrichtigen. Dieser ließ ihn mehrmals bitten, in das Schloß hinüberzuziehen, wo man Gemächer für ihn hergerichtet hatte. Er weigerte sich fortwährend und sagte, er wolle auf den Schimpf, den ihm sein Bruder angetan hätte, gebührend antworten, indem er ihn nicht sehen wolle.
Nach langem Hin- und Herreden schickte man den Prinzen Wilhelm zu ihm, der endlich diese liebenswürdige Persönlichkeit zum Markgrafen und von da zu mir führte. Ich will meine Schilderung gleich beim rechten Ende anfangen. Er war eher klein als groß und ziemlich gut gewachsen. Die vielen Schrullen, die er im Kopfe hatte, nahmen viel Platz in Anspruch, darum hatte er wohl einen so großen Schädel; zwei kleine blaßblaue Schweinsaugen sahen aus diesem leeren Kopf hervor; sein viereckiger Mund glich einer Höhle, und seine zurücktretenden Lippen ließen das Zahnfleisch hervorsehen sowie zwei Reihen schwarzer und ekelhafter Zähne; der Schlund stand stets offen; sein dreifaches Kinn erhöhte seine Reize; ein Pflaster zierte dessen unterstes Stockwerk und sollte eine Fistel verbergen; da es jedoch häufig herunterfiel, hatte man das Vergnügen, sie nach Herzenslust zu betrachten und einen Eiterfluß hervorquellen zu sehen, so daß der Anblick alle Brechpulver ersetzte; auch sagte man sich, daß die Ärzte und Apotheker alles zu seiner Heilung aufböten, da sie ihre Abführmittel nicht mehr anzubringen vermochten. Zu allen diesen Reizen kam noch ein wirres blondes Haar hinzu, das vortrefflich zu einem geschmacklosen Anzug paßte; dabei war dieser mit Gold- und Silberverzierungen so überladen, daß der Prinz kaum gehen konnte. Seine Seele war ebenso glücklich ausgestattet wie sein Körper; zeitweilig zerrüttete sich sein Gehirn, und dann wurde er wütend und wollte alle Leute umbringen. Durch sein Kommen waren jetzt sämtliche Familienmitglieder vereint.
Ich reiste endlich am 21. Oktober nach Ansbach ab. Ich wollte mich in Erlangen aufhalten, um die Stadt anzusehen und bei der verwitweten Markgräfin Georg Wilhelm zu speisen. Sie hatte durch ihre Schönheit und ihr sittenloses Leben viel Aufsehen erregt und war eine richtige Messalina, die mehrere ihrer Kinder dadurch umgebracht, daß sie eine Fehlgeburt veranlaßt hatte, damit ihre schöne Figur nicht Schaden litte. Ich war auf diese Bekanntschaft nicht sehr begierig und hatte den Markgrafen gebeten, mir zu erlauben, daß ich die Nacht in Baiersdorf zubrächte, da ich nicht in einem derartigen Hause zu übernachten wünschte.
Ich erreichte abends auf schrecklichen Wegen diese kleine Stadt, die in nächster Nähe von Erlangen liegt. Dort traf ich Herrn von Fischer, Herrn von Egloffstein, der an der Spitze des reichsunmittelbaren Adels dieser Gegend stand, Herrn von Wildenstein, derselben Vereinigung angehörig, und den Generalleutnant von Bassewitz. Diese Herren begrüßten mich bei meiner Ankunft. Herr von Fischer sagte mir, daß der Markgraf ihnen befohlen hätte, mich mit denselben Ehren zu empfangen, die ihm gewöhnlich erwiesen würden; und er habe der Markgräfin melden lassen, mich als Königstochter zu empfangen und mir den Vortritt zu lassen; dazu sei sie aber nicht zu bewegen gewesen, und er habe angeordnet, daß man mir eine Tafel in den mir zugewiesenen Gemächern bereiten solle; er rate mir, sie nicht aufzusuchen und ihr nicht einmal meine Ankunft anzuzeigen. Er hatte noch nicht ausgeredet, als man mir meldete, daß der Oberhofmeister der Fürstin mich zu sprechen wünsche. Ich ließ ihn eintreten. Er hielt mir eine Rede, die wohl eine halbe Stunde lang währte, verwirrte sich dabei immer und sagte mir endlich, seine Herrin wolle zu mir fahren, um mich zur Tafel zu bitten. Ich entschuldigte mich, so gut ich konnte, indem ich Müdigkeit von der Reise vorschützte. Da er sah, daß er auf diese Art nichts erreichte, lud er mich zur Tafel für den folgenden Tag. Herr von Fischer nahm das Wort und sagte zu ihm: »Ihre Königliche Hoheit wird sich zur Markgräfin verfügen, sofern diese ihr die geziemenden Ehren erweist, andernfalls wird sie dieselbe nicht mit ihrem Besuche beehren.« Der andere geriet ganz aus der Fassung und erwiderte, seine Gebieterin wisse sehr wohl, was sie der Tochter eines großen Königs schulde, und würde ihr alle Ehren erweisen, die in ihrer Macht stünden. Ich sandte erst einen der Herren meines Gefolges zu ihr, um ihre Begrüßung zu erwidern, und setzte mich dann zu Tisch. Während des Soupers ließ Herr von Fischer nicht ab, das Lob meines Schwagers zu singen, ohne den Namen meines Gatten auch nur zu erwähnen. Ich war darüber so gereizt, daß ich mich von der Tafel erhob und der Gesellschaft guten Abend wünschte.
Tags darauf fuhr ich um zehn Uhr fort. Vier Schwadronen Reiterei, die teils in Baiersdorf, teils in Erlangen standen, bildeten meine Eskorte. Ein großes Gefolge von Herren, sowohl diensttuender wie fremd hinzukommender, folgte mir. In solcher Begleitung zog ich in die Stadt ein. Militär und Bürgertum bildeten in den Straßen Spalier, und der Zulauf, um mich zu sehen, war gewaltig. So kam ich endlich bis zum Schloß. Die Markgräfin mit ihrem ganzen Hofstaat empfing mich an der Treppe. Als die ersten Begrüßungen vorüber waren, ging ich in meine Gemächer, wohin sie mich begleitete. Über diese Fürstin muß ich hier einiges sagen.
Sie war eine geborene Prinzessin von Sachsen-Weißenfels und Schwester des Herzogs Johann Adolf und soll schön wie ein Engel gewesen sein; sie war jedoch so verändert, daß man ihr Gesicht genau betrachten mußte, um die Spuren ihrer einstigen Schönheit zu entdecken; sie war groß und mußte einmal eine schöne Taille gehabt haben. Ihr Gesicht war sehr lang, desgleichen ihre Nase, die sie sehr verunzierte, da sie erfroren war und dadurch eine sehr unschöne bläuliche Farbe angenommen hatte; ihre gebieterischen Augen waren groß, braun und schön geformt, jedoch so glanzlos, daß ihre Lebhaftigkeit dadurch vermindert wurde; statt natürlicher Augenbrauen trug sie sehr dichte tintenschwarze künstliche; ihr Mund, obwohl groß, war sehr reizvoll, die Zähne blendendweiß und gleichmäßig; ihr Teint war zwar rein, jedoch gelblich, die Haut welk und schlaff; sie hielt sich gut, wenn auch etwas affektiert; sie war die Laïs ihres Jahrhunderts; sie hatte stets nur durch ihre Schönheit gefesselt, denn Geist besaß sie nicht im mindesten.
Wir nahmen beide Platz. Das Gespräch war ziemlich uninteressant; statt des Hochmuts, den sie zwei Tage früher gezeigt hatte, stellte sie sich jetzt sehr unterwürfig und küßte mir jeden Augenblick die Hand, ob ich mich auch noch so sehr wehrte. Sie war sehr zufrieden, daß ich mich ihr so zuvorkommend zeigte, und sagte, sie freue sich, mich kennen zu lernen; sie habe sich recht vor mir gefürchtet, da man ihr gesagt habe, ich sei stolz und hochmütig und würde sie von oben herab behandeln. Sie stellte mir ihre sogenannte Hofmeisterin (denn sie hatte stets nur geliehene) und ihre zwei Hofdamen vor. Diese waren Zwillinge, sehr klein und so dick, daß sie kaum gehen konnten; diese beiden Fleischballen wollten sich bücken, um mir die Hand zu küssen, verloren aber das Gleichgewicht und kugelten zu Boden, daß ich meinen Ernst nicht bewahren konnte; alle andern mußten mitlachen. Es läßt sich nichts Scheußlicheres denken als den Hof dieser Markgräfin; ich glaube, daß alle Ungeheuer der Umgegend sich hier zusammengefunden hatten, um in ihren Dienst zu treten. Vielleicht geschah dies, um durch ihre Scheußlichkeit die verjährten Reize der Fürstin zu besserer Geltung zu bringen. Es war endlich angerichtet. Während der Tafel war die Markgräfin sehr verlegen. Herr von Egloffstein, der zurzeit ihr bevorzugter Liebhaber war, hatte sie so eingeschüchtert, daß sie sich ohne seine Erlaubnis weder zu essen noch zu reden getraute. Ich stattete ihr nachmittags einen Besuch ab und traf bei ihr die Damen der Stadt, die mir vorgestellt wurden. Nachdem ich den Kaffee bei ihr eingenommen hatte, wollte ich mich von ihr verabschieden; aber sie bestand darauf, mich die Treppe hinabzugeleiten, und bemerkte dabei, Herr von Egloffstein habe es ihr also befohlen und sie füge sich seinem Willen in allem. Obwohl ich diese übertriebene Höflichkeit nicht dulden wollte, mußte ich sie mir doch gefallen lassen.
Da es spät wurde und die Wege sehr schlecht waren, mußte ich in Cadolzburg übernachten, woselbst ich mehrere Offiziere und Herren des Ansbachschen Hofes antraf, die mir entgegengekommen waren.
Am nächsten Abend kam ich endlich in Ansbach an und wurde von meinem Schwager und meiner Schwester mit offenen Armen aufgenommen. Ich hatte allen Grund, mit ihrer herzlichen Aufnahme zufrieden zu sein. Die ganze Zeit hindurch wurden Galatafeln abgehalten. Vergebens bat ich meine Schwester, diesem langweiligen Zeremoniell ein Ende zu machen und vertraulich unter uns zu bleiben: sie meinte, es sei unmöglich; alle Welt würde sie darob tadeln, da es an allen Höfen so Sitte sei. Sie befand sich seit drei Monaten in guter Hoffnung, worüber große Freude im ganzen Lande herrschte. Ihr Schicksal war kein glückliches. Ich erwähnte schon, daß man sie sehr schlecht erzogen hatte; das Versäumte wäre zum Teil gutzumachen gewesen, hätte man ihr eine entsprechende Hofmeisterin zuerteilt, denn sie war erst vierzehn Jahre alt, als sie heiratete; man verdarb jedoch alles, indem man ihr eine Landpomeranze mitgab, die ihr in keiner Weise imponierte.
Der Markgraf war ihrer Launen endlich müde geworden; zwei unwürdige Günstlinge, der Hofmarschall von Seckendorf und ein gewisser Herr von Schenck, beherrschten ihn gänzlich und hatten ihn zu einem ausschweifenden Leben verführt. Er hatte seit kurzem eine Geliebte niedriger Herkunft, die sich Einkünfte auf Grund ihrer Reize verschaffte und sich dem ersten besten hingab. Er liebte sie leidenschaftlich und ist ihr treu geblieben; er hat gegenwärtig noch Beziehungen zu dieser liederlichen Person, die ihm drei Kinder schenkte, von denen es zwar heißt, er sei nicht deren Vater. Er ließ seinen vermeintlichen Sohn adeln und gab ihm den Namen Falk, denn ein Falkenier war er ja selbst und vertrat bis ins kleinste diesen niedrigen Dienst. Er hatte sich augenblicklich mit meiner Schwester gänzlich überworfen. Diese war empört, daß er ihr eine niedrige Magd vorzog, die im Schlosse grobe Arbeiten verrichtete, und hatte ihm bittere Vorwürfe gemacht, was die Sache nur verschlimmerte. Ich tat mein möglichstes, um die beiden zu versöhnen; und wenn ich es nicht ganz zuwege brachte, so erreichte ich wenigstens, daß ein Skandal vermieden wurde. Die Aufmerksamkeiten, die ich allen erwies, erwarben mir viele Freunde. Der Markgraf selbst befreundete sich mit mir, was meiner Schwester oft zum Nutzen ward. Da er sich nach Pommersfelden begeben mußte, um dort mit dem Bischof von Bamberg zusammenzukommen, machten wir uns am 28. Oktober gemeinsam auf. Der Weg war derselbe bis nach Baiersdorf, woselbst sich der Markgraf von mir verabschiedete.
In Baiersdorf fand ich die Antwort des Königs auf meinen letzten Brief; es war ein Handschreiben und hatte folgenden Wortlaut: »Meine liebe Tochter, Ihr Brief ist mir richtig zugekommen, und ich bedaure, daß man fortfährt, Sie zu schikanieren, und Ihnen das Reisegeld nicht bewilligt. Ich habe Ihrem närrischen Schwiegervater meine Meinung gesagt, daß er Ihnen Ihre Reisen bestreitet. Es soll die Flore Sonsfeld bei der kleinen Friederike bleiben. Sie sparen dabei den Gehalt einer Gouvernante. Ich erwarte Sie mit Ungeduld und bin« usw.
Dieser Brief veranlaßte mich zu traurigen Betrachtungen; ich erkannte sofort, daß der König mich getäuscht und daß ich mich zwischen zwei Stühle gesetzt hatte. Daß er dem Markgrafen die Leviten gelesen hatte, war mir gar nicht recht; durch Güte und Artigkeiten allein ließ sich etwas bei ihm ausrichten. Der Prinz fuhr fort, mich der liebevollen Absichten des Königs versichert zu halten; er schrieb mir, daß mein Bruder sich eifrig für mich verwende und daß seine frühere Zärtlichkeit wieder in ihm aufzuleben scheine. Die Königin sei uns allem Anschein nach sehr geneigt; sie sähe sogar mit viel Freude und Ungeduld meiner Ankunft entgegen. Mein Bruder schrieb mir ungefähr dasselbe, aber die Königin widersprach ihm durchaus: »Was wollen Sie hier erreichen,« schrieb sie mir, »können Sie wirklich noch auf die Versprechen des Königs bauen, nachdem er Sie so grausam im Stiche ließ? Bleiben Sie zu Hause, und lassen Sie Ihr ewiges Lamentieren. Sie mußten auf alles, was Ihnen widerfährt, wohl gefaßt sein.« Die Briefe Grumbkows an seine Nichte waren voll der trübsten Verheißungen. Ich war von schweren Besorgnissen erfüllt. Doch konnte ich jetzt meine Reise nach Berlin nicht mehr aufgeben; nach dem, was der König an den Markgrafen geschrieben hatte, mußte ich von dieser Seite der schlimmsten Verdrießlichkeiten gewärtig sein.
Ich verließ Baiersdorf am 29. und war am selben Abend wieder in Bayreuth. Der Markgraf empfing mich scheinbar sehr freundlich und fragte mich sofort, wann ich nach Berlin zu reisen gedächte. Ich erwiderte ihm, daß ich noch keine Antwort vom König erhalten hätte und also noch ohne die nötigen Mittel zur Reise sei. Er sagte hierauf im ironischen Tone: »Ich sehe wohl, daß die Sache sich in die Länge ziehen wird, und würde gerne zehntausend Gulden opfern, um Ihnen fortzuhelfen.« Ich dankte ihm für seine freundliche Absicht und erwiderte ihm, daß ich sehr dankbar wäre, wenn er mir zweitausend Taler geben wollte. Daraufhin erzählte er mir, daß sich zwei Freier für die Prinzessin Charlotte gemeldet hätten, nämlich der Herzog von Weißenfels und der Prinz von Usingen; seine Tochter habe sich für den zweiten entschieden, und er möchte gerne meine Meinung wissen. Ich redete ihm eifrig zu, aber er wollte nichts hören und schlug beide Anträge aus, weil er, wie er sagte, seine ältere Tochter vor seiner jüngeren verheiraten wollte. Diese war in Ostfriesland sehr mißvergnügt. Sie hatte sich durch ihren Hochmut und die Art, wie sie mit ihrem Onkel und ihrer Tante umging, alles verscherzt; sie wollte jetzt um jeden Preis nach Bayreuth zurückkommen und beschwor ihren Vater, sie dazu aufzufordern. Der Markgraf war damit nicht einverstanden, da ihm die Folgen wohl einleuchteten. Er wollte vielmehr, falls die Heirat nicht zustande käme, seine Tochter nach Dänemark schicken, bevor er sie nach Bayreuth zurückkommen ließ, damit dieser Bruch weniger Aussehen errege.
Statt der zweitausend Taler, die ich verlangt hatte, schickte der Markgraf mir tags darauf tausend Gulden, welche Summe nicht einmal für die Postpferde genügte. Zum Übermaß war ich auch noch genötigt, nach Koburg zu meiner Tante, der Herzogin von Meiningen, zu fahren, die mich im Sommer besucht hatte. Ich mußte diese Reise aus politischen Gründen unternehmen; die Herzogin hatte durchblicken lassen, daß sie mit dem Gedanken umgehe, mich zur Erbin ihrer ungeheuren Güter, über die sie frei verfügte, einzusetzen. Diese böse Fürstin hätte dadurch alle Leiden wieder gutgemacht, die sie dem Lande und dem Hause Kulmbach zugefügt hatte. Durch sie war das Haus Kulmbach gänzlich ruiniert und in den traurigen Zustand gebracht worden, in dem ich es vorgefunden hatte.
Da Koburg nur acht Meilen von Bayreuth entfernt lag, konnte ich es in einem Tag erreichen, und ich kam am Abend des 3. Novembers dort an. Ich fand meine gute Tante wie gewöhnlich mit Blumen und Maschen aufgeputzt. Bei der Gelegenheit mußten ihre welken und verjährten Brüste daran glauben; sie klopfte und streichelte sie mir zu Ehren mit erneutem Eifer, wobei sie mich unzählige Male ihr Liebchen nannte. Ihre Gemächer und die, die sie für mich bereitgestellt hatte, waren von großer Pracht, sowohl was Möbel wie Silbergeräte angeht; man sah überall die brandenburgischen Wappen, was mich zu traurigen Betrachtungen veranlaßte. Den folgenden Tag verbrachte ich mit der Herzogin plaudernd und mit Handarbeiten beschäftigt; denn es gab keinen Adel in Koburg als eben nur ihren Hofstaat, der sehr klein war. Ich konnte keine vorteilhafte Entschließung für mich erwirken; sie wiederholte mir ihr Versprechen, wollte aber kein Testament zu meinen Gunsten errichten; man meldete mir sogar insgeheim, daß sie mich wie viele andere, denen sie durch falsche Vorspiegelungen Geschenke entlockte, hintergangen habe.
Ich kehrte am 5. nach Bayreuth zurück, die ewiglebende Alte innerlich verwünschend. Der Markgraf war wieder unpaß. Seine Trunksucht hatte seine Gesundheit neuerdings sehr geschädigt. Seine Lungen und Nerven waren angegriffen, und die Ärzte kündeten nichts Gutes. Er war sehr erfreut, daß ich Fräulein Flore von Sonsfeld zur Hüterin meiner Tochter erwählt hatte; ich hatte aber große Mühe, sie zur Annahme dieses Postens zu überreden. Der Markgraf, der sie sehr schätzte, vereinte seine Bitten mit den meinigen, so daß sie endlich einwilligte.
Da mich nun nichts mehr in Bayreuth hielt, reiste ich am 12. ab. Mein Abschied von dem Markgrafen war nicht eben zärtlich. Wir waren beide der Trennung froh. Um allen Empfindlichkeiten vorzubeugen, hieß ich Herrn von Voigt zurückbleiben. Herr von Seckendorf, den er mir als Kammerherrn zugeteilt hatte, befand sich in meinem Gefolge. Er war geistreich, vielgereist und recht angenehm im Verkehr.
Das Wetter und die Wege waren fürchterlich; da ich mich aber nachts nur für zwei oder drei Stunden niederlegte, kam ich am 16. in Berlin an. Der König war – recht zu meinem Mißgeschick – tags zuvor nach Potsdam abgereist, und die Königin hatte am selbigen Tage ihre Andacht verrichtet.
Obwohl sie durch eine Stafette von meiner Ankunft unterrichtet war, tat sie nicht dergleichen. Ich stieg in der Dunkelheit aus dem Wagen, meine Beine waren so gerädert, daß ich der Länge nach hinfiel. Herr von Brand, Oberhofmeister der Königin, der zufällig des Weges kam, erbarmte sich meiner und half mir wieder auf. Niemand kam mir entgegen außer meinen Schwestern, die mich vor dem Audienzsaal empfingen. Ich sah die Königin von weitem in ihrem Schlafzimmer, zaudernd, ob sie auf mich zukommen sollte. Sie entschloß sich endlich dazu, und nachdem sie mich umarmt hatte, rief sie den Erbprinzen herbei, den sie versteckt gehalten hatte. Ich freute mich so, ihn wiederzusehen, daß ich den schlechten Empfang vergaß, der mir bereitet worden war. Ich fand jedoch nicht Zeit, mit ihm zu reden; sie nahm mich bei der Hand und führte mich in ihr Kabinett, wo sie sich in einen Lehnstuhl warf, ohne mir einen Platz anzubieten. »Was wollen Sie hier?« fragte sie dann und sah mich mit strenger Miene an. Das Herz stand mir stille, als sie so anhub. »Ich bin auf Befehl des Königs gekommen,« gab ich ihr zur Antwort, »aber besonders, um mich einer angebeteten Mutter zu Füßen zu werfen, von der mir die Trennung allzu schwer fiel.« »Sagen Sie lieber,« erwiderte sie, »daß Sie gekommen sind, um mir einen Dolchstoß zu versetzen und um aller Welt zu zeigen, was für eine Dummheit Sie begingen, einen Hungerleider zu heiraten. Sie hätten deshalb ruhig in Bayreuth bleiben sollen, um Ihre Schande dort zu verbergen, ohne sie auch hier zur Schau zu tragen. Habe ich es Ihnen nicht geschrieben? Der König denkt nicht daran, Ihnen besondere Vorteile einzuräumen, und bereut schon, was er Ihnen versprach. Ich sehe voraus, daß Sie uns mit Ihren Klagen in den Ohren liegen und uns allen zur Last fallen werden.«
Diese Worte durchbohrten mir das Herz. Ich brach in Tränen aus, denn ich fürchtete die Königin mehr als den Tod; ich saß in der Klemme und mußte sehen, wie ich mich herauszöge. Ich warf mich in die Knie und sagte ihr die rührendsten Dinge. Sie ließ mich eine gute halbe Stunde lang in dieser Stellung; sei es, daß meine Tränen sie erweicht hatten oder daß sie das Dekorum doch einigermaßen wahren wollte: sie hob mich endlich auf. »Ich will gern«, sagte sie im verächtlichen Tone, »Mitleid mit Ihnen haben und das Geschehene unter der Bedingung vergessen, daß Sie künftig Ihr Verhalten ändern werden.« (Was sie darunter verstand, wird man später ersehen.) Indem sie diese letzten Worte sprach, verließ sie das Zimmer.
Inzwischen trat Fräulein von Pannewitz herein. Wir waren sehr befreundet gewesen, und ich eilte auf sie zu, um ihr meinen Jammer anzuvertrauen. Sie gab mir keine Antwort und sah mich von oben herab an. Die anderen Damen mit Ausnahme der Kamecke taten desgleichen. Diese raunte mir zu, ich möge mich beherrschen, sie würde sich nach Kräften für mich verwenden, und in ein paar Tagen würde alles anders sein. Der Prinz, der meine Verwirrung bemerkte, sah mich traurig an, da er das plötzlich veränderte Verhalten der Königin nicht begriff. Bei Tische erging es mir nicht besser. Meine Schwester Charlotte machte sich über meine Armut in schonungsloser Weise lustig. Die Königin warf ihr ermutigende Blicke zu, sooft sie mir etwas Boshaftes sagte. Ich schwieg zu diesen verletzenden Reden, doch war ich darum nicht weniger erbost. Meine Schwestern Sophie und Ulrike sagten mir leise, daß sie mich noch immer liebten; sie hätten mir gar vieles mitzuteilen, wagten aber nicht, mit mir zu reden, denn die Königin habe es verboten. Trotz aller Mühsale dieses Tages hielt sie mich bis um ein Uhr nach Mitternacht zurück.
Kaum hatte ich mich zurückgezogen, als wir von neuem in Klagelieder ausbrachen. Ich erzählte dem Prinzen und Fräulein von Sonsfeld, wie die Königin mich empfangen hatte. Sie sagte mir, es stünde im besten Einklang mit dem Empfang, der ihr selbst bereitet worden sei. Der Prinz wollte mich noch auf die Rückkehr des Königs vertrösten. Gott, wie wenig kannte er ihn! Ich schrieb ihm tags darauf, um ihm meine Ankunft anzuzeigen. Zwar hatte ich die Freude, einen Brief meines Bruders zu erhalten, den Herr von Knobelsdorff, sein Adjutant, mir überbrachte. Er schrieb mir, daß er mich am übernächsten Tag zu sehen hoffe. Ich war ihm nach wie vor innig zugetan, und er war meine einzige Stütze. Meine Schwester Charlotte kam auch, mich zu besuchen oder vielmehr den Prinzen, denn sie scherzte die ganze Zeit mit ihm, ohne auf mich zu achten. Die Königin zeigte sich mir etwas freundlicher als tags zuvor. Sie lebte damals gänzlich zurückgezogen und sah nicht einmal die königlichen Prinzessinnen; sie ließ sich nachmittags vorlesen, während abends gespielt wurde. Es kamen viele Leute an diesem Tage zu mir, weniger aus Höflichkeit als aus andern Gründen, denn ich bekam viele unangenehme Dinge zu hören.
Der König kehrte am darauffolgenden Abend zurück. Er empfing mich sehr frostig. »Ha ha!« sagte er zu mir, »da sind Sie ja; ich freue mich, Sie zu sehen«, und er hielt ein Licht in die Höhe, um mich zu betrachten. »Sie haben sich recht verändert. Wie geht es der kleinen Friederike? Sie tun mir recht leid,« fuhr er fort, nachdem ich ihm geantwortet hatte, »Sie haben nichts zu nagen und zu beißen, und ohne mich dürften Sie betteln gehen. Ich bin auch ein armer Mann und kann Ihnen nicht viel geben; ich will tun, was ich kann; ich werde Ihnen zehn oder zwölf Gulden geben, sooft es mir möglich ist; es wird Ihr Elend immerhin erleichtern, und Sie«, sagte er, indem er sich zur Königin wendete, »müssen ihr manchmal ein Kleid schenken, denn das arme Kind hat gar nichts anzuziehen.« Ich platzte schier vor Ärger, mich so behandelt zu sehen, und verwünschte meine dumme Leichtgläubigkeit, die mich in dieses Labyrinth verstrickt hatte. Diese hübschen Reden wurden mir tags darauf bei Tische vor aller Welt nochmals gehalten. Der Prinz errötete bis unter die Fingernägel; er antwortete dem König, daß ein Prinz, der ein Land wie das seinige besäße, nicht für so gar ärmlich gelten könne; an seiner traurigen Lage trüge einzig sein Vater schuld, da er ihm nichts geben wolle, worin er dem Beispiel so mancher anderer Väter folge. Nun war es der König, der errötete, da er sich getroffen fühlte, und man sprach von etwas anderm.
Tags darauf war es uns endlich vergönnt, meinen Bruder zu sehen. Er war so erfreut, mich bei der Königin anzutreffen, daß er sich kaum die Mühe gab, ihr ein paar Worte zu sagen, und auf mich zueilte. Daß unser Wiedersehen ein gar zärtliches war, läßt sich wohl denken. Wir hatten uns so viel zu sagen, daß wir nicht wußten, wo wir anfangen sollten. Ich erzählte ihm alle meine Mißgeschicke. Er schien über den Empfang, den ich gefunden hatte, überrascht und meinte, es müsse hier irgend etwas dahinter stecken, wovon er nichts wisse; er würde der Sache auf den Grund zu kommen suchen und mit Seckendorf und Grumbkow zu meinen Gunsten reden, die beiden seien ganz für ihn; und was die Königin beträfe, so würde er mit ihr reden, denn sein Einfluß auf sie sei sehr groß. Sie ging während unsrer ganzen Unterredung mit meiner Schwester auf und ab und schien beunruhigt. Wir gesellten uns dann wieder zu ihr.
Die Königin lenkte bei Tische das Gespräch auf die künftige Kronprinzessin. »Ihr Bruder«, sagte sie zu mir, indem sie mich ansah, »ist trostlos über dieses Verlöbnis, und nicht mit Unrecht, denn sie ist strohdumm; sie weiß auf alles nur ›Nein!‹ oder ›Ja!‹ zu antworten und dabei so albern zu lachen, daß einem ganz übel wird.« »Oh!« sagte meine Schwester Charlotte, »Ew. Majestät kennen alle ihre Vorzüge noch nicht. Ich wohnte eines Morgens ihrer Toilette bei, und mir verging der Atem, denn sie roch ganz erbärmlich; sie muß zum mindesten zehn oder zwölf Fisteln haben, anders läßt es sich nicht erklären. Ich bemerkte auch, daß sie schief gewachsen ist; ihr Rock ist an einer Seite auswattiert, und eine Hüfte sitzt ihr höher als die andere.« Ich war sehr erstaunt über diese Reden, die in Gegenwart der Dienerschaft und noch dazu vor meinem Bruder geführt wurden. Ich sah, daß er errötete und daß ihn die Worte sehr empfindlich trafen. Er zog sich gleich nach dem Souper zurück. Ich tat desgleichen.
Einen Augenblick später suchte mich mein Bruder auf. Ich fragte ihn, wie er mit dem König zufrieden sei. Er sagte mir, daß er jeden Augenblick anders zu ihm stünde; bald sei er in Gnaden, bald in Ungnade; am besten ginge es ihm, wenn er fernbliebe; bei seinem Regiment führe er ein ruhiges und friedliches Leben, wobei das Studium und die Musik ihn zumeist beschäftigten; er habe sich ein Haus bauen und einen reizenden Garten anlegen lassen, wo er lesen und musizieren könne. Ich bat ihn, mir zu sagen, ob das Bild, das die Königin und meine Schwester von der Prinzessin von Braunschweig entworfen hatten, zutreffend sei. »Wir sind allein,« versetzte er; »ich halte vor Ihnen nichts geheim und will Ihnen die Wahrheit sagen. Die Königin mit ihren verwünschten Intrigen ist die einzige Quelle unserer Leiden. Kaum waren Sie weg, als sie wieder ihre Unterhandlungen mit England aufnahm. Sie wollte Ihre Schwester Charlotte an Ihre Stelle setzen und sie mit dem Prinzen von Wales verheiraten. Sie können sich denken, daß sie alle Hebel in Bewegung setzte, um ihren Plan zur Ausführung zu bringen und mich mit der Prinzessin Amalie zu vermählen. Sobald ihre Pläne reif waren, wurde der König davon in Kenntnis gesetzt, da ihm die Ramen – sie ist mehr in Gnaden denn je – alles hinterbrachte. Er war höchst ungehalten über diese neuen Umtriebe, und es kam zwischen ihm und der Königin zu neuen Händeln. Endlich mischte sich Seckendorf darein und riet dem König, dem Unwesen ein Ende zu machen, indem er mich mit der Prinzessin von Braunschweig verlobe. Die Königin ist untröstlich darüber; ihr Kummer macht sich dadurch Luft, daß sie die arme Prinzessin mit ihrem Hasse verfolgt. Sie wollte, daß ich die Partie unweigerlich ausschlage, und sagte mir, es kümmere sie nicht, falls die Zwistigkeiten zwischen dem König und ihr von neuem ausbrächen; ich solle mich nur standhaft zeigen, und sie würde mich schon zu halten wissen. Ich habe mich aber geweigert, ihren Rat zu befolgen, und ihr geradeheraus erklärt, daß ich die Ungnade meines Vaters nicht von neuem auf mich ziehen wolle, da ich genug darunter gelitten hätte. Was die Prinzessin betrifft, so ist mein Haß nicht so groß, als er scheint; ich stelle mich, als haßte ich sie, um meinen Gehorsam dem König gegenüber um so besser zur Geltung zu bringen. Sie ist hübsch, hat einen blühenden Teint und feine Züge, so daß ihr Gesicht schön zu nennen ist. Es fehlt ihr die Erziehung, und sie kleidet sich sehr schlecht; aber ich hoffe, daß Sie auf sie einwirken werden, wenn sie herkommt. Ich lege sie Ihnen ans Herz, teure Schwester, und ich hoffe, Sie werden sie unter Ihren Schutz nehmen.« Es läßt sich leicht denken, daß meine Antwort seinem Wunsche gemäß ausfiel.
Der König teilte uns mit, er habe eine deutsche Komödiantentruppe kommen lassen. Wir wohnten am selben Abend diesem schönen Schauspiel bei: es war zum Einschlafen. Es gefiel dem König aber so gut, daß er die Truppe engagierte. Wehe dem, der sich den Vorstellungen fernhielt. Sie dauerten vier Stunden lang, und man konnte sich nicht rühren noch etwas sagen, ohne sich Verweise zuzuziehen; dabei herrschte eine schreckliche Kälte, was meine Gesundheit sehr schädigte. Mein Bruder sagte mir, er habe mit Grumbkow und Seckendorf in meinem Sinne gesprochen. Dieser habe ihn ersucht, ihm zu einer Privataudienz bei mir zu verhelfen; mein Bruder riet mir, sie zu gewähren. »Er ist ein ehrlicher Patron,« sagte er lachend, »denn er läßt mir des öfteren Gelder zufließen, deren ich sehr bedarf. Ich habe schon überlegt, daß er Ihnen auch welche verschaffen könnte, meine Galionen sind gestern eingelaufen, und ich will die Ladung mit Ihnen teilen.« In der Tat brachte er mir tags darauf tausend Taler mit der Versicherung, mir noch zu andern Summen zu verhelfen. Ich machte viele Umstände, bevor ich sie annahm, da ich ihm nicht zur Last fallen wollte. Er schüttelte den Kopf. »Nehmen Sie sie ruhig,« sagte er, »denn die Kaiserin läßt mir so viel Geld zukommen, als ich will, und Sie dürfen mir glauben, daß ich den Teufel erst bei mir selber austreibe, wenn er sich dort eingenistet hat.« »So ist denn die Frau Kaiserin eine bessere Teufelsaustreiberin«, sagte ich, »als die andern Priester.« »Ja,« sagte er, »und Sie sollen sehen, daß sie Ihren Teufel so gut als den meinigen austreiben wird.«
Obwohl ich von Spionen der Königin umringt war, die sie von allem, was bei mir vorging, sofort in Kenntnis setzten, gelang es dennoch dem Prinzen, Seckendorf heimlich bei mir einzuführen. Ich schilderte ihm meine gegenwärtige Lage, sowohl nach der Bayreuther als der Berliner Seite hin. Dieser Gesandte stand bei meinem Schwiegervater, der großes Vertrauen in ihn setzte, sehr in Gnaden. Er sagte mir sogleich, daß er meine Leiden für unabwendbar halte. »Ich kenne den Markgrafen von Grund auf,« erklärte er, »er ist falsch, argwöhnisch und weiß sich zu verstellen; in seinem engen Kopf ist stets für allerlei Hirngespinste Raum; er bildet sich ein, daß man ihn zur Abdankung zwingen möchte; wie lange wird es nicht brauchen, bis man ihn von dieser Idee abbringt! Selbst wenn es gelänge, wäre Ihnen damit nicht geholfen, denn er wird stets auf andere Einbildungen verfallen, um Sie zu ärgern; von dieser Seite ist also nichts zu hoffen. Dasselbe gilt von seiten des Königs. Dieser treibt einen Kult mit seinem Gelde, die schönen Augen seiner Kassette fesseln ihn allein. Sie kennen ihn, Prinzessin, und müssen wissen, daß er sich nicht leicht beherrschen läßt; Grumbkow und ich können so viel Übles tun, als wir nur wollen; um Gutes zu tun, fehlt uns jeglicher Einfluß. Zwar hat der König Anwandlungen von Großmut, wenn man sich seinen ersten Impuls zunutze macht; aber wenn diese Regung verflogen ist, geht man wieder leer aus. Er bereut alle Versprechen, die er Ew. Königlichen Hoheit in der Eremitage machte, und er wird einen Vorwand finden, um sie zurückzunehmen. Sie sehen also, Prinzessin, daß Sie sich mit Geduld wappnen müssen, denn der Tod des Markgrafen ist Ihre einzige Rettung; seine Gesundheit war stets sehr schwach, und er wird sich durch seine Trunksucht sicherlich zugrunde richten. Dennoch gibt es noch einen Ausweg. Die Kaiserin trägt mir auf, Ihnen ihre Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, sowie die Zuneigung, die sie nach allem, was sie vernahm, für Ew. Königliche Hoheit gefaßt hat; sie wird diese Gefühle jederzeit für Sie an den Tag legen. Sie hat mit großem Bedauern von der Abneigung vernommen, die der Kronprinz für die Prinzessin von Braunschweig, ihre Nichte, zu haben scheint, sie wünscht sehnlichst, daß zwischen beiden künftigen Gatten ein gutes Einvernehmen erzielt werden möge, da sie durch diesen Bund die Freundschaftsbande zwischen dem Hause Österreich und dem preußischen Königshaus noch enger zu knüpfen hofft. Ew. Königliche Hoheit dürften mehr als irgend jemand infolge Ihres Einflusses auf Ihren königlichen Bruder hierzu beitragen können. Die Kaiserin empfiehlt Ihnen diese ihr so teure Nichte mit der Versicherung, daß sie Ihnen authentische Beweise ihrer Dankbarkeit geben und sich Ihnen bei jeder Gelegenheit gefällig erzeigen wird.« »Ich bin der Kaiserin für ihre Güte sehr verbunden«, sagte ich, »und wäre ihren Wünschen zuvorgekommen, selbst wenn sie dieselben nicht geäußert hätte. Da mein Bruder verlobt ist und sich seiner Heirat allem Anschein nach kein Hindernis entgegensetzen wird, würde ich wider mein Gewissen handeln, wenn ich nicht ein gutes Einvernehmen zwischen ihm und seiner künftigen Gattin herbeizuführen bestrebt wäre. Es genügt, daß sie diesen Titel trägt, um mich zu allen Rücksichten und Aufmerksamkeiten zu verpflichten, die ihr als einem meinem Bruder so nahestehenden Wesen zukommen, da er mir so teuer ist und ich ihn so innig liebe. Ich wollte, Sie könnten mir, mein Herr, ebenso erfreuliche Aussichten eröffnen, was meine eignen Angelegenheiten betrifft, denn ich fühle, daß ich ihnen erliegen werde.« Ich brach diese Unterredung ab und fühlte mich davon wenig erbaut.
Mein Bruder kehrte kurz darauf in seine Garnison zurück, was mich vollends betrübte. Der König war mit dem Schauspiel und den Schmäusen beschäftigt, die ihm ohne Unterlaß gegeben wurden. Grumbkow, Seckendorf und mehrere Generale traktierten ihn täglich der Reihe nach, und man betrank sich, bis man nicht mehr stehen konnte. Der arme Erbprinz mußte stets dabei sein. Der König nötigte ihn zum Trinken, mochte es ihm passen oder nicht. Er peinigte uns alle beide und richtete nur das Wort an uns, um uns verletzende Dinge zu sagen. Die Königin hingegen war freundlich mit dem Prinzen, aber sehr gehässig mit mir. Meine Schwester, die sie gänzlich beeinflußte und die auf die Liebe, die mein Bruder mir bezeigte, eifersüchtig war, hetzte sie gegen mich auf und wußte alle meine Handlungen und Worte übel auszulegen. Sie konnte ihre Neigung für meinen Gatten nicht verheimlichen. Sie fiel allen auf. Sie erwarb ihm die Zuneigung der Königin und sang allenthalben sein Lob. Er scherzte mit ihr und stellte sich, als bemerke er die Neigung nicht, die sie für ihn hegte.
Die Ermüdungen und der Verdruß hatten meine Gesundheit angegriffen, und ich war um die des Prinzen ebenfalls sehr besorgt. Er kam eines Tages von einem jener geschilderten Gelage, das beim General Glasenapp stattgefunden hatte, totenblaß nach Hause und in so großer Aufregung, daß er wie Espenlaub zitterte. Ich erschrak heftig über seinen Zustand und wurde noch bestürzter, als er kurz darauf von einer Ohnmacht befallen wurde. Obwohl ich selbst halbtot vor Schrecken war, eilte ich ihm sogleich zu Hilfe und rief ihn ins Bewußtsein zurück. Er erzählte mir daraufhin, was sich zwischen ihm und dem König zugetragen hatte. Dieser hatte ihn nicht wie üblich bei Tische neben sich setzen lassen, sondern Seckendorf mußte auf seinen Befehl zwischen ihnen Platz nehmen. Der König wandte sich an Seckendorf und sagte ihm so laut, daß es der Prinz hören mußte: »Ich kann meinen Schwiegersohn nicht leiden, er ist ein Dummkopf; ich habe auf ihn einzuwirken versucht, doch ist es ganz vergeblich; er hat nicht einmal so viel Witz, um ein großes Glas austrinken zu können, und nichts macht ihm Spaß.« Der Prinz hielt gerade eins in der Hand, das man ihm gereicht hatte, um es auf das Wohl des Königs zu leeren. Über die Worte, die er eben vernommen hatte, heftig aufgebracht, sagte er laut zu Seckendorf: »Ich wollte, der König wäre nicht mein Schwiegervater, um ihm zu zeigen, daß jener Dummkopf, den er meint, ihn nötigen würde, eine andere Sprache zu führen, und daß er sich nicht schlecht behandeln läßt.« Zugleich leerte er den gewaltigen Humpen, und der Trunk war ihm fast so schädlich wie Gift. Der König wurde hochrot vor Zorn; doch bezwang er sich und erwiderte nichts. Er erhob sich bald darauf und kehrte allein in seinem Tragsessel zurück, ohne den Prinzen aufzufordern, mit ihm zu kommen; dieser mußte zu Fuß nach dem Schloß zurückkehren, da er keinen Wagen hatte. Er war in einer solchen Wut, daß ich glaubte, es würde ihn der Schlag treffen.
Da er nicht imstande war, ins Theater zu gehen, und ich dort neue Auftritte befürchtete, ließ ich uns bei der Königin entschuldigen unter dem Vorwand, er sei unpaß. Sie ließ mir sagen, der Prinz könne tun, was ihm beliebe; sie würde uns beim König nicht entschuldigen, und ich hätte unbedingt zu erscheinen. Er wollte nicht allein zurückbleiben, weshalb wir denn beide in dies hundsföttische Theater gingen. Ich zog eine Kappe über, um mein Gesicht zu verbergen, und weinte die ganze Zeit. Der Prinz sah so verstört aus, daß es allen auffiel.
Wir zogen uns nach dem Souper zurück. Die Nacht hindurch war er sehr krank und wollte absolut nach Bayreuth zurückkehren. Ich stimmte ihm bei, doch Seckendorf und Grumbkow rieten davon ab und versicherten ihm, daß sie dem König eindringliche Vorstellungen machen wollten, damit er sein Verhalten ändere. Sie zürnten einander, solange der König in Berlin blieb. Endlich kehrte er nach Potsdam zurück, wohin wir ihm im Jahre 1733 folgten.
Die Gesundheit des Prinzen war indes sehr angegriffen. Er magerte zusehends ab und hustete Tag und Nacht, so daß er niemals Ruhe fand. Die Ärzte in Berlin fingen an zu befürchten, er könne schwindsüchtig werden, was mich in grausame Ängste stürzte. In Potsdam wurde sein Zustand nur noch ärger; die Nachtwachen und fortwährenden Anstrengungen verschlimmerten sein Übel.
Das traurige Leben, das wir nun führten, war dem Geist wie dem Körper gleich unzuträglich. Das Essen war schlecht und so karg, daß man nicht satt davon wurde. Ein Hofnarr, der dem König gegenübersaß, erzählte ihm die Neuigkeiten aus den Zeitungen und erging sich dabei in Bemerkungen, die ebenso lächerlich wie stumpfsinnig waren. Nach Tische schlief der König in einem Lehnstuhl nahe am Kamin; wir saßen alle ringsumher und hörten zu, wie er schnarchte; sein Schlaf währte bis um drei Uhr, worauf er ausritt. Ich mußte den ganzen Nachmittag bei der Königin bleiben und ihr vorlesen, was ich nicht vertragen konnte. Dabei regnete es Verweise und Sticheleien. Ich hätte nachgerade daran gewöhnt sein sollen, aber meine angeborne Empfindlichkeit ließ nicht zu, daß ich sie gleichgültig aufnahm. Den Prinzen sah ich fast gar nicht, die Königin wollte es nicht haben; wenn ich ihm nur einen Blick zuwarf, galt es für ein Verbrechen, und ich wurde blutig dafür verspottet. Der König kehrte um sechs Uhr zurück und setzte sich bis um sieben Uhr zu seiner Malerei oder, besser gesagt, zur Schmiererei; dann rauchte er. Die Königin spielte indes unausgesetzt Tokadille. Um acht Uhr wurde bei ihr soupiert; man blieb stets bis gegen Mitternacht bei Tische; die Konversation erinnerte an gewisse Predigten, die gegen Schlaflosigkeit zu empfehlen sind. Die Montbail führte dabei das Wort und langweilte uns mit ihren alten Geschichten und Legenden vom hannoveranischen Hofe, die wir alle auswendig wußten, bis zum Sterben. Alle andern Lagen meines Lebens schienen mir leicht im Verhältnis zu dieser hier; denn nichts war mir so teuer wie der Prinz: ich sah ihn täglich dahinsiechen, ohne ihn pflegen oder ihm helfen zu können. Von allen Seiten ging man schlecht mit mir um; ich hatte keinen Pfennig und litt fortwährend. Der einzige erfreuliche Gedanke, der mir noch blieb, war der Gedanke an einen baldigen Tod: stets die letzte Zuflucht der Unglücklichen; ich litt an einer chronischen Appetitlosigkeit; zwei Jahre hindurch lebte ich von Brot und klarem Wasser, ohne etwas zwischen den Mahlzeiten zu nehmen, da mein Magen nicht einmal Fleischbrühe vertrug.
Der König nahm sich den Tod des Königs von Polen, der sich um diese Zeit ereignete, sehr zu Herzen. Dieser hielt sich in Warschau auf, wohin er sich begeben hatte, um dem Reichstag beizuwohnen; Grumbkow war mit ihm unterwegs in Fraustadt zusammengetroffen, wo er ihn im Auftrag des Königs von Preußen begrüßen sollte. Sie betranken sich dort mit Ungarwein, wodurch das Ende des Königs beschleunigt wurde. Er nahm zärtlich Abschied von dem Minister, den er sehr schätzte. »Adieu, mein lieber Grumbkow!« sagte er, »wir sehen uns nicht wieder!« Einige Tage vor der Ankunft des Kuriers sagte Grumbkow in meiner Gegenwart und vor vierzig Zeugen zum König: »Ach, Majestät, ich bin außer mir, der arme König von Polen ist gestorben. Ich erwachte heute nacht; plötzlich teilte sich der Vorhang vor meinem Bette: ich sah ihn, er war im Leichentuche und sah mich festen Auges an; ich war von Schrecken erfüllt und wollte mich erheben, da verschwand das Gespenst.« Es traf sich, daß der König von Polen in derselben Nacht verschied. Ich glaube, daß Grumbkow, noch unter dem Eindruck der letzten Worte des Königs, die Vision für Wirklichkeit genommen hatte. Wie dem auch sei, er blieb eine Zeitlang sehr melancholisch und fand nur mit Hilfe des Tokaiers seine Heiterkeit wieder.