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Sie begaben sich zuerst zu der Königin. Diese war auf den Besuch nichts weniger als gefaßt. Ich befand mich bei ihr, als man ihr meldete, daß die drei Herren sie im Auftrage des Königs zu sprechen wünschten. Ich sagte ihr gleich, daß es wahrscheinlich mich betreffen würde. Sie zuckte die Achseln und antwortete mir: »Gleichviel, man darf den Mut nicht verlieren, und dafür ist bei mir keine Gefahr.« Zugleich betrat sie ihren Audienzsaal, wo die Herren ihrer warteten. Graf Fink richtete ihr den Auftrag aus und überreichte ihr den Brief des Königs. Nachdem sie ihn gelesen hatte, ergriff Grumbkow das Wort und wollte ihr durch eine große Rede über die Politik demonstrieren, wie die Ehre und das Interesse des Königs erforderten, daß sie sich seinem Willen füge, falls die Antwort aus England seinen Wünschen nicht entspräche, und wie der Teufel, als er unsern Herrn versuchen wollte, so suchte er sie jetzt durch die Heilige Schrift zu überführen, indem er ihr Sprüche zitierte, die gerade auf sein Thema paßten. Er stellte ihr dann vor, daß die Väter ein größeres Recht auf ihre Kinder hätten als die Mütter, und daß im Fall einer Uneinigkeit der Eltern die Kinder vor allem dem Vater folgen müßten, der befugt sei, sie gegen ihren Willen zu verheiraten, und endlich, daß die Königin alles Unrecht auf ihrer Seite haben würde, wenn sie sich seinen Beschlüssen nicht unterwürfe. Die Königin widersprach dieser letzten Ausführung, indem sie ihm das Beispiel Bethuels entgegenhielt, der auf den Heiratsantrag des Dieners Abrahams für seinen Herrn Isaak erwiderte: Lasset die Tochter rufen und fraget sie nach ihrem Willen. »Ich verkenne die Unterwürfigkeit, die Frauen ihren Männern schulden, nicht,« fügte sie hinzu, »aber diese dürfen nur gerechte und vernünftige Dinge von ihnen verlangen. Die Forderung des Königs steht mit dieser Tugend nicht im Einklang. Er will den Neigungen seiner Tochter Gewalt antun und sie für den Rest ihrer Tage unglücklich machen, indem er sie einem sittenlosen Lüstling gibt, einem jüngeren Sohn, der weiter nichts ist als ein General des Königs von Polen, ohne Land und ohne die Mittel, seinen Rang und seine Würde zu behaupten. Welchen Vorteil könnte eine solche Heirat dem Staate bringen? Keinen! Ganz im Gegenteil sähe sich der König gezwungen, diesen Schwiegersohn, der ihm stets zur Last bleiben wird, auf alle Zeiten zu unterhalten. Ich werde nach England schreiben, wie der König es befiehlt, aber selbst wenn die Antwort nicht günstig ausfiele, würde ich doch nie meine Einwilligung zu der Heirat geben, die Sie mir vorschlagen, und ich würde meine Tochter tausendmal lieber im Grabe sehen als im Unglück.« Hier hielt sie plötzlich inne und sagte, sie fühle sich nicht wohl, und fügte hinzu, daß man sie mit mehr Schonung behandeln sollte, aus Rücksicht auf ihren Zustand. »Zwar gebe ich nicht dem König die Schuld,« fuhr sie fort, indem sie Grumbkow ins Auge faßte, »ich weiß, wem ich diese Unbilden verdanke.« Indem sie diese letzten Worte sprach, ging sie hinaus, ihm einen Blick zuwerfend, der ihm zur Genüge zu erkennen gab, wie sehr sie gegen ihn aufgebracht war. Sie kam mit sehr ergriffener Miene in ihr Zimmer zurück. Sobald wir allein waren, hinterbrachte sie mir das ganze Gespräch und zeigte mir den Brief des Königs. Die Ausdrücke in demselben waren so stark und so grausam, daß ich sie verschweigen werde. Wir zerflossen in Tränen, als wir ihn wieder lasen. Sie sah wohl ein, daß sie nur noch geringe Hoffnung auf England setzen konnte, aber sie würde wenigstens Zeit gewinnen, bis die Antwort eintraf, dir sie zu erhalten hatte. Sie wollte jedoch alles aufbieten, um eine günstige zu erzielen. Sie trug mir also auf, meinem Bruder zu schreiben, ihm alles zu melden, was vorgegangen war, und ihm den Entwurf eines zweiten Briefes zu schicken, den er der Königin von England schreiben sollte. Dieser Brief, den ich recht wider Willen schrieb, hatte folgenden Inhalt:
»Gnädigste Frau Schwester und Tante! Obwohl ich schon die Ehre hatte, Eurer Majestät zu schreiben und Ihnen die traurige Lage zu schildern, in der ich sowohl als meine Schwester sich befinden, hat mich doch die wenig günstige Antwort, die ich erhielt, nicht entmutigt. Ich kann nicht glauben, daß eine Fürstin, deren Tugenden und Verdienste die allgemeine Bewunderung erregen, eine ihr zärtlich ergebene Schwester lm Stiche läßt, indem sie sich weigert, in die Heirat meiner Schwester mit dem Prinzen von Wales einzuwilligen, nachdem sie doch durch den Hannoveranischen Vertrag so feierlich beschlossen wurde. Ich habe Eurer Majestät mein Ehrenwort schon gegeben, daß ich nie jemand anderen als die Prinzessin Amalie, Ihre Tochter, heiraten werde; ich wiederhole dieses Versprechen für den Fall, daß Sie Ihre Einwilligung in die Heirat meiner Schwester zu geben geruhen. Wir sind in die denkbar schlimmste Lage geraten, und alles wird verloren sein, wenn Eure Majestät fortfahren wollen, mit einer günstigen Antwort zu zögern. Ich würde mich dann aller soeben gemachten Versprechen entbunden und mich genötigt sehen, den Wünschen des Königs, meines Vaters, nachzukommen und diejenige Partie einzugehen, die er mir vorschlägt. Allein ich bin überzeugt, daß ich von dieser Seite nichts zu befürchten habe und daß Eure Majestät das hier Gesagte reiflich überlegen werden« usw.
Mein Bruder zögerte nicht, diesen Brief abzuschreiben. Die Königin schrieb deren zwei, wovon der eine dem König unterbreitet wurde, der andere die ausführliche Schilderung enthielt von allem, was sich zugetragen hatte, und die triftigsten Gründe vorbrachte, um den englischen Hof zu vermögen, den Wünschen des Königs nachzukommen. Diese Briefe gingen alle durch einen Kurier ab, da der König es also wünschte, um die Antwort früher zu erhalten; er hatte sogar ausgerechnet, daß, falls sogar Gegenwinde kämen, der Kurier doch innerhalb dreier Wochen zurück sein konnte.
Zehn Tage waren schon vorbei, und der Königin wurde immer banger ums Herz, je mehr Zeit verstrich. Da niemand von den Entschlüssen Englands etwas Gutes erwartete und ihr von allen Seiten versichert wurde, der König würde bis zum Äußersten schreiten, wenn die Antwort zu lange ausbliebe, überlegte sie ernstlich, was sie tun könne, um allen schlimmen Folgen vorzubeugen. Die Gräfin Fink, Fräulein von Sonsfeld und ich verbrachten einen ganzen Nachmittag in ihrem Kabinett, um nach Auswegen zu suchen. Wir kamen endlich alle überein, daß sie sich krank stellen sollte. Aber wie sollte man den König davon überzeugen? Falls die böse Ramen von dieser List erfuhr, machte man die Dinge nur ärger anstatt besser. Wir wagten nicht, der Königin alle Scheußlichkeiten zu enthüllen, die wir über die Frau wußten, denn sie war so stark von ihr eingenommen, daß sie imstande gewesen wäre, sie ihr zu wiederholen. Dennoch stand uns kein andrer Ausweg offen als dieser. Es war nicht anzunehmen, daß man der leidenden und schwangeren Königin Aufregungen bereiten würde; und zum mindesten würde man die Rückkehr des Kuriers abwarten. Wir entschlossen uns also zu diesem Vorschlag, aber wir schärften ihr ein, daß, wenn sie das Geheimnis nicht bewahre, unsere Lage sich nur verschlimmern würde. Die Gräfin Fink sagte ihr sogar, daß sich Verräter unter ihrer Dienerschaft befänden, die alles dem König und Seckendorf hinterbrächten; sie habe erfahren, daß man im Hause des letzteren geheime Gespräche zwischen ihr und der Königin gewußt habe, die nur durch Leute, die an der Tür gehorcht, verraten sein könnten. Sie lobte dann unauffällig mehrere Dienerinnen der Königin, indem sie die Ramen überging; dann fügte sie noch hinzu: »Die, welche Eurer Majestät vielleicht am verlässigsten dünkt, ebendie dürfte Sie verraten.« Wir merkten wohl an der Verwirrung der Königin, daß sie sehr gut wußte, wen man damit gemeint hatte; aber sie tat nicht dergleichen und versprach uns unverbrüchliches Schweigen. Wir verschoben den Beginn der Komödie bis zum nächsten Abend. Die Königin fing schon am Morgen an, über ihr Befinden zu klagen, und der Wirkung halber fingierte sie eine Ohnmacht. Abends bei Tische wußten wir unsere Gesichter und unsere Reden so gut zu verstellen, daß jedermann getäuscht wurde, selbst die Ramen. Die Königin blieb tags darauf im Bett, spielte sorgfältig ihre Rolle und schien recht krank zu sein. Auf ihre Veranlassung hin unterrichtete ich meinen Bruder von dem, was vorging, damit er sich über ihre vermeintliche Krankheit keine Sorgen mache. Ich war nichts weniger als ruhig; trotz meiner Abneigung gegen den Prinzen von Wales sah ich wohl ein, daß von den drei Übeln, die mich bedrohten, dies entschieden das geringste war; und so sah ich mich durch meinen Unstern gezwungen, das zu wünschen, was ich zu jeder andern Zeit gefürchtet hätte. Die Königin stand gegen Abend auf und soupierte mit uns in ihrem Schlafzimmer, aber dies geschah auf Anraten des Arztes, den wir dazu drängten, dieser Mann vertrat gänzlich die Interessen der Königin. So vergingen fünf Tage. Aber sei's, daß die Ramen die List der Königin erraten oder diese sie ihr anvertraut hatte: die Krise fing von vorne an. Eine neue Gesandtschaft, die wieder aus denselben Personen wie die vorhergehende bestand, wurde am 25. Januar (ich werde den Tag nie vergessen) zu ihr geschickt. Der Auftrag dieser Herren war diesmal in noch viel stärkeren Ausdrücken abgefaßt, und der Brief des Königs, den sie überbrachten, war so schrecklich, daß der erste dagegen sanft erschien.
»Der König«, verkündeten sie, »will von einer Verbindung mit England nichts mehr wissen. Wie auch die Antwort von dort ausfiele, sei ihm gänzlich gleichgültig und werde an seinem Entschlusse, die Prinzessin, seine Tochter, mit dem Herzog von Weißenfels oder dem Markgrafen von Schwedt zu vermählen, nichts ändern. Er besteht auf absolutem Gehorsam und wird es Eure Majestät selbst entgelten lassen, falls er dero Widerstand begegnet. Er erklärte uns, daß er sich von Eurer Majestät trennen, die Prinzessin in eine Festung sperren und den Kronprinzen enterben würde; nach reiflicher Überlegung habe er erkannt, daß der Ungehorsam seiner Familie ein sehr gefährliches Beispiel für seine Untertanen sei, da sie, statt ihnen als Muster der Subordination zu gelten, gerade als das Gegenteil diene. Er hat also vor, mit seiner eignen Familie ein Exempel zu statuieren, um den schlimmen Folgen vorzubeugen, die Ihr Mangel an Respekt vor ihm hervorrufen könnte.« Die Königin erwiderte nur mit ein paar Worten: »Sagen Sie dem König, daß er mich nie dazu bringen wird, in das Unglück meiner Tochter einzuwilligen; und daß, solange ich noch einen Funken Leben in mir trage, ich nie dulden werde, daß sie die eine oder andere dieser beiden Heiraten eingeht«. Sie wollten etwas erwidern, aber die Königin gebot ihnen, sie in Ruhe zu lassen, da sie zu keiner andern Gesinnung gebracht werden könne. Tags darauf legte sie sich wieder zu Bett, um von neuem die Kranke zu spielen.
Endlich traf die Antwort aus England ein. Es war immer dasselbe Lied. Die Königin, meine Tante, schrieb, daß der König, ihr Gemahl, sehr gerne bereit sei, mich mit seinem Sohne zu vereinen, sofern die Heirat meines Bruders mit seiner Tochter sich zu derselben Zeit vollzöge. Der Brief, der an meinen Bruder gerichtet war, enthielt weiter nichts als Komplimente. Meine Mutter, die Königin, fühlte sich über diese Handlungsweise höchlich verletzt; sie teilte mir zuerst diese schönen Nachrichten mit. Der Kummer, den sie darüber empfand, machte uns um ihre Gesundheit besorgt. Sie konnte aber nicht umhin, den Brief an den König zu schicken. Sie fügte einen von ihrer Hand hinzu, der in den rührendsten Worten gehalten war. Der König wurde alsbald durch die Namen vom Inhalte dieser Briefe in Kenntnis gesetzt und schickte sie uneröffnet an die Königin zurück. Eversmann war ihr Überbringer. Er erschien abends vor der Königin und meldete ihr, der König sei gegen sie wie gegen mich im heftigen Zorn, er habe mehrmals beteuert, daß er zu allen erdenklichen Maßregeln greifen würde, um uns zu zwingen, falls wir uns nicht willig seinen Wünschen fügten, er sei in einer entsetzlichen Laune, und seine ganze Umgebung müsse darunter leiden und besonders mein Bruder, den er auf barbarische Weise mißhandelt habe, indem er ihn blutig geschlagen und bei den Haaren im Zimmer herumgeschleppt habe. Ich war nicht zugegen, als dieser Bericht erstattet wurde. Nachdem dieser Elende sich zur Genüge an dem tödlichen Schmerz der Königin geweidet hatte, begab er sich zu mir. »Wie lange«, sagte er zu mir, »wollen Sie die Uneinigkeit Ihrer Familie verursachen und sich dem Zorn Ihres Vaters aussetzen? Ich rate Ihnen als Freund, unterwerfen Sie sich dem Willen des Königs, sonst haben Sie nur die furchtbarsten Auftritte zu erwarten. Es ist keine Zeit zu verlieren; geben Sie mir einen Brief für den König, und setzen Sie sich über alles Geschrei der Königin hinweg. Ich spreche so nicht von mir aus, sondern auf Befehl.« Man setze sich an meine Stelle und male sich aus, was in mir vorgehen mußte, mich von diesem Bedienten so unwürdig behandelt zu sehen. Ich war immer wieder im Begriff, ihm zu antworten, wie es ihm zukam, allein ich sah voraus, daß dadurch die Dinge nur verschlimmert würden. So begnügte ich mich, ihm sehr kühlen Tones zu erwidern, daß ich das gute Herz des Königs zu wohl kenne, um anzunehmen, daß er mich ins Unglück stürzen wolle; ich sei untröstlich, mir seine Ungnade zugezogen zu haben, und zu allen erdenklichen Unterwürfigkeiten bereit, um ihn wieder zu versöhnen, da ich nie gegen die Ehrfurcht und Liebe gefehlt hätte, welche eine Tochter ihrem Vater schuldet. Bei diesen letzten Worten drehte ich ihm den Rücken und setzte mich, innerlich sehr erregt, an das andere Ende des Zimmers. Aber die Szene war noch nicht zu Ende, er wandte sich noch an Fräulein von Sonsfeld. »Der König«, sagte er, »befiehlt Ihnen, die Prinzessin zu überreden, daß sie den Herzog von Weißenfels heiratet; er läßt Ihnen sagen, daß er im Falle ihrer Weigerung ihr freistellt, den Markgrafen von Schwedt zu heiraten, und daß er Ihnen, falls Sie den Befehlen der Königin zu folgen vorziehen, zeigen wird, wer der Herr ist, und Sie in Spandau bei Wasser und Brot einsperren wird. Und damit noch nicht genug. Auch Ihrer Familie wird er seinen Zorn fühlen lassen, und sie wird es büßen müssen, während sie mit Gnaden überhäuft werden soll, wenn Sie Ihre Pflicht erfüllen.« »Der König«, erwiderte diese Dame, »hat mir die Erziehung der Prinzessin anvertraut, und ich habe nur nach vielen Tränen und einzig nur, um seinem Befehle nachzukommen, dies Amt übernommen. Es ist nicht an mir, ihr Ratschläge zu erteilen und mich in ihre Heiratspläne einzumischen; ich werde sie weder für noch gegen die zwei Anträge beeinflussen, die ihr der König vorschlagen läßt. Ich werde zu Gott flehen, daß er ihr das Rechte eingibt. Was das Weitere betrifft, unterwerfe ich mich im voraus allem, was der König über meine Familie und mich zu verhängen beliebt.« »Das ist alles recht schön,« entgegnete Eversmann, »aber Sie werden sehen, wie es geht und was Sie alle mit Ihrem Eigensinn erreichen werden. Der König hat sich zum Äußersten entschlossen. Er gewährt der Prinzessin nur drei Tage Bedenkzeit. Wenn sie nach Verlauf derselben sich nicht fügt, wird er sie nach Wusterhausen bringen lassen, wo sich die betreffenden Prinzen aufhalten, seine Tochter dort zwingen, einen derselben zu wählen, und geschieht es nicht willig, sie mit dem Herzog von Weißenfels einsperren; sie wird dann nur zu froh sein, ihn zu heiraten.«
Frau von Kamecke, die gegenwärtig war und bisher geschwiegen hatte, konnte sich jetzt nicht länger halten. Sie fuhr auf Eversmann los und schalt ihn einen Lügner: was er hier sage, sei rein erfunden. In ihrem Eifer ging sie so weit, den König anzugreifen. Der andere hingegen versetzte mit höhnischer Miene, es würde sich schon zeigen, daß er wahr gesprochen habe. »Aber«, sagte endlich Frau von Kamecke, »gibt es denn auf der Welt keine andere annehmbare Partie für die Prinzessin als diese beiden?« »Wenn die Königin«, antwortete er, »mit Ausschluß des Prinzen von Wales eine bessere finden kann, wird der König vielleicht mit sich reden lassen, obwohl er leidenschaftlich den Herzog zum Schwiegersohn wünscht.«
Da die Königin uns alle rufen ließ, fand hier die Unterredung dieses Unverschämten ein Ende. Die Gräfin Fink saß neben ihrem Bette und suchte sie zu beruhigen. Sie merkte gleich an unsern Gesichtern, daß etwas vorgegangen war. Wir berichteten ihr das ganze Gespräch, das soeben geführt worden; und sie teilte uns ebenso dasjenige mit, das sie gehabt hatte. Lange berieten wir dann zusammen, was unter so kritischen Umständen zu tun sei. Frau von Kamecke gab einen Rat, der angenommen wurde. Sie riet der Königin, am nächsten Tag den Marschall von Borck, einen durchaus rechtschaffenen und geraden Menschen, zu sich zu berufen und seine Meinung über ihre gegenwärtige Lage einzuholen. Dieser Vorschlag wurde ausgeführt. Die Königin legte dem Marschall alles dar, was sich tags zuvor zugetragen hatte, und fügte hinzu: »Ich bitte Sie um Ihren Rat als Freund, sprechen Sie ohne Umschweife und wie Ihr Gewissen es Ihnen eingibt.« »Ich bin tief betrübt,« erwiderte der Marschall, »die Uneinigkeit zu sehen, die in der königlichen Familie herrscht, und den schweren Kummer, den Eure Majestät zu leiden haben. Der König von England allein hätte ihm ein Ende machen können; aber da seine Antworten stets dieselben sind, sehe ich wohl, daß von dieser Seite nichts mehr zu erwarten ist. Was Eversmann Eurer Majestät gestern von den Maßregeln sagte, die der König wider die Prinzessin plant, scheint mir nicht ganz unbegründet. Ich hörte gestern, daß der Markgraf von Schwedt inkognito hier angekommen sei. Die Neugier trieb mich, unter der Hand erforschen zu lassen, ob dem so sei. Man sagte mir, daß er seit drei Tagen in einem kleinen Hause der Neustadt verweile, das er nur in der Dunkelheit verlasse, um nicht erkannt zu werden. Es sind mir heute Briefe aus Dresden zugekommen, die ich Eurer Majestät vorzeigen kann, worin steht, daß der Herzog von Weißenfels sich heimlich aufgemacht hat, um sich nach einer kleinen Stadt, einige Meilen von Wusterhausen entfernt, zu begeben. Eure Majestät kennen die Gemütsart des Königs; ist er bis zu einem gewissen Grade erbittert worden, so beherrscht er sich nicht mehr, und seine Heftigkeit reißt ihn zu sehr bedauerlichen Ausschreitungen hin. Diese sind gegenwärtig um so mehr zu befürchten, als er stets von übelgesinnten Leuten umringt ist, die ihm keine Zeit lassen, in sich zu gehen. Weit entfernt, ihn durch Weigerungen zu reizen, muß also Zeit gewonnen und sein erster Zornesausbruch pariert werden, indem man eine dritte Partie für die Prinzessin ausfindig macht. Eure Majestät riskieren dabei nichts; Seckendorf und Grumbkow sind zu sehr für den Herzog von Weißenfels eingenommen, um zu dulden, daß die Prinzessin einen andern nehme. Grumbkow hat seine privaten Absichten, er will ihn gänzlich an Stelle des Fürsten von Anhalt setzen und diesen gänzlich verdrängen. Der König wird sich aber durch das Entgegenkommen besänftigen und Eurer Majestät Zeit lassen, einen letzten Versuch in England zu wagen.« Die Königin schien mit diesem Vorschlag einverstanden, und nachdem sie sich eine Weile über die Partie, die dem König vorzuschlagen sei, besonnen hatten, fiel ihre Wahl auf den Erbprinzen von Brandenburg-Kulmbach. Der Marschall übernahm es, den König von dieser neuen Wendung unter der Hand in Kenntnis zu setzen. »Auf jeden Fall«, sagte er zur Königin, »werden Eure Majestät, wenn auch alle diese Maßregeln nichts nützen, die Genugtuung haben, die Prinzessin geziemend versorgt zu sehen. Man hört das Allerbeste vom Prinzen von Bayreuth, sein Alter ist dem der Prinzessin angemessen, und er wird nach dem Tode seines Vaters Herr eines sehr schönen Landes sein.« Die Königin war mit den Vorschlägen des Marschalls vollkommen einverstanden und folgte ihnen durchweg.
Zwei Tage später kam der König nach Berlin. Er begab sich alsbald zur Königin, Zorn und Wut standen ihm auf der Stirn geschrieben. Ich war nicht zugegen. Die Königin, immer die Kranke vortäuschend, lag zu Bett. Der König trat mit maßloser Heftigkeit auf; er warf der Königin alle Schimpfnamen und Beleidigungen an den Kopf, die ihm nur einfielen. Sie wartete die erste Aufregung ab und sagte ihm die rührendsten und liebevollsten Dinge. Aber er ließ sich dadurch nicht besänftigen. »Wählen Sie«, sagte er, »zwischen den zwei Anträgen, die ich Ihnen vorschlagen ließ; wenn Sie sich jedoch mir gefällig zeigen wollen, werden Sie sich für den Herzog entscheiden.« »Gott behüte mich!« rief die Königin. »Nun denn,« fuhr er fort, »es kümmert mich wenig. Ich gehe jetzt zur Markgräfin Philipp« (diese Fürstin war die Mutter des Markgrafen von Schwedt), »um die Heirat Ihrer nichtswürdigen Tochter in Ordnung zu bringen und alle Anordnungen für die Hochzeit mit ihr zu treffen.«
Er verließ sie sogleich und begab sich zur Markgräfin. Nach den ersten Begrüßungen teilte er ihr den Zweck seines Besuches mit und befahl ihr, in seinem Auftrage ihrem Sohne die Versicherung zu geben, daß er trotz allen Widerstandes der Königin ihn zum Herrn über mich machen würde. Er beauftragte die Markgräfin auch mit dem Zeremoniell der Hochzeit, die in acht Tagen stattfinden sollte. Die Markgräfin, anfänglich hoch erfreut, änderte bei den späteren Worten des Königs ihre Gesinnung. »Ich bin Eurer Majestät für die Gnade, meinen Sohn zu Ihrem Schwiegersohn zu erwählen, tief erkenntlich, ich weiß das Glück zu schätzen, das Eure Majestät ihm zugedenken, und weiß, welche Vorteile ihm wie mir daraus erwachsen würden. Dieser Sohn ist mir teurer als mein Leben, und ich würde alles tun, ihn glücklich zu machen; doch wäre ich trostlos, Majestät, wenn es gegen den Willen der Königin und der Prinzessin geschähe. Ich kann meine Einwilligung zu dieser Heirat nicht geben, welche die Prinzessin unglücklich machen würde infolge der Abneigung, die sie gegen ihn zur Schau trägt; und wenn mein Sohn feig genug wäre, sie gegen ihren Willen zu heiraten, so würde ich die erste sein, seine Handlungsweise zu mißbilligen, und ihn nicht mehr für ehrenhaft halten.« »Sie ziehen also vor,« erwiderte der König, »daß sie den Herzog von Weißenfels heiratet?« »Sie mag heiraten, wen sie will, wenn nur mein Sohn und ich nicht schuld an ihrem Unglück sind.« Da der König gegen die Standhaftigkeit dieser Prinzessin nichts ausrichten konnte, zog er sich zurück. Ich wurde am selben Abend von all diesen Umständen durch ein Billett der Markgräfin unterrichtet, das sie mir heimlich zustellen ließ und in dem sie mich bat, die Königin davon in Kenntnis zu setzen. Ich war über ein so großmütiges Verfahren von Bewunderung und Dankbarkeit erfüllt, und ich werde die Verpflichtungen, die ich ihr schulde, nie vergessen.
Indes griffen diese unausgesetzen Gemütsbewegungen meine Gesundheit an, denn ich magerte zusehends ab. Ich erwähnte schon, daß ich von ziemlicher Fülle war, aber jetzt hatte ich so sehr abgenommen, daß meine Taille nur noch eine halbe Elle maß. Ich war dem König noch nicht in die Nähe gekommen, da die Königin mich nicht derselben Behandlung wie meinen Bruder aussetzen wollte. Dieser war in einer Verzweiflung ohnegleichen. Seine Leiden gingen mir mehr zu Herzen als meine eigenen, und ich würde mich gerne geopfert haben, um ihn davon zu befreien. Jeden Nachmittag ging ich zur Königin, während der König anderwärts beschäftigt war. Sie hatte ein Labyrinth in ihrem Zimmer angelegt, das nur aus Wandschirmen bestand; sie waren so gestellt, daß ich ungesehen dem König ausweichen konnte, falls er unangemeldet eintreten sollte. Die böse Ramen, die wachsam wie ein Teufel war, wollte sich auf meine Kosten einen Spaß bereiten und verschob meine Schlupfwinkel, ohne daß ich es merkte. Der König überraschte uns; ich wollte enteilen, doch wurde ich durch die verwünschten Wandschirme aufgehalten, was mich hinderte hinauszukommen. Der König, der mich entdeckt hatte, war hinter mir her und suchte mich zu fangen, um mich zu schlagen. Da ich ihm nicht mehr ausweichen konnte, verbarg ich mich hinter meiner Hofmeisterin. Der König stieß sie so lange, daß sie zurückweichen mußte, aber da er sie gegen den Kamin trieb, mußte sie stehen bleiben; ich hielt mich immer hinter Fräulein von Sonsfeld und befand mich zwischen dem Feuer und den Hieben. Den Kopf über ihre Schulter gebeugt, überhäufte mich der König mit Schimpfworten, indem er mich bei meiner Coiffüre zu greifen suchte; ich kauerte am Boden und brannte beinahe an. Diese Szene hätte ein tragisches Ende nehmen können, wenn sie länger gedauert hätte, denn meine Kleider fingen schon Feuer. Der König wurde es müde, zu schreien und um sich zu schlagen, machte ein Ende und ging. Fräulein von Sonsfeld bewies trotz aller Furcht ihren Mut bei der Gelegenheit; sie blieb die ganze Zeit kerzengerade vor mir aufgepflanzt, indem sie dem König fest ins Auge sah. Er war tags darauf wütender denn je, behandelte die Königin, als wäre er ihr Erzfeind, und drohte ihr, meinen Bruder und mich in ihrer Gegenwart durchzubleuen und mich auf der Stelle nach Spandau zu schicken. In der Hoffnung, ihn zu besänftigen, hatte sie es noch aufgeschoben, ihm vom Prinzen von Bayreuth zu sprechen. Aber da sie erkannte, daß sein Zorn den Gipfelpunkt erreicht hatte, zögerte sie nicht mehr, die Ratschläge des Marschalls von Borck zu befolgen. »Seien wir doch beide vernünftig,« sagte sie, »ich will mich dareinfügen, daß Sie den Heiratsplan meiner Tochter mit dem Prinzen von Wales aufgeben, da Sie meinen, Ihre Ruhe sei davon abhängig; aber sprechen Sie mir dann nicht mehr von den abscheulichen Freiern, die Sie ihr geben wollen. Suchen Sie ihr eine würdige Versorgung und einen Gatten, mit dem sie glücklich werden kann; weit entfernt, mich Ihrem Willen zu widersetzen, werde ich die erste sein, dafür einzutreten.«
Der König wurde nun ruhiger und dachte eine Weile nach. »Ihr Ausweg ist nicht übel,« sagte er dann, »aber ich weiß keine passendere Partie für meine Tochter als die, welche ich Ihnen genannt habe; wenn Sie mir andere vorschlagen können, bin ich es zufrieden.« Die Königin nannte den Erbprinzen von Bayreuth. »Sehr wohl« sagte der König, »es bleibt nur eine kleine Schwierigkeit, auf die ich Sie aufmerksam machen will, nämlich, daß ich ihr weder Aussteuer noch Mitgift geben noch ihrer Hochzeit beiwohnen werde, da sie Ihren Willen dem meinen vorziehen wird. Wäre sie meinen Wünschen gefolgt, so würde ich sie mehr noch als meine andern Kinder bevorzugt haben; an ihr ist es, sich zu entschließen, wem von uns sie gehorchen will.« »Sie bringen mich zur Verzweiflung,« rief die Königin aus, »ich komme Ihnen auf jede Weise entgegen, Ihnen aber genügt es nicht, Sie wollen mich zu Tode grämen und mich ins Grab bringen. Wohlan, meine Tochter mag Ihren lieben Herzog von Weißenfels heiraten, ohne daß ich es verhindern werde, aber ich gebe ihr meinen Fluch, wenn sie es zu meinen Lebzeiten tut.« »Nun denn,« sagte der König, »Sie sollen zufrieden sein; ich werde morgen in dieser Angelegenheit an den Markgrafen von Bayreuth schreiben und Ihnen den Brief zeigen. Sie können es Ihre nichtswürdige Tochter wissen lassen; ich gebe ihr Zeit bis morgen, um sich zu entschließen.«