Wilhelmine von Bayreuth
Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth
Wilhelmine von Bayreuth

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Die Königin reiste bald nach seiner Rückkehr zu ihrem Vater, dem König. Sie war mit vielen geheimen Instruktionen behufs eines offensiven wie defensiven Bündnisses betraut, das durch die Ehe meines Bruders und durch die meine besiegelt werden sollte. Sie fand jedoch nicht die günstige Stimmung vor, die sie erhofft hatte. Der König von England war mit allen Vorschlägen einverstanden, außer mit dem meiner Vermählung, und er redete sich damit hinaus, daß er vorgeblich die Neigung seines Enkels, des Prinzen, berücksichtigen und wissen müsse, ob unsere beiderseitigen Temperamente und Charaktere zueinander paßten. Die Königin, aufs höchste bestürzt und ratlos, wandte sich an die Herzogin von Kendal. Sie beklagte sich bitterlich bei dieser Dame über die Antwort des Königs und gab sich alle Mühe, sie für sich zu gewinnen. Sie bat und bestürmte sie so lange, bis sie sie endlich zu dem Geständnis brachte, daß die Abneigung des Königs gegen meine Vermählung von den schlechten Eindrücken herrühre, die man ihm von mir beigebracht habe; die Leti habe ein solches Bild von mir entworfen, daß jedem Manne die Lust vergehen müßte, mich zu heiraten: ich sei von abstoßender Häßlichkeit und ganz verwachsen; und was sie dann von meinem Charakter gesagt, stände im besten Einklang mit meinem Äußeren: ich sei so zornig und boshaft, daß ich aus reiner Wut mehrere Male tagsüber von der fallenden Sucht ergriffen würde. »Urteilen Sie selbst, Madame,« fuhr die Herzogin fort, »ob nach solchen Berichten, die durch Fräulein von Pöllnitz bestätigt wurden, Ihr königlicher Vater seine Einwilligung zu der Heirat geben konnte.« Die Königin, unfähig, ihre Entrüstung zu bemeistern, erzählte ihr, wie die Leti sich gegen mich benommen hatte und aus welchen Gründen man sie weggeschickt habe; sie nannte ihr alle Personen, die von Hannover nach Berlin entsendet worden waren, und berief sich auf deren Zeugnis. Kurz, man bewies der Herzogin so deutlich die Falschheit jener Gerüchte, daß man sie ganz von dem Gegenteil überzeugte. Diese Dame, welche die intime Freundin des Lord Townshends, des damaligen ersten Staatssekretärs, war, beschloß selbst, die ganze Sache ins reine zu bringen, auf daß sie auch allen Lohn allein davontrüge. Aber sie verhehlte sich nicht, wie schwer es sein würde, den König von seinen Vorurteilen gegen mich abzubringen; und sie riet der Königin, ihn zu einer Reise nach Berlin zu bereden, damit er sich mit eigenen Augen von den Verleumdungen, die man über mich ausgestreut hatte, überzeugen könne. Die Königin wußte ihren Vater so geschickt zu beeinflussen und wurde dabei von der Herzogin so emsig unterstützt, daß er sich ihren Wünschen fügte und seine Reise für den Monat Oktober in Aussicht stellte.

Triumphierend kehrte die Königin nach Berlin zurück und wurde aufs beste von ihrem Gemahl empfangen. Welche Freude der Besuch des Königs von England überall bei uns hervorrief und welche Genugtuung der König darüber empfand, läßt sich nicht beschreiben. Nur ich hatte keinen Teil daran, denn vom Morgen bis zum Abend wurde ich jetzt malträtiert. Zu allem, was ich tat, bemerkte die Königin: »Das sind Manieren, die meinem Neffen nicht gefallen werden, Sie müssen sich von nun an nach seinem Geschmack richten.« Diese Verweise, die mir wohl zwanzigmal am Tage erteilt wurden, waren für meine kleine Eigenliebe durchaus nicht schmeichelhaft. Ich hatte von jeher das Unglück, viel über die Dinge nachzudenken; ich sage das Unglück, denn auf diese Weise ergründet man in der Tat gar vieles auf recht unerwünschte Weise. Über sich selbst nachzudenken, ist heilsam. Doch würde man viel glücklicher sein, wenn man alle trüben Betrachtungen von sich weisen könnte. Es ist ein physisches Übel, jedoch ein moralischer Vorzug, und obwohl er mir oft sehr zur Last fällt, finde ich ihn doch für die Lebensführung von Wert. Aber während ich mich so über das überflüssige Nachdenken aufhalte, merke ich, daß ich eben wieder dabei begriffen bin, von meiner Erzählung abzuweichen. Ich komme also auf das Verhalten der Königin zurück. »Wie hart ist es für mich,« klagte ich oft meiner Hofmeisterin, »von der Königin immer wieder auf so auffällige Weise gerügt zu werden. Ich weiß, ich habe Fehler, und wünsche lebhaft, sie abzulegen, weil ich mir die Achtung und den Beifall aller Welt erwerben möchte. An dieses Gefühl sollte man sich bei mir wenden, statt nur immer vom Herzog von Gloucester zu sprechen und von der Mühe, die ich mir geben sollte, ihm eines Tages zu gefallen. Mir scheint, ich bin so viel wert als er; und wer weiß, ob er mir gefallen wird und ob ich glücklich mit ihm werden könnte. Warum all dieses Entgegenkommen, bevor es an der Zeit ist? Ich bin die Tochter eines Königs; es ist keine so sonderliche Ehre für mich, einen Prinzen zu heiraten. Ich fühle keinerlei Neigung für ihn, und was mir die Königin täglich von ihm sagt, flößt mir eher Widerwillen als den Wunsch ein, ihn zu heiraten.« Fräulein von Sonsfeld wußte nicht, was sie erwidern sollte. Was ich sagte, war zu richtig, um getadelt zu werden. Ich war von Natur aus schüchtern, und diese fortgesetzten Mißbilligungen waren nicht angetan, mich zu ermutigen. Sie machte der Königin Vorstellungen, aber umsonst.

Um diese Zeit kam einer der Kavaliere des Herzogs von Gloucester nach Berlin. Die Königin gewährte ihm Audienz, und er wurde ihr wie auch mir vorgestellt. Er entbot mir einen sehr zuvorkommenden Gruß seines Herrn; ich errötete und erwiderte nur mit einer Verbeugung. Die Königin, die hinhorchte, war sehr böse, daß mir keine Antwort auf das Kompliment des Herzogs einfiel; sie wusch mir den Kopf und befahl mir, wenn ich sie nicht erzürnen wollte, am nächsten Tage meinen Fehler gutzumachen. Ich ging weinend auf mein Zimmer, wider die Königin, wider den Herzog sehr aufgebracht. Ich schwor, daß ich ihn nie heiraten wollte; wenn ich schon vor meiner Verheiratung so unter seiner Fuchtel stünde, würde ich späterhin nicht besser als seine Sklavin gehalten werden; die Königin handle nur nach ihrem Kopf, ohne meine Gefühle zu berücksichtigen. Endlich wollte ich mich zu ihren Füßen stürzen und sie anflehen, mich nicht unglücklich zu machen, indem sie mich zwänge, einen Prinzen zu heiraten, für den ich keine Neigung hatte und mit dem ich sicherlich unglücklich sein würde. Fräulein von Sonsfeld hatte alle Mühe, mich zu beruhigen, um mich von einem so törichten Schritt abzuhalten. Tags darauf mußte ich mich mit jenem Kavalier unterhalten und etwas über den Herzog sagen, aber ich tat es sehr gezwungen und mit recht verlegener Miene.

Indes stand die Ankunft des Königs von England bevor. Wir begaben uns am 6. Oktober nach Charlottenburg, um ihn zu empfangen. Das Herz schlug mir heftig, und ich war von banger Aufregung erfüllt. Der König kam am 8. Oktober um sieben Uhr abends an. Der König, die Königin und der ganze Hof empfingen ihn im Schloßhof, da die Gemächer zu ebener Erde lagen. Nachdem er den König und die Königin begrüßt hatte, wurde ich ihm vorgestellt. Er umarmte mich, und sich zur Königin wendend, sagte er: »Sie ist sehr groß für ihr Alter.« Er reichte ihr die Hand und führte sie in seine Gemächer, und alle anderen folgten. Sobald ich eintrat, nahm er eine Kerze und betrachtete mich von Kopf bis zu Fuß. Ich stand unbeweglich wie eine Statue und aufs tiefste verwirrt. Dies alles geschah, ohne daß er ein Wort zu mir sagte. Nachdem er mich also gemustert hatte, wandte er sich an meinen Bruder, dem er viel Liebes erwies und mit dem er sich lange unterhielt. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um mich zu entfernen; die Königin gab mir ein Zeichen, ihr zu folgen, und ging in ein anstoßendes Zimmer, wo sie sich die Engländer und Deutschen vom Gefolge des Königs vorstellen ließ. Nachdem sie eine Weile mit ihnen gesprochen hatte, sagte sie zu diesen Herren, daß sie mich bei ihnen lasse, um sie zu unterhalten; und zu den Engländern sich wendend, sagte sie: »Sprechen Sie Englisch mit meiner Tochter, Sie werden sehen, daß sie es sehr gut kann.« Ich fühlte mich viel weniger verlegen, sobald die Königin sich entfernt hatte, schöpfte Mut und begann mit den Herren ein Gespräch. Da ich ihre Sprache so gut wie meine Muttersprache konnte, bestand ich sehr wohl vor ihnen, und alle schienen entzückt. Sie lobten mich bei der Königin und sagten ihr, daß ich englisch aussähe und wie dazu geboren sei, eines Tages ihre Herrscherin zu sein. Dies wollte viel sagen, denn diese Nation hält sich so sehr für die erste, daß, wenn sie jemandem sagen, man könne ihn für einen Engländer halten, sie das größte Lob zu spenden glauben. Ihr König hätte wohl für einen Spanier gelten können, er war außerordentlich gemessen und sprach mit keinem Menschen. Er begrüßte Fräulein von Sonsfeld sehr kühl und fragte sie, ob ich immer so ernst sei und ob ich ein melancholisches Temperament habe. »Nichts weniger als das,« entgegnete sie »allein die Ehrfurcht vor Eurer Majestät macht, daß sie nicht so munter zu sein wagt, als sie es für gewöhnlich ist.« Da schüttelte er den Kopf und antwortete nichts. Der Empfang, den er mir bereitet hatte, sowie das, was ich soeben vernommen hatte, schüchterten mich so ein, daß ich nie den Mut fand, mit ihm zu sprechen. Endlich ging man zu Tische, wo der König ebenso einsilbig verharrte; vielleicht hatte er recht, vielleicht hatte er unrecht; ich glaube jedoch, er hielte sich an das Sprichwort: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Gegen Ende der Mahlzeit wurde er unwohl. Die Königin wollte ihn bereden, von Tische aufzustehen; eine Weile entschuldigten sie sich hin und her, endlich warf sie ihre Serviette hin und erhob sich. Der König von England fing an zu schwanken, der von Preußen eilte herzu, um ihn zu stützen; alles wollte ihm behilflich sein, jedoch vergeblich: er fiel auf die Knie, seine Perücke auf eine Seite, der Hut auf die andere. Man streckte ihn sachte am Boden aus, und eine gute Stunde lang blieb er besinnungslos liegen. Endlich nach vielen Belebungsversuchen kam er wieder zu sich. Der König und die Königin waren indes untröstlich; und viele glaubten, daß dieser Anfall der Vorbote eines Schlagflusses sei. Man bat ihn dringend, sich zurückzuziehen, doch er wollte nicht und geleitete die Königin in ihre Gemächer. Nachts ging es ihm sehr schlecht, was man erst unter der Hand erfuhr. Aber dies hielt ihn nicht ab, am folgenden Tage wieder zu erscheinen. Die ganze übrige Zeit seines Hierseins verlief in Festlichkeiten und Vergnügungen. Täglich fanden geheime Sitzungen der englischen und preußischen Minister statt. Das Ergebnis war das endliche Zustandekommen des Bündnisvertrages und der doppelten Verlobung, die in Hannover eingeleitet worden war. Die Unterschriften wurden am 12. desselben Monats vollzogen. Der König von England reiste am folgenden Tage ab, und sein Abschied von der ganzen Familie war ebenso kalt wie seine Begrüßung. Der König und die Königin sollten seinen Besuch erwidern und nach Göhrde kommen, einem Jagdschloß in der Nähe von Hannover.

Schon seit sieben Monaten war die Königin sehr unpaß; ihr Übel war so seltsam, daß die Ärzte keinen Rat wußten. Ihr Körper schwoll jeden Morgen mächtig an, und diese Geschwulst verging gegen Abend. Eine Zeitlang schwankte die Fakultät, ob es sich um eine Schwangerschaft handelte; aber sie erachtete zum Schluß, daß dieses Unwohlsein von einer andern Ursache herrühre, welche sehr unbequem, jedoch keineswegs gefährlich ist.

Die Reise des Königs nach Göhrde war für den 8. November angesetzt; er sollte frühmorgens fahren, und wir verabschiedeten uns von ihm, aber die Königin machte alles zunichte. In der Nacht erkrankte sie an heftiger Kolik, verheimlichte aber ihr Übel, so gut sie konnte, um den König nicht aufzuwecken. Als sie auf gewisse Anzeichen hin merkte, daß ihr eine Entbindung bevorstand, rief sie um Hilfe. Es blieb keine Zeit, einen Arzt und eine Wärterin zu holen, und sie brachte glücklich eine Prinzessin zur Welt, ohne andere Beihilfe als die des Königs und einer Kammerfrau. Es waren weder Windeln noch eine Wiege bereit, und alles geriet in Verwirrung. Der König ließ mich um vier Uhr morgens rufen. Ich habe ihn nie so guter Laune gesehen; er hielt sich die Seiten vor Lachen, wenn er des Amtes gedachte, dessen er bei der Königin gewaltet hatte. Der Herzog von Gloucester, mein Bruder, Prinzessin Amalie von England und ich wurden zu Paten und Patinnen des Kindes gewählt; ich hielt es nachmittags über die Taufe, und meine Schwester erhielt den Namen Anna Amalia.

Anna Amalie, Prinzessin von Preußen

Der König reiste am folgenden Tage ab. Da er sehr rasch zu reisen pflegte, kam er am selben Abend in Göhrde an, wo alles in großer Besorgnis war, da ihn der König von England schon tags zuvor erwartet hatte. Dieser war sehr überrascht, als er den Grund der Verzögerung erfuhr. Grumbkow befand sich im Gefolge des Königs. Er hatte sich seit einiger Zeit mit dem Fürsten von Anhalt entzweit und suchte sich mit dem König von England anzufreunden. Da er stets alle Angelegenheiten selbst besorgen wollte und die Königin es oft zu verhindern suchte, so ließ er jetzt die Gelegenheit nicht unbenützt, zwischen dem König und der Königin wieder Zwietracht zu säen. Ich erwähnte schon, daß der König äußerst eifersüchtig war. Grumbkow hatte diese Schwäche wahrgenommen und erweckte in ihm durch geschickte und undeutliche Anspielungen sehr schimpflichen Verdacht auf die Tugend seiner Gemahlin. Der König kehrte nach vierzehn Tagen wie ein Wütender nach Berlin zurück. Uns begrüßte er sehr freundlich, doch die Königin wollte er nicht sehen. Er ging durch ihr Schlafzimmer, um sich zum Souper zu begeben, ohne ein Wort an sie zu richten. Die Königin und wir waren über dies Benehmen von banger Besorgnis erfüllt; endlich sprach sie zu ihm und drückte ihm in zärtlichsten Worten ihren Kummer über sein Verhalten aus. Als Antwort beschimpfte er sie nur, indem er ihr ihre vermeintliche Untreue vorwarf; und wenn Frau von Kamecke ihn nicht entfernt hätte, so würde ihn seine Heftigkeit zu sehr bedauernswerten Ausschreitungen hingerissen haben. Am nächsten Tage berief er die Ärzte, den Generalarzt Holtzendorff und Frau von Kamecke, um den Wandel der Königin zu untersuchen. Alles nahm lebhaft Partei für dieselbe. Ihre Oberhofmeisterin fand sogar sehr harte Worte für den König und bewies ihm die Ungerechtigkeit seines Mißtrauens. Die Tugend der Königin stand in der Tat hoch über jedem Verdacht, und selbst die bösesten Zungen konnten nichts gegen sie zu sagen finden. Der König ging in sich, bat die Königin unter vielen Tränen, die für die Güte seines Herzens zeugten, um Vergebung, und es herrschte wiederum Friede.

Ich erwähnte das Zerwürfnis der beiden Günstlinge. Da es im Jahre 1724 ausbrach, muß ich hier einige Einzelheiten darüber berichten. Seit dem Sturze der Frau von Blaspiel und dem guten Einvernehmen zwischen den Höfen von England und Preußen war der Einfluß des Fürsten von Anhalt sehr gesunken; er verbrachte die meiste Zeit in Dessau und kam nur selten nach Berlin. Der König erwies ihm zwar immer noch viel Aufmerksamkeiten und hielt auf gute Beziehungen mit ihm wegen seiner militärischen Kenntnisse. Grumbkow indessen stand nach wie vor bei ihm in Gunst und war mit den äußern und innern Angelegenheiten des Landes betraut. Der Fürst war Pate einer der Töchter Grumbkows gewesen und hatte ihr eine Mitgift von 5000 Talern versprochen. Diese Tochter stand nun vor ihrer Heirat, und ihr Vater schrieb ihm, um ihn an sein Versprechen zu mahnen. Der Fürst war aber über Grumbkow, der keinerlei Rücksicht mehr auf ihn nahm und ganz allein den König zu beeinflussen suchte, höchst aufgebracht und leugnete jenes Versprechen ab. Grumbkow erwiderte, der andere entgegnete ihm wieder; einer warf zuletzt dem andern all seine Schurkereien vor, und der Briefwechsel artete in eine solche Schimpferei aus, daß der Fürst von Anhalt beschloß, den Streit durch einen Waffengang zu entscheiden. Bei allen Vorzügen, die Grumbkow sonst besaß, galt er für einen ausgemachten Feigling. Er hatte Proben seiner Tapferkeit in der Schlacht von Malplaquet gegeben, wo er sich die ganze Zeit hindurch in einem Graben versteckt hielt; so zeichnete er sich auch vor Stralsund aus und verrenkte sich ein Bein zu Anfang des Feldzuges, so daß er bei dem Ansturm fehlen mußte. Er hatte dasselbe Unglück wie jener König von Frankreich, der kein bloßes Schwert sehen konnte, ohne in Zuckungen zu verfallen, abgesehen davon aber ein sehr tapferer General war. Der Fürst schickte ihm seinen Kartellträger. Grumbkow erbebte vor Wut; er berief sich auf die Religion und das Gesetzbuch und antwortete, daß er sich nicht schlagen würde, daß die Duelle von den göttlichen und menschlichen Geboten untersagt seien und daß er nicht gewillt sei, sie zu übertreten. Nicht genug damit, wolle er sich auch um die ewige Seligkeit verdient machen, indem er Unbill geduldig ertrage. Er war jetzt zu jedem Entgegenkommen bereit, zog sich aber dadurch nur um so mehr die Verachtung seines Gegners zu, der unerbittlich blieb. Die Sache gelangte zu Ohren des Königs, der sich alle Mühe gab, die beiden auszusöhnen, jedoch vergeblich: der Fürst ließ sich nicht erweichen. So wurde denn beschlossen, daß sie ihren Streit vor zwei Sekundanten austragen sollten. Der Fürst wählte hierzu einen gewissen Oberst Corff, der in Hessen diente, und Grumbkow den General Grafen von Seckendorf, der im Dienste des Kaisers stand. Die beiden letztern waren intime Freunde. Die Chronique scandaleuse sagte, daß sie in ihrer Jugend als Spießgesellen ihre beträchtlichen Gewinste beim Spiele teilten. Wie dem auch sei, Seckendorf war Grumbkows lebendiges Abbild, nur mit dem Unterschied, daß er sich mehr für einen Christen ausgab und eine sehr tapfere Klinge führte. Die Briefe, die der General an Grumbkow schrieb, um ihn zu ermutigen, waren das Komischste, was man sich denken konnte. Dennoch wollte der König nochmals dazwischentreten.

Er berief zu Anfang des Jahres 1725 einen Kriegsrat in Berlin, der sich aus allen Generalen und Obersten der Armee zusammensetzte. Die Königin hatte auf die meisten Generale einen großen Einfluß. Die schönen Versprechungen, die Grumbkow ihr machte, daß er ihrer Partei unverbrüchlich anhängen wollte, verblendeten sie; sie ließ die Wagschale zu seinen Gunsten entscheiden, sonst hätte er leicht kassiert werden können. So aber kam er mit einigen Tagen Arrest davon, die über ihn verhängt wurden als eine Art Genugtuung für den Fürsten von Anhalt. Sobald sie verbüßt waren, ließ ihm der König unter der Hand den Rat erteilen, seine Sache ins reine zu bringen. Der Kampfplatz lag nahe bei Berlin; die beiden Gegner begaben sich mit ihren Sekundanten dorthin. Der Fürst zog seinen Degen, indem er Grumbkow einige beleidigende Worte zurief. Dieser aber warf sich ihm jetzt zu Füßen, umschlang seine Knie, indem er ihn bat, ihm zu verzeihen und wieder in Gnaden aufzunehmen. Der Fürst drehte ihm statt aller Antwort den Rücken. Seit dieser Zeit waren die beiden geschworene Feinde und verfolgten einander ihr Lebtag lang. Der Fürst hat sich seitdem sehr zu seinem Vorteil verändert, und viele Leute schoben die meisten seiner schlimmen Taten dem verderblichen Einfluß Grumbkows zu. Von ihm gilt, was vom Kardinal Richelieu ausgesagt wurde: »Er hat zu viel Böses getan, als daß man ihn loben kann, und zu viel Gutes, um schlecht von ihm zu sprechen.«

Der König von England kam im Laufe dieses Jahres wieder über das Meer nach Deutschland. Mein Vater, der König, versäumte nicht, ihn aufzusuchen; er hoffte, meine Heirat endgültig zum Abschluß zu bringen. Da die Königin schon einmal so erfolgreich gewesen war, wurde sie wieder mit dieser Mission betraut. Sie begab sich also nach Hannover und wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. Sie nahm bei ihrem königlichen Vater dieselbe Gesinnung betreffs einer Heirat zwischen unsern Häusern wahr wie in den vorhergehenden Jahren. Er sprach sich sogar sehr liebevoll über mich aus, hielt ihr jedoch vor, daß zwei Hindernisse seinen Wünschen im Wege stünden. Das erste sei, daß er uns nicht verheiraten dürfe, ohne zuvor die Einwilligung seines Parlaments eingeholt zu haben; das zweite sei unsere Jugend, denn ich sei erst sechzehn, der Herzog erst achtzehn Jahre alt. Um jedoch all diese Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, versprach er ihr, alles so zu ordnen, daß bei seiner nächsten Anwesenheit in Deutschland unsere Hochzeit gefeiert werden könne. Die Königin hoffte jedoch noch mehr zu erreichen; sie hatte sich nie zuvor so gut mit ihrem königlichen Vater gestanden wie jetzt. Er schien sogar von großer Zärtlichkeit für sie erfüllt, und so viel ist gewiß, daß er ihr alle erdenklichen Aufmerksamkeiten erwies. Sie bat deshalb den König, ihren Gemahl, um eine verlängerte Frist, innerhalb der, so schrieb sie, ihre Pläne gelingen sollten. Der König willfahrte ihr und gestattete ihr sogar, so lange in Hannover zu bleiben, als die Angelegenheiten es erfordern würden. Inzwischen stand ich in Berlin sehr in Gnaden bei dem König; ich unterhielt ihn jeden Nachmittag, und er speiste bei mir zu Abend. Er zeigte sich sogar sehr mitteilsam und sprach oft von Geschäften mit mir. Um mich noch mehr auszuzeichnen, befahl er, daß man mir gleichwie der Königin huldigen solle. Die Hofmeisterinnen meiner Schwestern wurden mir unterstellt und erhielten Befehl, nichts ohne meine Einwilligung vorzunehmen. Ich wollte die Gunst des Königs nicht mißbrauchen. Ich war bei aller Jugend so vernünftig, wie ich es heute bin, und hätte also wohl die Erziehung meiner Schwestern leiten können. Aber ich hatte Einsicht genug, um zu erkennen, daß es sich nicht geziemt hätte; ebensowenig wollte ich Cercle halten und begnügte mich damit, jeden Tag einige Damen zu mir zu bitten.

Schon seit sechs Monaten wurde ich von grausamen Kopfschmerzen geplagt, die so heftig waren, daß ich oft in Ohnmacht fiel. Trotzdem wagte ich nie das Zimmer zu hüten, da es die Königin nicht haben wollte. Sie, die von sehr kräftigem Körperbau war, wußte nichts von Krankheit; sie zeigte sich hierin von unerhörter Härte, und wenn ich manchmal halbtot war, mußte ich doch vergnügt dareinsehen, sonst konnte sie in schrecklichen Zorn gegen mich geraten. Am Vorabend ihrer Rückkehr befiel mich ein hitziges Fieber mit starkem Blutandrang und so starken Kopfschmerzen, daß man mich vom Schloßhof aus schreien hörte. Sechs Personen mußten mich Tag und Nacht halten, um zu verhindern, daß ich mich tötete. Fräulein von Sonsfeld schickte sogleich Eilboten an den König und die Königin, um sie von meinem Zustand in Kenntnis zu setzen. Die Königin kam abends an und war sehr besorgt, mich so krank zu finden. Die Ärzte verzweifelten schon an meinem Aufkommen, aber ein Geschwür im Kopfe, das am dritten Tag aufbrach, rettete mir das Leben; zum Glück floß der Eiter zum Ohre heraus, sonst wäre ich verloren gewesen. Der König begab sich zwei Tage später nach Berlin und suchte mich sofort auf. Mein kläglicher Zustand betrübte ihn so sehr, daß er Tränen darüber vergoß. Zur Königin ging er nicht und ließ alle Verbindungstüren zwischen seinen Gemächern und denen der Königin verbarrikadieren. Der Grund dieses Verfahrens war sein Zorn darüber, daß er durch falsche Versprechen hingehalten worden war. Er hatte sich so sehr auf den Einfluß der Königin bei dem König von England verlassen, daß er glaubte, meine Heirat würde noch in diesem Jahre zustande kommen. Er war nun überzeugt, sie habe ihm dies nur vorgespiegelt, um ihren Aufenthalt in Hannover verlängern zu können. Diese Entfremdung dauerte sechs Wochen, dann versöhnten sie sich. Ich erholte mich indes sehr langsam und mußte zwei Monate lang das Zimmer hüten.

Meine Mutter, die Königin, ist von Natur aus sehr eifersüchtig. Die vielen Auszeichnungen, die mir der König zuteil werden ließ, brachten sie wider mich auf; überdies wurde sie hierin von einer ihrer Damen ermutigt, der Tochter der Gräfin Fink, die ich nunmehr die Gräfin Amalie nennen werde, um sie von ihrer Mutter zu unterscheiden. Diese Person führte hinter dem Rücken ihrer Eltern eine Intrige mit dem preußischen Gesandten am englischen Hofe, der Wallenrodt hieß. Er war ein richtiger Geck, mit einem kurzen rundlichen Gesicht, der nur als Spaßmacher seines Amtes waltete. Diesem Manne hatte sie sich heimlich verlobt, und ihr Plan war dahin gerichtet, meine Oberhofmeisterin zu werden und mir nach England zu folgen. Zu diesem Zwecke hatte sie sich alle Mühe gegeben, um sich bei dem Herzog von Gloucester einzuschmeicheln, und ihm erzählen lassen, daß sie meine Freundin sei, was ihr von selten des Herzogs allerlei Aufmerksamkeiten eintrug. Aber es stand ihr noch Fräulein von Sonsfeld im Wege, und sie ließ nicht ab, die Königin gegen sie wie gegen mich zu erbittern.

Diese Person hatte einen allmächtigen Einfluß bei der Königin und nützte ihre Schwächen aus, um zum Ziele zu gelangen. Ich wurde täglich malträtiert, und die Königin warf mir fortgesetzt die Liebenswürdigkeiten vor, die mir der König erwies. Ich wagte kaum mehr, ihn zu liebkosen, und fürchtete jedesmal die Folgen. Mit meinem Bruder war es ebenso. Sobald der König ihm etwas befahl, pflegte sie es ihm zu verbieten. Mir wußten uns oft nicht mehr Rat, da wir es nicht beiden recht machen konnten. Da aber unsere Zuneigung für die Königin größer war, richteten wir uns nach ihren Wünschen. Dies war die Quelle aller unsrer Leiden, wie man in der Folge sehen wird. Das Herz blutete mir jedoch, weil ich dem König meine Gefühle nicht mehr zu äußern wagte; ich liebte ihn mit Leidenschaft, und er hatte mir tausendfache Freundlichkeiten erwiesen, seit ich auf der Welt war; allein da ich mit der Königin leben mußte, war ich genötigt, mich nach ihr zu richten.

Die Königin gebar zu Anfang des Jahres 1726 einen Prinzen, der den Namen Heinrich erhielt. Sobald sie sich erholt hatte, begaben wir uns nach Potsdam, einer kleinen Stadt in der Nähe von Berlin. Mein Bruder blieb zurück; da er sich den Wünschen des Königs nicht unterwerfen wollte, konnte dieser ihn nicht leiden. Er ließ nicht ab, ihn zu schelten, und seine Erbitterung gegen ihn wuchs dermaßen, daß alle Wohlgesinnten der Königin den Rat erteilten, den Kronprinzen zu bewegen, daß er dem König seine Unterwürfigkeit bezeige, was sie bisher nie dulden wollte; dies gab Anlaß zu einem recht lächerlichen Auftritt.

Wilhelmine von Bayreuth

Ich hatte auf Befehl der Königin mehrere Dinge heimlich an meinen Bruder geschrieben, sowie auch den Entwurf eines Briefes verfassen müssen, den er an den König richten sollte. Ich saß zwischen zwei chinesischen Fachschränkchen über diesen Briefen, als ich den König kommen hörte; ein Wandschirm stand vor der Türe, so daß ich eben Zeit hatte, meine Papiere hinter eines jener Schränkchen zu schieben. Fräulein von Sonsfeld nahm die Federn, und da ich den König schon kommen sah, steckte ich den Tintenbehälter zu mir, ihn sorgfältig haltend, damit er nicht umstürze. Der König sprach einige Worte mit der Königin und wendete sich dann plötzlich den Schränken zu. »Sie sind gar schön,« sagte er, »und stammen von meiner Mutter, die viel darauf hielt.« Zugleich näherte er sich, um sie zu öffnen. Das Schloß war ruiniert, er zog an dem Schlüssel, so fest er nur konnte; und ich erwartete jeden Augenblick, daß meine Briefe herausfallen würden. Die Königin kam mir zu Hilfe, aber dadurch geriet ich in eine andere Klemme. Sie hatte einen sehr schönen kleinen Bologneserhund, ich desgleichen, und die beiden Tiere befanden sich im Zimmer. »Meine Tochter behauptet, ihr Hund sei schöner als der meine,« sagte sie zum König, »und ich ziehe den meinen vor. Wollen Sie nicht entscheiden?« Er lachte und fragte mich, ob ich denn meinen Hund sehr liebe? »Von ganzem Herzen,« sagte ich, »denn er ist so gut und gescheit«; die Antwort machte ihm Spaß, er umarmte mich mehrere Male, und ich war genötigt, das Tintenfaß loszulassen. Alsbald floß die schwarze Flüssigkeit über mein Kleid und fing an, am Boden niederzutropfen; ich wagte nicht, mich vom Platze zu rühren, aus Furcht, der König könne es sehen. Ich war fassungslos vor Angst. Er erlöste mich, indem er sich entfernte; ich war mit Tinte bis zur Haut durchnäßt und mußte mich einer Waschung unterziehen; wir lachten herzlich über dies ganze Abenteuer. Der König versöhnte sich indes mit meinem Bruder, der uns nach Potsdam folgte. Er war der liebenswürdigste Prinz, den man sich denken konnte, schön und gut gewachsen, mit einem für sein Alter überlegenen Geist, und er war mit allen Gaben ausgestattet, die einen vollkommenen Fürsten kennzeichnen. Aber hier muß ich einer ernsteren Begebenheit gedenken, in der die Quelle aller Leiden zu suchen ist, die dieser geliebte Bruder und ich erfahren mußten.

Der Kaiser hatte schon seit dem Jahre 1717 in Ostende, einer belgischen Hafenstadt, durch eine Gesellschaft einen Verkehr mit Indien eingeleitet, der mit nur zwei Schiffen anfing, sich jedoch trotz dem Widerstand Hollands so erfolgreich entwickelte, daß sich der Kaiser bewogen fühlte, ihr das Privilegium zu erteilen, auf dreißig Jahre in Afrika und Ostindien mit Ausschluß all seiner andern Untertanen Handel zu treiben. Da der Handel zu den Dingen gehört, die am meisten dazu beitragen, einem Staat zur Blüte zu verhelfen, hatte der Kaiser im Jahre 1725 einen geheimen Vertrag mit Spanien geschlossen, in dem er sich verpflichtete, den Spaniern Gibraltar und Port Mahon zu verschaffen. Rußland schloß sich später an. Die Seemächte wurden der geheimen Machenschaften des Wiener Hofes bald gewahr; und um sich den ehrgeizigen Plänen des Hauses Österreich, die nichts weniger als den Handel, das heißt die hauptsächliche Kraft ihrer Staaten ruinieren wollten, zu widersetzen, schlossen sie einen Gegenvertrag, dem auch noch Frankreich, Dänemark, Schweden und Preußen beitraten; es ist derselbe, der in Charlottenburg unterschrieben wurde und den ich schon erwähnte. Der Kaiser sah wohl ein, daß er sich gegen eine so gewaltige Liga nicht würde halten können, und sah sich zu andern Maßregeln genötigt: er suchte nun Zwietracht unter den betreffenden Staaten zu säen. Der General Seckendorf schien ihm die berufene Persönlichkeit, um seine Pläne beim preußischen Hofe auszuführen. Daß dieser Minister mit Grumbkow intim befreundet war, wurde schon erwähnt; er kannte den eigennützigen und ehrgeizigen Charakter dieses letztern und zweifelte nicht, daß er ihn den Interessen des Kaisers gefügig machen würde. Er wandte sich erst schriftlich an ihn und suchte seine Gesinnung zu ergründen; ja er machte ihm sogar einige Enthüllungen über die Lage, in der sein Landesherr sich befand. Diese Korrespondenz hatte schon im vorhergehenden Jahre ihren Anfang genommen, und Seckendorfs Briefe waren von sehr schönen Geschenken und großen Versprechungen begleitet gewesen. Grumbkows käufliche Seele zeigte sich so verlockenden Aussichten bald empfänglich. Die Umstände kamen ihm dabei zustatten.

Zwischen den Höfen von Preußen und Hannover war eine gewisse Kälte eingetreten. Mein königlicher Vater fühlte sich wegen der Verzögerung meiner Heirat verletzt, und andere Verdrießlichkeiten kamen hinzu. Er hegte nichts so sehr wie den Zuwachs seines Regiments. Die mit der Rekrutierung beauftragten Offiziere führten mit Güte oder mit Gewalt die langen Männer fort, deren sie auf fremdem Gebiete habhaft werden konnten. Die Königin hatte bei ihrem Vater bewirkt, daß das Kurfürstentum Hannover jährlich eine bestimmte Anzahl solcher Leute stellen würde. Aber das hannoveranische Ministerium, vielleicht auf Veranlassung der Anti-Preußen, an deren Spitze Lady Arlington stand, unterließ es, die Order des Königs von England auszuführen. Die Königin erhob wiederholt Beschwerden hierüber, erreichte aber nichts als einige leere Entschuldigungen. Der König fühlte sich über die geringe Rücksicht sehr beleidigt; und Grumbkow trug eifrig Sorge, diese Erbitterung so sehr zu steigern, daß jener, um sich zu rächen, seinen Offizieren den Befehl erteilte, alle Männer, deren Größe sie für sein Regiment geeignet mache, aus Hannover zu entführen. Dieser Gewaltstreich rief eine ungeheure Erregung hervor. Der König von England verlangte Genugtuung und forderte, daß seine Untertanen in Freiheit gesetzt würden; der preußische König weigerte sich hartnäckig und behielt sie, was zwischen beiden Höfen eine Mißstimmung hervorrief, die bald genug in offenen Haß ausartete. Die Lage konnte also für Seckendorf, als dieser nach Berlin kam, nicht erwünschter sein. Grumbkows lang betriebene Hetzereien bei dem König erleichterten die Verhandlungen. Seckendorf fand bei diesem sehr gnädige Aufnahme, denn der König kannte ihn schon von früher her, als er noch in sächsischen Diensten stand, und hatte ihn stets sehr geachtet. Eine ganze Anzahl von Heiducken, oder besser gesagt Riesen, die er dem König im Auftrag des Kaisers überwies, brachte ihn noch mehr in Gunst, und das Kompliment, das er dabei dem König von seiten seines Herrn ausrichtete, gewann jenen vollends. »Da dem Kaiser«, so sagte er, »nichts willkommener ist, als Eurer Majestät sich bei jeder Gelegenheit gefällig zu erzeigen, bewilligt er Ihnen alle Rekrutierungen, die in Ungarn vorgenommen werden, und hat bereits Befehl erteilt, daß man alle großen Männer in seinen Staaten ausfindig macht, um sie Ihnen anzubieten.« Diese große Zuvorkommenheit, die von der Handlungsweise seines Schwiegervaters so sehr abwich, freute den König, doch blieb er noch unschlüssig; und Seckendorf sah wohl ein, daß er ihn nicht so schnell von dem großen Bündnis abbringen würde. Er suchte sich allmählich bei dem König einzuschmeicheln, und da er seine Schwächen erkannte, verstand er trefflich, sie zu nützen. Er gab ihm fast täglich großartige Bankette, zu denen nur seine und Grumbkows Kreaturen geladen waren. Man unterließ nie, das Gespräch auf die gegenwärtige politische Lage zu bringen und auf geschickte Weise die Interessen des Kaisers zu vertreten. Endlich gelang es während eines Gelages, den vom Weine erhitzten König zu bewegen, daß er einigen seiner Verpflichtungen, die er dem König von England angelobt hatte, untreu wurde und sich mit dem Hause Habsburg einließ. Er versprach letzterm, daß die Truppen, die er kraft eines Artikels des Hannoveranischen Vertrages an England zu stellen habe, nicht gegen Österreich marschieren würden. Dies Versprechen wurde sehr geheimgehalten; denn der König war noch nicht gesonnen, sich vom großen Bündnis loszusagen, da er stets noch auf das Zustandekommen meiner Heirat hoffte. Erst zu Ende des folgenden Jahres, zu dessen Anfang ich jetzt gelangt bin, bekannte er Farbe. Die Königin war außer sich über den Lauf, den jetzt die Dinge nahmen, sie litt persönlich darunter. Der König quälte sie mit fortwährenden Vorwürfen über die Verzögerung meiner Vermählung; er sprach mit schimpflichen Worten von seinem Schwiegervater, dem König, und suchte sie in jeglicher Weise zu kränken.

Seckendorfs Aussichten stiegen mit jedem Tag. Er gewann so großen Einfluß auf den König, daß er über alle Ämter verfügte. Die spanischen Pistolen hatten ihm die meisten Diener und Generale, welche die Umgebung des Königs bildeten, zu Willen gemacht, so daß er von allem, was vorging, unterrichtet war. Da die zwischen Preußen und England beschlossene Doppelheirat ein großes Hindernis für seine Zwecke war, beschloß er, sie unmöglich zu machen, indem er Zwietracht in der Familie säte. Er bediente sich hierzu geheimer Boten; tausend falsche Berichte, die man täglich dem König über meinen Bruder und mich ausstellte, brachten ihn so gegen uns auf, daß er uns schlecht behandelte und daß unser Leben zur Qual wurde. Man schilderte ihm meinen Bruder als einen ehrgeizigen und intriganten Prinzen, der den Tod seines Vaters herbeiwünsche, um bald zur Herrschaft zu gelangen; er hätte keinerlei Interesse für militärische Dinge und sage vor aller Welt, daß er die Truppen verabschieden würde, sobald ihm die Macht zustünde; außerdem sei er verschwenderisch und alles in allem dem König so unähnlich, daß er ihm naturgemäß nur Abneigung entgegenbringen könne. Mich verschonte man auch nicht und sprengte aus, ich sei unerträglich hochmütig, ränkevoll und anmaßend, spiele die Ratgeberin meines Bruders und führe Reden wider den König, die alles andere als respektvoll seien. Da mein Vater auf die Versorgung seiner Töchter sehr bedacht war, suchte ihn Seckendorf auch von dieser Seite zu beeinflussen und forderte den Markgrafen von Ansbach, einen jungen siebzehnjährigen Prinzen, auf, sich nach Berlin zu verfügen, um sich meine jüngere Schwester anzusehen. Dieser Prinz war damals sehr vielversprechend und liebenswürdig. Meine Schwester war engelschön, aber schrecklich launisch und kleinlich. Sie stand jetzt statt meiner in des Königs Gunst. Der schwere Kummer, den sie nach ihrer Verheiratung erdulden mußte, hat sie sehr gebessert. Vorerst hinderte die große Jugend der beiden, daß die Heirat vollzogen wurde; dies geschah erst zwei Jahre darauf, wie ich später berichten werde.

Die Königin hatte stets gehofft, daß die Ankunft des Königs von England, der in diesem Jahre nach Deutschland zurückkommen sollte, die Harmonie zwischen den beiden Höfen wiederherstellen würde; allein ein unvorhergesehenes Ereignis machte alle ihre Hoffnungen zunichte, denn sie erhielt die traurige Nachricht vom Tode dieses Fürsten. Er hatte England bei bestem Wohlsein verlassen und wider seine Gewohnheit die Überfahrt gut überstanden. In der Nähe von Osnabrück überfiel ihn ein Unwohlsein. Alle Hilfe, die man ihm bringen konnte, war vergebens; er verschied nach vierundzwanzig Stunden an einem Schlaganfall in den Armen seines Bruders, des Herzogs von York. Dieser Verlust traf die Königin aufs bitterste. Selbst der König schien ihn nicht gefühllos aufzunehmen. Trotz aller seiner Äußerungen wider den König von Großbritannien hatte er ihn doch stets als einen Vater betrachtet, ja ihn sogar gefürchtet; während seiner Kindheit hatte er in dessen Obhut gestanden, zur Zeit, da Friedrich I. nach Hannover flüchtete, um sich vor den Nachstellungen der Kurfürstin Dorothea, seiner Schwiegermutter, zu retten. Beider Trauer wurde noch vermehrt, als sie bald darauf erfuhren, daß jener Monarch den Plan gefaßt, meine Heirat zu vollziehen, und beschlossen hatte, sie in Hannover zu feiern. Sein Sohn wurde jetzt zum König von England proklamiert, und der Herzog von Gloucester nahm den Titel Prinz von Wales an.

Indes untergruben all die Gelage, die Seckendorf für den König veranstaltete, dessen Gesundheit: er fing an zu kränkeln; die Hypochondrie, von der er sehr geplagt war, verfinsterte sein Gemüt. Herr Francke, ein berühmter Pietist und Begründer des Waisenhauses in der Universitätsstadt Halle, trug nicht wenig dazu bei, den König in dieser Stimmung zu erhalten. Dieser geistliche Herr liebte es, Skrupel über die unschuldigsten Dinge in ihm wachzurufen. Er verpönte alle Vergnügungen, die ihm verwerflich schienen, selbst die Jagd und die Musik. Man durfte vor ihm nur von Gottes Wort reden; alle andern Reden waren unstatthaft. Immer gab er bei Tische, wo er wie in den Refektorien das Amt des Vorlesers vertrat, den Vorsprecher ab. Der König hielt uns jeden Nachmittag eine Predigt; sein Kammerdiener stimmte einen Choral an, in den wir alle einstimmten; der Predigt mußten wir mit ebenso großer Aufmerksamkeit lauschen, als hielte sie ein Apostel. Meinen Bruder und mich überkam der Lachreiz, und oft platzten wir los. Plötzlich stieß man dann alle Anatheme der Kirche gegen uns aus, die wir mit reuiger Miene über uns ergehen lassen mußten, was uns recht viel Mühe kostete. Kurz, dieser Hund Francke war schuld, daß wir wie Trappisten lebten. Ja, diese übertriebene Bigotterie brachte den König auf noch seltsamere Gedanken. Er beschloß, zugunsten meines Bruders abzudanken. Er wollte sich jährlich 10 000 Taler vorbehalten und sich mit der Königin und seinen Töchtern nach Wusterhausen zurückziehen. »Dort«, sagte er, »werde ich zu Gott beten und für die gute Bestellung der Felder sorgen, während meine Frau und meine Töchter das Hauswesen übernehmen werden. Sie sind geschickt,« sagte er zu mir, »ich werde Ihnen die Aufsicht über das Hauslinnen übertragen, das Sie nähen und für dessen Wäsche Sie Sorge tragen werden. Friederike ist geizig und mag als Hüterin der Vorratskammern wirken. Charlotte wird auf den Markt gehen, um Lebensmittel einzukaufen, und meine Frau wird die Obhut über meine kleinen Kinder und über die Küche tragen.« Er fing sogar an, Instruktionen für meinen Bruder auszuarbeiten, worüber Grumbkow und Seckendorf nicht wenig erschraken. Sie boten vergebens alle ihre Beredsamkeit auf, um diese unheilvollen Gedanken zu verscheuchen; da sie aber einsahen, daß der ganze Entschluß des Königs nur auf seine Gemütsverfassung zurückzuführen sei, und fürchteten, daß, sofern es ihnen nicht gelänge, dieselbe umzustimmen, er wohl imstande wäre, seinen Vorsatz auszuführen, suchten sie ihn zu zerstreuen.

Der sächsische Hof war von jeher mit dem österreichischen eng befreundet, und so richteten sie ihr Augenmerk dorthin und suchten den König zu bereden, nach Dresden zu reisen. Ein Gedanke zieht gewöhnlich einen andern nach sich, und so kamen sie auf den Einfall, mich mit dem König August von Polen verheiraten zu wollen. Dieser zählte damals neunundvierzig Jahre. Seine Liebeshändel waren weltberühmt; er besaß große Eigenschaften, doch wurden sie von seinen zahlreichen Fehlern verdunkelt. Eine zu große Vergnügungssucht ließ ihn das Wohl seines Staates und seiner Untertanen vernachlässigen, und seine Trinksucht verleitete ihn zu Unwürdigkeiten, deren er sich im trunkenen Zustand schuldig machte und die auf immer seinen Namen schädigen werden.

Seckendorf hatte in seiner Jugend in sächsischen Diensten gestanden, und ich sagte schon früher, daß Grumbkow bei diesem König sehr in Gnaden stand. Beide wandten sich jetzt an den Grafen Flemming, einen Günstling dieses Monarchen, um Verhandlungen mit ihm anzubahnen. Graf Flemming war ein Mann von großem Verdienst, der oft nach Berlin kam und mich sehr gut kannte. Er nahm die Eröffnungen der beiden Minister mit Freuden entgegen und suchte die Absichten des Königs hierüber zu sondieren. Dieser schien diesem Antrag ziemlich geneigt und schickte den Grafen nach Berlin, um den König von Preußen zum Karneval nach Dresden einzuladen. Grumbkow und sein Pylades teilten jetzt dem König ihre Pläne mit. Hocherfreut, eine so glänzende Partie für mich zu finden, nahm er die Einladung bereitwillig an; er sandte eine sehr verbindliche Antwort an den Grafen Flemming und brach gegen Mitte Januar 1728 auf, um sich nach Dresden zu begeben.

Mein Bruder war untröstlich, daß er nicht mitreisen durfte. Er sollte während der Abwesenheit des Königs in Potsdam verbleiben, was ihm nicht behagte. Er teilte mir seinen Kummer mit; und da ich ihm mit Vorliebe Freude bereitete, versprach ich ihm, mein möglichstes zu tun, damit er dem König folgen dürfe. Wir kehrten nach Berlin zurück, wo die Königin wie gewöhnlich Cercle hielt. Ich sah dort Herrn von Suhm, den sächsischen Minister, den ich sehr gut kannte und der meinem Bruder sehr zugetan war. Ich sagte ihm, wie leid es dem Kronprinzen sei, nicht nach Dresden eingeladen zu sein. »Wenn Sie ihm eine Freude machen wollen,« fuhr ich fort, »so veranlassen Sie den König von Polen, daß er den König von Preußen auffordere, ihn nachkommen zu lassen.« Suhm sandte alsbald eine Stafette an seinen Hof, um seinen Herrn, den König, hiervon zu benachrichtigen, der alsbald meinen Vater beredete, meinen Bruder kommen zu lassen. Dieser erhielt Befehl, sich aufzumachen, was er mit tausend Freuden tat.

Der Empfang, der meinem Vater bereitet wurde, war der beiden Monarchen würdig. Da der König von Preußen das Zeremoniell nicht liebte, richtete man sich ganz nach seinen Wünschen. Er wollte bei dem Grafen Wackerbart, den er sehr hochschätzte, Wohnung nehmen. Sein Haus war ungemein prächtig, der König fand hier prunkvolle Gemächer vor. Leider brach in der zweiten Nacht seines Aufenthaltes Feuer aus, und zwar mit solcher Heftigkeit und Schnelligkeit, daß man ihn nur mit Mühe und Not retten konnte. Der ganze herrliche Palast fiel in Schutt. Dieser Verlust wäre für den Grafen Wackerbart sehr verhängnisvoll gewesen, hätte ihn der König von Polen nicht dafür entschädigt. Er schenkte ihm das Pirnaische Haus, das viel prachtvoller noch als das andere war und ein Mobiliar von unschätzbarem Wert enthielt.

Der Hof zu Dresden war damals der glänzendste Deutschlands. Die Pracht war hier bis aufs Äußerste getrieben, und man frönte allen Genüssen; mit Recht durfte er mit der Insel Cythere verglichen werden: die Damen waren sehr liebenswert und die Herren sehr galant. Der König hielt eine Art von Serail, das aus den schönsten Frauen seines Landes bestand. Als er starb, schätzte man die Zahl der Kinder, die er von seinen Mätressen hatte, auf 354. Der ganze Hof folgte seinem Beispiel; man dachte nur an das Wohlleben, und Bacchus und Venus waren die herrschenden Gottheiten. Der König von Preußen vergaß da gar bald seiner Frömmelei; die ausschweifenden Gelage und der Ungarwein versetzten ihn wieder in gute Laune. Er schloß enge Freundschaft mit dem König von Polen, dessen verbindliches Wesen ihn anzog. Grumbkow, der inmitten der Feste seiner Ziele nicht vergaß, wollte sich diese günstige Laune zunutze machen und den König verleiten, sich Mätressen zu halten; er teilte seinen Plan dem König von Polen mit, und dieser übernahm es, ihn auszuführen.

Eines Abends nach einem Trinkgelage führte der König von Polen den König wie von ungefähr in ein reich ausgestattetes Gemach von auserlesenem Geschmack. Mein Vater stand in Bewunderung vor all den Schätzen, als man plötzlich eine Tapetenwand hob und ein höchst unerwarteter Anblick sich darbot. Es war eine weibliche Gestalt im Kostüm der Eva, die nachlässig auf einem Ruhebett ausgestreckt dalag. Das Geschöpf war schöner, als man Venus und die Grazien darstellt; ihr Körper wie aus Elfenbein war weiß wie Schnee und schöner gestaltet als der der medizeischen Venus in Florenz. Das Kabinett, das diesen Schatz in sich barg, war von so vielen Kerzen beleuchtet, daß ihr Schein das Auge blendete und die Schönheit dieser Göttin noch strahlender erschien. Die Veranstalter dieser Komödie zweifelten nicht, daß dieser Anblick das Herz des Königs entzünden würde; allein es kam ganz anders. Kaum hatte der König die Schöne gesehen, als er ihr empört den Rücken zudrehte; und meinen Bruder hinter sich gewahrend, schob er ihn sehr unsanft aus dem Zimmer hinaus; er selbst verließ es auch auf der Stelle und zeigte sich über den Streich sehr ungehalten. Er sprach sich noch am selben Abend sehr nachdrücklich mit Grumbkow darüber aus, nahm sich kein Blatt vor den Mund und erklärte ihm, daß, wenn derartige Szenen sich wiederholten, er unverzüglich abreisen würde. Anders stand es mit meinem Bruder. Trotz der Vorsorge des Königs hatte er vollauf Zeit gehabt, die Venus zu betrachten, die ihm nicht den Abscheu einflößte, den sie bei seinem Vater hervorrief. Sie wurde ihm auf recht eigentümliche Weise durch den König von Polen zuteil.

Mein Bruder hatte sich leidenschaftlich in die Gräfin Orzelska verliebt, die zugleich die natürliche Tochter und die Mätresse des Königs von Polen war. Ihre Mutter war eine französische Kaufmannsfrau in Warschau. Die Gräfin verdankte ihr Glück ihrem Bruder, dem Grafen Rudofski, dessen Geliebte sie gewesen war und der sie mit dem König von Polen, ihrem Vater, bekannt gemacht hatte. Dieser, wie gesagt, hatte so viele Kinder, daß er sich nicht aller annehmen konnte. Die Reize der Orzelska aber rührten ihn so sehr, daß er sie sogleich als seine Tochter anerkannte; er war ihr leidenschaftlich zugetan. Die Aufmerksamkeiten, die ihr mein Bruder erwies, erfüllten ihn mit grausamer Eifersucht. Um diesem Zustand ein Ende zu machen, ließ er ihm die schöne Formera antragen, unter der Bedingung, daß er der Orzelska entsagen würde. Mein Bruder versprach alles, um jene Schönheit besitzen zu dürfen, die seine erste Geliebte wurde.

Indes ließ der König den Zweck seiner Reise nicht außer acht. Er schloß mit dem König August einen geheimen Vertrag, dessen Artikel ungefähr folgende waren: Der König von Preußen verpflichtet sich, eine bestimmte Anzahl von Truppen dem König von Polen zu stellen, um die Polen zu zwingen, die Erblichkeit der Krone dem kurfürstlichen Hause Sachsens zuzuerkennen. Er versprach mich dem König zur Ehe und lieh ihm vier Millionen Taler, meine Mitgift nicht eingerechnet, die sehr ansehnlich sein sollte. Dagegen überließ ihm der König von Polen als Pfand für die vier Millionen die Lausitz. Er sicherte mir darauf ein Witwengehalt von 200 000 Talern, mit der Erlaubnis, nach seinem Tode an einem beliebigen Orte meinen Aufenthalt zu nehmen. Ich sollte meine Religion in Dresden frei ausüben dürfen und eine Kapelle dort errichtet finden, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Und alle diese Artikel sollten von dem Kurprinzen von Sachsen unterschrieben und bestätigt werden. Da mein Vater den König von Polen nach Berlin eingeladen hatte, damit er der Truppenschau beiwohnte, wurde die Unterzeichnung des Vertrages bis dahin verschoben. König August wünschte diesen Aufschub, um seinen Sohn vorzubereiten und ihn zu der Einwilligung, die von ihm erwartet wurde, zu bereden. So schied denn mein Vater in größter Zufriedenheit von Dresden, und er sowie mein Bruder konnten den König von Polen und seinen Hof nicht genug loben.

Während all diese Dinge vor sich gingen, hatte ich in Berlin unter den Nachstellungen der Gräfin Amalie bitter zu leiden. Sie ließ nicht ab, die Königin wider mich aufzuhetzen. Diese quälte mich unaufhörlich; von ihr nahm ich es in Ehrfurcht hin, aber das Benehmen ihrer Vertrauten versetzte mich manchmal in eine schreckliche Wut. Sie behandelte mich von oben herab, was mir unerträglich war; und obwohl sie nur zwei Jahre älter war, wollte sie sich anmaßen, mich zu unterweisen. Trotz aller Erbitterung gegen sie mußte ich mich beherrschen und mir nichts merken lassen, und dies war mir ärger als der Tod. Denn ich hasse die Falschheit; meine Offenheit hat mir oft viele Leiden eingetragen, doch ist sie ein Fehler, den ich nicht ablegen möchte. Mein Grundsatz ist, daß man stets gerade Wege einhalten soll und daß man sich keine Reue bereitet, wenn man sich nichts vorzuwerfen hat. Doch noch ein neues Ungeheuer fing an, sich als Vertraute zu erheben und sich in die Gunst der Königin mit der Gräfin Amalie zu teilen; es war eine ihrer Kammerfrauen, sie hieß Ramen und war dieselbe, die bei der Niederkunft der Königin schleunige Hilfe leistete, als meine Schwester Amalie zur Welt kam. Diese Frau war Witwe, oder, besser gesagt, sie folgte dem Beispiel der Samaritanerin und hatte ebenso viele Gatten, als es Monate im Jahre gibt. Ihre falsche Frömmigkeit, ihre vorgebliche Mildtätigkeit, endlich die Geschicklichkeit, mit der sie ihren lockern Lebenswandel zu bemänteln wußte, hatten Frau von Blaspiel veranlaßt, sie der Königin zu empfehlen. Es gelang ihr, sich zuerst dadurch einzuschmeicheln, daß sie mancherlei Arbeiten, die ihr Spaß machten, gewandt verfertigte; zu ihrer hohen Gunst bei der Königin brachte sie es aber erst durch ihre Zuträgereien über den König. Meine Mutter setzte ein blindes Vertrauen in diese Frau und teilte ihr die geheimsten Angelegenheiten und Gedanken mit. Zwei solche Rivalinnen in der Gunst der Königin konnten sich auf die Dauer nicht vertragen: die Gräfin Amalie und die Ramen waren geschworene Feindinnen; aber da sie einander fürchteten, hielten sie ihre Feindschaft geheim.

Bald nach der Rückkehr des Königs von Dresden erschien der Marschall Graf von Flemming mit seiner Gemahlin, der Fürstin Radzivill, in Berlin, und zwar als außerordentlicher Gesandter des Königs von Polen. Die Fürstin war jung und unerzogen, aber sehr naiv und lebhaft; ohne schön zu sein, besaß sie Reiz. Der König begegnete ihr mit großer Auszeichnung und forderte die Königin auf, sich in gleicher Weise ihr gegenüber zu verhalten. Sie zeigte mir viel Anhänglichkeit; ihr Mann, der mich von Kindheit auf kannte, war mir sehr zugetan. Da er schon alt war, hatte ihm die Königin erlaubt, mich zu besuchen, soviel er wollte; von dieser Vergünstigung machte er reichlichen Gebrauch und verbrachte alle seine Vormittage bei mir mit seiner Frau, die mir alle Zuvorkommenheiten erwies. Ich war sehr unvorteilhaft gekleidet. Die Königin ließ mich frisieren und kleiden, wie meine Großmutter sich in ihrer Jugend getragen hatte. Die Gräfin Flemming machte ihr darüber Vorstellungen und sagte, am sächsischen Hofe würde man meiner spotten, wenn ich dort so erschiene. Sie ließ mich nach der neuen Mode kleiden, und jedermann sagte, ich sei nicht wiederzuerkennen und viel hübscher, als ich gewesen sei. Meine Taille fing an, sich zu bilden und schlanker zu werden, wodurch mein Äußeres gewann. Die Gräfin sagte täglich tausendmal zur Königin, ich müßte ihre Landesherrin werden. Aber da wir beide nichts von dem Dresdener Vertrag vernommen hatten, hielten wir die Redensarten für leeres Geplänkel. Der Graf hielt sich zwei Monate lang in Berlin auf und verabschiedete sich von mir am Vorabend seiner Abreise, indem er mir wiederholt seine Huldigungen erwies. »Ich hoffe,« sagte er mir, »daß ich Eurer Königlichen Hoheit bald die Beweise meiner unverbrüchlichen Anhänglichkeit geben und Sie so glücklich machen werde, als Sie es verdienen. Ich denke, Sie mit meinem Königlichen Herrn binnen kurzem wiederzusehen.« Ich verstand den Sinn dieser Rede nicht und glaubte, er wollte mir einfach bekunden, daß er meine Vermählung mit dem Prinzen von Wales betreiben würde. Ich antwortete ihm in verbindlichster Weise, worauf er sich zurückzog.

Einige Tage später fuhren wir nach Potsdam. Die Reise hätte mich zu jeder andern Zeit sehr verdrossen, aber dieses Mal verließ ich Berlin mit Freuden. Ich hoffte, mich wieder in Gunst bei der Königin zu setzen; denn man hatte sie so gegen mich aufgebracht, daß sie mich nicht mehr leiden konnte. Die Unterhandlungen mit England blieben in der Schwebe. Die Königin intrigierte fortwährend wegen meiner Verheiratung, ohne vorwärtszukommen; man hielt sie mit schönen Phrasen hin. Dies alles nahm sie gegen mich ein, denn sie meinte, wenn ich wohlerzogener wäre, so würde ich jetzt schon verheiratet sein. Ich hoffte sie von diesen Gedanken, die ihr die Gräfin Amalie eingegeben hatte, in Abwesenheit dieser Dame abzubringen, allein ich täuschte mich. Sie war so gegen mich erbittert, daß mein Los in Potsdam nicht besser wurde als in Berlin. Die Königin wollte sich sogar bei dem König über mich und meine Hofmeisterin beschweren und ihn bitten, mich einer andern Führung zu übergeben, doch die Furcht hielt sie zurück. Sie kannte die große Achtung, die der König für Fräulein von Sonsfeld hatte, so daß sie besorgen mußte, von ihm abgewiesen zu werden. Selbst der Graf Fink, mit dem sie darüber sprach, riet ihr von diesem Schritte dringend ab. Dieser General wußte nichts von den ehrgeizigen Plänen seiner Tochter; er war außerdem ein zu rechtlich gesinnter Mann, als daß er sie gebilligt hätte. Er trat sehr lebhaft für mich und Fräulein von Sonsfeld bei der Königin ein und machte ihr so viel Vorstellungen über die Härte, mit der sie gegen mich wie gegen Fräulein von Sonsfeld verfuhr, daß sie in sich ging. Sie sprach noch am Nachmittag mit mir und sagte mir alles, was sie gegen mich hatte. Es war vor allem das Vertrauen, das ich meiner Erzieherin schenkte, das sie mißbilligte; auch verdroß es sie, daß ich blindlings die Ratschläge dieser Dame befolgte, und tausend ähnliche Dinge. Ich warf mich ihr zu Füßen und sagte ihr, der Charakter des Fräuleins von Sonsfeld sei derart, daß ich ihr gegenüber keine Geheimnisse haben könne, daß ich ihr alle meine eignen Angelegenheiten anvertraue, aber niemals die der andern; und daß gerade meine Kenntnis ihrer Verdienste mich dazu triebe, die Ratschläge dieser Dame zu befolgen, da ich überzeugt sei, daß es nur gute sein könnten; und daß ich übrigens hierin nur den Befehlen gehorche, die mir die Königin erteilt habe. Ich bat sie dringend, gegen Fräulein von Sonsfeld gerecht zu sein und mich nicht in Verzweiflung zu stürzen, indem sie mir ihre frühere Huld entzöge. Die Königin war von meiner Erwiderung etwas betroffen; sie erging sich in allerlei Ausflüchten, um Beschwerden gegen mich zu finden. Ich versicherte sie meiner Unterwürfigkeit, und endlich schlossen wir Frieden. Zwei Tage später stand ich höher in ihrer Gunst denn je zuvor, und Fräulein von Sonsfeld, der sie absichtlich Kränkungen zuzufügen bestrebt gewesen, wurde jetzt freundlicher behandelt. Ich hätte jetzt in vollkommener Ruhe gelebt, wäre ich nicht durch meinen Bruder darin gestört worden.

Seit seiner Rückkehr von Dresden war er in düsterste Melancholie verfallen. Seine Gesundheit wurde dadurch angegriffen; er magerte zusehends ab, wurde häufig von Schwächezuständen befallen, die befürchten ließen, daß er schwindsüchtig würde. Ich liebte ihn leidenschaftlich, und wenn ich ihn nach der Ursache seines Kummers fragte, gab er stets die schlechte Behandlung des Königs an. Ich suchte ihn zu trösten, so gut ich konnte, doch war alle Mühe vergebens. Sein Übel verschlimmerte sich so sehr, daß man endlich den König benachrichtigen mußte. Dieser beauftragte den Generalarzt, ihn zu untersuchen und seine Gesundheit zu überwachen. Über den Bericht, den dieser Mann über den Zustand meines Bruders erstattete, war der König sehr bestürzt: der Kronprinz wäre sehr krank und von einem schleichenden Fieber befallen, das in Schwindsucht ausarten könnte, wenn er sich nicht schonen und in Behandlung begeben würde. Der König hatte im Grunde ein gutes Herz; obwohl Grumbkow ihm eine große Abneigung gegen den armen Prinzen eingeflößt hatte und trotz der gerechtfertigten Beschwerden, die er gegen ihn zu haben glaubte, überwog jetzt doch die Stimme der Natur. Er machte sich Vorwürfe, den traurigen Zustand des Prinzen durch den Kummer, den er ihm zugefügt, verursacht zu haben. Er suchte das Vergangene gutzumachen, indem er ihn mit Liebesbeweisen überschüttete; doch all dieses nutzte nichts, und man war weit entfernt, die Ursache seines Leidens zu erraten. Endlich entdeckte man, daß es durch nichts anderes als die Liebe entstanden war. Er hatte sich in Dresden an ein ausschweifendes Leben gewöhnt, dem er sich hier nicht länger ergeben konnte, weil ihm die Freiheit mangelte, aber sein Temperament konnte die Entbehrung nicht ertragen. Mehrere Leute setzten in bester Absicht den König davon in Kenntnis und rieten ihm, ihn zu verheiraten, sonst liefe er Gefahr, zu sterben oder Ausschweifungen zu verfallen, die seine Gesundheit zugrunde richten würden. Hierüber äußerte der König in Gegenwart mehrerer junger Offiziere, daß er hundert Dukaten demjenigen geben würde, der ihm die Nachricht brächte, sein Sohn sei von einem häßlichen Übel behaftet. Den Liebesbeweisen und Wohltaten, die er ihm erst erwiesen hatte, folgten nun Vorwürfe und Schelte. Graf Fink und Herr von Kalkstein erhielten Befehl, mehr denn je seinen Wandel zu überwachen. Diese Dinge erfuhr ich alle erst viel später.

Der Tod des Königs von England hatte den König von der großen Allianz endgültig entfernt. Er schloß endlich einen Vertrag mit dem Kaiser, Rußland und Sachsen. Wie diese beiden letztern Mächte, so verpflichtete auch er sich, 10 000 Mann dem Kaiser zu stellen, falls er deren bedürfe. Als Entgelt dafür sicherte ihm der Kaiser die Gebiete von Jülich und Berg zu. Die Königin verzehrte sich vor Leid, alle ihre Pläne vernichtet zu sehen; sie konnte ihre Erbitterung, die sich allein gegen Seckendorf und Grumbkow wandte, nicht verhehlen. Der König sprach oft bei Tische über seinen Vertrag mit dem Kaiser und erging sich dabei jedesmal in Ausfällen wider den König von England; dabei richtete er stets die Worte an die Königin. Diese übte sofort gegen Seckendorf Vergeltung; und in ihrer Lebhaftigkeit vergaß sie dabei der Schranken. Sie behandelte ihn sehr schimpflich und hart und hielt ihm manchmal Dinge aus seiner Vergangenheit vor, die schlimm anzuhören waren. Seckendorf erstickte fast vor Wut; doch nahm er alles mit einer scheinbaren Fassung hin, die dem König sehr gefiel. Der Teufel verlor dabei nichts, und er wußte sich anders als in Worten zu rächen.


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