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Herr Detlef und Frau Katharina Mandelsloh wollten in ihrer reichen Häuslichkeit den Himmelfahrtstag mit einem Mittagsmahle feiern und hatten dazu ihre nächsten Freunde geladen. Unter den Gästen in der doppelten Zahl der Musen befanden sich der Abt vom Kloster St. Michaelis, Herr Ludolf von Hitzacker; jener liebenswürdige alte Junggeselle, der Ratsherr Marquard Mildehövet, der den neuesten Anfall seines Podagels, vielleicht dank der ihm von Daniel Spörken gelieferten Pelzstiefel, diesmal schneller als sonst überstanden hatte; die Geschwister Balduin und Hildegund Viskule; die schöne Witwe Frau Walpurg Grönhagen und die beiden Junker Giso Stöterogge und Leonhard Düsterhop.
Das Gastgebot hatte gelautet: Wenn die Glocke zwölf schlägt, so laßt euch bei uns finden und seid unsere Gäste. Alle waren pünktlich erschienen und sahen sich in ihrer Erwartung eines ausgesucht glänzenden Mahles durchaus nicht getäuscht, denn das Ehepaar Mandelsloh verstand sich darauf, es seinen Gästen freudig und bequem zu machen. Die Plätze waren an der festlich geschmückten Tafel auf sorgsamste erwogen, so daß jeder seinen Liebling in der Gesellschaft oder seinen Geistesverwandten zum Nachbarn hatte und die Unterhaltung von Anfang an heiter belebt war.
Der Abt erfreute sich des Ehrensitzes obenan quervor am Tisch zwischen dem Ratsherrn und Frau Walpurg, die Balduin zu ihrer Linken hatte, während am anderen Ende zwischen zwei jungen Fräulein Leonhard Düsterhop und neben Hildegund Giso Stöterogge saß.
Man war eben beim dritten Gang, der aus folgenden, zur Auswahl gleichzeitig aufgetragenen Gerichten bestand: Hirschbraten mit Limonien, gelbes Lammfleisch mit Kapern, Hecht in Gallert, Karpfen mit Rosenessig, Kapaunpastete, Ochsenzunge mit Oliven, gefüllte Eier und Marzipan. Dazu gab es Rüdesheimer, Hippocras und Muskateller.
»Herr Ratsherr!« sprach der genußfrohe Abt, »die Kapaunpastete ist köstlich, aber nehmet Euch doch vor den Trüffeln darin in acht; sie sind sehr nahrhaft und begünstigen das Podagel. Gebt mir sie lieber, mir bekommen sie vorzüglich.«
»Mir auch, hochwürdiger Herr!« lächelte Herr Mildehövet. »Indessen, wenn Ihr mir die Hechtsleber abtreten wollt, die Ihr zu finden so glücklich waret –«
»Mit Vergnügen wäre ich dazu bereit«, erwiderte der Abt, »hätte ich sie nicht aus schöner Hand bekommen, aber ich fürchte, meine Frau Nachbarin, die sie mir auf den Teller geschoben, würde das übel vermerken.«
Dabei hatte er die Hechtsleber schnell zerschnitten, und auch der Ratsherr rettete sich seine Trüffeln.
Frau Walpurg hatte des Abtes Antwort nicht gehört, denn Balduin, einen silbernen Becher mit Hippocras in der Linken, bog sich über ihre Schulter, die rund und voll aus dem tief ausgeschnittenen Kleide schaute, und flüsterte ihr ins Ohr: »Auf das Wohl der Schönsten am Tische!«
»Und welche wäre das?« fragte sie mit einem lockenden Blick.
»Leiht mir das Spieglein an Eurem Gürtel, holdseligste Frau, daß ich sie Euch zeigen kann«, antwortete er, ihr den Blick erwidernd.
»Laßt das nicht die blonde Philippine dort hören, Junker! Oder – oder eine andere Blonde.«
»Keine Blonde kann mich aus den Fesseln einer Dunkeln befreien«, sprach er lebhaft.
»Mögen sie Euch nicht zu schwer drücken!« sagte sie geschmeichelt und lächelte still vor sich hin.
Die Fesseln der schönen Witwe drückten Balduin in der Tat nicht so schwer, so gefangen er auch in ihnen lag. Sie konnte bezaubern, wenn sie wollte, hatte in ihren großen, dunklen Augen mit den langen Wimpern den Ausdruck einer schwärmerischen Hingebung oder tiefsinnigen Schwermut so gut und so schnell bereit wie den einer feurigen Lustigkeit. Ihre Lippen konnten lächeln wie die einer winkenden Nixe und konnten blühen und schwellen, als warteten sie sehnsüchtig auf die leise Berührung oder den flammenden Druck eines anderen Lippenpaares. Ihr Wuchs und ihre Bewegungen waren voll Anmut und sinnberückendem Liebreiz, Gedanken und Wünsche herausfordernd. Sie verlangte Bewunderung, und nicht bloß stumme, nicht bloß aus der Ferne. Sie gab sich den Anschein eines schwer gezügelten Begehrens, um selber ein Gegenstand heißen Begehrens zu sein.
Der Macht ihrer Reize und Künste war sie sich so sicher bewußt, daß sie unumschränkt über dieselben gebot und sie kämpfen oder spielen ließ, wann und wo es ihr beliebte. Und es hatte ihr seit langer Zeit nicht so beliebt wie heute zum Angriff auf Balduins schwach bewahrtes und schlecht verteidigtes Herz, um in ihm eine Leidenschaft zu wecken und zu schüren, die nach dem Besitz der verführerischen Frau trachten mußte. Ihr Ziel war seine Hand, und der Name ›Frau Walpurg Viskule‹ klang ihr so wohltönend, wenn sie ihn auf ihrem einsamen Lager den eigenen Ohren vernehmlich vorsprach.
Walpurg war die Tochter eines angesehenen Handelsherrn in Triest, ihre Mutter stammte aus Florenz, und sie selber konnte das italienische Blut in ihren Adern nicht verleugnen. Ihr vor anderthalb Jahren verstorbener Gatte aus altem lüneburgischen Geschlecht, Herr Bernhard Grönhagen, ein Geschäftsfreund ihres Vaters, hatte sie in Triest kennengelernt und, angezogen von ihrer südlichen Schönheit, als seine Gemahlin nach Norden entführt. Er war viel älter gewesen als sie und hatte sie nach einer kurzen Ehe zu einer einundzwanzigjährigen, nicht trostlosen Witwe und zur unbeschränkten Herrin eines nicht unbeträchtlichen Vermögens gemacht, so daß sie sehr angenehm und genußreich von ihren Renten, zu denen auch Sülzeinkünfte gehörten, leben konnte. An eine Rückkehr in ihre Heimat dachte sie nicht, denn es gefiel ihr in der reichen Hansestadt, aus deren Boden ihre Einnnahmen quollen und unter deren Bewohnern sie viele freundschaftliche Beziehungen angeknüpft hatte, gar zu gut. Auch mit den überlebenden Verwandten ihres verstorbenen Gatten stand sie auf bestem Fuß und war überhaupt beliebt, bei den Männern noch mehr als bei den Frauen. Die ersteren entzückte sie durch ihre Liebenswürdigkeit, Gewandtheit und Schönheit, und das sahen die letzteren nicht gerade gern, denn sie fürchteten davon nicht ohne Grund Gefahren für die leicht entzündbaren Herzen der Männer, warfen ihr eine unerlaubte Gefallsucht vor und gönnten ihr ihre Siege nicht. Aber auch die Zuneigung der Frauen wußte sie durch ihr lebhaftes, einschmeichelndes Wesen zu gewinnen, trotzdem daß manche behaupteten, sie angle nach Herzen und sehne sich nach einem zweiten Manne.
Weit fehlgeschossen war das nun freilich nicht, und wären die übrigen Gäste der Frau Katharina Mandelsloh nicht mit sich selber und ihren nächsten Tischnachbarn zu beschäftigt gewesen, so hätten sie heut das belustigende Schauspiel genießen können, mit welchem Reiz und Zauber, mit welcher List und Kunst sich Walpurg in Balduins Herz hineinstahl, hineinplauderte, blickte, lächelte, seufzte. Er war ganz berauscht von ihr, wenn er ihre Worte von den scherzenden, schmeichelnden Lippen fing, ihr in die Glutaugen blickte oder auf den schimmernden Hals und Nacken, wenn sie sich wie zufällig mit den Armen berührten und ihnen das Herz, von feurigem Weine gehoben, immer mehr auf die Zunge kam.
Aber die anderen hatten eben nicht Zeit, diese zwei zu beobachten, und Hildegund, die es gern getan hätte, saß am anderen Ende auf derselben Seite des Tisches und konnte daher ihren Bruder nicht sehen. Auch nahm Giso Stöterogge sie ganz in Anspruch mit huldigenden Worten und Aufmerksamkeiten, die sie immerhin anhören und freundlich erwidern mußte, da er sich mit seinem Werben in züchtigen und bescheidenen Grenzen hielt. Fast tat es ihr leid um ihn, daß sie seine Liebe nicht mit gleichen Gefühlen beglücken und ihm kein Zeichen von Hoffnung geben konnte. Giso jedoch, der Begegnung im Viskuleschen Garten am Sonntag gedenkend, schloß aus Hildegunds mild ablehnendem Benehmen, daß Gilbrecht Henneberg schon ihr Herz besäße, und schwer verletzte es den Stolz des verwöhnten Junkers, daß er in der Gunst des edelgeborenen Fräuleins einem Böttcherknecht nachstehen sollte. Die Eifersucht auf den, wie er glaubte, glücklichen Nebenbuhler stachelte ihn, und er nahm sich vor, diesem bei nächster Gelegenheit seinen Grimm fühlen zu lassen und ihn in die gebührenden Schranken seiner untergeordneten Stellung zurückzuweisen. Aber auch Hildegund wünschte er es vorzuhalten, daß sie ihre Neigung unter ihrem Stande verschenkte. Er rief seinem Freund Leonhard Düsterhop übermütig zu: »Hast du denn auch von der großen Rede gehört, Leo, die der Sülfmeister neulich im Bierkeller zum besten gegeben hat? Diese Schuster und Schneider bilden sich wahrhaftig ein, sie wären die Haupthähne hier in der Stadt und könnten einen hochedlen Rat lenken und meistern.«
»Gönn ihnen doch die müßige Kurzweil, die Faust in der Tasche zu ballen«, lachte Leonhard; »sie wollen doch auch ihren Spaß haben beim Sonntagsbier. Der hochedle Rat fragt nach dem ganzen Pack nicht so viel, und wenn sie es zu arg treiben, so läßt er sie beistecken.«
In Hildegund wallte es heiß auf; sie warf einen zornigen Blick erst auf den einen, dann auf den anderen der Sprecher, und Giso hatte es nun mit ihr verdorben. Die ihnen am Tisch Zunächstsitzenden hatten natürlich die ausfallenden Bemerkungen der vorlauten Junker vernommen, und es war ihnen peinlich, in solcher Weise über einen Mann wie den Sülfmeister sprechen zu hören, der auch den Besten und Vornehmsten in der Stadt allezeit Achtung, zuweilen sogar einige Furcht einflößte. Herr Degenhard Schomaker konnte sich nicht enthalten, darauf zu erwidern, daß sich die so leichtfertig berührte Angelegenheit doch noch von einem ernsteren Gesichtspunkt aus betrachten ließe, als die jungen Herren hier beim Wein zu tun beliebten, und wenn sie es noch nicht wüßten, so wollte er sie darauf aufmerksam machen, daß gerade von der Haltung des einflußreichen und unbestechlichen Sülfmeisters Wohl und Wehe der Stadt für die nächste Zeit abhinge.
Diese entschiedene Zurechtweisung gab allen das Stichwort zu einem Austausch der Meinungen über die Macht des Sülfmeisters und sodann über die Stellung, die er und die anderen Handwerksmeister in dem Streit des Rates mit den Prälaten mutmaßlich einnehmen würden. Es dauerte gar nicht lange, so fuhr man hier am Tische mit vollen Segeln in diesen großen Streit selber hinein, und die gegenseitigem Behauptungen drohten bei der in diesem Punkt sehr verschieden denkenden, im übrigen aber durchaus befreundeten Gesellschaft immer gereizter zu werden. Der Sülfmeister hatte hier Feinde und Freunde, unter letzteren vor allem die Viskules, die Prälaten waren durch den Abt würdig vertreten, und die Verteidigung des Rates führte Herr Marquard Mildehövet. Keiner gab dem Gegner etwas nach, jeder verfocht seine Ansicht auf das hartnäckigste, selbst die Frauen mischten sich ein, und wie sich kreuzende Klingen blitzten Worte und Widerworte hinüber und herüber. So war der Funke Eifersucht in Gisos Brust zu hellen Flammen eines Kampfes emporgelodert, den abzubrechen es hohe Zeit war, wenn nicht die bis jetzt so fröhliche Stimmung hier eine empfindliche Störung erleiden sollte.
Zur großen Überraschung aller Anwesenden war es Frau Walpurg Grönhagen, die das Amt eines Friedensengels übernahm und es in einer wunderlichen, aber wirkungsvollen Weise ausübte. Sie erhob sich von ihrem Platz und rief mit einer wie Gesang klingenden Stimme: »Hört mich, ihr edlen Herren und lieben Frauen! Um was streitet ihr eigentlich? Um das Unscheinbarste und doch Unentbehrlichste auf diesem Tisch, seht! Um dies hier!« Dabei griff sie ein silbernes Salzfaß und hielt es hoch: »Vieles können wir Menschen entbehren, aber nimmer des Salzes. Von Brot und Fleisch, von Wein und Früchten können wir das Beste und Schönste uns aussuchen, aber vom Salz muß reich und arm, Freund und Feind aus demselben großen Vorrat nehmen ohne Unterschied. Was aber allen gleich und gemein ist, sollte auch alle gleich und gemein machen in Frieden und Freundschaft, und wenn ihr erlaubt, so werde ich euch zeigen, wie man das macht. Jetzt gehe ich hier am Tisch herum und streue jedem eine Fingerspitze voll Salz auf die Zunge, und wenn ihr die beißende Schärfe schmeckt und empfindet, so gedenkt der beißenden Schärfe eurer Worte, mit denen ihr euch hier befehdet habt, und dann schließt Eintracht untereinander. Es soll ein Zauber sein, liebe Freunde, mit dem ich eure Zungen binde, daß keine Bitternis mehr aus dem Herzen darüber hinweggehe, und wenn ich herum bin am Tisch, so muß Friede sein unter euch. Jetzt fange ich an. Herr Abt, erlaubt mir Eure hochwürdigste Zunge!«
Und wahrhaftig! Sie tat es, und der lustige Einfall rief eine so allgemeine Heiterkeit hervor, daß sich jeder dem drolligen Spiel unterwarf, zumal sie es mit einer schalkhaften Anmut vollzog, die alle entzückte. Der freundliche Abt gab ein aufmunterndes Beispiel und streckte seine dicke, rote Zunge gutmütig heraus, auf die sie mit zierlicher Handbewegung eine kleine Menge Salz aus dem Silbergefäß streute. Der Abt leckte und schmeckte, und seine klaren Äuglein blitzten und blinzelten so vergnügt die holde Spenderin an, daß die ganze Tafelrunde ihre Lust daran hatte. Dann kam der Ratsherr daran und so weiter die ganze Reihe herum, wobei es viel Scherz und Gelächter gab. Sie schwebte von einem zum anderen, und ihre unmittelbare Nähe hatte etwas Berauschendes, wenn nur ihr Gewand den streifte, den sie gerade fütterte, oder in sanfter Anlehnung mit ihrem Körper berührte, falls er sich zum Schein etwas sträubte. Sie ließen sich's gern gefallen, besonders die Männer, von denen es ihr der folgende immer noch schwerer machte als der vorhergegangene, und es doch kaum erwarten konnte, bis die Zauberin auch ihn umstrickte.
Wer aber nicht geduldig stillhielt oder mit Neckerei die Zunge vor der Bestreuung schnell wieder zurückzog, dem half das doch nichts, denn er mußte zur Strafe eine doppelte Menge schlucken, was den Jubel noch erhöhte.
So erging es auch den beiden Junkern Leonhard und Giso. »Ihr habt angefangen und müßt dafür büßen«, sagte Walpurg und lud ihnen tüchtig auf. Überhaupt bedachte sie die Männer stärker als die Frauen, mit den jungen Mädchen aber machte sie es am gnädigsten.
Als zuletzt auch Balduin sein Teil bekam, schnappte er zu, faßte ihren Zeigefinger mit den Zähnen und wollte den Gefangenen nicht wieder loslassen, so daß Walpurg hilflos dastand, vom jauchzenden Lachen der anderen überschüttet. Sie bat und flehte um Freigebung. »Löst Euch aus!« murmelte er durch die haltenden Zähne.
»Womit?« fragte sie.
»Mit Euren roten Lippen.«
»Soll geschehen, aber nicht hier.«
»Euer Wort?«
»Ja!«
Da ließ er los. Sie setzte sich, und alle nickten ihr lachend und dankbar zu für den gelungenen Streich. Sie hatte erreicht, was sie wollte, hatte durch ihren siegreichen Umgang um den Tisch die Gemüter der Streitenden von dem gefährlichen Gegenstand ab- und aller Augen auf sich, die Retterin, gelenkt und damit zugleich ihren Witz und ihre Macht in ein glänzendes Licht gesetzt. Nun war wieder Frieden am Tisch und die fröhliche Stimmung nicht nur wiederhergestellt, sondern bedeutend gesteigert.
»Aber nun habt Ihr nach Eurem wundertätigen Salzzauber auch unseren vermehrten Durst auf dem Gewissen, schöne Frau!« rief der Wirt und gab den Dienern einen Wink. Die brachten nun die großen Schauer, wahre Prachtbecher, gefüllt mit Claret, dem honigsüßen, köstlich duftenden Würzwein, der in sich hatte, was Herz und Sinne zwang. Bis zum Abend blieben Gäste und Wirte beisammen und ließen allen guten Launen die Zügel schießen, ohne ängstlich die Worte zu wägen, mit denen sie ihren glücklichen Gefühlen so aufrichtig Ausdruck gaben, wie es die Sitte nur irgend erlaubte. Balduin war mit dem löblichen Vorsatz gekommen, sich Walpurg gegenüber mit einiger Vorsicht zu benehmen, hatte das aber an der Seite der schönen Südländerin schnell vergessen und ließ sich von ihrer Lebhaftigkeit zu einem immer verliebteren Tun mit ihr hinreißen.
Endlich erhob man sich vom Tische und bewegte sich nach dem üppigen Mahle in kleinen Gruppen durcheinander, ohne sich jedoch zu weit von den silbernen Schenkkannen zu entfernen. »Hochwürdigster Abt, wohl bekomm's Euch!« sprach Frau Katharina und kredenzte ihm lächelnd den eigenhändig gefüllten Pokal.
»Ihr stoßt mit leichter Hand die besten Vorsätze um«, lächelte der Abt, den Becher nehmend, »schon dachte ich den letzten Trunk heute getan zu haben, aber wer kann unserer holden Wirtin widerstehen, wenn sie gebeut!«
»Aus Frauenhand muß man alles nehmen, hochwürdigster Herr!« sprach Frau Susanna Semmelbecker.
»Alles, alles, sogar Salz auf die Zunge!« fiel Herr Mildehövet ein.
»Alles? Und das sagt Ihr, Herr Ratsherr?« lachte Walpurg.
»Und habt noch nicht einmal ein goldenes Ringlein aus Frauenhand genommen?«
»Ja, wenn Ihr mir eins anstecken wolltet, liebliche Salzfee!« erwiderte er verbindlich und hielt ihr mit gespreizten Fingern die kleine, dicke Patschhand hin.
»Das wäre zu überlegen«, meinte sie. »Eure Weisheit und meine Torheit würden sich trefflich ineinanderfügen.«
»Und wie!« sagte Hartwig Semmelbecker. »Und dann der Nachwuchs aus einem so verjüngten Stamm! Feenkinder –«
»Genug, genug!« rief Walpurg, dem Spötter mit ihrem duftenden Tüchlein den Mund verschließend.
Die Frauen wandten sich lachend ab, auch Walpurg schwebte davon.
Leonhard saß mit Adelheid Schomaker abseits auf einer Polsterbank und redete leise zu der jungen Frau, die ihm achtsam und sinnend Gehör schenkte und manchmal die Augen mit einem Blick zu ihm aufschlug, als möchte sie seinen Worten gern glauben und dürfte es doch eigentlich nicht.
Balduin und Giso scherzten mit den jungen Mädchen, und Margarete Brömbsen sprach zu Giso, mit dem sie verwandt war: »Wenn du mich diesmal wieder sitzenläßt, Giso, so ist es aus mit uns beiden.«
»Ich will mich bessern«, sagte Giso.
»Nun komme ich doch endlich auch einmal in Lüneburg zum Tanzen«, sprach Balduin.
»Ich bin neugierig, wie Ihr's bei den flandrischen Mädchen gelernt habt«, bemerkte Philippine von Sankenstede.
»Nächstens bei der Kopefahrt hoffe ich's Euch zeigen zu können, Fräulein Philippine«, entgegnete Balduin.
»Ist die Kopefahrt schon so bald?« fragte Hildegund.
»Am Dienstag nach Pfingsten soll der neue Sodmeister vereidigt werden, und den Tag darauf ist die Kopefahrt«, sprach Balduin. »Das Fest soll diesmal besonders glänzend werden, weil es so lange verschoben ist.«
Der Abt und der Ratsherr gaben das Zeichen zum Aufbruch, der nun allgemein wurde. Als sich Walpurg verabschiedete, nannten sie sie alle »liebliche Salzfee«, denn Frau Susanna, vielleicht ein wenig neidisch auf Walpurgs Zaubergewalt, hatte den Namen in der Gesellschaft herumgebracht, den ihr der Ratsherr gegeben, und sie ließ ihn sich lachend gefallen.
Balduin fand noch Gelegenheit, ihr zuzuflüstern: »Und Eure Auslösung, die Ihr mir schuldig seid?«
»Bekommt Ihr!« gab sie zurück.
»Wann?«
»Wenn Ihr gar nicht daran denkt.«
»Dann bekomm' ich sie nie.«
»Doch, ich zahle ehrlich.«
»Aber ich berechne Zinsen, und hohe!«
»Wucherer!« drohte sie mit einem verheißungsvollen Lächeln.
»Soll ich sie mir holen?«
»Nein, nein! Lebt wohl!«
»Auf Wiedersehen, liebliche Salzfee!«