Julius Wolff
Der Sülfmeister
Julius Wolff

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So wurden noch mancherlei Vorschläge laut, aber jetzt erhob sich Hans Laffert, der Goldschmied, mit dem schneeigen Haupt und dem geistvollen Antlitz. »Liebe Freunde«, sprach er, »eure Wünsche mögen wohl nicht unbillige sein, aber weil ich hier der älteste unter uns Werkmeistern bin, so nehmt ein friedsames Wort günstig von mir auf. Das Handwerk in unserer Stadt ist bei den Gewohnheiten, wie wir sie von unseren lieben Vorfahren seligen Andenkens von alters her überkommen haben, in gutem, gedeihlichem Wohlstande. Darum bitt' ich euch, tretet jetzt nicht mit neuen Forderungen vor den Rat, der Frieden und Einigkeit mit der gemeinen Bürgerschaft sehr vonnöten hat. Alles, was ihr begehrt, könntet ihr leichtlich jetzt von ihm erlangen, aber er würde es uns später wieder nehmen und sprechen: Es ist uns damals in der Not abgedrungen und abgezwungen, darum hat es keine Kraft und Beständigkeit und soll nicht mehr gelten. Wartet ab, liebe Freunde, ob er nicht aus freien Stücken uns dies und jenes nachläßt und manchen Wünschen zuvorkommt, daß der gemeine Mann gestillet werde und dafür desto treuer zum Rate stehe in dieser schweren Zeit.«

»Ihr habt schon recht, hochachtbarer Meister«, sprach Dörgerloh, »aber soll denn alles nur auf des Rates Behagen stehen, wieviel er uns aus sonderlicher Gunst und Gnade verwilligen will? Muß denn alles, was er sich vornimmt, recht oder krumm, nach seinem Willen gehen? Von der Zeit, daß Menschen in Lüneburg denken mögen, haben sie auch vom Rate stets etwas zu fordern gehabt, weil er nie soviel gibt und gewährt, wie er nach Billigkeit und Ehrbarkeit geben und gewähren sollte. Jetzt braucht uns der Rat und kommt ohne unseren Beistand aus der Patsche nicht heraus, in der er bis über die Ohren drin sitzt, aber wenn er von uns verlangt, daß wir Willen machen, so können wir auch von ihm verlangen, daß er Willen macht, wie wir's begehren.«

Allseitige Zustimmung folgte diesen Worten. Aber Schuttenhelm sagte: »Wohl wahr, Dörgerloh, aber der ehrwürdige Meister Hans Laffert hat doch recht: jetzt dürfen wir den Rat nicht drängen, sondern müssen ihn in Ruhe lassen, daß er sich erst seiner Feinde erwehre, denn seine Feinde sind unsere Feinde, sind gemeiner Stadt Feinde, und gegen die müssen wir ihn schützen mit Leib und Leben um unserer Freiheit willen.« Und der lebhafte Mann faßte sich beim Sprechen mit der Hand an den Oberarm, wie um die stählerne Kraft zu prüfen, die er dem Rate bereitwillig zur Verfügung stellte.

»Mit Kleinigkeiten wollen wir ihn auch jetzt nicht stören«, nahm Rokswale das Wort, »aber wir Amtsmeister mit unseren Werkbrüdern und Kumpanen, wir haben die Gewalt in der Stadt, und ich wüßte wohl einen schönen, hohen Preis, für den es sich allenfalls der Mühe verlohnte, darüber nachzudenken, ob wir sie für oder wider den Rat gebrauchen wollen.«

Er machte eine kurze Pause, um die Erwartung noch mehr zu spannen, und sprach dann weiter: »In allen Städten des Reiches trachten die Handwerker danach, Sitz und Stimme im Rate zu gewinnen, um das Handwerk zu ehren und zu fördern und zur Wohlfahrt des gemeinen Besten. Könnten wir, was anderwärts mit Glück geschehen ist, hier nicht ebensogut erreichen?« – »Ja, ja, ja! Gewiß können wir das! Warum denn nicht? Versteht sich!« riefen sie rings um ihn her. »Nicht wahr?« fuhr er fort. »Ja, wenn ihr aber der Meinung seid, wie ich es auch bin, dann Brüder, dann heißt es handeln, und rasch handeln, denn wenn wir es jetzt nicht fordern, so können wir's nie, wenn wir's jetzt nicht erlangen, so erlangen wir's nie.«

Wie Funken von Stahl und Stein in den Zunder, so sprangen diese Worte in die ehrbaren Meister. Sie standen auf, liefen einer zum anderen, sprachen laut und lebhaft aufeinander los und führten sich gegenseitig eine Menge der triftigsten Gründe vor, warum das Handwerk durchaus im Rate vertreten sein müßte und daß es gar nicht mehr anders ginge. Keiner von ihnen dünkte sich zu gering, um nicht hochedel und wohlweise auf einem Ratsstuhle sitzen zu können und sich Herr Ratsherr nennen zu hören, und die ihnen nur in der Ferne gezeigte lockende Aussicht brachte sie in große Erregung.

Meister Gotthard hatte still und ernst dagesessen mit einem wachsamen Blick auf Rokswale, den einflußreichen Amtsmeister der großen Mültergilde, der ersten und mächtigsten in Lüneburg. Jetzt aber erhob er sich und klopfte mit seinem Kruge so fest auf den Tisch, als wenn er seines Amtes in einer hohen Morgensprache waltete und den handfesten Böttcher-Regimentsstab befehlend in der Rechten führte. Da ward es still umher, alle blickten auf ihn, und Gotthard Henneberg sprach:

»Günstige, liebe und getreue Brüder und Freunde! Ich habe bis jetzt geschwiegen, um erst eure Meinung über unterschiedliche, hier in Betracht kommende Dinge zu vernehmen. Nun gönnt mir das Wort und schenkt mir ein freundlich Gehör.

Wir ehrbaren Handwerksmeister sind, wie Rokswale ganz richtig gesagt hat, mit unseren Gildebrüdern und unseren Knechten eine starke, streitbare Macht in den festen Mauern unserer guten Stadt Lüneburg, und wenn wir unter uns eines Herzens und eines Sinnes sind, so können wir hier schalten und walten, wie es uns beliebt. Unsere Gilden und Brüderschaften sind aber auf Gottesfurcht und christliche Liebe, auf Einigkeit und Ehrbarkeit gegründet; unsere Ordnung nach altem Herkommen, Recht und Gewohnheit macht uns stark, und auf unsere Tüchtigkeit im Handwerk ist das ganze Leben gestellt. Was Menschen handhaben, gebrauchen und begehren zu Nutz und Notdurft, in Lust und Traurigkeit vom ersten Schrei bis zum letzten Abschied, das schaffen alles wir mit unserer Hände Arbeit. Darauf können wir stolz sein und sind es auch. Unser Stand ist ein Ehrenstand so gut wie die von Ritterschaft und Geistlichkeit, aber wir müssen auch auf Ehre halten, müssen dafür sorgen, daß in unseren Gilden Frömmigkeit und Zucht und Tugend walten. Das Handwerk muß rein sein, und das Werkzeichen des Handwerkers soll gleich sein dem Schild und Helm der Geschlechter. Dann dürfen wir aber auch nicht mit hochstrebendem Gebaren die Hand nach Dingen ausstrecken, die mit dem ehrbaren Handwerk nichts gemein haben, die uns entzweien und verwirren und uns den Boden unter den Füßen wegnehmen, so daß wir nicht mehr sind, was wir sein sollen. Wir sollen das Leben schützen und stützen, es bequem und fröhlich machen, aber es nicht lenken und leiten wollen. Ihr, liebe Freunde, strebt nach solchen Dingen, strebt nach dem Regiment dieser Stadt. Nun wohl, wenn wir Handwerksmeister nun im Rate säßen, so würden wir nach Weisheit unserer fünf Sinne und mit unserer höchsten Redlichkeit die Stadt geradesogut zu regieren suchen wie jeder andere ehrbare Rat. Was würden wir aber dabei wohl am ersten wünschen, worauf würden wir uns zu allermeist verlassen müssen, um überhaupt regieren zu können? Doch wohl darauf, daß die Bürger uns treu blieben mit ihren geschworenen Eiden! Wie? Was wir als Ratsmänner von unserer Bürgerschaft verlangen würden, das sollen wir jetzt unserem Rate verweigern? Sollen ihm unsere Eide brechen?«

»Wer sagt das? Das hat noch keiner gewollt«, riefen ihm Dörgerloh und Hesterwegen nebst einigen anderen Meistern zu.

»Ihr wollt das nicht, ihr habt euch das nicht gerade vorgenommen«, fuhr der Sülfmeister fort, »das will ich euch glauben, aber ihr seid trotzdem auf dem Wege dazu und treibt in den Eidbruch hinein, ihr wißt selber nicht wie. Gutwillig gibt euch das der Rat nicht nach, daß er Handwerksmeister zum Regiment zuläßt; aber wenn ihr's erst einmal gefordert habt, so könnt ihr nicht mehr zurück, wollt auch nicht, setzt es endlich mit Gewalt durch. Und dann? Dann seid ihr eidbrüchige Leute!«

Ein deutliches Murren ließ sich von den Nebentischen hören. Der Redner schaute sich um und sprach weiter: »Ja, wißt ihr ein ander Wort dafür? Ich nicht. Du sagst, Rokswale, es wäre doch in anderen Städten mit Glück geschehen. Mit Glück? Mit Blut, sag' ich, mit Bürgerblut und unsäglichem Elend. Sie haben den Ratsherren die Köpfe zwischen die Füße gelegt, aber den Handwerkern nachher auch und noch mehr; andere sind geturnt, gefoltert und auf ewige Zeiten verfestet. Wollt ihr solch namenloses Unheil auch über unsere gute Stadt Lüneburg bringen? Sitzen eure Köpfe fester, Dörgerloh und Hesterwegen, als die der Herren Springintgut und Töbing?«

Wieder murrten sie rings um ihn her.

»Hilft nichts, liebe Brüder«, fuhr er fort, »ich muß euch das sagen, ob ihr's nun gern hört oder nicht. Ich habe als Bürger und Amtsmeister geschworen: daß ich dem Rat und dieser Stadt treu und hold sein, ihr Bestes fördern, ihr Ärgstes abkehren will nach meinem Sinnen und Wissen, so ich am allerbesten kann, daß ich keine Morgensprache halten will ohne den Rat, daß ich auch nicht will richten, es gebühre mir denn zu richten, daß ich nicht handeln oder vollborden will, das wider den Rat und diese Stadt sei, und wenn ich etwas deswegen erführe, daß ich dem Rate das wissentlich tun und vermeiden will, so mir Gott helfe! Das habe ich geschworen und jeder einzelne von euch ebenso. Ist nun einer unter euch, der diesen Eid brechen will, der stehe auf und bekenne sich dazu. – Seht ihr, liebe Brüder! Keiner von uns will das. Und wie sollten wir auch so schwere Sünde auf uns laden um einer Handvoll Prälaten willen, die sich Diener der Kirche nennen und statt Gottes heiliges Wort zu lehren uns Zwietracht und Aufruhr predigen! Als der Rat damals die Hälfte des Sülzeinkommens von den Begüterten forderte, da schwiegt ihr und fandet es recht und billig, daß er die harte Steuer den Reichen auflegte und nicht der nothaften Armut. Habt ihr damals geschwiegen, so schweiget auch jetzt; habt ihr damals gebilligt, so müßt ihr's auch jetzt und müßt dem Rate treulich beistehen, es durchzuführen. Wenn ihr ihn jetzt im Stiche laßt und erlaubt, daß andere, und sei es Kaiser und Papst oder gar die Prälaten fremder Klöster, in unser Regiment hineinreden, so schädigt ihr das Ansehen und die Vollmacht des Rates und verratet die Freiheit unserer Stadt. Und, Freunde, das weiß ich, das wollt ihr nicht!«

»Nein! Nein! Das wollen wir nicht! Bei Gott! Das wollen wir nicht!« riefen alle laut und begeistert.

»Nun, so laßt euch auch nicht verlocken und verführen von den Winkelläufern, von den Land- und Leutebetrügern, deren Namen ich euch nicht zu nennen brauche, die von Haus zu Haus, von Werkstatt zu Werkstatt schleichen, euch schmeicheln und belügen, euch aufwiegeln und hetzen zu Empörung und Eidbruch. Den Klöstern und Prälaten ist es um das Geld, ihren scheinbaren Freunden aber hier in der Stadt ist es um ganz andere Dinge zu tun. Das sind die Verräter, die uns umgarnen und dabei auf ihren eigenen Kuchen scharren wollen; und hinter diesen stehen noch andere, Mächtigere, die nur darauf warten, daß wir in Unfrieden und Zwietracht geraten, um unsere städtischen Privilegien, auf die sie schon lange ein Auge haben, mit List und Gewalt, mit Trug und Bestechung an sich zu bringen, Dazu reichen sie sich die unehrlichen Hände, die uns in die Häuser kommen und die heut auf den Predigtstühlen standen. Klug genug haben sie es angefangen, aber ich meine, sie sollen sich verrechnen und ihre List soll an dem treuen, festen Sinn gemeiner Bürgerschaft elendiglich zuschanden werden. Wir dürfen unserer Freiheit, Recht und Gewohnheit, wie wir sie von unseren Vorfahren seligen Andenkens übernommen haben, nicht verlustig gehen, den vorigen Alten zum Schimpf und den Jungen zum Nachteil und Verderben, sondern wir müssen sie voll und rein unseren Kindern und Kindeskindern überliefern, daß sie unsere Namen segnen und uns nicht über das Grab nachrufen: Ihr habt uns unser Erbe verschleudert.«

Einer nach dem anderen von den Meistern war aufgestanden und hatte sich so gestellt, daß er dem Redner ins Gesicht sehen konnte. Allmählich bildete sich ein dichter Kreis um ihn. Sie nickten sich beifällig zu, stießen sich mit den Armen an, ihre Augen glänzten, und manchem klopfte das Herz. Wie Gotthard Henneberg hochaufgerichtet vor den Handwerksmeistern stand, die alle seinesgleichen und jeder in seiner Art auch tüchtige, ganze Männer waren, da riß sie seine Rede, die mit dem vollen Klange seiner Stimme ihm aus bewegter Seele kam, wie im Strome fort; er hätte sie zu dieser Stunde führen können, wohin und so weit, wie er gewollt hätte.

Etwas ruhiger sprach er weiter: »Wir wollen an unserem alten, einfachen Glauben festhalten und uns nicht von römischem Eifer und pfäffischen Spitzfindigkeiten verblenden lassen. Wenn wir nur die Heilige Schrift hätten und sie lesen könnten! Brüder, ich glaube, da steht vieles ganz anders drin oder ist anders gemeint, als sie uns weismachen wollen, ein besseres Christentum, ein reineres Evangelium, als wir's heutzutage zu hören bekommen. Davon wollen wir uns aber nicht abdrängen lassen, wollen Gott und sein heiliges Wort vor Augen und im Herzen haben und brüderliche Liebe und Einigkeit pflegen. Denn wenn wir, wir ehrbaren, biderben Handwerker und Bürgersleute mit unserem Volk im Hause nicht an dem alten, reinen Glauben festhalten, wer soll es dann?«

»Wir, wir, nur wir!« murmelten sie.

»So sei denn jeder seines Amtes klug und stehe in der Gilde seinen Mann. Wir haben Krieg und Frieden in unseren Händen, denn wie die Gilden denken, was die Gilden beschließen, das entscheidet über das Schicksal unserer Stadt. Liebe Freunde allesamt und sonders! Gebt mir euer Wort, daß ihr dem Rate treu und gehorsam bleiben und die Werkbrüder stillen und beschwichtigen wollt. Kommt das Unglück über uns, fallen wir in Acht und Bann, so wollen wir Morgensprache halten und beraten und beschließen. Bis dahin aber gedenket eures Eides und ermahnet die anderen dazu, daß eines jeden Amtsverwandten Name rühmlich erhalten werde. Nicht wahr, Brüder? Ich hab' euer Wort, daß ihr Ruh und Frieden halten wollt Gott zu Ehren und zu Wohlfahrt und gemeinem Besten dieser guten Stadt!«

Er streckte ihnen mit einer lebhaft entschiedenen Bewegung beide Hände weit entgegen, und sie schlugen ein, Mann für Mann. An jeder Hand, rechts und links, ballte sich ein Knäuel anderer ehrlicher, schwieliger Hände zusammen, und die keine Hand von ihm erfassen konnten, die klopften ihn auf die Schulter und schüttelten ihn, winkten und nickten ihm zu, machten aber nicht viele Worte. Schuttenhelm, der Schmied, sagte: »Brüder, das war mal wieder unser Sülfmeister, der Turm von Lüneburg!« Rokswale sprach: »Henneberg, du hast dem ehrbaren Rate heut eine Schlacht gewonnen, du ganz allein!« Der Meister drückte ihm stumm die Hand.

Es war weit über die Essenszeit; aber dieser Morgentrunk hier in des Rates Bierkeller war wichtiger gewesen, als alle lauten oder stillen Vorwürfe der wartenden Hausfrauen, zu denen sich die Männer nun auf den Weg machten. Die meisten von ihnen, wenn nicht alle, waren anderen Sinnes geworden. Der Grimm und Groll, von dem sie selber nicht recht wußten, ob sie ihn mehr auf den Rat oder mehr auf den Klerus wälzen sollten, und die verbitterte Stimmung, die sie aus dem Gotteshause mit in die Trinkstube genommen hatten, waren nach des Sülfmeisters Rede verschwunden und hatten besseren Gefühlen Platz gemacht. Freieren, freudigeren Herzens kehrten sie heim mit dem festen Vorsatz, ihrem geschworenen Eide gemäß zu handeln, treueinig zusammenzuhalten, von der Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Stadt kein Tüpfelchen zu vergeben und um dieser Ehrenpflicht willen selbst den Rat, den sie nicht liebten, zu stützen mit ihrer besten Kraft, deren sie sich in der Geschlossenheit ihrer Gilden wohl bewußt waren. Es erwachte in ihrer Brust etwas wie Vaterlandsgefühl und Bürgerstolz.

Der Goldschmied Hans Laffert hatte mit Meister Henneberg denselben Weg; aber sie gingen schweigend nebeneinander, weil sie beide noch ergriffen waren, der eine vom Sprechen, der andere vom Hören. Als sich ihre Wege schieden, blieb der Goldschmied stehen und sagte: »Gotthard Henneberg, Ihr habt mir heute die Seele bewegt, wie es mir lange nicht widerfahren ist, und nun habe ich eine herzliche Bitte an Euch.«

»Alles, was Ihr wollt, lieber, großgünstiger Freund!« sprach Meister Gotthard. »Ihr könnt nichts bitten, was ich nicht gern täte.«

»Ich möchte Euch zum bleibenden Gedächtnis dieser Stunde gern ein kleines Andenken geben«, sagte Hans Laffert; »es ist gar nicht für Euch selbst«, fügte er schnell hinzu, als der andere die Hand wie zur Abwehr erhob.

»Seht!« fuhr er fort und holte aus der breiten, silberbeschlagenen Ledertasche an seinem Gürtel ein kleines Kästchen hervor, »seht, ich habe hier ein Ringlein, das wollte ich nach der Kirche der Frau Katharina Mandelsloh bringen, aber nun ist es zu spät geworden, und sie kann morgen ein ähnliches bekommen. Ich wollte Euch bitten, es Eurem holdseligen Töchterlein Jungfer Ilsabe mitzunehmen, daß sie es mir zu Ehren so lange trägt, bis sie es einmal demjenigen gibt, der ihrem Herzen einst am nächsten stehen wird.«

»Meister Hans Laffert! Wie kann ich –«

»Ich bitt Euch, Gotthard, sagt kein Wort weiter!« bat der alte Herr und blickte den Meister mit so freundlich blitzenden Augen an, daß dieser das von seiner Hülle befreite Kleinod nahm und es staunend betrachtete.

Es war ein Meisterstück der Goldschmiedekunst, ein breiter, goldener Fingerring mit zierlichen Fenstern und Schwibbogen, mit Wurmhäuptern und feinem, farbigem Geschmelze.

»Köstlich, herrlich!« sagte Meister Gotthard, »und den soll meine Tochter tragen?«

»Zum freundlichen Gedächtnis an den alten Hans Laffert!« sagte der Goldschmied, der schon mehr als ein kunstreiches Gefäß und Trinkgeschirr für des Rates Silberzeug gefertigt hatte. »Nicht wahr, Gotthard, Ihr macht mir die Freude? Grüßt mir die Vielschöne und Eure tugendsam Hausfrau dazu! Lebt wohl!«

Damit war er fort, ehe sich Meister Gotthard einmal bedanken konnte. Der hielt den goldenen Ring noch in der Hand und trug ihn gerührt und erfreut nach Hause.

Dörgerloh und Hesterwegen gingen auch zusammen, und letzterer sagte: »Er hat uns wieder einmal herumgekriegt, der Herr Sülfmeister, wie immer, wenn er will.«

»Ja«, erwiderte Dörgerloh, »es ist etwas Merkwürdiges mit dem Manne. Wenn er spricht, wenn er einen nur ansieht, so hält er einen gleich wie gebunden und gefangen, und man muß ihm recht geben, man mag wollen oder nicht.«

»Gerade so geht es mir mit ihm«, sprach Hesterwegen, »wenn sich der Kopf auch noch so sehr dagegen sträubt, das Herz muß ihm folgen auf allen Wegen, wohin er will, man muß, man kann nicht anders.«

Sie trennten sich, und als Hesterwegen seinen Weg allein fortsetzte, sah er in einer Seitenstraße Daniel Spörken in Begleitung seines Knechtes Timmo kommen. Der Schuster winkte seinem Amtsmeister schon von weitem zu, daß er ihm etwas höchst Wichtiges mitzuteilen habe, und als er herankam, sprach er: »Wißt Ihr's schon, Meister? Der ganze Rat ist beisammen, beide Bürgermeister und alle Ratsherren. Gleich nach der Kirche sind sie zusammengekommen.«

»Was? Heute? Sitzung im Rathause?«

»Nicht im Rathause, sie haben sich alle beim Bürgermeister Springintgut versammelt. Die meisten sind von selbst gekommen und haben dann schnell nach den übrigen geschickt, bis sie alle beisammen waren.«

»Was Ihr nicht alles wißt, Daniel!« sprach der Amtsmeister.

»Ja, und sie sind noch da. Das wird was Gutes geben. Wer da mal horchen könnte!«

»Daniel«, sagte Hesterwegen, »nehmt einen guten Rat von mir an: laßt Euch nichts in die Ohren blasen und macht Euch keine Ungelegenheiten mit gefährlichen Reden. Ihr versteht mich wohl!« Damit bog er rechts ab. Daniel Spörken stand mit verblüfftem Gesicht da, blickte Timmo an und sagte: »Was meint er denn damit?«

»Wahrscheinlich, daß Ihr wieder ein falsches Gerücht ausgesprengt habt vom Sieg des Rates über die Prälaten.«

»So hieß es ja doch neulich in der ganzen Stadt«, erwiderte Daniel.

»Ja, aber es war nicht richtig, und Ihr habt es überall herumgetragen, auf Euch bleibt nun der ganze Lärm sitzen, der daraus entstanden ist. In der Versammlung der Ratsherren wird es schön über Euch hergegangen sein, Meister! Sie werden Euch dafür zur Verantwortung ziehen, darauf macht Euch nur gefaßt!«

»Ach du lieber Gott!« seufzte Daniel. »Was kann denn ich dafür? Man weiß ja wahrhaftig nicht mehr, was man denken und glauben soll; ich bin nachgerade ganz dumm und verdreht im Kopfe. Es ist 'ne Tränenwelt!«

Sie schritten eilig weiter, und Meister Daniel begann wieder: »Höre, Timmo, ich glaube, wir haben uns arg verspätet; es wird zu Hause einen fürchterlichen Zank geben, mir ahnt nichts Gutes.«

»Nur nicht ängstlich, Meister!« beschwichtigte Timmo. »Wenn's gar zu schlimm wird, so steh' ich Euch bei, und ich weiß schon, wie ich die Meisterin ruhig kriege.«

»Du? Womit denn?«

»Daß laßt nur meine Sorge sein«, sagte Timmo und beschrieb mit dem Zeigefinger einen Ring an der Stelle seines Herzens. Daniel Spörken sah die Bewegung und blickte seinen Knecht so verdutzt und ängstlich an, daß Timmo lachen mußte und sagte: »Na, na, Meister, ruhig Blut! Eifersüchtig braucht Ihr nicht zu sein.«


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