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Am 1. November erlegte ich in einer halben Stunde den kleinsten und den größten Wiederkäuer Afrika's. Zuerst schoß ich eine Zwergantilope und gleich darauf traf ich auf ein Rudel von Giraffen in einer mit Akazien licht bestandenen Niederung. Ich schoß das größte Tier, wie sich nachher herausstellte, dicht hinter's Blatt, mit einem Expansionsgeschoß. In wunderlichem Galopp, der sehr schwerfällig scheint und doch sehr fördernd ist, wurde das Rudel flüchtig. Das von mir angeschossene Stück trennte sich von den anderen und nahm eine andere Richtung, blieb dann wieder stehen und kam mit immer kürzer werdenden Sprüngen auf mich zu. Ich trat hinter einem Baum hervor, so daß mich das erschreckte Thier 293 anäugte und stand. Jetzt begann es zu wanken und setzte, wie um sich vor dem Sturz zu bewahren, die Füße nach allen Seiten weit auseinander, senkte, am ganzen Leibe zitternd, den langen Hals und brach, in schwerem Fall, verendend zusammen. Erst, als es so nahe vor mir lag, die großen, dunkelen Lichter angstvoll auf mich gerichtet, beschlich es mich wie Vorwurf, das schöne Thier geschossen zu haben, dann aber kamen jubelnd meine Leute heran, Joaquim entriß mir meine Büchse und, dieselbe hoch haltend, umtanzte er das erlegte Wild. Das Geschoß war durch einen der Zwischenräume zwischen den Rippen und die linke Lunge hindurchgedrungen und hatte die rechte völlig zerstört. Beim Abhäuten fiel uns die unglaubliche Menge der alle Hautfalten bedeckenden Holzböcke auf.
Wir lagerten bei dem verendeten Wilde und hielten, nachdem erst am Nachmittag die zum Wasserholen abgesandten Leute eingetroffen waren, eine große Schmauserei. Das Fleisch ist etwas langfaserig, aber doch zart und wohlschmeckend. Besonders mundete mir die lange Zunge.
Am anderen Tage stiegen wir hinauf in das Bergland Nguru. Die steilen Böschungen ermüdeten uns in glühender Sonne außerordentlich, die Nacht aber wurde frisch und erquickend.
Am 4. erreichten wir den Kamm des Höhenzuges, von dem man bei klarem Wetter den Kilima-Ndscharo sehen kann, und lagerten im Dorfe eines Amiri (Lieutenant) von Said-Bargasch, der hier mit 15 Soldaten ein Fort gegen die Einfälle der Massai besetzt hielt.
Ich mußte Humba's Frau, ein hübsches Kaschilangeweib, wegen Erkrankung an den Pocken zurücklassen, und bot der Amiri Sicherheit, daß nach Genesung das Weib nach Zanzibar mir nachgesandt werden würde.
Am östlichen Hange des Granitgebirges herabsteigend, nahm bald die Gegend einen ganz veränderten Charakter an. Die öden Waldsavannen hörten auf, die Natur war frisch und zeigte saftiges Grün und lebhaften Wechsel. Klare Bäche stürzten sich über Felsgeröll herab zum Wami, saftige Wiesen oder üppiger Baumwuchs bekleideten ihre Ufer. Die Nähe des Meeres, die häufigere Niederschläge bedingt, machte sich erkenntlich.
Neu ist uns der Tamarindenbaum, dessen schöne Frucht uns oft erquickte. Zu viel genossen wirkt sie, wie bekannt, nicht günstig.
294 Ich schoß noch eine junge Giraffe. Paviane sahen wir an den steinigen Hängen in großen Heerden, und auffallend reich ist die Vogelwelt. Die Natur ist belebter und erfrischender.
Am 6. hatten wir den ganzen Tag einen feinen Regen, und am Abend beobachtete ich das erste Wetterleuchten im Süden. Die trockene Jahreszeit neigte sich hier ihrem Ende zu. In Westafrika ist dieselbe scharf markirt und dauert von Mitte Mai bis zum ersten Drittel des September, im centralen Afrika, zwischen Kassai und Tanganjika sind die meteorologischen Verhältnisse dieselben, nur ist die trockene Zeit nicht absolut, d. h. es fällt in jedem Monat ein bis zweimal Regen. Vom Tanganjika an verlängert sich mit jedem Schritt nach Osten die trockene Zeit. Schon in Tabora dauert sie 6 Monate, in Ogogo 7 und in Usagara 8. Im Küstenbereich, in das wir jetzt hinabgestiegen waren, ist die 9 Monate währende Trockenzeit, d. h. die Zeit, in der Gewitter nicht vorkommen, von feinem Regen oder Landregen öfter unterbrochen. Es sind demnach Uniamwesi, besonders Ugogo, und das westliche Usagara die ärmsten Länder auf meiner Linie durch Afrika, während Ost-Usagara und die Küstenniederung durch die Meeresnähe wieder sehr bewässert sind.
Das centrale Afrika mit seiner langen Regenzeit und mehrfach unterbrochenen Trockenzeit ist der reichste Landstrich. Westafrika ist nicht ganz so ertragsfähig, weil die viermonatliche ununterbrochene Trockenzeit zu große Dürre schafft. Der schmale Küstenstrich dicht bei Loanda macht eine Ausnahme, die wohl durch locale Verhältnisse bedingt ist. Hier ist es schon vorgekommen, daß während eines ganzen Jahres kein Tropfen Regen fiel, und war öfters Hungersnoth wegen großer Dürre.
An einem Bache Mutu-a-Maue trafen wir wieder eine Patrouille von Said-Bargasch, deren Führer uns freundlich aufnahm.
Am 9. lagerten wir bei Kidudue, einem Dorfe, das höchst eigenthümlich befestigt war. Wir näherten uns einem hohen, durchaus undurchdringlichen Dornengebüsch, durch welches im Zick-Zack ein so schmaler Pfad führte, daß nur ein Mann ihn passiren konnte. Drei in Angeln hängende Pallisadenthore mit Schießlöchern waren zu passiren, bis sich plötzlich das Dornendickicht öffnete und wir das kleine Dorf betraten. In der Regenzeit ist dies eine vorzügliche Befestigung, denn der 60 m breite Dornengürtel schützt gegen jeden Angriff, in der Trockenzeit jedoch, glaube 295 ich, würde das Gestrüpp leicht Feuer fangen, und würde die Befestigung den Dorfbewohnern zum Verderben werden, wenn feindliche Hand sie anzünden würde. Auch hat diese Einrichtung den Nachtheil, daß kleines Raubzeug dicht beim Dorfe vorzüglichen Schutz findet, und daher ein Hühnerstand nicht zu halten ist.
Bevor wir den Wamifluß erreichten, mußten wir des Nachts mehrfach Raubwild verscheuchen. Löwen wurden dicht beim Lager verspürt, und Hyänen umheulten unsere Feuer. Am Flusse angelangt, forderten die Eingeborenen, Waseguha, schon Geld. Kleidung, Bauart und Sitten sind so beeinflußt von der Küste, daß nichts Charakteristisches zu erwähnen ist.
Vor einem Monat hatte der Sultan Said-Bargasch seine Truppen, von einem weißen Offizier geführt, gegen einen nördlichen Stamm gesandt. Auf Marsch und Rückmarsch hatten die Soldaten die friedlichen Dörfer derart ausgeplündert, daß nicht ein Huhn zu kaufen war. Dabei hatten sie gegen den feindlichen Stamm so gut wie Nichts erreicht.
Die Wälder, die wir passirten, bevor wir von der letzten Terrasse zum Meere hinabstiegen, waren in frisches Grün gekleidet, Palmen säumten die Ufer der Bäche ein, und den Spuren nach zu urtheilen war die Gegend wildreich.
Da wir uns dem Meere näherten, trieb mich die Ungeduld schnell vorwärts, und wurde jetzt Vor- und Nachmittags marschirt. Auch die Wangwana drängten. Humba mit zwei Leuten von der Küste sandte ich voraus, um dem deutschen Consul in Zanzibar meine Ankunft anzuzeigen und um Gastfreundschaft zu bitten.
Bei Simba-Ngombe traf ich einen Engländer, Mr. Hore, der im Auftrage einer englischen Mission den Tanganjika besuchen wollte.
Am 14. näherten wir uns dem Rande der äußersten Terrasse, traten aus dem frischen Walde auf eine Wiese, und – »Baharr, Baharr« (das Meer) schallte es von den Lippen meiner Leute, der Söhne Zanzibars, des Sternes des Ostens. Ich blickte auf. Da lag es vor mir, das weite Meer, der indische Ocean, das heißersehnte Ziel zweijähriger Mühen und Sorgen, rastlosen Strebens, der freie Weg nach meinem Vaterlande, meiner Heimath, zu meinen Lieben. Ueberwältigt hielt ich einen Augenblick und vor tiefer Rührung wurden mir die Augen feucht. Das Herz war mir zum Springen voll, und nur mit Gewalt konnte ich das 296 Gefühl des Dankes und der Freude niederkämpfen. Ich fühlte mich schon jetzt zum großen Theil belohnt für alles Schwere. Ernst und still umstanden mich meine Leute, als ob sie mich verständen. Ich mußte ihnen die Hände schütteln, den schwarzen Kindern, die mir trotz aller ihrer Fehler doch an's Herz gewachsen waren. Dann schwang ich mich auf meinen edlen Maskathengst, der mich so lange treulich bis hierher, bis zum Ziel getragen hatte, und sprengte in sausendem Galopp den Abhang hinunter bis zum Dorfe Ndumi, wo wir lagern wollten. Mit heiteren Gesängen folgten meine Leute.
Das hübsche Dorf mit meist in europäischer Bauart ausgeführten Häusern gehört schon zu Mrima, dem schmalen Küstenstriche längs des Oceans, von Suaheli-Negern, Indern, Arabern und Bastarden dieser mit ihren Sklaven ziemlich dicht bewohnt.
Im Sturmschritt ging's am andern Morgen dem Küstenstädtchen Saadani zu, vor dessen Eingang mich der Commandant Bwana-Heri erwartete. Der fein gekleidete, dicke, äußerst wichtig thuende »Wali«, d. i. Bürgermeister, nahm mich bei der Hand und führte mich nach meinem Hause. Mein erster Gang galt indessen dem Meere, und benetzte ich nach der Sitte afrikanischer Völker mir Stirn und Schläfen. Meine Begleiter von Westafrika, die dies an jedem ihnen neuen Flusse thaten, folgten mir und waren über den Geschmack des Salzes, den das Wasser hatte, sehr erstaunt.
Ein feiner, nebelartig sich am Horizont hinziehender Streifen wurde uns gezeigt als Zanzibar, die größte Stadt des Ostens Afrika's, der Punkt der Vermittelung des Handels und Verkehrs zwischen den Eingeborenen Europa's, Asiens und Afrika's.
Saadani besteht hauptsächlich aus den Häuschen kleiner Händler, schlauer Hindu's, die zur Küste kommende Producte aus erster Hand aufkaufen.
Meinen Leuten bot dieser civilisirte Ort so viel lange entbehrte oder neue Genüsse, daß ich den Tag über allein war und am Meeresstrande nach einem mich abholenden Fahrzeuge ausspähte.
Am Abend war ein Dritttheil meiner Wangwana im Ortsgefängniß, denn trotz des guten Willens des Bwana-Heri war ihre Internirung nöthig gewesen, da in schwerer Trunkenheit schon verschiedene Excesse von ihnen verübt waren.
Am 16. nahm ich mir ein arabisches Fahrzeug, schiffte mich mit meinen Leuten ein und verließ gegen Nachmittag den 297 Continent, der sich noch am Abend als dunkler Koloß unseren Blicken darbot. Es war windstill, die Bootsleute ruderten in langsamem Takt, ich dachte zurück und ließ im Geiste noch einmal schnell an mir vorüberziehen, was ich in den letzten Jahren erlebt hatte. Dessen gedenkend, was vor mir lag, die Civilisation mit ihrer Sicherheit für jedes einzelne Individuum, ihren gesellschaftlichen Vorzügen, ihren großen Genüssen, erschien mir das, was ich soeben überwunden hatte, finster und traurig.
Seit Jahrtausenden bekannt, hatte sich der spröde Welttheil gegen äußeren Einfluß gewehrt und war unter dem Druck des Aberglaubens und der Tyrannei, sowie des Rechtes des Stärkeren weit zurückgeblieben. Nur gierige Eindringlinge, die sich auf Kosten des Lebens, der Freiheit und der Arbeit der Bewohner schnell bereichern wollten und durch rücksichtslose Ausbeutung die Küstenländer entvölkerten, die Menschen dort verdarben, hatten noch bis vor Kurzem die armen schwarzen Bewohner gelehrt, im Fremden eine Gefahr für sich zu sehen. Man staunt jetzt über Indifferenz, Trunksucht, Feigheit und Faulheit der Eingeborenen an den Küsten und man verurtheilt ungerechter Weise eine Rasse, die wie keine andere Jahrhunderte hindurch nur geknechtet, ausgebeutet und verdorben wurde. Der einzige Lichtblick, der durch dieses Dunkel leuchtete, war das Bekanntwerden mit dem bis zu unserem Erscheinen unberührten Innern, wohin die von Europäern und Arabern in Afrika eingeführte Sklaverei noch nicht gedrungen war, wo der schädliche Einfluß von den Küsten aus sich noch nicht fühlbar machte. Dort hatten wir noch glückliche Menschen angetroffen, mit Sinn für Gerechtigkeit und Zufriedenheit, aber wie klein war schon dieser Theil des Continents, und wie unablässig drang schon vom Osten aus die Pest Afrika's, der Araber, gegen diese Gegend vor.
Im Westen ist in den letzten Jahren schon viel geschehen, um rationeller und menschlicher zu arbeiten, viel mehr bleibt zu thun noch übrig; vom Osten aber dringt unaufhaltsam, verderbenbringend noch der Araber vor und kräftigt sich von Tag zu Tage auf Kosten der Eingeborenen. Wie lange wird Europa diese Schmach noch mit ansehen, sich verspotten lassen von einigen Individuen! Verbot der Sklaverei, Handelsfreiheit und andere völkerbeglückende Ausdrücke bestehen für diesen Teil des Continents nur auf dem Papier.
298 Was hat die Mission bisher geschaffen? Verschwindend wenig trotz aller Opfer, und was könnten solche Opfer an Geld und Menschenleben ausrichten, wenn man nur sehen wollte, wo der Krebsschaden sitzt, wo zu beginnen ist, und wie es anzufassen ist, daß die Missionen, der Handel und die Cultur, kurz die Civilisation nicht erst für Gegenden beginnt, wenn sie schon verwüstet und entvölkert sind, wenn die Eingeborenen schon decimirt und verderbt sind.
Zu spät ist es schon nach meiner Ueberzeugung für den Bewohner Afrika's, sich selbst überlassen zu werden, nachdem er von dem jetzigen Drucke befreit ist. Um ein nützliches Mitglied der Menschheit zu werden, bedarf er der Vormundschaft Europa's; die socialen Verhältnisse sind schon zu sehr zerrüttet, als daß man annehmen könnte, der Neger könne sich selbst ohne äußere Hilfe geordnete Verhältnisse schaffen. Es ist natürlich, daß diese Vormundschaft sich nicht finden wird ohne entsprechende Entschädigung, ohne daß Europa durch seinen eigenen Vortheil interessirt wird. Es entspricht dies ja auch den Verhältnissen bei uns. Bezahlen nicht auch wir die nöthigen Einrichtungen für ein geordnetes Staatswesen, das uns Schutz gewährt? Aber woher soll der Neger solche Steuer nehmen, nachdem der erste Reichthum des Landes schon tief aus dem Innern hinweggeschleppt ist? Es bleiben nur die durch die Arbeit der Eingeborenen dem reichen Boden abgewonnenen Früchte zur Bezahlung des gewährten Rechtsschutzes, und ist diese Abgabe eine um so natürlichere, als die klimatischen Verhältnisse dem Europäer Feldarbeiten sehr erschweren.
Solche Beobachtungen ergeben nur immer diesen einen Ausweg: Man muß gewissermaßen den Eingeborenen zwingen zu seinem späteren Glück. Dies kann nur geschehen durch Zwang zur Arbeit, wie es in anderen Continenten mit Erfolg geschah, ohne daß dabei die persönliche Freiheit des Individuums beeinträchtigt ward. Die Arbeit aber soll dem Neger nicht nur die Mittel geben zur Unterhaltung der für sein späteres Wohlergehen nöthigen Vormundschaft Europa's, sondern soll gleichzeitig ein Mittel sein der Erziehung, der Erhebung aus dem zum großen Theil unverschuldeten jetzigen tiefen Standpunkte. Das wird naturgemäß nur so lange dauern, bis der Eingeborene den Standpunkt erreicht hat, auf dem er einer Vormundschaft nicht mehr bedarf.
299 Daß der Bewohner Afrika's bedeutend größere Widerstandsfähigkeit besitzt, als z. B. die dem Untergange geweihte Indianerrasse, ist unbestreitbar. Daß derselbe aber auch die Fähigkeit besitzt, vorläufig noch in beschränkten Grenzen ein förderndes Mitglied der Civilisation zu werden, zeigen die sogar in einem fremden Klima sich entwickelnden Angehörigen der Rasse in Amerika. Ebenso ist jedem Kenner des Negers wohlbekannt, daß ein gewisser Zwang jetzt noch bestehen muß, bis Gewohnheit und Erfahrung von Generation zu Generation sich so weit eingelebt haben, daß wir ihn als uns gleichstehendes Mitglied der Menschheit ansehen können.
Der erste Schritt zu diesem schönen Ziele ist die Vernichtung der Vernichter und Verderber der afrikanischen Rasse, der sich von Tag zu Tag stärkenden Freibeuter, der Araber. Die freche Nichtachtung der einfachsten Völkergesetze scheint das sonst den Weltball überwachende Europa hier nicht zu alteriren. Rücksichtslose Verhinderung jeder Concurrenz durch Europäer, sogar innerhalb der seit Kurzem gezogenen internationalen Grenzen des Freihandels, wird übersehen.
Ein portugiesischer Händler wurde vor einigen Jahren erschossen, als er sich dem Handelsbereiche der Araber zu nähern wagte, ein deutscher Kaufmann wurde unweit der Küste im Jahre 1886 meuchlerisch ermordet, französische Händler mit dem Tode bedroht, wenn sie die Concurrenz fortzusetzen wagten, eine Station des neuen Kongostaates und eine schottische Niederlassung am Nyassa angegriffen und zerstört, weil sie sich der wie wilde Thiere gejagten Eingeborenen annahmen. Der Commandant eines englischen Kriegsschiffes fiel vor nicht langer Zeit unter den Schwertern arabischer Sklavenhändler an der Küste. Am Tanganjika und Nyassa passiren täglich Hunderte von Sklaven dicht bei Missionsstationen, und bei alledem besteht noch eine fortwährende Einwanderung von Arabern und Beludschen in das Eldorado für Raub und Sklavenjagd. Ungehindert werden Tausende von Pfunden von Pulver eingeführt, und dafür Elfenbein, an dem entsetzlich viel Blut und Elend klebt, ausgeführt.
Was haben bis zum heutigen Tage Erforschungsreisen zur Eröffnung Afrika's für civilisatorische und humane Zwecke erreicht? Sie haben zum großen Theile den Arabern in die Hand gearbeitet, ohne es zu wollen, denn sie konnten nicht verhindern, daß von ihnen eröffnete Gebiete auch den Arabern als neue reiche Länder 300 zum Raub und Verwüsten geöffnet wurden. So lange Europa nicht stark genug ist, um das, was es durch Erforschungsreisen einleitet, zu verfolgen, kann der Erforscher nicht mit Befriedigung auf seine Arbeit, die mehr zum Nachtheil, als zum Gedeihen der schwarzen Rasse ausfällt, zurückblicken. Man schreckt vielfach vor großen Mitteln zurück, ohne sich jedoch darüber klar zu sein, daß, wenn man die Opfer, die schon seit Jahrzehnten der Mission in Afrika gebracht sind, auf die brennendsten Punkte concentriren und in einheitlicher Leitung zusammenfassen würde, auf einen Schlag mehr zur Eröffnung Afrika's gethan werden würde, als in der Weise bisher in Jahrzehnten, ja vielleicht Jahrhunderten gethan worden ist. Und von Tag zu Tag wachsen die Schwierigkeiten, stärkt sich der Araber!!!
Am 16. waren wir vom Continente abgestoßen, und erst am 18. des Mittags kam Zanzibar in Sicht. Wir hatten mit der schweren Dauw bei absoluter Windstille fortwährend rudern müssen und, noch zu guterletzt auf solch' lange Ueberfahrt nicht vorbereitet, eine tüchtige Hunger- und Durstcur durchgemacht. Jetzt füllte eine frische Brise unsere Segel, und im schnellen Lauf näherten wir uns dem Ziele. Wir liefen zwischen einem englischen und einem französischen Kriegsschiffe hindurch, deren Mannschaften erstaunt nach unserer Dauw, auf der zum letzten Male heut die deutsche Flagge, die von der Westküste bis hierher der Expedition stets vorangeweht hatte, gehißt war, sahen. Am Bollwerk erwartete uns Humba und feuerte die letzten drei Patronen zum Salut ab. Zwei deutsche Herren schüttelten mir die Hand und führten mich in ein palastartiges Gebäude der Firma O'Swald in Hamburg. Mit Hilfe der Garderobe des Herrn W. O'Swald, der mich herzlich willkommen hieß, und unter der Scheere und dem Messer eines indischen Barbiers war ich bald wieder Europäer und saß mit meinen Landsleuten beim vergnügten Mahle, das erste Glas auf's Wohl unseres allergnädigsten Kaisers leerend.
Am nächsten Tage lohnte ich meine Träger ab. Der belgische Capitain Cambier, der 200 Wangwana von hier zum Dienste nach dem Kongo führte, bot mir freundlichst an, meine Begleiter von der Westküste mitzunehmen und ihre Weitersendung von der Kongomündung nach Loanda und Malanʒe zu veranlassen. Einer der drei treuen Begleiter, Kawuansa, war körperlich und geistig völlig erschöpft und ging sehr krank an Bord. Humba ward seinen 301 Diensten angemessen besonders belohnt, und Joaquim war der Erste, den ich im Jahre 1883, als ich zu meiner zweiten Reise nach Loanda kam, in meine Dienste nahm. Auch Humba schloß sich mir später wieder an und leistete mir noch manchen guten Dienst. Dem alten Kawuansa gab ich später, auf einer von mir in Centralafrika gegründeten Station, einen Ruheposten.
Nur der Mukussuknabe Sankurru begleitete mich nach Deutschland, während der kleine Pitti es vorzog, unter Humba's Schutz in seine Heimath zurückzukehren.
Der Gesundheitszustand während der ganzen Reise war ein verhältnißmäßig vorzüglicher gewesen. War ich auch sehr abgemagert, und hauptsächlich wegen stets gleichmäßiger Nahrung etwas geschwächt, so erreichte ich doch mein Ziel völlig gesund. Seit dem Tanganjika hatte ich nicht das geringste Unwohlsein zu verzeichnen, obgleich ich nur Chinin nahm nach außergewöhnlichen Erregungen oder Anstrengungen. Pogge, dessen kleine Fieberanfälle in Westafrika meist Folgen der großen Schwächung gewesen waren, die in Verbindung mit der Vereiterung des Kinnbackens eingetreten waren, war zu der Zeit unserer Trennung, wenn auch sehr gealtert, so doch gesund, abgesehen von einem Husten, den ich schon bei ihm in Europa wahrgenommen hatte.
Unsere Leute hatten hauptsächlich an Fußkrankheiten und kleinen Fiebern zu leiden gehabt, während die Baschilange, die uns bis Nyangwe begleitet hatten, in Folge der ungewohnten Anstrengungen und des übertriebenen Hanfrauchens vielfach an den Lungen erkrankt waren. Unsere Verluste beliefen sich auf acht Menschen. Drei Baschilange waren an Lungenentzündung gestorben, ein Träger an Brandwunden, einer wurde vom Leoparden zerfleischt. Als ich nach Osten allein weiter marschirte, war noch ein schwer kranker Träger von Hyänen zerrissen worden, und zwei an den Pocken gestorben.
Außerdem war in Uha ein Weib geraubt worden.
Mit den für das Jahr 1880–81 bewilligten 20 000 Mark waren wir bis Nyangwe gekommen. Weitere 10 000 Mark hatte ich in Zanzibar für auf dem Wege vom Lualaba bis zur Küste aufgenommene Waaren nöthig, und war somit die Reise durch den Continent, einschließlich der Vorbereitungen in Europa und der Reise von der Heimath bis zur Ostküste mit 30 000 Mark bestritten. Dabei hatten wir auf längere Strecken eine 200 Menschen 302 zählende Karawane, von der Westküste waren wir mit 100 Leuten abgegangen.
Diese kurze Rechnung erzählt dem Kenner der Verhältnisse lebhafter die Entbehrungen und Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen hatten, als ich dies zu beschreiben im Stande bin, besonders wenn er in Betracht zieht, daß wir auf uns selbst angewiesen waren und uns nicht großen Handelskarawanen anschließen konnten.
Der Continent war südlich des Aequators zwischen den beiden bekannten Durchquerungen Stanley's und Cameron's zum ersten Male von Westen nach Osten durchreist. Es war die Ansicht, die sich im Laufe der letzten zehn Jahre gebildet hatte, daß vom Westen aus nicht weit in's Innere vorzudringen sei, hiermit widerlegt.
Die Reise vom Kassai bis Nyangwe war überhaupt die zweite durch bisher noch von Einflüssen der Civilisation ganz unberührt gebliebene Völker, und die erste unter solchen Umständen zu Lande ausgeführte, da nur Stanley vorher, zu Wasser dem Kongo folgend, die Länder nördlich von unserer Route berührt hatte. Die südlich der von uns betretenen Breiten gelegenen Länder sind von Handelsstraßen durchzogen, auf denen sich der Araber vom Osten mit dem schwarzen Händler von der Westküste begegnet.
Den besprochenen jungfräulichen Landstrich hatten wir erstaunlich bevölkert angetroffen, und da wir die Flußläufe kreuzten und nicht einem Thale, das als besonders fruchtbar sehr bevölkert hätte sein können, folgten, war anzunehmen, daß auch die anderen unberührten, klimatisch sehr begünstigten Landstriche Centralafrika's reich und dicht bewohnt sein würden.
Es waren diese Landstriche gerade diejenigen, die uns zum Vortheile der einheimischen Rasse lehrten, wie der Neger sich entwickelt, wenn nicht äußere Einflüsse störend eingreifen.
Die von dorther mitgebrachten Sammlungen sind hierfür Belege.
Von ganz besonderem Werthe war das Auffinden eines Stammes geworden, der Baschilange, die uns zum Theil unseren Erfolg ermöglichten, die bald darauf unter meiner Führung das südliche Flußgebiet des Kongo entdecken halfen, und später abermals mit mir in die noch unbekannten nördlichen Gebiete eindrangen. 303 Viel verdankt schon jetzt die Erforschung Afrika's diesem Volke, das bei richtiger Leitung der Civilisation noch manche Dienste leisten wird.
Von rein geographischem Interesse war die Aufklärung des im centralen Westafrika supponirten Sees gewesen, sowie das Auffinden des bisher nur durch Erkundigung genannten Flusses Lubilasch oder Sankurru.
Die Reise war die erste deutsche Durchquerung des Continents gewesen, die deutsche Flagge, unter deren Führung dies gelungen war, ruht jetzt im Königl. Museum für Völkerkunde bei den Sammlungen aus jenen Völkern, die sie durchzogen hat.
Die kurze Zeit in Zanzibar verging mit Ausflügen in die prächtige Umgegend und Segeltouren in Gesellschaft meiner liebenswürdigen Landsleute.
Der Sultan Said-Bargasch empfing mich und bedauerte, daß ich nicht Gold oder Silber, ja nicht einmal Kohlen gefunden habe. Augenscheinlich machte sich Seine Hoheit keinen Begriff von der Ausdehnung der Länder, die von seinen Untergebenen bereist und verwüstet werden, und war das Interesse desselben ein rein kaufmännisches.
Am 14. verließ ich die Insel und das gastliche Haus O'Swald's, erreichte am 31. December des Jahres 1883 Suez, wo ich die Neujahrsnacht beim dortigen deutschen Consul feierte, und blieb dann einige Zeit in Kairo, da eine zu schnelle Rückkehr in den deutschen Winter nicht rathsam erschien.
304 Die interessantesten Stunden hier verlebte ich in Gesellschaft meines berühmten Collegen, des Herrn Professor Schweinfurth, dessen reiche Erfahrungen mir manchen Aufschluß gaben.
Im Februar hatte ich die Ehre, Seine Königliche Hoheit, den Prinzen Friedrich Karl von Preußen zu treffen und eine Reise nach dem Sinaigebirge und durch Arabia peträa in seiner Begleitung machen zu dürfen.
Durch das schöne Italien reiste ich dann der Heimath zu, erreichte Anfangs April mein Vaterland und legte am 28. April in Berlin der Afrikanischen Gesellschaft Rechenschaft ab über die Ausführung des mir vor 3 Jahren gewordenen Auftrags.
Von Pogge waren einige Berichte eingelaufen, jedoch nur von der Zeit, in der wir noch zusammen arbeiteten. Wunderbarer Weise sollte ich der erste Landsmann sein, der ihn 6 Monate später in Westafrika wieder traf. Ueber das Wiedersehen und den zu unserer tiefsten Trauer bald darauf erfolgenden Tod meines langjährigen, mir wie ein Bruder an's Herz gewachsenen Reisegefährten berichtet die schon erschienene Reisebeschreibung »Im Innern Afrika's«, die auch die auf den hier beschriebenen Erfolg fußende Fortsetzung des vorliegenden Werkes ist.