Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Am Ufer des Luembe.

Viertes Kapitel.
Bis Lubuku.

Zunächst waren die zu dem Kilolo-Kahongulo gehörigen Aqua-Lunda noch sehr mit Kioque vermischt, und nur die rauhe Lundasprache lehrte uns, daß wir ein anderes Gebiet betreten hatten. Die neuesten Nachrichten im Lundareiche waren die Hinrichtung Mussemvo's und der Tod des Mai-Kiluata, der, nachdem er den Mai-Munene am Kassai getödtet und die Herrschaft an sich gerissen hatte, gestorben war, beides Häuptlinge, die Schütt vor einigen Jahren zur Umkehr zwangen und deren Ende man nun Schütt's Zauberkraft zuschrieb. Ein anderer mächtiger Kilolo, Moan-Sansa, war auf den Wunsch des Muata-Jamvo von dem Kioque-Fürsten Kissenge bekriegt und hingerichtet worden. Alle großen Kilolo des Lundareiches zitterten, und diese Begebnisse trugen wohl dazu bei, 54 daß uns die Aqua-Lunda keine bedeutenden Schwierigkeiten in den Weg legten, während bisher die sogenannte Lundasperre allen Unternehmungen von der Westküste aus ein Ziel gesetzt hatte.

Wir hielten uns von jetzt ab immer dicht am Tschikapa, der zu einer Breite von 65 m bei 3,5 m Tiefe angewachsen war und voll von Steinen, Stromschnellen und Bänken seine gelben Wasser nach Norden wälzte. Es hatte unterdessen schon die Regenzeit mit einigen tüchtigen Güssen eingesetzt. Wir hatten täglich 6–8 bis 60 m tiefe Schluchten zu passiren, und wurden nun die steilen Hänge noch so von starkem Regen aufgeweicht, daß unsere sehr ermüdeten Träger unserem Wunsche, die drohende Nähe des Häuptlings Kahongulo schnell zu überwinden, nicht willfahren konnten.

Bei Gelegenheit der Beobachtung ganz außergewöhnlich vieler Sternschnuppen entdeckte ich, daß die Kioque denselben Aberglauben haben, den man auch bei uns in Deutschland findet; wenn man beim Beobachten eines solchen Phänomens sich etwas wünsche, so gehe dies ganz sicher in Erfüllung. So wünschen die Kioque in solchem Falle stets den Untergang ihrer Feinde, und man vertraut viel auf die Sicherheit der Erfüllung.

Am 16. erhielt die Tête der Karawane Feuer aus einem kleinen Dörfchen, jedoch nur in der angenehmen Form einiger Feuerbrände, die man uns in der freundlichen Absicht überreichte, uns das Anzünden unserer Lagerfeuer, was anderenfalls hätte mittelst Zunders und Stein geschehen müssen, zu erleichtern.

Das Dorf der Ginambansa (d. i. die in Regierungsangelegenheiten eine Stimme habende Mutter eines Kilolo) Kahongulo's erreichten wir am 17. und machten nördlich von dem Dorfe Lager. Der Reisende soll immer, wenn irgend angängig, auf der seinem Ziele zuliegenden Seite eines Dorfes oder Flusses lagern, um im Falle eines Aufenthaltsversuches seine Marschrichtung offen zu haben.

Ein Kaquata Muata-Jamvo's, der von Kahongulo Tribut holen sollte, war hier anwesend. Zunächst sandten wir der Ginambansa 30 kleine Stückchen Tabak, ein Vorgeschenk, das überall in Lunda Sitte ist. Man sagt, daß von dem Genusse des Tabaks die Person befriedigt und für weitere Verhandlungen zugänglicher werde. Dann ging ich mit Germano zu der Häuptlingin, um ihr für das von ihr gesandte fette Schaf ein Gegengeschenk zu bringen. Ich trat in ein eingezäuntes Rechteck, in dem 2 große, nach Minungostyl gebaute Hütten standen. Vor ihnen befand sich eine von 55 Jagdtrophäen, bestehend aus den Schädeln von Büffeln, Elefanten, Flußpferden und verschiedenen Antilopen, gebildete Pyramide. Ein unförmlich fettes, wohl 50 Jahre altes Weib mit mächtigem Kropf und Gesichtszucken, im Halbkreise von einigen alten Männern umsessen, empfing mich, mit den gewaltigen Fettarmen mir hoheitsvoll zum Niedersetzen winkend. Nach vielen Reden über Ziel und Zweck unserer Reise, die sie oft durch mit kreischender Stimme den Sklaven zugerufene Befehle unterbrach, wohl um zu zeigen, daß mein Erscheinen ihrer Hoheit keineswegs einen tiefen Eindruck mache, begann das Feilschen um Geschenke. Zunächst erhielt sie 2 Ellen rothen Flanells, 6 desgl. bunten Kattuns und eine Kette böhmischer Glasperlen. Da dies doch wohl nur ein Vorgeschenk sei, meinte sie, wolle sie morgen die mit ihrem Sohne Kahongulo zu theilenden wirklichen Geschenke abholen kommen. Ich ließ ihr sagen, daß wir morgen weiter reisen würden, da mein Vater, für den man Pogge immer hielt, krank sei und wir nie längere Zeit in demselben Orte blieben, wo wir erkrankten.

Jetzt kam die lange schon erwartete Erklärung, daß wir nicht weiter dürften, da wir wüßten, daß Muata-Jamvo dem Kilolo den Kopf nähme, der einen Weißen passiren lasse, statt ihn nach der Mussumba zu dirigiren; ich wüßte wohl, wie es Schütt und Anderen ergangen sei. Jedenfalls müßten wir auf die Ankunft des benachbarten Kahongulo warten. Ich sagte ihr, daß mein Vater ein Freund Muata-Jamvo's sei, und wir schon von Kimbundu aus Geschenke an ihn gesandt hätten, um unseren Durchzug durch sein Gebiet zu erkaufen, und sei daher uns gegenüber jede Drohung nichtig. Nun begann ein weiteres Fordern; ein Gewehr, ein Faß Pulver, viele Perlen, Tassen, Teller, Messer &c. waren durchaus nöthig. Etwas Pulver sagte ich zu, alle übrigen Bitten schnitt ich mit einem energischen »boát« (Nein) ab, da ich sah, daß hier ein ernstlicher Widerstand kaum zu fürchten war. Wir sandten vom Lager das versprochene Pulver, erhielten dasselbe aber zurück und wurden aufgefordert, an Stelle dessen weitere 2 Ellen rothen Flanells zu senden. Auch dies ward nicht angenommen, da es schon zu spät sei, Geschenke zu empfangen.

Die ganze Nacht hindurch waren Kalundaweiber, die bei allen anderen Stämmen im Rufe etwas laxer Sittlichkeit stehen, nicht aus dem Lager zu entfernen.

Am nächsten Morgen waren wir schon mit dem ersten 56 Tageslichte munter, und ritt ich mit der Tête der Karawane ab. Pogge erhielt die versprochenen 2 Ellen Flanells abermals zurück und mußte noch einige Kleinigkeiten zufügen, um dann die immer noch Unzufriedene ihren Betrachtungen über den Geiz der Weißen zu überlassen.

Das Gefühl der Zufriedenheit, wieder ein Hinderniß überwunden zu haben, wurde bald durch neue Sorge gestört, diesmal von Seiten unserer eigenen Leute. Wieder die stets zuerst die Initiative ergreifenden Ʒinga begannen mit Murren und unrechtmäßigen Forderungen; schon mehrfach hatten ihre Lieder die große Entfernung unseres Reiseziels zum Stoff. Jetzt wurden Aeußerungen laut, daß wir sie betrogen hätten, daß die Bezahlung für solche große Reise zu gering sei, und daß wir noch einmal zahlen müßten. Hatten sie auch in gewisser Beziehung recht, denn wir selbst waren über die Länge der Reise bis Lubuku, die wir erst jetzt einigermaßen zu übersehen im Stande waren, getäuscht worden, so hieße es doch unseren weiteren Erfolg auf's Spiel setzen, wenn wir den Forderungen nachgegeben hätten, denn einmal wäre der Waarenverlust zu groß gewesen, und dann hätten unsere Leute auch einer gegen uns durchgesetzten Forderung bald andere folgen lassen.

Immer dicht am Tschikapa entlang ging der Marsch wie über ein von einem 60 m einschneidenden Riesenpfluge aufgerissenes Terrain, so dicht folgten sich die durch den Laterit bis auf die Sandsteinlage tief eingeschnittenen Bäche. Von höheren Stellen übersahen wir weit nach Osten das Thal des Flusses, da lag, wohl 100 m sich über das Niveau der Terrainwellen erhebend, in fast viereckiger Form der Berg Kambuankale, der unserem Auge die Residenz des verstorbenen Mai-Kiluata, Schütt's nördlichsten Punkt, entzog. Wir drangen jetzt in Breiten, die nur einmal von einem portugiesischen Händler, Silva Porto, erreicht waren.

Am 22. überschritten wir die Grenze des Gebiets eines anderen mächtigen Kilolo des Muata-Jamvo, Muata-Kumbana. Waren bisher die Aqua-Lunda so kioquisirt, daß nichts Charakteristisches an ihnen auffiel, so begannen jetzt dieselben mehr Stammeseigenthümlichkeit zu zeigen. Meist große, kräftige Gestalten, von auffallend dunkler Färbung, trugen sie das Haar chignonartig am Hinterkopfe zusammengebunden, während ringsum der Schädel mit einem, einem Miniaturspaten ähnlichen Instrument rasirt war. Die Kleidung 57 bestand nur aus zwei kleinen Häuten, die vorn und hinten im Gürtel angebracht waren; auch sahen wir mehrfach Rindenzeug, und viele Weiber bedeckten sich nur nothdürftig mit kleinen Büscheln Laubes. Die Bogen, Pfeile und Messer waren von liederlicher Arbeit. Die Hütten hatten noch die Form wie in Kioque und Minungo, waren aber nachlässig gebaut und schmutzig. Das Bett aus gespaltenen Palmenstengeln, mit einer Haut bedeckt, nahm die Hälfte der Hütte ein. Ein Holzmörser zum Stampfen des Manioks und einige Töpfe vervollständigten die Einrichtung. Ueberall fiel es auf, wie indifferent und faul diese Aqua-Lunda sind. Zu kaufen war nur wenig, und dann nur roher Maniok, so daß unsere Leute gezwungen waren, sich ihr Mahl selber herzustellen, weshalb sie immer einige, die Last beschwerende, Maniokwurzeln mit sich tragen mußten.

Das Gebiet Muata-Kumbana's ist sehr dünn bevölkert. Obgleich die Leute hier weder Jäger noch Fischer sind, stehen sie doch allgemein im Rufe guter Krieger. Ihr ganzer Standpunkt hängt wohl mit der seit vielen Jahren betriebenen schlechten Wirthschaft der Regierung der Lundakönige zusammen. Der Lundamann ist keinen Augenblick davor sicher, mit Weib und Kind verkauft zu werden, wenn sein Herrscher es verlangt. Das Hauptcontingent der von Angola ausgeführten Sklaven stellte Lunda. Es kommen dazu fortwährende Fehden der Kilolo unter sich, Absetzung und Hinrichtung auf Befehl des Muata-Jamvo, eigenmächtige Erpressungen von jedem Großen oder Gesandten von der Mussumba, um den Stumpfsinn und die Gleichgiltigkeit des so schönen Menschenschlages zu erklären.

Die Beschreibung der ersten Reise Pogge's »Im Reiche des Muata-Jamvo« behandelt ausführlich das Lundareich.

Des Morgens sahen wir weit im Osten mächtige weiße, langgestreckte Wolken, parallellaufend von Süd nach Nord; es waren die Dunstwolken, welche dem Laufe des Luatschimo, in der Lundasprache Ruatschim, und des Luembe, bezüglich Ruemb genannt, folgen, die ihre Wasser dem Kassai zuführen. Die Galleriewälder in den Schluchten wurden dichter, ja stiegen so weit auf das Plateau hinauf, daß sie sich mit dem des nächsten Baches zu einem zusammenhängenden Urwalde verbanden. Wir trafen die ersten Ananas und beobachteten zum ersten Male zahlreiche Züge des grauen Papageien. In der Nacht des 22. schallten die noch nicht 58 gehörten mächtigen, Menschen und Thiere zu gespanntem Lauschen bewegenden Töne des Löwen aus nicht allzu großer Entfernung zu uns herüber und veranlaßten unsere Leute, ihr Feuer zu hellem Aufflackern anzufachen. Am nächsten Morgen brachten unsere Kioqueleute eine halbe Pferdeantilope, den Rest des nächtlichen Schmauses des Herrn der Wildniß, und luden sich bei jenem mit großem Appetit zu Gaste.

Beim Dorfe Schambana's, wo wir wieder ein schon fertiges Lager der vor uns wandernden Biannos mit Beschlag belegten und unsere Kioque ohne Lasten als erste Ankömmlinge, wie stets, die besten Hütten occupirten, kam es zwischen jenen und unseren über diese Uebervortheilung erzürnten Träger zu einer heftigen Schlägerei. Schon hatten die Erbosten Beile, ja Gewehre zur Hand genommen, als ich mit meinem Reitstier in vollem Laufe zwischen die streitenden Parteien ritt, sie trennte und zunächst die Kioque aus dem Lager jagte. Es wurden von nun an stets die Hütten gleichmäßig vertheilt.

Der Reisende, der eine alte Hütte benutzen will, lasse vorher das zum Decken angewandte Gras durch neues ersetzen, oder wenigstens mit Stöcken ausklopfen, da sich allerlei Ungeziefer einnistet, besonders werden Schlangen von den Ueberreste suchenden Ratten angezogen.

Schambana, ein Bruder Muata-Kumbana's, hatte vor einem Jahre den später hingerichteten Musemvo gegen seinen Bruder zu Hilfe gerufen, um sich der Herrschaft zu bemächtigen; Beide wurden geschlagen und das Gebiet Schambana's verwüstet, so daß auch wir noch durch bitteren Mangel an Lebensmitteln an den Folgen zu tragen hatten. Schambana war dann mit einem Geschenk von 20 Mädchen zu Muata-Jamvo gezogen, um bei diesem die Absetzung Kumbana's zu seinen Gunsten durchzusetzen. Für uns hatte dies Ergebniß das Angenehme, daß Niemand da war, um uns aufzuhalten oder zu erpressen.

Unsere Kioque hatten ein Milongo (Rechtsstreit) mit den Aqua-Lunda, da einer derselben seine Mohamba (Tragekorb) auf das Grab eines Häuptlings gesetzt hatte.

Von einigen unserer Leute wurde ich zum Tschikapa geholt, wo ich zum ersten Male eine Familie von sechs Flußpferden sah. Die mächtigen, stumpfsinnigen Kolosse geriethen beim ersten Schusse in große Aufregung. Gewaltige, wie aus einer tiefen Tonne 59 tönende Baßlaute, das Wasser hoch aufspritzen machende Lançaden und Purzelbäume zeigten, daß sie schon wußten, was mit dem Knall des Gewehres verbunden sei. Ein mächtiges Thier von schiefergrauer Farbe und mit fleischrothen Flecken über den Augen und am Maul, das sich mit ärgerlichem Brüllen näherte, schoß ich zwischen die Augen. Es verschwand sofort, erschien noch zwei Mal mit den Vorderbeinen schlagend über Wasser und blieb dann verschwunden, während die anderen, stromabwärts treibend, sich unseren Blicken entzogen. Die Eingeborenen behaupteten, daß das Thier tödtlich getroffen sei. Da jedoch die Dunkelheit einbrach, bevor es wieder an der Oberfläche erscheinen konnte, mußte ich für heute die Beute verloren geben.

Unter den mächtigen Halden des Urwaldes, an einer zur Anlegung von Pflanzungen ausgerotteten Stelle lagerten wir am 25. So angenehm dem Europäer Schatten ist, so ungern bleiben Neger an solchen Orten über Nacht, die Feuchtigkeit und Kälte scheuend. Es goß jetzt mit großer Regelmäßigkeit zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags in Strömen bei ganz gewaltigen elektrischen Entladungen. Ein Gefühl der Furcht, wie oft in Europa, beim Leuchten des Blitzes und Grollen des Donners kennt der Sohn der Wildniß nicht; er fürchtet nur den Regen, und es scheint, daß das Frostgefühl dem vom Regen Triefenden geradezu schmerzhaft ist.

Ungenügende Nahrung in den Hungergegenden Lunda's, furchtbar beschwerliche Märsche in dem tiefgefurchten Thale des Tschikapa, Aussicht auf noch große Entfernung unseres Zieles ließen die Unzufriedenheit unserer Leute immer mehr anwachsen. Des Abends wurden Reden gehalten und Nachzahlung verlangt, gedroht, die Last nicht wieder aufzunehmen, in frecher Weise uns absichtliche Täuschung vorgeworfen und endlich, wild erregt, blinde Schüsse abgefeuert und Kriegstänze aufgeführt. Da wir aus Mangel an Waaren gezwungen waren, es bis auf's Aeußerste ankommen zu lassen, übersahen wir, äußerlich ganz ruhig, unsere Pfeifen rauchend, jedoch stets bereit, wenn nöthig, einzuschreiten, vollständig die Aufregung der Leute, die sich dann auch an unserer unbesorgten Gleichgiltigkeit abkühlte und brach.

Für mich war das tägliche Bad, das ich Abends regelmäßig nahm, die genußreiche Erholungszeit von der Unruhe des Tages. Tief unten in der Schlucht, die zu beiden Seiten von mächtigen 60 Urwaldriesen tief beschattet ist, rinnt über weißen Sand, Kies oder röthlichen Sandstein mit glatten, wannenartigen Vertiefungen der krystallklare und in ewigem Schatten kühle Bach. Mag es oben stürmen und toben, hier unten ist es still, wie in einem Zimmer; nur ein Falter gaukelt in dem angenehm gedämpften Licht und läßt sich auf den feuchten Sand des Ufers nieder, oder ein geschäftiger Käfer summt durch die tiefe Ruhe. Welch' erquickender, nervenberuhigender Aufenthalt hier unten in dieser fast heiligen Stille gegenüber dem rohen, lauten Treiben im Lager, wo stets der Geist in Spannung ist, die Aufmerksamkeit an unerquickliche Laute oder Bilder gefesselt wird!

Die Träger mußten, um wenigstens das zum Leben Nothwendigste einzukaufen, nach weit entlegenen Dörfern gehen. Bei dieser Gelegenheit wurden Pilze gefunden, deren Dach bis zu 35 cm im Durchmesser war, und welche ein äußerst wohlschmeckendes Gericht abgaben.

Auf den zwischen den Bachschluchten stehen gebliebenen Plateauresten bedeckt eine starke Humusschicht den rothen Laterit. Die Flora nimmt ein immer üppigeres Aussehen an, die Oelpalme, Elaëis guineensis, tritt auf, und im Urwalde der durch seine mächtigen, wandartig vorstehenden Wurzelansätze auffallende Eriodendron, Baumwollbaum. Die Schlinggewächse werden dichter und umfangreicher. Nashornvögel, in prächtigen Farben schillernde Helmvögel und Papageien beleben den Wald; bei ersterem frappirt das mächtige Rauschen seines Gefieders. Der Corythaix unterbricht die Stille durch sein weit tönendes Rokokokokok, und Trupps von Papageien pfeifen und kreischen ununterbrochen bei ihrem schwerfälligen Fluge.

Endlich verlassen wir das ungastliche Lundaland und betreten das Gebiet der westlichsten Angehörigen des mächtigen Balubastammes, die hier, das nur im Westen gebräuchliche Pluralpräfix Tu anwendend, sich Tuluba und auch als Untergebene des Mai-Munene Bena-Mai nennen. In die wunderbarsten Formen von Chignons, Zöpfen, Puffen und Rosetten ist das Haar dieser mittelgroßen, lebhaften, nichts weniger als scheuen, ja sogar zuthunlichen Leute gezwängt. Bei einigen bemerkt man spitz gefeilte Zähne; Kupferringe schmücken die Arme und ein hellgelber, selbstgewirkter Stoff aus dem Baste des Blattes der Mabondopalme, Raphia vinifera, Mabele genannt, bedeckt ihre Blößen.

61 Da die Dörfer vom Wege abseits lagen, konnten wir nicht sehen, wie sich die Leute einrichten und wie sie bauen.

Der Oberhäuptling Mai-Munene wohnt bei den mächtigen Wasserfällen Mbimbi-Mukasch und Mbimbi-Mulume (Fall Mann und Fall Frau) am linken Ufer des Kassai dicht oberhalb der Mündung des Tschikapa und ist der äußerste tributäre Kilolo Muata-Jamvo's nach Norden zu.

Ein Dorfhäuptling brachte uns ein Schaf zum Geschenk; frappant war die Lebhaftigkeit, die sich während seiner langen Rede kund gab. Jedes Glied des Körpers, jede Muskel begleitete die ausdrucksvollen Worte. Die Gesticulationen waren nicht ohne Grazie, da sie immer in gewissen Grenzen blieben. Je nach Bedürfniß war er vollendet tief tragisch, hoch komisch oder imposant. Wir verstanden fast Alles, was er sagte, ohne Dolmetscher.

Am 29. entstand ein blinder Kriegslärm im Lager. Ein Träger war im Dorfe unseres Pantomimen gewesen, als plötzlich mit Gewehrfeuer Krieger über dasselbe herfielen. Der Mann entfloh und kam im Lager an, in dem Glauben, der Angriff gelte uns. Alles verlangte Munition, da immer noch Schüsse und Geschrei zu uns herübertönten. Da Nichts sich unserem Lager näherte, ging ich mit einigen Leuten aus, um den Grund des Lärms zu erforschen. Schwarze Rauchwolken schlugen empor, da, wo eben noch das kleine Dörfchen aus dem hellen Grün der Bananen friedlich hervorgesehen hatte. Die Räuber, die die Niederlassung überfallen hatten, hieß es, wären vom Mai-Munene gesandt und waren schon mit Weibern, Kindern und den Ziegen, dem einzigen Reichthum der Bewohner, auf und davon. Nicht 10 Minuten hatte es gedauert, eine Wohnstätte glücklicher Familien in einen Aschenhaufen zu verwandeln, die Schwachen in die Sklaverei zu schleppen und die Männer, die zu feige oder auch vielleicht zu schwach waren, die Ihrigen und ihr Gut zu schützen, als Obdachlose wie wilde Thiere in die Wildniß zu verjagen.

Schon am 30. änderte sich abermals die Stammesangehörigkeit der Eingeborenen. Wir betraten das Land der Tupende. Noch vor 60 Jahren saß dieses Volk im Thale des Quango, dem jetzigen Kassanʒe, dem Lande der Bangala. Als sie von dort durch einbrechende Lundahorden vertrieben wurden, wanderten sie nach Nordosten und fanden das linke Ufer des Kassai reich und unbewohnt, obgleich Mai-Munene Anspruch auf den Besitz desselben 62 und daher auch auf den seit jener Zeit regelmäßig gezahlten Tribut erhob. Mit einem in viele Falten gelegten, 0,7 m breiten und 2 bis 10 m langen Stück Mabelezeuges, das mit geschabtem Rothholz gekocht und dadurch roth gefärbt wird, bekleiden sich die Tupende. In einem großen Rahmen wird aus den Fasern der Mabondopalme vermittelst einer hölzernen Nadel, die das Webeschiffchen vertritt, der Stoff verfertigt. Der Haarwuchs wird nicht in künstliche Formen gezwängt, sondern mit durch eiserne Nadeln befestigten Häuten von kleinen Wild- oder Zibethkatzen bedeckt; auch finden vielfach bunte Federn Anwendung. Kupfer- und Messingringe und eine Perle von der Größe eines Taubeneies (roncalia), sowie rothgefärbte Kaurimuscheln sind der beliebteste Schmuck. Die Pfeile werden in einem Köcher von Antilopenhaut getragen, der Bogen ist stark und von gutem Holz. Gewehre sind selten, eine starke Wurfkeule ist dagegen allgemein. Die Männer sind von großer, sehniger Gestalt mit verschmitztem, frechem Gesichtsausdruck. Sie sind wild, unstät, bettlerisch, diebisch, feige und sehr dem Trunke ergeben, da ihnen der Reichthum an Palmen mit wenig Mühe große Quantitäten Wein spendet. Die Weiber sind auffallend klein, wohlgebaut und mit angenehmen Zügen. Sie sind nur mit einem schmalen Läppchen, welches mit Kaurimuscheln besetzt ist, bekleidet, das, hinten von den Hüften herabhängend, vorn zusammengenommen wird. Die kleinen Dörfer sind von Oelpalmen beschattet, die Häuser quadratisch, etwas über mannshoch mit feinem Grase gedeckt. Die senkrechten Wände bestehen aus auf die inneren Stangenhölzer aufgebundener Baumrinde. Geflochtene Kornspeicher in der Nähe des Hauses dienen zur Aufbewahrung von Mais und Hirse.

Die Tupende bieten einen interessanten Beweis, daß der Neger eine höhere Cultur wieder verliert, sobald die fortdauernde Einwirkung der Civilisation aufhört. Wir fanden sie hier als den wildesten Stamm, den wir je angetroffen hatten, während sie früher im Thale des Quango mit dem benachbarten Angola im regen Handelsverkehr gestanden hatten und eine ähnliche Culturstufe wie jetzt die Bangala besessen haben sollen.

Mit dem Herabsteigen in das Thal des Kassai, das die Tupende nach ihrer früheren Heimath Kassanʒe nannten, trat uns eine ganz andere Vegetation entgegen. Feines, hellgrünes Gras ließ die boskettartigen dunklen Gebüsche, die mit Palmenhainen 63 wechselten, besonders lebhaft hervortreten, so daß die Gegend einen parkartigen Charakter annahm. Die dichten, hier und da zu Lauben ausgeschlagenen Gebüsche boten tiefschattige Ruheplätze, unter denen der Genuß des kühlen, moussirenden Palmweins den verwöhnten Sohn der reichen Natur manche Stunde des Tages beschäftigt.

Wir standen jetzt vor einer Krisis, denn unsere Träger wollten, bevor sie den mächtigen Kassai passirten, uns noch einmal, und, wie uns Kaschawalla sagte, entscheidend die Alternative stellen, mehr zu zahlen oder von ihnen verlassen zu werden. Da Letzteres das Ende unserer Reise, das Scheitern unserer großen Pläne und Hoffnungen bedeutete, so waren wir Beide die halbe Nacht hindurch mit tausend Plänen, Erwägungen und Entschlüssen beschäftigt. Der Morgen des 2. Octobers erschien und mit ihm ein allgemeines Striken unserer Träger, die sich weigerten, die Lasten aufzunehmen. Da wir erfahren hatten, daß viele unserer Leute ihr eigenes kleines Geschäft in Lubuku zu machen beabsichtigten, d. h. für ein Gewehr oder ein Stück Zeug ein Weib zu erwerben, und annehmen konnten, daß diese, nun schon so weit marschirt und dem Reiseziele nahe, wohl vorziehen würden, weiter mit uns zu gehen, so befahlen wir, die sämmtlichen Lasten abzuliefern.

Da dies nicht geschah, vielmehr die Leute in lebhafte Verhandlungen unter einander geriethen, so bestieg ich den Stier, rief einigen uns besonders ergebenen Leuten zu, mit ihren Lasten zu folgen, und ritt davon. Der Fahnenträger Humba war der Erste, der mich erreichte; ihm folgte sein ganzer Anhang und nach und nach die ganze Karawane.

Durch lichte Palmenbestände, die mit Schattenbäumen oder schön blühenden Büschen wechselten, passirten wir viele kleine Dörfchen oder Gehöfte und lagerten in Kikassa, der Residenz des alten Mona-Bumba, Inhabers der Kassaifähre. Dicht bei dem schön verzierten Hause des steinalten, aber geckenhaft eitlen Häuptlings, der sich nicht bewegen konnte, da er gestern von seinem betrunkenen Sohne geprügelt worden war, machten wir Lager und erhielten frischen Palmwein gesandt. Für den Europäer ist dieser jung sehr erquickend, ist kühl, säuerlich süß und moussirend, und erinnert an unser Birkenwasser. Die Neger, die ihn hauptsächlich trinken, um sich zu berauschen, da sie das Gefühl des Trunkenseins sehr schätzen, lassen ihn ein bis zwei Tage stehen, damit er stark, aber 64 auch sauer wird. In einigen Gegenden wird ein Stück bitter schmeckenden Holzes in den Wein gethan, um den Proceß zu beschleunigen. An dem Ansatz des Blattstieles der Palme treibt man ein Loch fast bis zur Mitte, setzt dann Rinnen oder kleine Röhren hinein und läßt den Saft in eine darunter gehängte Kürbisflasche träufeln. Den Wein des ersten Tages schüttet man als schlecht weg, kann dann aber den Stamm 8 bis 10 Tage lang anzapfen, und zwar dies jedes Jahr. Die Oelpalme widersteht lange diesem Aderlaß, während der Borassus bald seine Krone verliert. Es ist nur ein starker Windstoß nöthig, um dieselbe von dem angebohrten Baum zu brechen. Eine rohe Art des Gewinnens ist die des Umschlagens des Stammes, aus dem 7 bis 9 Tage nach dem Fällen der Saft in großer Masse abläuft. Von den in diesen Breiten vorkommenden Palmen, der Oelpalme, zwei Arten Fächerpalmen, zwei Arten Raphia vinifera und der alten Dattelpalme, ist nur der Wein einer Raphia, die in dichten Beständen in feuchten Niederungen wächst und von den Portugiesen Bordão genannt wird, dem Europäer nicht anzurathen, da er Unwohlsein erregt.

Noch während die Leute mit dem Bau des Lagers beschäftigt waren, trieb mich die Ungeduld, den Kassai zu sehen. Durch Palmenhaine, einen Urwaldstreifen, der bei höchstem Wasserstande die Uferlinie des Flusses bildet, dann durch zwei Lagunen watend und über eine breite Flußpferdwiese trat ich an das Ufer des 300 m breiten, ruhig dahinfließenden Kassai.

Weit kann das Auge dem Laufe nach Norden folgen. Wohin, durch welche Länder, durch welche Völker führen seine gewaltigen Wassermassen? Schon jetzt drängte sich mir gewaltsam der Wunsch auf, dieses Räthsel zu lösen, doch sollte es noch lange dauern, bis mir dies vergönnt war.

Das rechte Ufer des Flusses steigt direct vom Ufer an in steiler Böschung zum 50 m hohen Plateau; das linke hat ein flaches Vorland von 1500 m Breite, bevor es sich erhebt. Am Ufer lagen große viereckige Fischnetze von Rohrfasern hergestellt, 2 m lang und 1,5 m hoch; auch bis 3 m hohe, aus gesplißten Palmenstengeln verfertigte Zäune schlossen überall die lagunenartigen Einschnitte und Vertiefungen am Ufer. Vermittelst dieser werden Abflußcanäle, die während des Steigens des Flusses offen sind, mit dem Beginn des Fallens geschlossen, um die aus den 65 Seitenarmen und Lagunen abgesperrten Fische, wenn das Wasser gefallen ist, aufzufangen. Diese Art des Fischens ist die in Afrika am meisten angewandte.

Mehrere Kanoes von 8 bis 12 m Länge und 0,75 m Breite, hinten etwas erhöht, lagen an der Fährstelle. Abends erschien der Sohn Bumba's, ein mächtig breitschultriger Wilder, im Lager und machte mit seiner weittönenden Stimme und seinem jovial-dreisten Auftreten, das einer leichten Trunkenheit entsprang, Nachforderungen zu der seinem Vater schon gesandten Bezahlung für die für morgen in Aussicht gestellte Passage des Kassai.

Es fiel bei den Tupende auf, wie schnell sie das Staunen über den weißen Mann überwunden hatten, obgleich wir die ersten Europäer in diesen Breiten waren. Es mag dies mit den Erzählungen der Alten zusammenhängen, die sich noch von ihren früheren Wohnsitzen her des Handels mit den Portugiesen entsinnen.

Am 3. Morgens wurde nach selbstverständlichem nochmaligem Betteln mit der Passage schon früh begonnen, da wir unseren Trägern nicht noch einmal Gelegenheit zum Striken geben und unseren Rubikon so schnell als möglich hinter uns haben wollten. Als ich eben mit 10 Leuten das andere Ufer erreicht hatte, zeigte sich die Belohnung unserer Eile. Einige vor uns sich im Handel befindliche Kioquehäuptlinge sandten eine Botschaft an Bumba mit der Warnung, uns nicht überzusetzen, da sie uns am rechten Ufer mit Krieg empfangen würden. Die Gesandtschaft, welche überrascht war, uns schon zu treffen, ließ ich natürlich nicht passiren, und mußte sich dieselbe eine andere Fährstelle aussuchen, wodurch sie soviel zu spät kam, daß unsere Passage bereits bewerkstelligt war. Fast bei jeder Ankunft eines neuen Kanoes nahm ich den Tupendefährleuten die Sachen, die sie während der Ueberfahrt, die Furchtsamkeit der Träger benutzend, gestohlen hatten, wieder ab, was zum Theil mit Gewalt geschehen mußte, da dieselben in Gegenwart der Bestohlenen frech behaupteten, sie hätten die betreffenden Gegenstände geschenkt erhalten.

Allmählich trieben die Tupende den Preis einer Fahrt von 20 Kauri auf 60, indem sie vorschützten, daß sie den Kioques, die nun ihnen wegen der Passage der Weißen feindlich sein würden, einen Theil des Gewinnes abgeben müßten.

In unverschämter Weise begannen die Erpressungen, als das Uebersetzen der Reitstiere vor sich gehen sollte, und der 66 hünenhafte Sohn Bumba's zeichnete sich besonders durch Frechheit im Fordern aus. Ich sandte, um Pogge, der nur mit den Dolmetschern und wenigen Leuten am linken Ufer geblieben war, eine bessere Stütze zu geben, 15 unserer besten Leute mit Gewehren und Munition zurück, unter dem Vorwande, beim Einfangen der Stiere behilflich zu sein. Nachmittags 5 Uhr war der 5. Stier am linken Ufer, wie alle übrigen längsseit des Kanoe schwimmend und von einem Manne am Naseneisen gehalten. Der letzte jedoch, als er sich allein sah, wurde wild, riß sich los und war auf keine Weise zu ergreifen. Als auch Pogge am rechten Ufer war, ging ich noch einmal mit einigen Leuten zurück und schoß, da alle Versuche zum Einfangen des Stieres vergeblich waren, das Thier so, daß es todt in den Fluß stürzte. Von hier entführten wir den rings schon im Gebüsch auf diese gute Beute lauernden Tupende, ihn im Kanoe nachschleppend, den fetten Bissen, bevor es Nacht wurde.

Mit dem für unser Unternehmen wichtigen Ueberschreiten des Kassai waren auch sonst viele bedeutende Aenderungen vorgekommen. Wir waren von Kimbundu mit 1250 m Höhe auf 540 m herabgestiegen; die Nächte waren längst schon nicht mehr empfindlich kalt, obgleich stets noch erfrischend, was mit dem Abnehmen der Höhe und der allmählich in voller Kraft eingetretenen Regenzeit in Verbindung stand.

Bis gegen Ende August hatten wir stets einen frischen, trockenen Wind, der sich Nachts mitunter zu sturmartigen Stößen erhob. Der Himmel war vollständig unbedeckt, jedoch nie klar, sondern hatte eine graublaue, blendende Färbung, während rings am Horizont eine bräunliche Dunstschicht, von den Grasbränden stammend, lagerte. Feine Streifen- und Federwölkchen, oder Schäfchen und weiße Wattenwolken zeigten sich ab und zu am Himmel. Die Nächte waren kalt gewesen, die Morgen meist sehr thaureich, die Durchsichtigkeit der Luft am Tage sehr gering, in Folge dessen keine Weitsicht, und auch bei Nacht leuchteten die Sterne nur matt und, in der Nähe des Horizonts, in auffallend rothem Lichte.

Gegen Ende August wurde zuerst ein sehr geringes Wehen von Osten und dann gleich starke, die Asche der gebrannten Gräser hoch aufthürmen machende Wirbelwinde bemerkt. Die Federwolken blieben aus, die Schäfchen und Wattenwolken verdichteten sich und 67 nahmen dunkle Färbung an, und Wetterleuchten im Norden und Osten zeigten das allmähliche Anrücken der Regenzeit. Anfangs September schwankte die Richtung der Winde hin und her, bei Bildung von Schichtenwolken fielen ab und zu feine Sprühregen, dann wurden die Winde regelmäßiger östlich, und immer dichter und dunkler thürmten sich drohende Haufenwolken auf. Damit begannen auch die Gewitter, die, zuerst mit geringen Unterbrechungen, dann, vom 10. an, täglich mit großartiger Genauigkeit und Stärke gegen 4 Uhr Nachmittags einsetzten. Die Luft war, ganz besonders nach einem Gewitter, klar und gestattete bei dunklem, blauem Himmel eine prächtige Weitsicht. Nachts war der Himmel, wenn einmal unbedeckt, fast schwarzblau, prachtvoll sternenklar, und das Scintilliren der Sterne wunderbar lebhaft.

In der vollen Regenzeit hörten wir fast ohne Unterbrechung ein entferntes dumpfes Rollen des Donners, und Nachts war der Himmel ringsum von unausgesetztem Aufleuchten erhellt. Bald nach dem ersten Regen war aus der Asche der gebrannten Savanne frisches Gras emporgewachsen, was schnell den ganzen Ton der Scenerie änderte und einen belebenden, dem Auge wohlthuenden Rahmen für das ewig wechselnde Bild der höheren Vegetation gab.

Ein Dritttheil des Continents in der Breite war durchwandert; Westafrika, das Land der eintönigen, mit Krüppelbäumen bestandenen Savanne, die nur hier und da von einem Galleriewald unterbrochen ist, lag hinter uns.

Wir traten in das centrale Gebiet des schwarzen Welttheils. Da schon seit einigen Tagen sich ein großer Wechsel in der Flora anzubahnen schien, waren wir gespannt, was hier der Reichthum der Natur dem Auge und etwaiger späterer Ausnutzung bieten würde, was für Menschen wir treffen, und wie diese dem ersten weißen Besucher entgegentreten würden, sowie, ob eine reichere Fauna die bisher vermißte, langersehnte Gelegenheit zum Jagen, Sammeln und Beobachten bringen würde. Daß unsere Erwartungen in Betreff der Eingeborenen nicht zu hoch hinausgingen, dafür sorgten unsere eigenen Leute, die doch eines Stammes mit den Bewohnern Centralafrika's waren.

Gleich der erste Abend am rechten Ufer des Kassai rief uns wieder einmal recht lebhaft den tiefen psychischen Standpunkt unserer schwarzen Begleiter in das Gedächtniß. Das Fleisch des 68 erschossenen Reitstiers sollte getheilt werden, und ich hätte wohl gewünscht, daß einer der vielen oberflächlichen Beurtheiler, die aus verschiedenen Rücksichten dem schwarzen Bruder nur die guten Seiten in übertrieben philanthropischem Gefühl ablauschen wollen, bei dem, was nun erfolgte, Zeuge gewesen wäre. Der Reitstier wurde am Wasser zerlegt und kam in Stücken in's Lager. Zuerst erhielten die Honoratioren, Dolmetscher und Häuptlinge ihren Antheil an dem Fleisch, und dann die Träger. Eine gleichmäßige Vertheilung kam nicht zu Stande, da sich die Umstehenden wie eine Meute hungriger Wölfe über das Fleisch warfen, sich die zugetheilten Stücke stoßend und schlagend entrissen, noch ein Stückchen Eingeweide stahlen, um es seitwärts in rohem Zustande auszulutschen. Als die Autorität der Dolmetscher diesen hungrigen Hyänen nicht mehr gewachsen war, trieben wir dieselben mit Stöcken auseinander, doch umsonst, denn gleich wieder kehrten sie zurück, um neue Prügel, vielleicht aber auch noch ein Stückchen Fleisch zu erobern. Noch lange in die Nacht hinein zeigte ein ununterbrochenes Schreien, Zanken und Prügeln unter den einzelnen Parteien, daß sie sich noch bis zuletzt wie Geier um ihren Antheil stritten. Bei einem derartigen Schmause bleibt von dem Thier Nichts übrig, als die reinen, abgenagten Knochen, die Klauen, die Hörner und oft die Haut, denn manchmal wird auch diese, in kleinen Stücken leicht geröstet, hinabgeschlungen.

Mit dem Passiren des Kassai haben wir das Land der Tuschilange, weiter östlich Baschilange, eines Theils des mächtigen, bis zum Tanganjika reichenden Balubavolkes, betreten. Der westlichste Theil des Stammes bis zum Luëbo hin hat die Präfixe Ka für Singular und Tu für Plural angenommen, wohl ebenso, wie das diebische und räuberische Wesen von ihren Nachbarn, den Tupende. Da die Eingeborenen in kleinen Dörfern und liederlich gebauten Häusern wohnen, Vieles von anderen Völkern und Händlern angenommen haben, dabei abschreckend scheu und wild sind, so sei eine nähere Beschreibung über das Eigenthümliche dieses Stammes erst später gegeben.

Zufälliger Weise war einer der größten Häuptlinge der Baschilange am Lulua, Tschingenge, in Handelsgeschäften am Kassai und besuchte uns. Ein schlanker Mann mit intelligenten Zügen, glatt geschorenem Haupte und seiner Tätowirung im Gesicht und auf der Brust, näherte er sich ehrfurchtsvoll und bescheiden. Ein 69 weißes Hemd, schon sehr gebrauchte Unterhosen und Morgenschuhe, ein rother Stürmer auf dem Kopf war seine fürstliche Kleidung. Sein Staunen gab sich in zurückhaltender, anständiger Weise kund. Keine wilde, unstätige Bewegung, kein lauter Ton ließ ihn aus seiner mit drolliger Grandezza durchgeführten Rolle des großen Mannes fallen. Tschingenge, der hier auf Bezahlung von Elfenbein wartete, gab dies Geschäft verloren, nur um uns nach seiner Residenz zu geleiten.

Baschilange-Dorf.

Am 4. marschirten wir durch dichten Urwald gen Nordost bis zu dem Dorfe Kambo, wo wir einer auf der Heimreise begriffenen Bangalakarawane begegneten. Diese schlauen Händler, die einsahen, daß sie uns nicht mehr aufhalten konnten, ließen es sich angelegen sein, uns die bedeutend niedriger gewordenen Preise für Lebensmittel mitzutheilen. Das Maß der Stoffe, sonst von der Hand des ausgestreckten Armes bis zur anderen Schulter reichend, wird hier nur bis zur Achselhöhle ausgedehnt; das Pulvermaß für eine Ladung ist so gering, daß es wohl kaum im Stande ist, das Geschoß mit einigem Geräusch aus dem Laufe zu entfernen. Die Perlen werden nicht mehr wie bisher in Schnüren, sondern stückweise verhandelt.

Die uns begleitenden Kioquehäuptlinge, die in letzter Zeit geradezu unerträglich bettlerisch geworden waren, wollten wir uns 70 hier, die Gegenwart der Bangala, der schlimmsten Feinde der Kioque, benutzend, vom Halse schaffen, da ihr Contract, uns durch Kioque zu führen, erfüllt war, und sie schon sehr viel mehr erhalten hatten, als ihnen zustand. Mit der Eröffnung, daß sie gehen könnten, erhielten sie noch einige kleine Schlußgeschenke. Mauila wies diese zurück und hielt des Nachts an unsere Träger eine lange Rede, in der er drohend sagte, daß, wenn wir ihn nicht besser zahlten, er sich rächen wolle, wenn wir auf unserer Heimreise sein Stammesgebiet passiren würden. Am nächsten Morgen erklärten deshalb die Träger, nicht eher aufzubrechen, bis der Häuptling befriedigt sei, und wir waren, um nicht längeren Aufenthalt zu haben, gezwungen, nachzugeben.

Uns fielen hier oft Kinder mit oben ganz flachem und weit nach hinten abstehendem Schädel auf. Man sagte uns, daß die Mütter bald nach der Geburt begännen, mit der Hand den noch nicht festen Schädel in jene Form zu streichen und zu drücken.

Wie wir schon den Besuch der großen Fälle des Kassai aufgegeben hatten, so entschieden wir uns jetzt auch, die Mündung des Lulua in den Kassai erst später fest zu legen, da unsere Karawane sehr ermüdet, unlustig und zum Striken aufgelegt war, und wir nur durch schnelles Gewinnen eines größeren Ruhepunktes am Lulua Waarenverluste umgehen konnten.

Am 6. erschien Tschingenge, um uns zu begleiten. Voran raste ein eine Phantasiefahne schwingender Mann, den Namen und die Größe seines Häuptlings preisend. Dann folgte langsam ein dichter Knäuel von etwa 100 Menschen, viele mit Gewehren bewaffnet, die sie emporhielten, indem sie dabei eine eintönige Melodie sangen. Ab und zu sprang ein Krieger aus der Masse hervor, feuerte sein Gewehr in den Boden ab und verschwand, wieder ladend, in dem Knäuel. Inmitten des Lagers angekommen, öffnete sich der Haufen zu einem Halbkreis, in dessen Mittelpunkt Tschingenge, auf einem geschnitzten Holzkasten reitend, die Füße auf die Schenkel von ihn umliegenden Weibern gestellt, sichtbar wurde, in jeder Hand einen mit Klingeln behängten Fliegenwedel haltend, den er gravitätisch hin und her schwang. Eine mächtige Trommel intonirte in prachtvoll tiefem Baß, und helles Geheul der Krieger beschloß die Besuchsceremonie. Unser dicker Dolmetscher Kaschawalla trat nun in Scene. Mit der Gewandtheit eines Clowns von einem Bein auf das andere hüpfend und mit den Armen umherfuchtelnd 71 gab er ein »Moio«, den Gruß in unserem Namen in Schlagworten, die alle einzeln einstimmig von den Baschilange wiederholt wurden: »Habe ich Euch gelogen, als ich vor Jahren bei Euch war? Gibt es nicht weiße Männer mit langem Haar und langen Bärten, die reich sind an Gewehren und Zeug, die Alles selber machen können, und von denen auch Kioque und Bangala alles Schöne erhalten, seht Ihr sie, sind sie nicht wie Gott (Fidi-Mukullu)? Sie wollen Euch besuchen, Ihr sollt jetzt klug werden, noch klüger als Kioque und Bangala, nicht bleiben wie die Thiere der Wildniß. To-Wola!«, so endete der dicke Cicero, und langanhaltendes Jubelgeschrei zeigte die gewünschte Wirkung. Zur Feier dieses großen Tages versammelten sich alsbald unsere neuen Begleiter zu einem Riamba-Fest.

Tanz.

Die Meisten erschienen mit einer mächtigen Pfeife, einem ausgehöhlten Kürbis, in dem seitwärts ein thönerner Cylinder als Pfeifenkopf eingesetzt und am oberen Ende ein Mundstück eingeschnitten war. Rings im Kreise um Tschingenge, der wieder gravitätisch die beiden Fliegenwedel schwang, ließen sich die kahlköpfigen tätowirten, langen, mageren Burschen nieder und begannen ihre Pfeifen anzuzünden. Bald hüllte grauer, süßlich übelriechender Qualm die wunderliche Gruppe ein, aus der krampfhaftes Husten und Prusten, oder durch die narkotisirende Wirkung des Hanfes 72 eingegebene Inspirationen über Freundschaft mit dem weißen Mann erschallten. Vier gut gestimmte Trommeln fielen ein, und die Versammlung erhob eine aus 7 Tönen zusammengesetzte, sich stets wiederholende Melodie. Pfeifen, Klappern und Rasseln, Prusten in das Mundloch der mächtigen Pfeifen und die langgezogenen melancholischen Töne des Elfenbeinhornes vereinigten sich mit dem Gesange zu einem unbeschreiblichen Getöse. Bei einigen war die Wirkung des Hanfes schon acut geworden, sie sprangen auf und tanzten mit zurückgeworfenem Kopfe, stieren Blicks, die wiegende, drehende Bewegung der Hüften mit Schwingen der ausgestreckten Arme und ausgespreizten Fingern begleitend, oder stampften im Takte mit den Füßen, wild in's Weite stierend, die einförmige, bald einlullende, bald aufjubelnde Melodie singend. Spannend neu war uns dies wunderliche Gelage: das Ohr war betäubt durch den halb melodischen Höllenlärm, aus dem die narkotische Wirkung sprach, das Auge gefesselt von dem stieren Blick und den die Glieder verrenkenden Bewegungen, der Geruchssinn beleidigt durch den anwidernden Dampf.

Durch ein plötzliches Rennen und Schreien im Lager wurde das Festrauchen unterbrochen. Ein Eingeborener war von unseren Leuten beim Diebstahl erfaßt und geprügelt worden; es wurde nun eine Hetze auf sämmtliche im Lager anwesende Verkäufer veranstaltet, bis wir zur Stelle waren und Ruhe stiften konnten.

Abends erzählte uns Tschingenge viel Neues und Interessantes. Der von Buchner und Schütt erwähnte See Muncamba oder Lufu-a-Nʒimbo sei so groß, daß ein Vogel ihn nicht zu überfliegen vermöchte, werfe so mächtige Wogen, daß kein Kanoe ihn befahren, kein Flußpferd und Krokodil in ihm leben könne. Von hohen Bergen rings umschlossen, habe er keinen Abfluß und sei nur 8 Tagereisen von seinem Dorfe entfernt. Auch über die ihm benachbarten Völker sprach er viel. Nach Norden zu passire man zuerst die Bakuba des mächtigen Königs Luquengo, dann käme man zu den Bassongamino, hinter denen die Batetela wohnten, die nackt gingen, so große Ohren hätten, daß sie sich zum Schlafen in diese wickelten, und mit der langgezogenen Haut des Bauches ihre Scham bedeckten; hinter jenen kämen die Tu-Jecke. Da Tu das Plural-Präfix ist, erinnerte uns diese Bezeichnung an den Acka Schweinfurth's. Diese Leute seien nur hüftenhoch und unterhielten sich durch eine Art von Geheul oder Gebell, lebten im 73 Walde auf Bäumen, nährten sich von Früchten, Wurzeln oder Wild, das sie mit kleinen Bogen und giftigen Pfeilen gut zu erlegen wüßten, und ließen Niemanden in ihre weit ausgedehnten, dichten Urwälder eindringen.

Am 8. passirten wir, wieder auf 700 m Höhe hinaufgestiegen, ein unentwirrbares Netz von 40 bis 60 m tief eingeschnittenen Bächen, deren Uferhänge mit Urwald bedeckt waren. Oelpalmen traten in dichten Beständen auf, und zwar auch in den Schluchten, während wir bisher solche nur an Stellen alter Dorfschaften oder in der Nähe der Ansiedelungen von Menschen, also angepflanzt, gefunden hatten.

Die Eingeborenen waren derart frech im Stehlen, daß sie unterwegs dem Sohn unseres Dolmetschers den Hut vom Kopfe, einem Träger einen Papagei von der Last herabrissen und im Dickicht verschwanden.

Auch im Lager wurden fortwährend Diebe abgefaßt und erst nach einer entsprechenden Tracht Prügel entlassen.

Tschingenge erhielt heute schon Geschenke, damit er standesgemäß mit uns in sein Land einziehen könne. Ein rother Rock, rother Hut, rothe Schuhe und schwarze Hosen, Alles viel zu weit und zu lang, erregten großes Erstaunen und Jubel bei seinen Untergebenen. Als besondere Auszeichnung hing ich ihm ein Epaulett mit meiner Regimentsnummer 90 an einer Schnur um den Hals.

Ein Bruder Tschingenge's, der sein Weib in verbotenem Umgange mit einem unserer Träger überraschte, schlug dasselbe derartig, daß es wie todt am Boden lag. Als wir dazu kamen, massirte ein alter Träger Hals und obere Rückenmuskeln und kühlte den erhöht liegenden Kopf mit kaltem Wasser. Wir ließen ihn in dieser richtigen Behandlung fortfahren, und bald kam das Weib zu sich. Anklagen gegen den Verführer wurden durch Tschingenge's neues freundschaftliches Gefühl gegen uns niedergeschlagen.

Wieder einmal versuchten unsere Leute höhere Bezahlung zu erpressen und zwar dummer Weise noch, bevor sie die fälligen Rationen erhalten hatten. Diesmal meinten sie es ernst. Sie lieferten auf unseren Befehl alle Lasten und Gewehre ab und machten sich seitwärts ein besonderes Lager. Da unsere Dolmetscher, 2 Köche und ca. 15 in besonderen Diensten stehende Leute bei uns blieben, so ließen wir Alles ruhig geschehen und sagten den Trägern, wir 74 würden so lange hier bleiben, bis wir mit Tschingenge's Hilfe unsere sämmtlichen Sachen in Lubuku hätten. Jetzt sei es für sie zu spät, noch zu erpressen, und auch für die, welche in ihren eigenen kleinen Geschäften nach Lubuku wollten, sei es unklug, denn wenn sie uns hier verließen, würden wir dort gegen sie feindlich vorgehen und ihnen ihr Geschäft unmöglich machen. Am anderen Morgen sahen die Leute ihre Dummheit ein und nahmen die Lasten wieder auf.

Schon jetzt hatten wir Gelegenheit zu bewundern, wie billig die Baschilange zu reisen verstehen. Unterwegs beim Passiren der Felder stehlen sie einige Maniokwurzeln. Im Lager angekommen, bleiben Einige, um die Hütten zu bauen, Brennholz und Wasser zu holen, zurück, während Andere sich sofort in die Umgegend zerstreuen, um mit allerlei Fallen und Schlingen Ratten, kleine Vögel, Heuschrecken, Raupen und Termiten zu fangen. Sie dämmen kleine Bäche ab zum Fischen, suchen Früchte und Wurzeln des Waldes, Pilze und Kräuter, und haben so stets eine große Abwechslung als Zuthaten zu ihrem Maniokgericht. Bei dieser Gelegenheit erhielten auch wir eine Anzahl wilder Früchte, die meist säuerlich und sehr erfrischend sind, die rothen Früchte des Amomum, eine prachtvolle Pflaume, die am Boden wächst, Ananas, eine grüne, ebenfalls am Boden wachsende, birnenähnliche Frucht mit weißem, faserigem, süßem Fleisch gefüllt, den hartschaligen Apfel des Strychnus und eine im Geschmack der Weintraube ähnelnde, glasig gelbe Beere.

Die westlichen Tuschilange, die diese prächtigen Park- und Urwaldländer bewohnen, sind so faul, wie diebisch; schon seit dem Kassai haben wir Nichts als etwas Maniok kaufen können. Bereits mehrere Tage war kein Fleisch zu bekommen; dabei sind die Eingeborenen neugierig und frech. Während sie sich zuerst beim Erscheinen der weißen Menschen auf dem Stier vor Staunen kaum zu fassen wissen, und oft vor Verwunderung fast erstarrt in den komischsten Stellungen verharren, werden sie schon nach kurzer Zeit dreist und unverschämt. Wegen ihrer Diebsgelüste vergeht kein Tag, an dem nicht zwischen ihnen und unseren oder Tschingenge's Leuten Raufereien mit Verletzungen durch Messer oder Beile vorkommen. Da unsere Karawane mit den Kioque, die immer noch mit uns marschiren, und den fast 100 Menschen Tschingenge's eine imponirende Stärke erhalten hat, sind auch natürlich unsere Leute 75 dreist und gewaltthätig gegen die Eingeborenen, ohne daß wir im Stande sind, überall Ausschreitungen entgegenzutreten.

Während des Marsches können wir an jedem zu passirenden Bache die Beobachtung machen, wie groß die Reinlichkeit der Baschilange ist. Es wird keine Gelegenheit zu einem erfrischenden Bade vorübergelassen, und Tschingenge selbst läßt sich stets des Abends von vier Weibern mit warmem Wasser abscheuern. Dagegen ist der Verkehr der Baschilangeweiber im Lager mit Kioques und unseren Trägern ein äußerst ungenirter.

Im Dorfe des Muketeba trafen wir am 12. einige Bakuba, die im Salzhandel anwesend waren. Sie wohnen nördlich des Lulua und gehören zum Reiche des mächtigen Luquengo. Außerordentlich muskulöse, wilde Gestalten, meinten sie Pogge schon zu kennen; sie hielten ihn für den portugiesischen Händler Silva Porto, den einzigen Weißen, der mit seinen Bihéleuten in jene Breiten gedrungen war.

Auf dem Marsche nach Kiassa-Mungila passirten wir einen Bach mit ganz dunkelrothem Wasser. Der Sand des Bettes war weiß, und vom Eisengehalt konnte diese Farbe nicht herstammen. Man sagte uns, daß jetzt ein Baum seine Blätter verliere und diese das Wasser derartig färbten.

Durch ausgedehnten Urwald stiegen wir zum Lagerplatz bis zu einer Höhe von 790 m, der Wasserscheide zwischen Kassai und Lulua, hinauf. Urwälder nahmen uns jetzt schon oft 2 bis 3 Stunden ohne Unterbrechung in ihre Schatten auf. Je 25 m² sind das Bereich eines Waldriesen, unter denen die prächtigen, weißstämmigen Baumwollenbäume, Eridodendron, den ersten Rang einnehmen. Der Artenreichthum dieser gewaltigen Bäume ist groß, und viele unter ihnen sind wohl noch nicht bekannt. Unter ihren schützenden Aesten schießt ein dichtes Gewirr von Stangenholz und jungen Bäumen empor, und mächtige Lianen hängen in dies Dickicht herab. Der Boden ist bedeckt mit einer Schicht seit Jahrhunderten modernden Laubes und Holzes; ein grobes Farrnkraut oder der säuerlich riechende Waldamomum schießt daraus hervor. Moose bedecken die modernden gestürzten Stämme, aber kein Grashalm kann in diesem feuchten, lockeren Boden haften. Eine Blöße zeigt sich nur da, wo ein uralter Baum im Sturze die schwächeren Nachkömmlinge niederschlug.

76 Zwei Arten von Termiten kommen vor: der termes mordax mit seinen pilzartigen Bauten und der termes a[r]borum, welcher sich an einem alten Stamme hinaufbaut und die Höhlungen des morschen Holzes mit den zu seinen Gängen nöthigen Bodentheilen sehr beschwert. Da nach der Trockenzeit die ersten Regen das Gewicht des morschen Holzes und des zugetragenen Lehmes sehr vergrößern, so führt der erste Sturm der Regenzeit oft den Sturz herbei.

Noch vor 6 Jahren hatte hier der Elefant in großen Heerden seine Heimath, ist aber seitdem dem Gewehr gewichen, und nur noch Büffel und wilde Schweine streichen durch die Wälder.

Am 15. passirten wir einige fast undurchdringliche, stachlige Dickichte der Raphia vinifera, mit denen die Bachniederungen bestanden sind, und erreichten Mutschimang, wo unsere Träger, die mehr und mehr verwilderten, uns einen unvermutheten Aufenthalt verursachten. Es war viel Palmwein im Lager verkauft und herrschte große Trunkenheit. Sim, unser Koch, dem der Kopf einer Ziege, der ihm stets zuzufallen pflegte, gestohlen war, fand diesen und hieb den Dieb derartig in's Gesicht, daß er stark blutete. Sofort eilten einige mit Stöcken Bewaffnete ihm zu Hilfe, und der riesige Spaßmacher und Musikant Domingo, sowie der Fahnenträger Humba sprangen dem Koche bei. Immer mehr griff der Kampf um sich; brüllend, zähnefletschend und vor Wuth weinend hieben die Parteien auf einander los. Neue kamen zu Hilfe, Messer wurden gezogen, und mit Aexten schlugen die sinnlos Wüthenden um sich. Pogge, von seiner Krankheit noch zu entkräftet, um thätlich vorzugehen, befahl umsonst. Mauila blies seine Fetischpfeife, Tschingenge rief und bat vergebens, und unsere Herren Dolmetscher waren nicht zu sehen. Der Gehorsam war vorbei. Ich entrang einigen Leuten die Gewehre und erhielt dabei einen Hieb auf die Schulter. Die Leute waren wie rasend, und versuchte ich zuletzt mit einem schweren Stock den dichtesten Haufen zu trennen. Ein Mann, dem ich das Gewehr entreißen wollte, schlug auf mich an, ein anderer entriß mir wieder das genommene Beil, und die Kimbunduträger riefen: »Reißt die Waaren aus, nehmt so viel ihr wollt, und dann fort, denn diese Reise ist schlecht, wir sind betrogen!« Ein Schuß versagte, und Mauila, sowie Tschingenge mit einigen Baschilange schnitten den mit weiteren Schußwaffen Herbeieilenden den Weg ab. Der erste Schuß 77 mit Wirkung würde das Signal zu Raub und Flucht gegeben, das Ende der Expedition herbeigeführt haben. Immer noch rief Pogge mir zu, ich sollte nicht den Revolver nehmen, dann sei es zu Ende. Endlich hatten wir den schwer verwundeten Koch und Domingo in Pogge's Hütte gedrängt, die Thür geschlossen und uns davor gestellt. Der wahnsinnige Haufe verlangte die Auslieferung der Beiden, da sie sterben müßten. Aber nun erschienen Mauila, Tschingenge und die Dolmetscher, sowie einige alte Träger, und es gelang, die Wüthenden zurückzuhalten, über uns hinweg die Hütte zu stürmen. Viele weinten und schrieen vor Wuth, lagen in Krämpfen, rissen sich in die Haare, krallten in den Boden und stürzten immer wieder zu den Gewehren, die ihnen immer wieder entrissen wurden, kurz, viehische Wuth machte alle Beruhigungsversuche zu nichte. Einige der Tollsten benutzten diese Gelegenheit, um mit Drohungen mehr Bezahlung und größere Rationen zu fordern, und uns des Betruges zu beschuldigen. Aber doch schien die Krisis überstanden. Ich begann, über mehrere noch in sinnloser Wuth Tobende Wasser zu entleeren mit ganz vorzüglich abkühlendem Erfolge, und jetzt, wo die Gefahr vorbei war, bewährte sich Kaschawalla mit seiner ganzen Ueberredungskunst als vorzüglicher Friedensstifter. Bei einer ähnlichen Gelegenheit wurden vor zwei Jahren zwei Portugiesen ermordet und sämmtliche Waaren gestohlen.

Nun ging's an's Nähen und Verbinden. Domingo hatte einen tiefen Schnitt, der zwei Muskeln und eine Vene durchtrennt hatte, einen Stockhieb auf dem Kopf, der den Schädel freigelegt hatte, und mehrere kleine Wunden; ebenso war Sim mit Beulen und Schnitten bedeckt. Der gewandte Humba, der stets mit mir im tollsten Gewimmel gewesen war, kam mit einigen Contusionen davon. Einem Träger war die Nase gespalten, einem anderen mehrere Zähne ausgebrochen, und viele leichtere Verwundungen hielten uns in reger Thätigkeit. Die kriegerischen, aber auch streitsüchtigen und aufrührerischen Ʒinga hatten alle mit dem Messer gefochten, die feigen Kimbunduleute Gewehre zur Hand genommen und aufgehetzt. Am 16. bildeten die Träger ein Gericht, erklärten nicht zu marschiren, bis dies Crimen erledigt sei. Der verschlagene, freche Ʒingaführer Kiluantschi leitete die Sitzung. Lange Reden wurden gehalten, gesungen, Beifall geklatscht als Zustimmung, gemurrt und gedroht als Zeichen des Mißfallens. Nach 78 einstündiger Sitzung forderten die Träger Sim's Kopf von uns, was wir natürlich weigerten. Nach gut gespielter Entrüstung wurden dann auch Zahlungen vorgebracht und, um den verhaßten Koch, der es stets mit uns hielt, nach Möglichkeit zu schädigen, erklärten sie, daß auch Domingo, der für Sim verwundet sei, von diesem entschädigt werden müsse. Da kroch der alte reckenhafte Spielmann, ein Neger aus Bihé, der, vom Blutverlust geschwächt, nicht gehen konnte, an die zum Rechtsprechen Versammelten heran, spie aus und sagte ihnen, solche Freunde, die ihn heute tödten, morgen zum Miträuber machen wollten, verachte er, und er verzichte auf jede Entschädigung für das, was er für seinen Freund gethan habe. Wir waren geradezu gerührt von dieser hochherzigen Aeußerung und haben nie dem Alten diese edle Gesinnung vergessen. Bis spät in die Nacht hinein währte die Sitzung, und war das peinliche Gefühl der Machtlosigkeit gegen diese wilde Bande im Zustande der Aufgeregtheit höchst drückend für uns Beide. Sim wurde endgiltig zur Zahlung von fünf ganzen Stücken Zeug verurtheilt, und lag es vorläufig nicht in unserer Macht, das Urtheil umzustoßen.

Am 17. ging es durch mächtige Urwälder endlich weiter, nur ab und zu unterbrachen kurzgrasige Wiesen mit vielen Büffelwechseln die mächtigen Wälder. Bei Tumba-Kimbari, wo wir dicht am Luebo rasteten, wurde ein eingeborenes Weib, das zwei Leute von Tschingenge beim Diebstahl ertappten, von diesen niedergeschlagen, kam aber mit einer Ohnmacht und tüchtigen Kopfwunde davon. Als die Eingeborenen jetzt zum Kriege zusammenliefen, zwangen wir Tschingenge, das Vergehen an den Häuptling zu bezahlen.

Da wir hier einen Ruhetag machten, ging ich des Morgens 6 Uhr mit 2 Eingeborenen auf die Jagd. Bald nahmen wir frische Spuren von 8 Büffeln auf und folgten diesen bis 11 Uhr an einen Bach, wo sie sich trennten. Wir waren noch im Zweifel, welcher Spur zu folgen sei, als unmittelbar neben uns ein mächtiger schwarzer Büffel aus dem Gebüsch brach und flüchtig wurde. Ich hatte sofort die Büchse am Kopfe, wurde aber von meinen Begleitern am Schuß verhindert und verlor den mit lautem Krachen im Dickicht verschwindenden Wiederkäuer. Meine Leute hatten Furcht gehabt, daß ich auf die kurze Entfernung den Büffel nur verwunden würde, und waren in diesem Falle überzeugt, daß er uns annehmen würde.

79 Wir folgten weiter den Spuren der Uebrigen des Trupps und kamen dabei dicht an einem Dorfe vorbei, in welchem die Männer, mich gewahrend, zu den Waffen liefen. Sie hatten von der gestrigen Verwundung der Frau durch Tschingenge's Leute gehört, beruhigten sich aber, als meine Begleiter ihnen sagten, daß die Sache beigelegt sei. Nachmittags stürzte ich, immer noch den Büffeln folgend, und von der brennenden Sonne schon recht ermüdet, in ein Loch im Boden und verstauchte mir den Fuß. Unfähig weiter zu gehen, sandte ich meine Begleiter an Pogge, und Abends um 5 Uhr erschien Humba mit meinem Reitstier und einer Flasche Cognac. Ich war so ermattet, erschöpft und ausgehungert, daß ich einen tiefen Zug aus der Flasche that und, fast sofort die wohlthuende Wirkung dieses für derartige Gelegenheiten unersetzlichen Anregungsmittels fühlend, heim reiten konnte.

Der schöne, in weite Urwaldufer eingezwängte Fluß Luebo, bis dahin noch gänzlich unbekannt, wurde am 18. passirt; bei 80 m Breite und 1,3 m Tiefe benutzten wir eine Furt. Der Luebo entspringt im Lande des Baketestammes der Akauanda, fließt durch an Elefanten und Büffeln reiche Gegend nach Norden und mündet abermals im Lande der Bakete, eines anderen Restes dieses weit versprengten Volkes, in den Lulua.

Wieder sind die Träger mit ihrer Ration nicht zufrieden und machen Schwierigkeiten; es ist die höchste Zeit, daß wir unser nächstes Ziel erreichen. Die schlechten Elemente in unserer Karawane gewinnen sehr die Oberhand. Eine so lange Reise ist noch nie mit Trägern der Westküste ausgeführt worden; auch um unsere Waaren sind wir sehr besorgt. Oft rechnen wir stundenlang die Möglichkeit weiterer Unternehmungen nach.

Tschingenge nennt einen ihm vor Kurzem erst geborenen Sohn nach mir »Tenente«, da ich von unseren Trägern »Senhor Tenente«, Herr Lieutenant, angeredet werde.

Am 21. hatte ich mit der Tête der Karawane am Morgen kaum das Dorf Malo a Kapinga verlassen, als hinter mir großer Lärm entstand. Die Eingeborenen hatten ein Gewehr gestohlen, und unsere Leute waren nun dabei, mit Hilfe der Kioque Alles zu demoliren. Auch gelang es ihnen, 2 Menschen zu fangen, die sie nicht eher ausliefern wollten, bis das Gewehr zurückgegeben sei. Im nächsten Lager geschah dies auch, der Häuptling mußte aber noch obenauf 2 Ziegen für den Diebstahl zahlen nach dem 80 Gesetz der Baschilange. Auch am 22. wurde ein in eine Prügelei mit den Eingeborenen ausartender Handel von uns nur mit Mühe beigelegt.

Jetzt trennten wir unsere Karawane in 2 Theile. In Lubuku, unserem nahen Ziele, stritten 2 Häuptlinge um die Hegemonie, Mukenge, der ältere, wohl an Gewehren reichere, und Tschingenge, der jüngere, unternehmungslustigere. Auf Kaschawalla's ganz besonderes Bitten sollten wir uns selbst entscheiden, wer von den Beiden für unsere weiteren Zwecke mehr geeignet sei. So ging denn Pogge mit den Dolmetschern und dem Gros der Karawane nach Nordosten, in der Richtung von Mukenge's Residenz, während ich mit 15 Mann Tschingenge begleitete. Pogge blieb, einen Ruhetag ansagend, im Lager, während ich die Grenze der zu den Bena-Riamba, den Söhnen des Hanfcultus, gehörigen Baschilange überschritt und durch ausgedehnte Felder, die auf ein sehr arbeitsames Volk zu weisen schienen, zum Dorfe des Mukelenge (Häuptling) Kinga-Lumbo ging. Die Gegend ähnelte einem prachtvollen Park. Kurze, saftige Wiesen wurden von kleinen Waldbosketts lieblich unterbrochen, und über Sandsteinbarren schäumende, mit Palmen garnirte Bäche, nur sanft eingeschnitten, belebten die Natur. Tiefe Erdrutsche, im dunkelrothen Boden am Hange grüner Höhen in wunderlichen Formen ausgespült, bezeichneten die Stelle, wo krystallklar, durch den Laterit gesickert, die Quelle aus der Sandsteinsohle zu Tage trat.

Die Eingeborenen waren nicht mehr unstät und wild, nicht mehr diebisch und frech. Zum ersten Male begegneten wir den im centralen Afrika fast überall gebräuchlichen großen Märkten, Kitamba, die von allen umliegenden Dörfern beschickt werden. Die gut gehaltenen Felder werden nur von den Weibern bearbeitet; vom Manne sagt man, daß er nicht einmal wisse, wo seine Felder seien. Junger Mais, der, in der Schale geröstet, mit Salz genossen eine Delicatesse ist, Bananen, Erdnüsse, süße Kartoffeln und Zuckerrohr, wohlschmeckende Pilze und Eier werden in Masse angeboten. Dichte, große Felder umgeben die Dörfer, die im Schatten von Oelpalmen und Bananen stehen; Kürbis, Pfeffer, Hanf, Tabak und Tomate wird in kleinen Gärten dicht beim Hause gezogen. Wir leben wieder einmal ganz aus dem Vollen und fühlen, daß wir uns geordneten politischen Verhältnissen nähern.

81 Der Lutschatsch mit 15 m Breite und 2,4 m Tiefe wurde auf einer Lianenhängebrücke passirt, und marschirten wir durch ein Dorf der Baqua-Tumba. Kaum hatten wir das Dorf im Rücken, als die Eingeborenen herbeiliefen und uns den Weg verlegten. Der voranmarschirende Fahnenträger Humba versuchte mit Gewalt den Durchmarsch zu erzwingen, die Eingeborenen wollten ihm die Fahne entreißen, und schon legten die wenigen mich begleitenden Träger die Lasten nieder, um von der Waffe Gebrauch zu machen, als ich Malucko die Sporen gab, einen der Wegelagerer überritt und die Straße öffnete.

Da viele unserer Leute, sowie auch Tschingenge noch mit der Passage des Lutschatsch beschäftigt zurückblieben, lagerte ich in der Nähe und forderte Tschingenge am Nachmittage auf, die Dreistigkeit der Baqua-Tumba durch eine Strafzahlung zu ahnden. Der Grund des gewaltsamen Aufhaltens war der Wunsch, mich von den Weibern und Kindern ihres Dorfes bewundern zu lassen.

In großen Märschen ging es nun dem nahen Ziele zu. Die Dörfer, die wir passirten, wurden von Tschingenge's Leuten und den Kioque unserer Begleitung stets einer leichten Plünderung unterworfen. Wo wir lagerten, drückten mir die Neugierigen fast die Hütte ein; oft hörte ich von den mich Anstaunenden das Wort »Mukelenge ja cum Maiji«, der Große aus dem Wasser, und erfuhr, daß man mich für einen aus dem Wasser Erstandenen hielt, eine Fabel, die dem weißen Mann auch schon in anderen Erdtheilen angedichtet ist.

Schreiend und die Waffen schwingend begleiteten uns von Dorf zu Dorf die Eingeborenen, und von hochkomischer Wirkung war der Ausdruck des übermannenden Erstaunens, der Bewunderung und Scheu beim Anblick eines weißen Mannes.

Nach der Passage des Mujau betraten wir Tschingenge's eigentliches Land. In jedem Dorfe empfing derselbe einige Weiber, Ziegen oder Kupferkreuze als Tribut. Die Gegend ist außerordentlich bevölkert; ein beträchtlicher Theil des Bodens ist mit Culturen bedeckt, und durch den Fleiß der Weiber und die große Fruchtbarkeit scheint Alles hier in Ueberfluß zu leben.

Häuptlingshaus der Tupende.

Noch einmal lagerten wir beim Dorfe der Bena-Mandue, und morgen sollte das lang ersehnte Ziel, Tschingenge's Stadt und der Lulua, erreicht werden. Am Abend saß ich mit Tschingenge auf einem Baumstamme und erzählte von den vielen schönen 82 Sachen, die der weiße Mann zu machen im Stande sei, umlagert von den lauschenden Baqua-Tschirimba. Als ich mich für wenige Minuten erhoben hatte, nahm ein Kioquehäuptling meinen Platz ein und wollte, als ich zurückgekehrt war, mir denselben nicht wieder überlassen. Dies war ein grober Verstoß gegen afrikanische Höflichkeit, und Alles ringsum war gespannt, was wohl der Weiße dem Kioque gegenüber, der bisher als das höchst stehende Wesen hier betrachtet wurde, thun würde. Da ich fühlte, daß viel davon abhinge für unsere nächste Stellung hier im Lande, wie ich jetzt handeln würde, forderte ich zunächst den seinen Einfluß hier weit überschätzenden Kioque auf, den Platz zu räumen, und versetzte, als dies mit unverschämter Dreistigkeit verweigert wurde, dem Manne einen Hieb, daß er weit hinweg vom Baumstamme auf den Boden flog. Alles war starr ob dieser Handlungsweise; ich setzte mich ganz ruhig auf meinen alten Platz. Der Kioque riß sein Messer aus der Scheide und stürzte einige Schritte auf mich zu, wurde jedoch von meinem allgegenwärtigen Humba aufgefangen. Zitternd vor Wuth schrie er mich an, was ihn jetzt wohl abhalten sollte, mich niederzustoßen. Ich antwortete 83 nur mit einem Lächeln und Achselzucken, und meine 15 Leute, die den anwesenden Kioques nur wenig an Zahl nachstanden, ließen es nicht an Hohnreden fehlen. Als auch Tschingenge für mich Partei ergriff, tobten die Kioque lärmend und drohend davon. Das war der erste Stoß, den das Prestige der Kioques hier durch uns erhielt, und jetzt, nach weiteren 6 Jahren, ist der schädliche Einfluß dieser schlauen Aussauger jener Länder ganz gebrochen.

Am 30. October stiegen wir die sanft gewellten Hänge des Thales zum Lulua hinab. Culturen und reine Grassavanne bedeckten die Rücken der Terrainwellen, die überall von dicht bewaldeten Bachschluchten begrenzt waren. Aus der Vogelschau muß diese Landschaft einem tief geäderten Marmor gleichen, so häufig sind die dunklen Urwaldschluchten in der sonst nur mit Gras bestandenen Gegend.

Gegen Mittag zogen wir unter nicht enden wollendem Jubel der Einwohner, unter heiteren Gesängen unserer Leute in Tschingenge's Residenz ein. Nach fünfmonatlichen, rastlosen, schweren Märschen hatten wir unser größtes Ziel, Lubuku, »das Land der Freundschaft«, erreicht und mit der Beurtheilung des hiesigen Volkes die Ueberzeugung gewonnen, daß hier noch nicht unsere Unternehmungen enden würden, wenn uns das Glück und die Gesundheit nicht im Stiche ließen. 84

 


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