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Die Weisheit, die allein den Menschen leben lehrt,
Macht ihm den Tod beliebt, der andrer Ruhe stört.
Er hat nichts Schreckliches für aufgeklärte Seelen.
Der Aberglaube mag sich mit Gespenstern quälen,
Eröffnet unserm Blick ein paradiesisch Feld,
Ein Leben ohne Schmerz, und eine bess're Welt.
Zwar eilet auch der Held mit unerschrecktem Muthe
Zum gegenwärt'gen Tod, und zahlt mit theurem Blute
Den Zweig, von dem sein Land ihm ganze Wälder schenkt,
Der aber dann nur reizt, wenn Menschenblut ihn tränkt.
Voll Trotz hört ein Huron zum Tode sich verdammen,
Lacht seine Mörder an, und jauchzet in den Flammen;
Vor Alexandern zündt' der nackende Kalan,
Der Inden Hercules, sich seinen Holzstoß an.
Stirb, Thor, doch, hoffe nicht der Helden glänzend Leben,
Die ihr geweihtes Blut dem Vaterland gegeben;
So stirbt der Weise nicht! er lebet als ein Held;
Und fließt sein heilig Blut, so fließt es für die Welt.
Sein Leben mit dem Tod Sokratisch zu vertauschen,
Darf ihn kein Vorurtheil, nicht Stolz noch Wuth berauschen.
Er, welchen die Vernunft die Kunst zu sterben lehrt,
Braucht keines Mittels nicht, das die Vernunft entehrt;
Die Wollust hat für ihn kein Paradies gebauet.
Er lacht des Acherons, vor dem den Thoren grauet.
Wenn Wahn und Leidenschaft des Pöbels Muth erweckt,
Wer nennt mir die Gefahr, die seinen Unsinn schreckt?
Doch, daß ein freier Blick, den keine Houris blenden,
Den nicht Bellona ruft mit Lorbern in den Händen;
Noch mehr, daß selbst im Schooß der ird'schen Seligkeit,
Ein leichtgerührtes Herz des Todes Bild nicht scheut;
Dieß ist der Weisheit Werk! Nur sie schafft Heldenherzen,
Und lehrt den Sokrates dem Tod entgegenscherzen.
Wie mitleidwürdig ist, wie aller Hoffnung bloß,
Wer seiner Wünsche Ziel in dieser Welt verschloß!
Nicht klugen Wandrern gleich, die nur ihr Ziel ereilen,
Und die kein Lotus reizt, sich bei ihm zu verweilen.
Der arme Harpagon, dem nichts mehr übrig bleibt,
Wenn ihn sein Bild, der Tod, von seinen Säcken treibt;
Die schöne Lydia, an die kein Schnitzbild reichet,
Der Knidens Venus selbst, nur nicht an Härte weichet;
Der Bruder vom Silen, der weiche Sybarit,
Dem nun mit Wein und Kuß sein ganzes Glück entflieht;
Der prächtige Mäcen, dem mit Numid'schen Säulen
Auf der getreuen See beschwerte Schiffe eilen,
In dessen Eigenthum das halbe Paros gleißt,
Der zu Neptuns Verlust Gebirge niederreißt,
Als ob er ganz allein dem Tod sein Recht nicht zollte,
Und sein Elysium sich hier erschaffen wollte;
Die alle, Freundin, sprich, sind sie nicht Thränen werth,
Da mit dem letzten Hauch ihr ganzes Gut entfährt?
Wie furchtbar muß der Tod sich solchen Seelen malen,
Die ihm die Ewigkeit mit ihrem Glück bezahlen?
Die Ewigkeit, die nur dem Weisen brauchbar ist,
Der willig hier entbehrt, und dort erst recht genießt.
Dort, wo zu neuer Lust den Geist kein Leib umfasset,
In einer öden Nacht, die Scherz und Freude hasset,
Wo die Natur kein Gold den öden Bergen gab:
Wie sehr wünscht da der Thor auch seinem Geist ein Grab?
Beglückt ist Lydia, sie schonet unsrer Klagen;
Sie stirbt mit ihrem Leib und wird davon getragen;
Sie wuchs und grünt' und blüht' und welkt' und fiel nun ab,
Und ihren schönsten Theil verschlingt nunmehr das Grab;
Für eine Seele darf sie keine Rechnung geben,
Die war ein Embryon und fing nie an zu leben.
Doch welch ein Theophrast malt mir den Tigellin,
In dessen eigner Brust der Höllen Flammen glühn?
Der Feind des Vaterlands, die Geißel seiner Bürger,
Des Fürsten Sklav' und Herr, so vieler Heere Würger,
Ein Nero, ein Sejan, ein Philipp, ein Gregor,
In welcher Schreckgestalt stellt der den Tod sich vor?
Der Gottesläugner, den kein Blitz, kein Richter beuget,
Der nicht den schwächsten Rest der Menschlichkeit gezeiget,
In welchen Schauern starrt sein nie erschüttert Herz,
Wenn sich der Tod ihm naht? Wie marternd ist sein Schmerz!
Mein Geist erliegt bestürzt den jammervollen Bildern,
Ihr Schatten schreckt ihn schon; ihn mag ein Dante schildern!
Noch glücklicher ist der, der zu vergehen glaubt,
Wenn dem belebten Blut der Tod den Umlauf raubt;
Der mit gelass'nem Muth der Nerven Ohnmacht spüret.
Und, wie im Nireupan, sich sanft ins Nichts verlieret.
Doch welche Seligkeit? beim bloßen Wort Vergehn
Erbebt mein ganzes Herz, und glaubt schon still zu stehn.
Ein Herz, von Wünschen heiß, die nie gesättigt werden,
Das mitten im Genuß der Freuden dieser Erden
Nach unbekannten lechzt; ein Geist, der sich empfind't,
Und seine Gränzen nicht in Raum und Zeiten find't,
Wie kann der ohne Angst an sein Vergehen denken,
Und in des Undings Schlund gelass'ne Blicke senken?
Der, dessen Unglück noch um unser Mitleid wirbt,
Der an der kalten Brust der schönen Thisbe stirbt;
Die Dido, die Virgil so rührend jammern lässet,
Daß ihrer Thränen Strom die unsrigen erpresset,
Ist minder hoffnungslos, als ein Averroist,
Deß abgeschiedner Geist in dünne Luft zerfließt.
Der ist bedauernswerth, den seine Zweifel quälen;
Allein wie nenn' ich euch, ihr pöbelhaften Seelen,
Euch, die, zur Schmach der Zeit, wo die Vernunft regiert,
Die ungeborne Welt dereinst verachten wird,
Euch Sklaven, die, der Lust mit Sicherheit zu fröhnen,
Sich nach der Lais Tod und nach Vernichtung sehnen?
Vergeht nur, die ihr so die Menschlichkeit entehrt;
Wer solche Wünsche thut, ist seiner Wünsche werth.
Doch wer sich menschlich fühlt, fühlt auch den Trieb zum Leben
Sich bis zur Ewigkeit in seiner Brust erheben.
Dieselbige Begier, die uns zu Thaten zieht,
Durch die der Helden Lob noch in den Sternen glüht;
Die Memphis Herrscher trieb, in aufgebirgten Steinen,
Vor denen Rom noch staunt, der Nachwelt groß zu scheinen
Die in der Alten Brust die Tugend angefacht,
Die Zeit und Alterthum nur glänzender gemacht;
Die durch Homerus Mund der Nachwelt vorgesungen,
Und sich im Maro kühn den Griechen nachgeschwungen;
Dieselbige Begier, die alle Gränzen scheut,
Ist unserm Geist ein Pfand der Unvergänglichkeit.
O selig, wer in Gott der Wesen Endzweck siehet,
Und besserm Leben zu mit seinen Wünschen fliehet!
Wer hier der Tugend schon mit Eifer nachgestrebt,
Und mitten in der Zeit der Ewigkeit gelebt;
Mit Freuden wird er sich von dieser Erde schwingen,
Und zum beglückten Chor belohnter Weisen dringen.
Ist, Freundin, diese Welt wohl unsrer Herzen werth,
Wo Tugend Schande macht, und nur das Laster ehrt?
Wo Leidenschaft und Tand fast jede That gebieret,
Wo Epiktetus dient, Domitian regieret;
Wo sich zum Mittelpunkt ein jeder selber setzt,
Wo man Verdienst und Witz nach Stand und Reichthum schätzt;
Wo Rapar durch die Kraft der zaubrischen Ducaten
Uns mit Verdiensten blend't; wo die geringsten Thaten
Der Thoren, die das Glück, und nie ihr Werth, erhebt,
Ein schmeichlerischer Sklav' in Erz und Marmor gräbt?
Nein, Doris, hier ist's nicht, wo unsre Wohlfahrt blühet!
Dort wo dein schöner Blick den weißen Gürtel siehet,
Der seinen Silberglanz von tausend Erden lehnt,
Die bess'rer Sonnen Strahl zur Wohnung uns verschönt;
Dort ruft uns unser Lohn, dort freuen sich die Weisen,
Daß wir zu ihrem Glück auf ihrer Straße reisen.
Dort täuschet unsern Wunsch kein wesenloser Wahn;
Dort strahlt uns die Natur durch bess're Sinnen an;
Dort endet alles Weh, dort fließen unsre Zähren,
Nicht mehr von Gram erpreßt, nur unsre Lust zu nähren.
Dort sättigt unsern Geist ein unvergänglich Glück,
Und eine Ewigkeit wird ihm zum Augenblick.
So wenig Schrecklich's hat der Tod für freie Augen,
Die durch den äußern Schein zum Grund zu dringen taugen!
Bebt auch ein Wanderer, in Wüstenei'n verirrt,
Vor einem Freunde, der zum Ziel der Reis' ihn führt?
Was, Kenner der Natur, hat uns der Welt gegeben?
War nicht des Thieres Tod der Weg zu diesem Leben?
Des Engels Leben ist des vor'gen Menschen Grab!
So legt ein träger Wurm die goldne Hülle ab,
Erhebt sich buntbeschwingt in ungewohnten Lüften,
Und nährt, statt Erde, sich mit junger Rosen Düften.
Vielleicht daß uns auch dort, wo unser Glück jetzt winkt,
Ein minder bittrer Tod in neue Welten bringt?
Kein unbeweglich Ziel zwingt uns in enge Kreise,
Der Geister rege Kraft weicht stets aus ihrem Gleise
In eine größre Sphär': so tritt aus seiner Bahn
Ein kühner Mond, und glänzt entfernte Himmel an.
O reiche Hoffnungen für aufgeklärte Seelen!
Wird wohl, wer euch besitzt, sich Attals Schätze wählen?
Beinah' versucht ihr mich, wie einst Sokratens Tod
Und die Unsterblichkeit den edeln Kleombrot.
Doch nein! ein höhrer Schluß verbindet uns der Erden.
Die Ewigkeit verdient, mit flüchtigen Beschwerden
Von uns erkauft zu seyn. Vollend' erst deinen Lauf,
Und steig', auf engem Pfad, zum schönen Ziel hinauf;
Denn nur zum Sterben ward dieß Leben uns gegeben,
Und was der Tod uns schenkt, das ist das wahre Leben. |