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Der allgemeine Wunsch ist immer froh zu sein;
Nur in der Mittel Wahl kommt man nicht überein.
Der treibt sein Afterglück bis zu dem Fuß der Thronen;
Ein größrer Thor verfolgt's im Reiche der Tritonen,
Vertraut sich und sein Gut dem ungetreuen Meer,
Und macht halb Indostan an reichen Waaren leer.
Ihn höhnt Nasidien, er will sein Leben nützen;
An seines Zimmers Wand muß Gold und Seide blitzen,
Ihn tränkt Tokay und Cap, ihn speiset Ost und West,
Und Tunquin sendet ihm sein aromatisch Nest.
Duns, in gelehrtem Ruhm ein edler Glück zu finden,
Gibt künft'gen Bacons Stoff zu neuen Anfangsgründen;
Verwirrt was deutlich war, gibt Paradoxen Schein,
Führt Lehrgebäude auf, reißt Lehrgebäude ein,
Bis einst ein Hercules, von Vives Muth geschüret,
Den hochgelehrten Mist aus unsern Hallen führet.
So drängen viele sich, mit ungleich saurer Müh',
Zur Kunst beglückt zu seyn, und keiner findet sie.
Wie, daß der Mensch so sehr in seinem Hauptzweck fehlet,
Was nützlich ist verkennt, und selbst sein Unglück wählet?
Hat der Verstand nicht Schuld, wenn unser Herz sich quält?
Der ächten Wonne Bild ist's, was den meisten fehlt;
So lange wir den Werth des wahren Guts nicht schätzen,
Reizt seine Larv' uns an, dem falschen nachzusetzen.
›Indessen wollen wir, um nicht zu weit zu gehn,
›Auch einem Aristipp, was recht ist, eingestehn,
›Und keine falsche Scham wehr' uns, ihm nachzusagen,
›Daß mit dem höchsten Gut auch kleinre sich vertragen,
›Und daß (ist gleich der Thor für diese Wahrheit blind)
›Nur der sie recht genießt, dem sie entbehrlich sind.‹
O Weisheit, lehre mich mit wohlgewählten Bildern,
Das allergrößte Glück, das Glück des Weisen, schildern.
Dem, zu der innern Ruh', die nie der Tugend fehlt,
Auch äußre Güter noch sein Schicksal zugezählt!
Zwar kenn' ich nicht den Mann, den solch ein Stern uns schickte,
Den, bei der Thoren Glück, nicht auch ihr Elend drückte;
Der in der Weisheit Arm, auf ihrer Tochter Schoß,
Ein irdisch Paradies, ein lautres Glück, genoß;
Der nie gezwungen war die Großen anzuflehen,
Des Lasters Ball zu seyn, und Thoren nachzustehen.
Mit Hülfe der Vernunft schafft meine Phantasie
Sich einen Glücklichen; das Urbild lebte nie.
Was Sophroniskus Sohn und Seneca besaßen,
Soll mein Gemälde dir in Einem sehen lassen;
Das Glück verschwendet nicht, wenn es den Weisen ehrt.
Dieß hat Laërtius und Suidas mich gelehrt.
Doch borgte Zeuxis nicht zum Bilde von Helenen
Verschiedner Theile Zier auch von verschiednen Schönen?
Sein Pinsel stahl von der des Mundes Anmuth ab,
Wenn die, der Augen Glanz, die, Stirn' und Wangen gab;
Was die Natur vertheilt, um nicht zu reich zu scheinen,
Das wußte seine Kunst in Einem zu vereinen
Und so entstand sein Stolz, die Venus von Kroton;
Den Weisen malte so Chrysipp und Posidon.
So, Freundin, will ich dir den Glücklichen gestalten;
Mag dann, wer will, sein Glück an diesen Maßstab halten!
Fern von der Fürsten Hof schließt ein zufriedner Hain,
Sein väterliches Gut, den weisen Kleon ein.
Dem Neid, der Schmeichelei (den Geißeln aller Großen),
Der Sucht nach höherm Glück, dem Geiz nach Ruhm verschlossen,
Genießt er, ungestört, in süßer Einsamkeit,
Das Lauterste der Lust, die uns die Erde beut.
Sein stets zufriednes Herz ist allen Freuden offen,
Bebt vor der Zukunft nicht, wallt nicht von eitlem Hoffen,
Und dankt dem Himmel das, was ihm genugsam ist,
Weil auch ein Theil davon auf seine Brüder fließt.
Sein Haus zeigt zwar kein Gold, noch Persische Tapeten,
Doch darf die Reinlichkeit beim Eintritt nicht erröthen.
Er plündert nicht Korinth, sein Dach ist nicht vergold't,
Ihm hat Numidien den Marmor nicht gezollt,
Und kein Silanion das Vorhaus ausgezieret;
Des Besten Wahl wird hier im Nöthigen verspüret.
Ein richtiger Geschmack, der wahre Schönheit schätzt,
Nicht den Vulcan in's Meer, Neptun ins Trockne setzt
(Wie Hagedorns Fatill), gibt den bescheidnen Zimmern
Zwar keine fremde Kunst und kein ermüdend Schimmern,
Doch Anmuth, die gefällt. Sein Büchersaal stellt zwar
Kein Chaos ohne Form von allen Schriften dar,
Die, zu der Motten Lust, Pansoph in Schränke schließet:
Doch wird hier kein Homer, kein Sophokles vermisset.
Er braucht was er besitzt. Ihn lehret Tullius,
Roms Karnead, wie man vernünftig zweifeln muß.
Des besten Weisen Bild entwirft mit Meisterzügen
Ihm Xenophon, gleich groß im Schreiben und im Siegen.
Er sieht im Theophrast die Thoren seiner Zeit,
Hält sie an Neuere, und lacht der Aehnlichkeit.
Er steigt an Platons Hand zum Urbild der Ideen;
Und wenn sein blödes Aug' sich müd' und stumpf gesehen,
Lockt ihn ein Theokrit zur Hirtenlust zurück.
Bald macht ihn Seneca zum Meister vom Geschick.
Er sieht im Livius den Wuchs geringer Staaten,
Als sie die Väter noch vom Land aufs Rathhaus baten.
Will er in seiner Brust der Tugend Reiz erhöhn,
So läßt ihm sein Plutarch der Helden Bilder sehn,
Wovon die Züge noch an edeln Seelen haften.
Dann führt ein Bacon ihn durchs Feld der Wissenschaften,
Und stürzt die Götzen um, wovor die halbe Welt,
Zur Schande der Vernunft, abgöttisch niederfällt.
Auch folget er erstaunt dem Solon der Planeten,
Er sieht (und zittert nicht) die schweifenden Kometen,
Und wie die Welten sich, als durch Gewichte, ziehn.
Er sieht's, und sinkt, o Gott! anbetend vor dich hin.
So bildet Wissenschaft sein Herz und seine Triebe,
Befeu'rt in seiner Brust des großen Schöpfers Liebe,
Hellt seine Blicke auf, zeigt ihm die Wahrheit bloß,
Und macht sein edles Herz in jeder Regung groß.
Er selber widmet oft die Müh' der ersten Morgen,
Und später Mitternacht, für andrer Wohl zu sorgen.
Was uns sein Fleiß geschenkt, trägt, auch nach seiner Flucht
In eine bess're Welt, in späten Altern Frucht.
Komm, Freundin, lass' uns jetzt, an seiner Gattin Seiten,
Ihn in des Frühlings Sitz, zur Abendlust begleiten.
An seine Wohnung gränzt die angenehmste Flur,
Ein kleiner Sammelplatz der Schätze der Natur.
Zwar wird das Wasser hier nicht königlich gezwungen,
Die schöne Einfalt hat hier alle Kunst verdrungen;
Des Weisen Urtheil fälscht nicht Pracht noch Seltenheit;
Ihm ist die größte Kunst, die ihren Schein vermeid't.
Ein kaum entsprungner Bach, der seine Silberwellen
Durch Rosenbüsche wälzt, durchschleicht in tausend Quellen
Das blumenreiche Feld, wo, bis der Tag sich kühlt,
Der Bienen Emsigkeit in Florens Busen wühlt.
In Zeilen abgetheilt durchschneid't der Bäume Menge
Des Gartens weiten Raum in schattenvolle Gänge,
Bis, wo die stille Flut sich in ein Becken gießt,
Ein immer grüner Hain die holde Scene schließt.
Hier ruft der Sommer ihn den Abend zu genießen,
Wenn durch die frische Luft gelindre Winde fließen,
Mit denen sich der Dampf gesunder Kräuter mengt,
Und von den Bäumen schon der Schatten sich verlängt.
Dann irret er umher an seiner Gattin Seiten,
Die holden Grazien, die frohen Zärtlichkeiten
Sind scherzend neben ihr; ihm dünkt der stille Hain
An ihrer sanften Brust Elysium zu seyn.
Hier sehn sie aufmerksam, was Thoren niemals sehen;
Bald lockt ein blühend Kraut sie, bei ihm still zu stehen,
Das oft an Form und Zier der Tulpe Stolz beschämt;
Bald sehn sie wie ein Quell aus Felsen sprudelnd strömt,
Bald hören sie entzückt der Wälder Sängerinnen
Im lispelnden Gebüsch ihr Abendlied beginnen.
Dann führt sie ein Gespräch zum Schöpfer der Natur;
Sie sehen sanft gerührt der weisen Liebe Spur
Im kleinsten Gegenstand, und läutern ihr Vergnügen,
Da sie des Gebers Lob zu ihren Freuden fügen.
Jetzt führt der Abendstern sie in den Speisesaal.
Hier zollt kein fremdes Land ein ekelhaftes Mahl;
Kein Koch, den Frankreich schickt, vergiftet uns mit Brühen;
Kein Wein vom Vorgebirg wird in den Flaschen glühen;
Würzt uns ein Sokrates mit Weisheit seinen Kohl,
Wem mangelt der Fasan, der Lachs, die Bütte wohl?
Die Freundschaft ohne Kunst belebet hier die Zungen,
Das freie Herz wird nicht von List und Furcht gezwungen.
Dann singt ein Demodok der Tugend tapfre Müh';
Ein jeder Hörer fühlt die Macht der Harmonie;
Jetzt ruft ein Dorisch Lied erhabene Heldentriebe,
Jetzt lockt ein weicher Ton die angenehme Liebe.
So nützt der Glückliche die vorgezählte Zeit;
Die Ruhe wohnt bei ihm, die blasse Sorge scheut
Sein unbewachtes Haus; mit seinem Stand zufrieden,
Wird er der Vorsicht Ohr mit Bitten nie ermüden.
Die Freiheit ist sein Reich. Kein Cäsar, kein Mäcen,
Nimmt für sein Glück den Dank, kein Höfling hört ihn flehn.
Die Unterwürfigkeit, der Abhang von Befehlen,
Erstickt die Tugend oft, und bildet kleine Seelen.
Ein freier Mann allein hat Aug' und Mund und Ohr,
Ist das, was ihm beliebt, und stellt sich selber vor.
Die Freunde, die er sich gewählet, nicht gefunden,
Hat Aehnlichkeit, Verdienst und Tugend ihm verbunden;
Er, der den Schmeichler flieht, nimmt den Arist nur an,
Der ihn so edel liebt, daß er auch strafen kann.
Was fehlt dem Glücklichen zum reichesten Vergnügen?
Er sieht sein Bild, vermischt mit seiner Freundin Zügen,
In Kindern edler Art; es wallt in ihrem Blut
Der Mutter Zärtlichkeit, der väterliche Muth.
Er formt ihr weiches Herz schon in der ersten Jugend;
Die noch kein Laster kennt, zu unverfälschter Tugend;
Und sieht entzückt, wie sich ihr anerschaffnes Bild,
Von seinem Fleiß gepflegt, in ihrer Brust enthüllt.
Eh' die Vernunft sie kennt, lehrt er das Herz sie üben;
Ihn wird die Nachwelt noch in seinen Enkeln lieben.
Dieß ist von Kleons Glück ein unvollkommner Riß.
Ist auch ein Wunsch, den ihm die Vorsicht übrig ließ?
Er gleicht dem Sokrates, nur nicht in seinen Plagen,
Und hat in sichrer Ruh, warum sich Fürsten schlagen.
Doch, Freundin, dieses Bild, das dir vielleicht gefällt,
Ist nur des Witzes Spiel, und zierte nie die Welt.
Welch' trauriges Geschick! Es lebt nur in Gedichten!
Ich blättre unruhvoll in modernden Geschichten!
Ach! weder Diogen, Plutarch noch Aelian,
Zeigt mir den Glücklichen, der Weisen Phönix, an.
Der Weisheit liebsten Freund lohnt Armuth, Gift und Eisen;
Er soll, dem Glück zum Trotz, der Tugend Stärke preisen.
Doch also wird die Huld der Vorsicht nicht vermißt,
Daß sie der Weisen Leid mit Wonne nicht versüßt,
Die, wie Homers Nepenth, der Sorgen Angedenken
In sanfte Schlummer hüllt. Soll mich die Armuth kränken,
Die minder als das Gold der weise Tejer scheut?
Die Weisheit ist ein Schatz, den kein Cicuta neid't.
Mein mitleidswerther Feind, soll der mich traurig machen,
So lang mich T** liebt? Ich will des Thoren lachen.
Zorn strafte nur mich selbst. »Sollt' ich mich ärgern (spricht
Ein Dichter dort) wenn mich Pantil, die Wanze, sticht?
Und da mich Varius, Messala, Furnus lieben,
Soll mich ein Fannius, Tigellus Gast, betrüben?«
So dachte mein Horaz, und wohl ihm! Nur wer so
Zu denken fähig ist, wird seines Lebens froh.
Er, den des Hofes Pracht vom Lande nie verwöhnet,
Verließ, um sein zu seyn, wenn er genug gefröhnet,
Den schwelgenden Mäcen, floh seinem Tibur zu,
Und fand das ächte Glück im Schooß der freien Ruh'.
An Aulons fruchtbar'm Fuß, der mit Hymettus streitet,
Da hat den Einsamen sein Satyr oft begleitet
Und die Zufriedenheit; da reizt' ihn oft ein Bach,
Der aus bemoos'tem Stein mit frischem Murmeln brach,
Und dann durch Blumen floß, zu Liedern die ihm gleichen.
Da, wo die Schlummer nie dem Neid der Sorgen weichen,
Und seiner Auen Schmelz den Marmor überstrahlt,
Womit Numidien der Römer Estrich malt,
Genießt er die Natur, die gleichfalls zu genießen
Die Reichen in der Stadt durch Kunst erzwingen müssen.
Dort gab die Weisheit ihm die edeln Lieder ein,
Worin er uns belehrt, auch arm vergnügt zu seyn.
Vergnügen! Wunsch der Welt, dem Thoren stets verwehret,
Dich zeuget die Natur, dich hat, wer diese höret.
Der zeigt mir, wer er ist, viel besser als sein Bild,
Und wär' es vom Apell, der auf sein Schicksal schilt;
Er ist ein Thor! du wirst, willst du sein Klagen stillen,
Mit sieben Indien nicht seine Wünsche füllen.
Dem Weisen gnügt an sich; ein aufgeklärter Geist,
Dem sich der Dinge Werth im wahren Lichte weis't,
Verschließt sein männlich Herz vor Wunsch und eiteln Klagen;
Er wird zu Delphi nie nach seinem Schicksal fragen;
Und trägt ihn auf dem Strom zur nahen Ewigkeit,
Ein Argo oder Kahn, was ist der Unterscheid? |