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Der meisten Plagen Heer, das unsre Ruh' bekriegt,
Zeugt die Verwunderung. Nur der lebt recht vergnügt,
O Freundin, der den Werth der Dinge richtig schätzet,
Und den nicht jeder Glanz gleich in Erstaunen setzet.
Gleichgültig, wenn ein Geck von Wunderdingen spricht,
Lobt er was Lob verdient, doch er bewundert nicht.
Nichts ist ihm unverhofft, und in des Weisen Ohren
Hat Zufall, Unglück, Glück, die Deutung ganz verloren.
Der Dummheit Erstgeburt war die Verwunderung.
Kaum daß die Erde neu sich aus dem Chaos schwung,
So deckte sie der Wahn mit Tempeln und Altären,
Man sah die Götter sich, mehr als die Frösche, mehren;
In der bewölkten Luft, in den gestirnten Höhn,
Wo etwas schlimmerte, da ward ein Gott gesehn.
Es donnert, Luft und Erd' hüllt sich in falbe Schatten,
Der Frühling und sein West verschwinden auf den Matten,
Der Vögel Lied verstummt, die scheue Schwalbe flieht,
Die Wolken stürzen sich, der ganze Himmel glüht;
Ein solches Schauspiel muß den ersten Hörer schrecken;
Er läuft, sich, gleich dem Wild, in Höhlen zu verstecken;
Er staunt, er sinnt, und find't daß nichts gewisser ist,
Als daß ein Donnergott den Blitz aus Wolken schießt.
So wird, wenn den Verstand die wahren Gründe fliehen,
Uns die Verwundrung bald aus aller Unruh' ziehen.
Das ganze Geisterreich, und mehr als Hesiod
Gottheiten ausgeheckt, die stehn ihr zu Gebot.
Sie rufet Engel ab von den entfernt'sten Himmeln,
Und lässet Luft und Erd' und Flut von Sylphen wimmeln.
Dem Pöbel, der sich nie zu denken unterwind't,
Verzeihe diesen Wahn. Allein wenn Helden sind,
Die, wie Pygmalion, sich selber Götzen schnitzen,
Und sich, dem Pöbel gleich, um einen Schein erhitzen,
Den von gemeinem Tand nur dieser Vorzug trennt,
Daß oft die halbe Welt, ihn zu erhalten, brennt:
Mag ein gedungnes Lob sie bis zum Himmel heben,
Gewiß, kein Julian wird ihnen dieß vergeben!
Wie klein ist nach dem Maß der Weisen ein August,
Nennt sein und mein Horaz ihn gleich der Völker Lust!
Wie weit treibt Philipps Sohn die tolle Sucht zu siegen?
Er fand Auroren selbst in Tithons Armen liegen,
Und brach sich Lorbern ab am fernsten Ocean.
Ein Cäsar sieht erstaunt des Helden Thaten an,
Den Diogen verlacht. Er sieht im Ueberwinden
Was Großes, das ihn reizt, es selber zu empfinden.
Gebundne Könige zu seinen Füßen sehn,
Ein Herr der Erde seyn, wie groß (denkt er), wie schön!
Unseliger Gedank', was Blut hast du vergossen?
In seine eigne Brust hast du den Dolch gestoßen!
Der Fürsten Königin, der Helden Vaterstadt,
Der Götter größtem Werk, das weder Mithridat,
Noch Pyrrhus, noch Jugurth, noch Hannibal bezwungen,
Hat die Bewunderung die Freiheit abgedrungen.
Der Herr von seinem Herrn, der glänzende Sejan,
Vor dem das Rathhaus bebt, den niemand schrecken kann,
Der uns in seinem Blick den Gott der Erde zeiget,
Vor dessen goldnem Bild sich schon der Römer beuget,
Vor dem die Tugend flieht, der alle Laster nährt,
Und schon mit einem Wink das Recht in Unrecht kehrt,
Erzittert wenn es blitzt, verspottet seine Götter
So lang der Himmel lacht, und bebt im Donnerwetter.
Der bei Octavien und Tugend fühllos war,
Läuft bei der Buhlerin Kleopatra Gefahr.
Den rührt die Hoheit nicht, die edle Seelen schmücket,
Den eine Lamia mit falschem Reiz entzücket.
Ein Aug' voll wilder Glut, ein grazienvoller Mund,
Fällt einen Helden oft, der gegen Helden stund.
Sieh den Bewunderer von Crassus Millionen;
Trotz dem Pythagoras begnügt er sich an Bohnen,
Und findet ungebraucht sein Gold bewundernswerth,
Das ihn vom Anblick bloß, zur Qual der Erben, nährt:
Wie der Chamäleon, wenn der Bericht nicht lüget,
Sich ohne Speis' und Trank bloß an der Luft begnüget.
Stax wacht und sinnt und läuft und streitet und gewinnt,
Er rechnet auch im Traum, und guckt stets nach dem Wind;
Doch, würde seinem Wunsch kein Gold aus Peru fehlen,
Was hat er dann davon? Er darf es sehn und zählen.
Zwar der scheint noch beglückt, dem, was er wünscht und liebt,
Aus Güte oder Zorn sein Stern gefällig gibt.
Doch, Freundin, sollt' ich dir den armen Thoren malen,
Der fast vor Neid zerplatzt, wenn reichre Thoren strahlen,
Der Werke alter Kunst, Gemälde, Elfenbein,
Japanisches Geschirr, Tapeten, Edelstein,
Bewundert und entbehrt; die stolze Adelheide,
Der eine Nachbarin in einem reichern Kleide
Geduld und Farbe nimmt, und die ein Diamant,
Ja nur ein Pflästerchen, das Chloen besser stand,
Um alle Ruhe bringt; die schönen Dulcineen,
Die Schwestern des Narciß, die fast vor Gram vergehen,
Daß Phyllis mehr gefällt, daß sie der Geck, Amynt,
Sie für so schön nicht hält, als sie im Spiegel sind!
Sie malen? und wofür? wer sieht sie nicht im Leben?
Und würde mir Horaz dazu den Pinsel geben?
Glückseliger Horaz, du sahst, entwölkt vom Wahn,
Die Größe jedes Dings im rechten Fernpunkt an.
Wer Sonnen und Gestirn verwundrungsfrei beschauet,
Wem vor Kometen nicht noch vor Aspecten grauet,
Wer wie in seinem Feld in neuen Himmeln streift,
Von Welten angestrahlt, die keine Zahl begreift;
Wie, sprichst du, wird wohl dem die Pracht der Erde scheinen?
Der Perlen schwacher Glanz, das Licht von bunten Steinen?
Gefäße von Korinth, ein marmorner Koloß,
Ein Badhaus von Mäcen, dem Pöbel sey dieß groß!
Für Weise hat es nichts, was ihren Sinn entzücket.
Die Unschuld, ohne Kunst, mit Blumen ausgeschmücket,
Dünkt ihm weit reizender, als der Metellen Pracht,
Die sie nur blendender, nicht angenehmer macht.
Der Frühling weiß sein Kleid weit prächtiger zu zieren,
Hier muß der größte Schmuck der Schönheit Preis verlieren.
Die Nelke, die Viol, wie schön ist sie gemalt!
Wer zeigt mir den Rubin, der Rosen überstrahlt?
Ja wohl, ruft Polyanth, mit Recht strafst du die Thoren,
Wo gleicht ein Edelstein dem ersten Kind der Floren,
Der frühen Hyacinth? – Sehr wohl, Herr Polyanth!
Doch was dir Blumen sind, ist dem ein Diamant.
Wenn du dein Amt versäumst, die Nelken zu beschneiden,
Und Frau und Kind und Magd indessen Hunger leiden
Daß deine Tulpen blühn: was dünket dich, du Thor!
Geht dir ein reicher Narr mit seinen Steinen vor?
Wie lang, ihr Sterblichen, wollt ihr nach Schatten laufen,
Und um ein schimmernd Nichts das wahre Gut verkaufen?
Stabér, was schrecket dich? was nimmt dir Schlaf und Ruh'?
Was Sokrates erwählt, die Armuth, fürchtest du,
Schämst du dich, dem Arist an Tugend nicht zu gleichen?
O Thor! dieß schändet dich! Das Mark von allen Reichen,
Gold, Purpur, Kronen selbst, vertheilt des Glückes Hand,
Und größern Thoren oft; doch Tugend und Verstand
Schenkt dir kein Zufall nicht, die mußt du selbst dir geben.
Durch sie weiß Epiktet im Mangel wohl zu leben.
Wie edel dacht' Ulyß zum Beispiel für die Welt?
Er ist des Lebens werth, das ihm Homer erhält!
Herr eines Reichs, wohin kein Tyrus Schiffe schicket,
Von langem Irren müd', vom Zorn Neptuns gedrücket,
Zog er sein Ithaka, entblößt von aller Zier,
Kalypsens Paradies und ihrer Liebe für,
Und einer Ewigkeit von wollustreichen Tagen.
Wem hat mit solchem Reiz das Glück sich angetragen?
Kein lachend Tempe war der Nymphe Wohnung gleich,
Kein traubenvoll Tarent, noch Aphroditens Reich.
Hier schüttelt' Amor stets auf junge Myrtenäste
Und Florens weichen Schooß ein Heer verbuhlter Weste
Von Rosenflügeln ab; ein nie entblößter Wald
Umschattet und bekränzt der Göttin Aufenthalt,
Den Proknens Schwestern stets mit ihrem Lied beleben;
In einem ew'gen Herbst wind't seine Nektarreben
Der Weinstock um ihn her; ein Feld, wo Veilchen blühn,
Von jungen Westen voll, verbreitet sich um ihn;
Hier rauschen nachbarlich mit abgemess'nen Fällen
Durchs blumichte Gefild vier perlenfarbne Quellen:
Selbst ein Unsterblicher, der dieß Elysium
Im Flug ersah, hielt ein, und sah noch oft sich um.
Doch für Ulyssen war in diesen Götterauen
Kein Reiz, der seinen Blick, nicht in die See zu schauen,
Vom hohen Ufer rief, wo er nur Ithaka,
Und seinen Telemach und Penelopen sah.
Wo sind die Helden jetzt, die wie Ulysses denken?
Göttinnen, ohne Macht Unsterblichkeit zu schenken,
Und ohn' ein Zauberreich voll Freuden, Spiel und Scherz,
Sind, mit gemeinem Reiz, zu stark für unser Herz.
Ach, Freundin, jene Zeit von der Homere melden,
Der Tugend Monarchie, die fruchtbar war an Helden,
Flog mit der Muse fort, die jene Dichter trieb,
Vor deren starkem Lied oft Alpheus stehen blieb.
Wo ist dein Schimmer hin, Zeit der Olympiaden?
Wo ist Leonidas? wo sind die Miltiaden?
Wo bist du, Phocion? wo ist mein Sokrates?
Da wo Euphranor ist, da wo Euripides!
Der Frühling ist verblüht, der einst die Erde schmückte,
Der Pfad von Dornen starr, den einst der Weise drückte,
Die scheue Tugend wich von Söhnen fremder Art,
Und hat Asträen sich im Sternenfeld gepaart.
Itzt nennt man ohne Kraft der wahren Helden Namen,
Kein Trieb beseelt uns mehr, Fabrizen nachzuahmen.
Der Arme, wär' er auch Sokratens Ebenbild,
Schleicht unbemerkt vorbei. Sobald in Gold verhüllt
Ein reicher Narr erscheint, bedeckt mit Diamanten,
Trägt Rhodope den Raub geplünderter Amanten
Vor aller Welt zur Schau, ihr folgt des Pöbels Blick,
Und ungeachtet weicht Sulpicia zurück.
Kommt, Freundin, laß die Welt vor ihren Götzen knieen;
Kein schimmernd Kind des Sumpfs soll uns von Höhen ziehen,
Wo sich vor unserm Blick der Wahn umsonst verdeckt,
Kein Glück uns Wünsche raubt, kein Unfall uns erschreckt.
Die Güter miss' ich leicht, die Thoren angehören.
O Freundin, nur dein Herz, dieß kann ich nicht entbehren! |