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II

September ...

Südlich von der Scheune nach der Allee zu stand die Dreschmaschine und brummte. Spreu und Staub flogen rings in der Luft und legten sich auf die Kleider der Arbeiter, klebten sich an ihre schweissigen Hände und Gesichter, so dass sie geschäftigen unterirdischen Geistern glichen, die ins Tageslicht hinaufgekrabbelt waren.

Und sie sprachen nicht, arbeiteten nur in stetigem Schweigen, während ein Wagen nach dem andern vom Felde gerollt kam, abgeladen wurde und wieder fortrollte. Es ging mit Windeseile zurück mit dem leeren Wagen durch die Allee. Der Wiesbaum hüpfte und tanzte gegen den Boden des Wagens, und der Kutscher war nahe daran, von seinem Brett herunterzufallen, denn der Weg war tief von dem vielen Fahren und von Löchern und Wasserlachen. Acht Tage lang hatte es geregnet, dann war schönes Wetter geworden, mit Sonne und Wind. Und nun musste mit aller Macht gearbeitet werden, damit die Ernte beendet war, ehe der liebe Gott wieder anderer Laune wurde ...

Auf dem schmalen Fusspfad an den Alleebäumen entlang kam Zollkontrolleur Knagsted auf seinem Rad daherbalanciert. Draussen auf der Landstrasse hatte er den Rauch gesehen und das Brummen der Lokomobile gehört, und hatte ihn die Lust angewandelt, auch diese Kindheitserinnerung aufzufrischen.

»Zum Teufel auch!« rief Gutsbesitzer Meincke vergnügt. »Da haben wir ja das Zollamt an einem Werkeltag!«

Und er sprang über den Graben, der den Dreschplatz abschnitt, grau und bestaubt wie die andern Unterirdischen:

»Ja, hier arbeiten wir!« sagte er. »Wollen Sie eine Aktie nehmen? Wir können sehr gut noch einen Mann gebrauchen, der oben beim Hockensetzen in Empfang nimmt.«

»Tauge nicht dazu,« entgegnete Knagsted. »Guten Tag, Herr Gutsbesitzer! Bin zu steif in den Hängen geworden ... Na, wie steht's denn?«

»Grossartig! Wenn sich das Wetter nur halten will; sagen wir: noch drei Tage, dann sind wir fertig.«

»Und der Regen?«

»Ach, der hat keinen Schaden angerichtet! ... Sie bleiben doch zu Tische?«

»Danke für die freundliche Einladung.«

»Ja, die Mädels sind leider nicht zu Hause; sie sind drüben auf Storgaarden bei Werners; da wird Geburtstag gefeiert ... Aber zum Kuckuck auch! Wie sehen Sie nur einmal aus mit all dem Haar und dem Bart? Sie gleichen ja einem Heuhaufen!«

»Hm,« nickte Knagsted, »so geht es: Lässt man das Haar wachsen, so murren die Kahlköpfigen; und geht man forsch zu, so knurren die, so mit einem Herzfehler behaftet sind!«

»Danke für das Kompliment!« lachte der Gutsbesitzer. Er hatte, wie gesagt, eine sehr hohe Stirn.

Ein Kornfuder kam von der Allee her auf den Platz geschwankt.

Meincke sah nach der Uhr.

»Es ist wohl noch Zeit, das da vor Tische durch die Maschine gehen zu lassen, Jens?«

»Wieviel ist die Uhr?« tönte es von dem Fuder herunter.

»Es fehlen noch zwanzig Minuten!«

»Ja. Dann wird es schon gehen!«

Der Gutsbesitzer wandte sich um:

»Kommen Sie, Zöllner, wir wollen hineingehen und uns ein wenig zurechtmachen. Darauf legen die Frauenzimmer ja Wert ...«

Als sie den Hofplatz erreicht hatten, kamen Mine und Line in Hut und Jacke aus der Haustür.

»Was, ... seid ihr noch nicht fort?«

»Aber?« rief Mine froh überrascht, »da ist ja der Zöllner! Dann bleiben wir zu Hause.«

»Nein! Das tut ihr nicht!« schalt der Gutsbesitzer.

»Ja, das tun wir doch!« sagte Line.

»Habt ihr denn nicht versprochen, zu kommen?«

»Ja ... Aber wenn der Zöllner hier ist!«

»Ich will viel lieber mit euren Eltern allein sein ...« lächelte Knagsted.

»Das ist ja nicht dein Ernst!«

»Wohl ist das sein Ernst! Macht nun, dass ihr wegkommt, sonst kommt ihr zu spät.«

»Ja, wenn ihr uns gern los sein wollt ...«

»Freilich wollen wir euch los sein! Adieu ... und grüsst da drüben!«

»Adieu!« rief Line. »Aber wir wollen es euch schon heimzahlen!«

Sie flüsterte Mine ein paar Worte ins Ohr.

»Ja–ah ...« lachte Mine. »Hurra!«

Und dann verschwanden sie lachend und winkend um die Ecke des Wohnhauses ...

»Gott weiss, was sie nun ausgeheckt haben ...« sagte Meincke. »Aber zu spät kommen sie doch; jetzt pfeift es zwölf Uhr. Die Frauenzimmer können doch auch nie die Zeit innehalten. Sie hatten versprochen, präzise zu Tische zu sein ...«

Die Lokomobile pfiff gellend. Der Lärm der Dreschmaschine legte sich nach und nach, bis er ganz erstarb. Die Erntearbeiter kamen in ihren Holzschuhen klappernd über den gepflasterten Hof. Es war Essenszeit.

Erbsen und Schweinefleisch; hinterher Pfannkuchen.

Draussen in der Leutestube gab es dieselben Gerichte. Nur waren die Pfannkuchen ein wenig dicker ...

»Und stellen Sie sich vor,« erzählte der Gutsbesitzer, der mitten in einer Geschichte war, »da sagt der Apotheker, ich müsste zu Pastor Sörensen gehen! ... Zu Pastor Sörensen! frage ich, handelt der denn mit Arsenik! ... Haben Sie je so was gehört: Pastor Sörensen soll mir Erlaubnis erteilen, Arsenik für Ratten zu legen!«

»Gingen Sie denn zu ihm?«

»Nein, das tat ich, weiss Gott, nicht! Ich kann den Kerl nicht ausstehen; er sieht so eingeklemmt aus.«

»Aber Meincke!«

»Mag gern sein, Mutter! Aber so sieht er aus. Und ich kann es so gut verstehen, dass die Frau ihm weggelaufen ist.«

»Sie soll ja Kunstreiterin geworden sein ...?«

»Und reist durch Land und Reich mit dem Baron ... Haben Sie auch davon gehört, Knagsted?«

»Nein ...« sagte der Zöllner. »Aber was wurde denn aus dem Arsenik?«

»Ach, ich fragte den Apotheker, was ich bei dem Pastor sollte ... Ich sollte zu ihm hingehen mit einem Schreibebrief, dass ich vorsichtig mit dem Gift umgehen und weder mich selbst noch Frau, Kind, Knecht, Magd, Gesinde oder Vieh vergiften wolle. Das sollte ich eigenhändig unterschreiben mit Hand und Siegel und drei Fingern in die Höhe. Und dann sollte der Pfarrer hinterher bezeugen, dass ich würdig sei, Arsenik zu bekommen ... Ich glaube, verdammt und verflucht, dass sie alle vom Satan besessen sind! Wäre es noch der Bürgermeister gewesen oder der Landrat oder Tierarzt Nannestad ... aber der Pastor

»Das muss ja eine alte Verordnung sein,« meinte Knagsted, »aus der Zeit, wo man der Meinung war, dass der Pastor seine Pfarrkinder am besten kenne.«

»Ja, aber die Zeit ist, weiss Gott, längst vorüber! ... Und dann kommt dieser Pastor Sörensen und hält mich mitten auf der Strasse an und fragt, warum meine Töchter nicht konfirmiert worden wären? Was schert ihn das? ... Und wie wir unsern Heiligabend feiern! ... Mit Gänsebraten und Apfelkuchen, Herr Pastor, sagte ich ... und Tannenbaum und Punsch und Trunkenheit und Hallo nach alter Nordländer Weise. Und wenn der Herr Pastor mittrinken will, soll er herzlich willkommen sein!«

»Du bist wirklich ein bisschen zu hart, Adolf ...«

»Nein, das bin ich nicht, Mutter ...! Warum sollen die Geistlichen das Vorrecht haben, unverschämt zu sein? Wenn ich herumrennen und meine Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken wollt', dann würd' ich schön einen auf den Schnabel bekommen ... Haben Sie wohl übrigens darauf geachtet, Zöllner, wie merkwürdig viele Geistliche, Hochschulvorsteher und bäurische Politiker Ähnlichkeit mit kastrierten Füchsen haben?«

»N–nein, das ist mir gerade nicht aufgefallen ...«

»Ja; und ich glaube, das kommt daher, weil sie alle mit einem schlechten Gewissen umhergehen: ihre mageren Handlungen entsprechen ja nicht ihren fetten Worten.«

»Und die Ratten?« fragte Knagsted.

»Die Ratten? Was für Ratten?«

»Denen Sie Arsenik geben wollten; was machen die?«

»Die befinden sich vorzüglich! ... Ich gehe mit dem Gedanken um, den ersten Pastor zu kaufen, der hier in der Gegend stirbt, und ihn ihnen vorzusetzen; dann werden sie sich schon verziehen.«

»Du hast ein gottloses Mundwerk, Meincke!«

»So, meinst du?«

Frau Meincke schüttelte den Kopf.

»Und solche Reden führt er auch, wenn die Mädels es hören.«

»Ja, ha–ha! Die sollen lernen, sich zu verteidigen! ... Noch einen Pfannkuchen, Zöllner?«

»Ja, bitte ...«

»Du, Mutter, ich glaube, ich erzähle dem Zöllner die Geschichte, wie wir geheiratet haben?«

»Nein, ach nein! ...«

»Ist sie amüsant?«

»Kolossal!«

»Dann her damit!«

»Ach nein, Adolf; das darfst du nicht ...«

»Na ja ... wie du willst ... Sie ist so schrecklich schämig geworden.«

»Aber es gibt doch auch wirklich Dinge ... nicht wahr, Zöllner?«

»Freilich, liebe Frau Trine ... Ich habe auch Geheimnisse, die ich ungern verraten sehen würde.«

Der Gutsbesitzer lachte hinterlistig:

»Ja, zum Beispiel das mit ›Thorwald‹ ...«

»Das ist wirklich kein Geheimnis ...« erwiderte Knagsted lachend.

»Wollen wir dann Gesegnete Mahlzeit sagen!« meinte der Gutsbesitzer und brach in ein so schallendes Gelächter aus, dass die Leute in der Gesindestube mitlachten und sagten: So wie der Herr kann doch keiner lachen ...


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