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20.

Von der Trutzbauernschanze her schollen gräulicher Lärm und Schüsse: dort waren sie schon aneinander geraten.

Die Landbauern horchten hoch auf. Ihre Rotten standen bereit. Da huben sie an einen kampfbrünstigen, gläubigen Gesang, und der tönte breit und rau über das nächtliche Land.

»Weil denn die Stund vorhanden ist,
allda wir müssen streiten
für dein Wort, du Herr Jesuchrist,
so steh und treu zur Seiten!
Wir suchen dein, nit unser Ehr,
dein Wort, Herr, sonst nix anders mehr
ist unsers Herzens Freude.

So Haus und Hof, so Weib und Kind
haben wir jetzt verlassen,
auf dass ihr Heil die Seele find't
und es kann recht erfassen.
Herrgott, dein altes, lautres Wort
ist unser einzger Trost und Hort,
tut unser Herz durchschwellen.

So renne wir im Namen dein
gen die, so uns wolln zwingen
und um dein heilig Wort allein
mit heller Gewalt wolln bringen.
Beweis dein Kraft, Herr Jesukrist,
weil doch kein andrer Helfer ist,
der für uns könnte streiten!«

Mit heißer Gewalt traten sie an. Die gläubige Einfalt ihrer Seelen zerschmolz im Hass, ging unter in prasselnder Wut. Der Heilige Geist grüßte sie, doch nicht jene, der auf sanften Taubenflügeln niedersinkt, sondern der in Flammen herab züngelt, in Schwert und Schmerz sich offenbart.

Die Sterne blickten böse. Da quollen die Haufen wüst schreiend aus der Finsternis. »Stellt und den Grafen heraus!« heischten sie. Der Graf war ihnen das verfluchte Wahrzeichen der quälenden, niederdrückenden Macht geworden, und all der gebäumte Grimm schien nur gen den einen Mann gerichtet.

Die Hauptmassen wälzten sich gegen das Schulertörlein. Das wollten sie aufzwingen, dort wollten sie die Mauern erklimmen. Wagen voller Leitern schoben sie mit sich her, Sandsäcke und Bündel schleppten sie, Holz und Staudenwerk drin, den Stadtgraben zu füllen. »Grausen soll ihnen vor uns!« dräuten sie. »Der Vetter Adam muss heraus, oder wird Linz eine Einöd!«

Feuer und Donner empfingen sie. Schlünde brannten auf, leuchteten, brüllten. Ächzend wälzten sich ganze Knäuel von Bauern. Schnellten auf. Rannten wieder vor.

»Die Zähne zusamm zwicken!« schrie der Hauptmann Hans Ortner, ein Männlein, nicht hoch gewachsen, aber mit einem vollen, festen Mannesherzen im Leib. »Heut müssen wir es ermachen!«

Erzwild gingen sie an. Sie warfen die Säcke und Bündel in den Graben und sprangen nach. Die Leitern legten sie an die Mauern, kletterten wie Marder. Schüsse und Stiche zuckten herab auf den stöhnenden Menschenwirbel. Pfeifer pfiffen grelle Zeichen, Trommeln stürmten.

Die Bauern prallten zurück vor der dröhnenden Hölle, die sie grüßte. Aber gleich wieder drangen sie in schwarzen Wogen vor. »Dran! Dran!« schrien sie. Sie füllten den Graben, schritten hinweg über tote und verzuckende Leiber, glitschten in Blut aus, richteten sich wieder auf.

Ins Tor hackten sie hinein. Der eisenköpfige Sturmbock rammte. Das Tor donnerte. Es gab nicht nach. Seine Eisenbänder waren mächtig, sein Holz gesund, und dahinter war alles verrammelt. Die Brechstangen arbeiteten vergeblich.

Finsternis und Feuerlicht rangen gegeneinander. Aus der verknäuelten Qual und Wut des Grabens erhob es sich immer wieder.

Katzenhaft jagte einer die Leiter hinauf. Die Hände legte er schon auf die Mauerbrüstung. Abe ein Soldat erwartete ihn und stieß ihm eine Stange in die Brust. Eine nahe Flamme leuchtete die beiden an. Tötender und Sterbender erkannten sich. »Mein Bub!« ächzte der Bauer, überschlug sich und stürzte in die Tiefe. »Vater!« heulte ihm der Soldat nach.

Dampfend vor Hass strebten die Bauern empor. Man stach, warf, schlug, schoss hinein in die unheimlichen Streiter. Gefühllos gegen Leid und Tod standen hinter den Verwundeten, Gestürzten immer wieder neue auf. Von siedendem Wasser verbrüht, erblindet unter dem stürzenden Schweiß ihrer Stirnen, unter dem Blut, das ihnen die Augen überrann, Lider und Wangen verkrustete: Sprosse um Sprossen klommen sie verbissen dem zielenden Eisen des Feindes entgegen und dem nahen Schuss.

Wieder wurden sie abgetrieben, wieder liefen sie an. Wie trotzige Böcke liefen sie an und zerprallten an der eisern bemannten Mauer. »Das Nachtmahl wollen wir heut in Linz drin fressen!« schrien sie sterbend.

Den Hans Ortner trugen sie aus dem Kampf. Das Ringelhemd war ihm zerfetzt, die Brust durchstoßen. »Lasst mich im Graben liegen!« flehte er. »Der Graben muss ausgefüllt werden, ebenerdig müssen wir in die Stadt laufen!«

Sie legten ihn abseits unter eine Staude. Die Faust konnte er nimmer ballen, so entblutet war schon seine Kraft. Nur die Lippen regten sich noch, wild geformt vom Hass. »Am Jüngsten Tag treff ich dich, Graf. Da raufen wir es aus!« Sein Mund erstarrte.

Mit blutigem Mut warf sich Schwall um Schwall gegen die Mauer. »Den Mörder gebt uns heraus!« brüllten sie.

Ihnen antworteten die groben Stücke, Streukugeln schlugen ein, Schwefelbrände, züngelnde Pechreifen zischten herab. Die Reisigbündel im Graben standen lichterloh.

Getroffene ächzten den Namen Jesu, Sterbende stammelten mit verdorrten Zungen. Leitern flammten, barsten.

Aus stinkendem Rauch, aus Stank und lechzendem Rot tauchte ein brennender Mann empor, kniete droben auf der Mauer, sprang hinüber auf den Wehrgang und umschlang einen Soldaten. Brennend wälzten sich die Verkrampften. Keiner wagte sie zu trennen.

Hastiger hackten die Äxte in das Tor. Bäume rammten, Gemäuer splitterte. Ein Bauern ward irrsinnig, rannte mit der Stirn gegen das Tor, dass sie zertrümmerte. Überall Qualm, Blitze. Der Hals der Hölle hauchte Verderben.

Rußig wie die Schürknechte der Unterwelt, voll Schmutz und Blut, eitel Feuer um sich, kämpften die Bauern. Mit einer Wut, die sich nicht geben wollte, zerfetzt den Leib, verstümmelt die Glieder, immer wieder kamen sie daher.

Erst nach fünf Stunden wildesten Gefechtes fluteten sie von dem furchtbaren Geschäft zurück. Der Sturm war verloren.

Über dem Schloss stiegen Feuerkugeln auf, Freudenschüsse krachten. Des Grafen Trompeter bliesen Sieg.

Traurig trabten die Bauernhauptleute dem Lager zu, versengt und von Brandflecken entstellt die Gesichter, die Augen entzunden, den Geruch des Rauches im Gewand, schwarz wie Pulvermacher.

Eine Tanne stand am Weg. Der Obristhauptmann riss einen Brocken Harz davon und drückte ihn auf die Wunde, die ihm in den Arm gehauen. »Das Glück schlägt um«, klagte er. »Der Graben am Schulertor ist voller Leichen. Es müssen wohn an die tausend am Platz geblieben sein.«

Der Andres Hamel greinte: »Die Streiter werden uns bald zu wenig werden. Mit der Zeit schöpft man einen Brunn aus.«

Nur der Berndl ließ sich nicht beugen. Er wies lachend auf einen Weidenstrunk, daraus wiederum frische Ruten schossen.

Aber der Wiellinger war untröstlich. »O wankelmütiges Glück!« seufzte er immer wieder. »O Frau Fortuna!«

Quer über den Weg lag ein Mensch in einer roten Lache und winselte: »Ich muss – von der Erden!«

»Der Krieg hat keinen Sinn mehr«, murmelte der Hamel. »Es dauert schon zu lang. Hören wir auf!«

Im Dämmer des aufsteigenden Tages erkannte der Mann, der in der Blutlache lag, die Anführer. »Erschlagen sollt man euch, ihr Hundsnasen!« schrie er ihnen nach. »Ihr führt uns schlecht!«

Aus der Richtung von Ebelsberg her kamen zwei Leute gejagt, als sei ihnen der Tod auf den Fersen. Der eine war scheußlich verstümmelt: an Stelle der Nase hatte er ein blutiges Loch zwischen den Wangen.

Der andere keuchte: »Hauptmann, die Kaiserlichen sind ins Land gebrochen! Unser Lager vor Enns haben sie ihm Hui genommen!«

»Die Kaiserlichen gegen uns?!« schrie der Wiellinger auf. »Das ist nit möglich! Gegen den Kaiser führen wir nit Krieg!«

»Wahr ist es, um Gotteswillen! Der Obrist Löbel hat seine Reiter in uns hinein gesprengt, hat uns Vieh und Geschütz abgejagt. Wie die Teufel hausen sie, rot steigt es auf, wo wie reiten.«

Der andere Unheilsbote wimmerte: »Die Nase haben sie mir abgeschnitten und den Hunden zu fressen gegeben. Und ich hab sie doch so gebeten, sie sollen mir die Nase lassen und sich dafür meine zwei Ohren nehmen!«

»Da hat uns der Satan wieder ein Ei in die Wirtschaft gelegt«, grollte der Tobias Angerholzer.

Der Andres Hamel jammerte: »Mit ihren krummen Schlichen haben sie uns hingehalten, uns tölpische Bauern. Meister sind sie in jedem Betrug. Speck haben sie und durchs Maus gezogen, allweil wieder haben sie wie Spitzbuben uns getäuscht. Und jetzt stehen sie gerüstet da!«

Der eine Bote zog einen Brief hervor, mit einer Petschaft unterfertigt, darauf ein Stierkopf war. »Der Löbel wird bald vor dem Feldlager in Ebelsberg stehen. Die Ebelsberger lassen euch um Gotteswillen bitten, ihr sollt ihnen Pulver schicken und Kugeln.«

»Wir können nit«, lachte der Hamel grimmig. »In der Nacht heut haben wir uns völlig verschossen. Wir haben selber nix mehr, kein Lagel Saliter, keinen Schwefel, kein Pech, nix mehr, gar nix mehr. Nur eine eisernen Schlägel kann ich noch herleihen«, schloss er, seiner selber spottend.

»Jetzt fällt der Kaiser auch noch über uns her!« sagte der Madelseder bedenklich, der Bauern Schriftsteller. »Das wird ein übler Handel! Ja, jetzt geht der Wind für ihn günstiger: der Mannsfelder ist geschlagen und der Däne. Jetzt redet er anders mit uns.«

»Nit glauben kann ich es!« stammelte der Wiellinger. »Nit glauben kann ich es, dass er zu unsern Peinigern hilft!«

Der Hamel summte: »Der Überdrang wird zu groß!«

»Je mehr Feind, je mehr Glück!« lachte der Berndl.

Der Hamel kratzte sich in seinem fahlen Haar. »Nein, nein! Mir gefällt die ganze Sach nimmer. Es wird ein schlimmes End nehmen.«

Der Wiellinger brauste auf: »He, wollt ihr alle davon und mit die Last auf dem Arm liegen lassen?«

Der Hamel luchste ihn mit schiefem Blick an und ritt davon.

»So herzlich haben wir den Kaiser gebeten, und jetzt tröstet er uns mit Pulver und Blei!« klagte der Wiellinger.

Der Student aber schüttelte unwillig sein langes, lichtes Haar und rief grell: »Leut, nit der Bayer, nit der Graf, – der Kaiser ist unser ärgster Feind!«

Der Mdelsedr nickte. »Wie der Kaiser sich am Weißen Berg wieder Böhmens bemeistert hat, ist er nachher gewallfahret zur Muttergottes nach Mariazell, hat dort ihr gelübdet, er wolle lieber über eine tote Wildnis Herr sein als über ein luthrisch Volk.«

»Was hat ihm den der luthrische Glaube getan?« fragte ein Mann aus dem Ring, der sich um die Hauptleute gebildet hatte.

Der Madelseder antwortete: »Der Kaiser will Ruh haben in seinen Ländern, und drum, so meint er, darf nur ein einziger Glaube drin sein, der Glaube der Jesuiter. Und drum soll die deutsche Bibel ins Feuer. Dass wir unglücklich werden und um Ehr und Heimat und um alles kommen, unser Elend tut ihm nit leid.«

»Seinem Zwang werden wir Herr!« flammte der Student auf. »Heut hab ich gesehen, wie der Bauer seinen Leib hingeworfen hat um des Geistes willen. Das große Opfer in dem Graben vor Linz bürgt uns dafür, dass der trügerische Kaiser nit siegen wird. Er wird das Luthertum nit ausgrasen.«

Bedächtiger sagte der Madelseder: »Der Kaiser fürchtet sich nit. Er glaubt, dass er den Herrgott im Himmel stützt mit seinem Werk und dass ihm darum die Engel helfen müssen. Seine Waffen sind allweil siegreich, meint er, wenn er sich nit um irdische Gefahr bekümmert und das päpstische Wesen fördert, das er für gerecht hält.«

»O, es gibt keine Treu mehr!« klagte der Wiellinger immer wieder.

»Den bösen Finten und Schelmenkniffen des Kaisers werden wir begebnen!« sagte der Student. »Heut lacht der Teufel, morgen ist der Herrgott wieder obendran. Er lässt uns nit zunichtewerden!«

»Das verachtetste Viehlein wehrt sich, wenn es angefallen wird«, rief der Berndl. »Und so wollen wir uns auch gegen den Kaiser stemmen, wenn er es begehrt, und alles dransetzen, bis er unser altes löbliches Herkommen bestätigt. Unser Recht muss uns werden!«

»Bauern, wir sollten vom Römischen Reich einen besseren Landesherrn begehren!« rief Kasparus kühn. »Selber sollten wir ihn uns wählen dürfen und ihm das Linzer Schloss antragen, ihn aber auch davonjagen, wenn er unsinnig und arg haust und nit einmal weiß, dass er ein guter Mensch sein soll.«

Ein alterlebtes Bäuerlein saß im Gras, kaute an einem Halm und nickte besinnlich vor sich hin: »Ja,ja, nur aushalten! Nur geduldig sein! Geduld ist stärker als Kraft.«


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