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18.

In schwerer, wolkiger Nacht rieb sich der Wächter von Wesenurfahr die Augen. Die Donau rollte hoch.

Schon wochenlang war der Strom wie abgestorben. Kein Schiffmann wagte von Bayern her die Naufahrt. Und jetzt glitt eine finstre Flotte flussabwärts. Gespenstische Ungetüme fuhren auf dem geschwellten Wasser. War es ein Traum?

Der Wächter griff zum Rohr. Der Warnschuss krachte ungeheuer in der Stille. Die Nacht widerhallte.

Auf den geistergrauen Zillen regte sich nichts. Kein Schussfeuer glomm dort auf, kein Schrei erwiderte. Lautlos und hastig schwebte der Zauber vorbei, getragen von der jagenden Flut.

Stromabwärts scholl je und je der Schuss einer Schildwacht. Schließlich schwand alles im Dunkel.

Die bayerische Flotte schwamm vorbei an einöden Burgen, ausgebrannten Raubnestern, altem Streitgetürm. Immer wilder verengte sich das Stromtal. Schäumend brach sich das geklemmte Wasser an Klippen, an Blockwerk, das vom Steilhang niedergerollt war. Wälder stiegen düster bis zur Flut herab. Felsen bleckten aus der schwarzen Wildnis, starrten hinüber und herüber, ewig geschieden von der riesigen, schillernden Otter, die ewig mit sich alleindas vorgebahnte Felsgeleise zog.

Die Flotte schwamm vorbei.

Verschlafene Bauernschützen schauten hin wie auf etwas Unglaubliches, hoben das Gewehr, senkten es wieder. Nur zu ins Verderben, ihr Schiffe! Seil und Ketten sperren die Donau, Ketten aus steirischem Eisen! Wenn ihr zerschellen wollt, ihr Zillen, nur zu!

Bei Neuhaus wacht der Bauer. Wohlbesetzt ist dort das Ufer. Grobes Geschütz wird euchdort aufwarten, ihr verwegenen Schiffe! Dem Grafen wollt ihr wohl Brot bringen? Er braucht es. Hunde und Katzen frisst er schon mit seinen Knechten. Bald ist es mit ihm Matthäi am letzten. Fahrt zu!

Der Strom ward krumm. Immer jäher stieg die graudunkle Engschlucht an. Die Ufer strebten einander zu, als wollten sie die Donau zerquetschen.

Das mächtige Schloss Neuhaus erschien hoch am Gestade. Wie ein dreister Landsknecht auf der Schildwacht stand es.

Zu Wegenstoß bei der Mühle lauern sieben Geschütze hinter der Schanze. Aber der Bauer schnarcht sorglos: die Ketten wachen für ihn.

Singend dankt ein ferner Wächter die Nacht ab.

»Auf, auf! Es ist schon Zeit.
Die Vögel singen auf grüner Heid,
der Fuhrmann fährt schon auf den Straßen,
unser Herrgott wird uns nit verlassen.
Hat drei geschlagen!«

Die eisernen Zillen nahen. Vermessen saust ihnen jetzt ein Boot voraus. Am Seil hält es. Ein Soldat hebt die Axt, schlägt das Seil durch.

Das ungeschlachte Führerschiff finstert heran. Sein Schnabel ist gepanzert, sein Bauch mit Steine beschwert, die es tief ins Wasser drücken. Mit äußerster Wut arbeiten die Ruder. Die reißende Flut treibt. Jetzt gilt es!

In rasendem Prall stößt das Schiff an die miteinander verschlungenen Ketten, die sperrend den Strom überqueren. Die Welt wankt. In die Tiefe klirrt es hinab.

Der Riegel ist gesprengt. Frei treibt das Schiff weiter, ihm nach die Zillen.

Die verwegenen Schiffsleute jauchzen auf. Die Donau ist wieder offen! Die Musketiere lösen die Gewehre, die Tat mit Donner zu feiern. Das Stromtal brüllt das Getös zurück.

Am Ufer aber erhob sich blinde Verwirrung. Bauern im Hemd, nackte Menschen flohen, schossen, fluchten den Teufel in Grund und Boden.

Wiederum krümmte sich die Donau ums Gebirg. Um den Felsenbug verschwand das kühne Geschwader.

In wilder Fahrt schossen die sechs Zillen hin durch die Waldschlucht. Der Tag brach an, die Donau gleißte.

Die Berge endeten, und wie ein freundlicher Garten empfing das Aschauer Land den entfesselten Strom, der nach langem Zwang sich nun behaglich in die Breite reckte. Weiden senkten ihr Geflecht ins wandernde Wasser. Kirchtürme, Schlösser tauchten auf, fern graute der Traunstein wie ein drohendes Burgtum.

Langsam trieben die Zillen dahin, an kahlen Sandbänken und grün bewachsenen Inseln vorüber, Untiefen vermeidend, darüber es gefährlich strudelte. Immer wieder irrten von den Ufern Schüsse herüber, die nichts fruchteten, niemand heunten.

Aber zwischen dem Kürenberg und Ottensheim harrte die Gefahr. Dort an dem Bergtor gähnten die Feuerschlünde des Kristof Zeller stromhinüber die Schanze an, die der Graf den Aufständischen vor die Nase gesetzt und »Trutzbauer« getauft hatte.

Dort im Lager der Donaubauern surmte das Volk wie ein besessener Immenschwarm durcheinander, als es die feindlichen Schiffe wie einen überrumpelten Spuk dahergleiten sah.

Die Kristof Zeller wütete: »Und wenn sie die Kette zerbrochen haben, wir verriegeln den Fluss mit hundert Ketten, und wenn sie die hundert zerreißen, wir schütten die Donau zu!«

Er riss einen Spieß aus der Erde und sprang dem Strand zu, als wollte er mit der Stange Strom und Flotte aufhalten.

Auf den Schiffen glommen die Lunten. Feurig zuckte es. Der Bauernhauptmann stürzte lautlos vornüber.

Sein Leutnant Jeronymus Urnehader kniete neben ihm, den Pfiff der bayerischen Kugeln um das Ohr. Er wendete den wuchtigen Leib des Zeller um. Der war tot. Den Mund hatte er voll Erde. Das Blut schoss ihm aus dem geöffneten Herzen wie ein Strömlein aus dem Fels.

Geschrei pflanzte das Entsetzen fort und steigerte es. »Der Zeller ist tot!«

Das Geschwader glitt unbehelligt vorüber.

Die Linzer Landschaft entfaltete sich, das ragende Schloss, die bewehrte Stadt. Glockenschlugen an.

Der Herbersdorf sah vom hohen Fenster aus die Schiffe daherfunkeln. Er schrie auf wie ein heiseres Tief.

Vom Urfahr herüber knallten die Bauernflinten. Dröhnend antwortete die Feste. Nach allen Seiten hin spie sie Feuer, die Belagerer zu binden. Des Grafen Landsknechte brachen aus und vertrieben die Bauern von der Anlände.

Unter Feuer und Donner landeten die bayerischen Musketiere. Eilends wurden Geschütze von den Schiffen herab verladen, Fässer mit Mehl und Fleisch durch das Wassertor gerollt in die ausgehungerte Stadt. Heerpauken und Trompeten schallten Freude.

Achaz Wiellinger, der neue Obristhauptmann vor Linz, ritt in schwerem Unmut zum Judenbauernhof zurück, wo er mit seinem Stab untergebracht war. Zusehen hatte er müssen, wie das verwegene Wagestück der Bayern geglückt war.

Der Hauptmann Andres Hamel empfing ihn. »Wiellinger, betrübte Zeitung muss ich dir melden«, sagte er bang. »Der Kristof Zeller ist tot!«

»Eine Lüge ist das!« brauste der Wiellinger ihn an.

Der Jeronymus Urnehader trat aus der Tür. »Wiellinger, nimm dich des Haufen jenhalb der Donau an! Sie sind ganz wirr vor Schreck, wissen nit, was sie tun sollen.«

»Der Tod ist jäh«, schauderte der Wiellinger. Ihm war, eine eisige Hand taste nach seinem Herzen. »Der Fadinger! Der Zeller! Wann ich?«

Er schaute gen Himmel. Daran hing eine Abendwolke, lang und schmal und rot wie ein blutiger Spieß.


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