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Heerrauch schleierte die Höhen ein. Die Erde war voll verhüllten Feuers, und sie erlöste sich davon in den tausend Flammen der Blumen. Schon senkte sommerlich schwer sich die Ähre. Und in den Lüften lauschte es, als müssten von den Gehöften her die Dengelhämmer läuten.
Aber die Bauern lagen vor Linz und bauten Verhaue und Schanzwerke und zimmerten Leitern für den Sturm. Und wenn sich ein Landsknecht auf der Mauer zeigte, so neckten sie ihn mit räßen Schimpfreden.
»He, bindet mit uns an!« schrie der Michel Eschelbacher hinauf. »Wie wir Bauern kommen sind, habt ihn uns von den Türmen die Blutfahnen entgegen geschwenkt. Und heut schanzen wir schon den vierten Tag euch vor der Nasen, und ihr habt nit einen einzigen Schuss gegen uns gelöst!«
»Wetz dir nur die Gosche!« erwiderte der Soldat aus der Schießscharte herab. »Euch werden die Augen bald tropfen.«
Der Sauswind fragte hinauf: »Sättigt das Rossfleisch? Nagt nur eure Klepper bis zu den Hufeisen ab! Und wenn euch Hurenkerlen durste, ich schenk euch ein!« Uns spottweise ließ er das Wasser in sein Pulverhorn.
Der Knecht droben zerrte zornig an seinem langen Ratzenbart. »Feucht nur das Pulver, du Steivogel! Vergeud es! Ihr habt nur eine einzige Pulvermühl im Land mit vier armseligen Stößeln. Ihr werdet euch bald verschossen haben!«
Der Sauswind ließ sich nicht übertrumpfen. »Mangelt es euch schon an Kugeln? Seid ihr so schlecht versorgt? So schick ich euch ein Schock durch die Luft! Du kommst etwan auch von Peuerbach hergelaufen, Vetter?«
»Prahl zu!« sagte der Soldat verdrossen. »Es wird sich weisen, wer den bessern Magen hat. Uns Schelmenglück führt zum Strick.«
»Schmeißt uns den Herbersdorf heraus, sonst geht es euch schlecht!« drohte der Schmied.
Der Sauswind gierte: »Komm herab, du zartes Gräflein! Mit den Hellebarden wollen wir dir den Bart schaben.«
»Den Grafen kriegt ihn nit lebendig«, rief der Landsknecht. »Seinen Keller hat er mit Sprengwerk angefüllt. Und sollt es der Teufel zulassen, dass ihr die Stadt überwältigt, so sprengt er sich mit samt seinem Schloss in den Himmel. Er ist ein edler Soldat. Die Seligkeit ist ihm gewiss.«
»Glück auf zur Himmelfahrt!« lachte der Sauswind.
Aus einem Fenster des Landhauses, drin die landesfürstlichen Kanzleien waren und die Stände zu tagen pflegten in friedlichen Zeiten, lauerten zwei Musketiere, ein junger Gesell und ein finsterer Graukopf mit zwei dicken Schnauzbärten, einem unter der Nase und einem über den stechenden Augen, wo die andern Leute die Brauen tragen. Vormals war er ein Steinbockjäger gewesen, ein Wildschütz aus dem Salzburgischen. Die Kameraden scheuten den verwogenen, kalten Kerl, um den allerlei böses Gerücht witterte, und wollten mit ihm nicht viel zu schaffen haben. Es hieß, seine Hand ziele so sicher, dass er auf hundert Schritte weit einem eine Haselnuss zwischen den Zähnen heraus schießen könne.
»Heut hab ich das Abendmahl genommen und den Teufel dabei angerufen«, murmelte er. »Heut treff ich!«
»Du kommst nit zum Schuss, Daniel«, sagte der andere. »Der Graf duldet es nit, dass wir auf die Bauern anlegen. Er will sie nit reizen. Und so dürfen sie uns ungestraft schimpfen und schänden. Das vergällt einem ehrlichen Soldaten den ganzen Krieg.«
»Heut schieß ich, Lipp«, beharrte der Daniel. »Ich hab schon wochenlang nimmer den Finger aufs Zünglein gelegt. Ich halt es nimmer aus!«
Jenseits der Mauer gröhlten schanzende Bauern:
»Heunt in der Nacht ist der Adam verreckt,
hat ihn der Satan auf die Scheibtruhel g'legt.«
Der graue Steinbockschütz hob lüstern das Gewehr. »Einen hol ich heut vom Ross! Gestern hat er um dieselbe Zeit da draußen an dem Graben vorüber gesprengt. Der kommt mir gelegsam.«
»Dein Schuss nutzt nix«, meinte der Lipp. »Die Bauernhäut sind wie mit eisernen Platten beschlagen. Am Tag nach Peuerbach haben sie unsre Musketenkugeln aus ihren Hosen und Schuhen herfür geholt.«
»Das will ich sehen, ob der gefroren ist, auf den ich anhalte!« knurrte der Daniel. »Wenn es so weit ist, Lipp, nimmst du das Ross und ich den Mann!«
*
Der Obristenhauptmann Stefan Fadinger umritt mit seinem Leibschützen, dem jungen Egger, schon seit aller Frühe die Stadt. Vom Galgenberg kam er her, wo er die Schanzen besichtigt hatte und die Geschütze, die die Mäuler gegen das Schloss reckten, und nun sprengte er hart an dem Graben vorbei und spähte die Mauer ab, die schwachen Stellen daran zu finden.
Der Herbersdorf hatte die Zeit seit dem Scharmützel vor Peuerbach wohl zu nützen verstanden. Neue Schanzen hatte er errichten und die schadhaften Mauern bessern lassen, die Tore waren neu mit Eisen gepanzert oder zugeschüttet, in dem Graben lagen Nägel und tückisch gestachelte Fußangeln.
Der Fadinger nagte unmutig an den Lippen. »Er hat den Fuchsbau gut befestigt, derweil wir im Land herumgestreunt sind und uns von den Federfuchsern haben narren und gängeln lassen! Aber verbollwerk dich noch einmal so fest. Graf, das Gericht findet dich doch!«
Er kehrte sich zu seinem Schützen. »Sei getrost, Bub! Heut legen wir die Leitern an. Hörst du den Sauswind blasen? Der prophezeit uns gut.«
In schneidigen Tönen blies der Trompeter sein Lied, und es wehte frisch und herausfordernd gege die spröde Stadt.
Ist mir ein feinsbrauns Maidlein
gefallen in den Sinn,
ich hoff, ich wollt heut bei ihr sein
in ihrer Kammer drin.
Ein schanzendes Bäuerlein lehnte müd und versorgt an seiner Schaufel.
»Druckt dich das Heimweh nach der Sengst, Michel Kastner?« fragte der Fadinger. »Halt aus! Wenn das Grummet geschnitten wird, bist du längst schon zuhaus.«
Der Bauer faltete die Hände über den Schaufelstiel und seufzte: »Wenn der Graf sterben tät, was der Herrgott schaff, hernach wär Fried. Aber der Herrgott, ha, auf den Wolken liegt er in seiner Seligkeit und schaut uns zu, wie wir da herunt strodeln und strampeln!«
»Schaufel zu, Michel!« sagte der Fadinger. »Der Herrgott schlaft nit. Und es wrd alles so ausgehen, wie er es haben will. Das muss unser Trost sein.«
Und wie er sein Ross weiter treiben wollte, da schrie plötzlich einer von der Mauer herunter, barsch und herrisch: »He, bist du der Fadinger, der Bauern ihr Weisel und Allergottsobrist?«
Von der Zingelmauer sah ein hochfahrendes, aufgeschwemmtes, kränkelndes Gesicht herab, behelmt und mit weißem Spitzenkragen unter dem feisten Kinn.
»He, und bist du der Herbersdorf, der uns Bauern fressen möchte?« entgegnete der Fadinger.
Graf und Bauer starrten sich in tödlichem Hass an.
Dem Statthalter gleißten die Augen. »Also so schaust du aus, du Erzrebell?!«
»Also so schaust du aus, du mutwilliger Mörder!« widerhallte der Bauer. »Dein falsches Herz sticht dir aus den Augen. Du bist der, der uns aus dem Land schaffen will! Du bist der, der uns um alles bringen will, was uns lieb ist! Unser Gewissen willst du ertreten, unsern Glauben ausrotten! Es wir dir nit gelingen!«
»Du Stocknarr, du toller Schopf, was maßest du dir an?!« grollte der Graf. »Du begehrst auf gen den Lauf der Welt, du willst mit dem Kurfürsten raufen! Willst gar dem Kaiser die Krone nehmen? Ja, wenn der Bauer aufs Ross kommt, kein Teufel erreitet ihn!«
»Ich tu, was recht ist«, begehrte der Fadinger auf. »Der Mensch ist da, dass er seinem Nachbarn hilft. Alle Tugend richtet sich auf den Nachbarn und die Gemeind. Ich will nur helfen. Und dem Kaiser vergönn ich seine Kron. Dem Erzhaus Östreich bin ich ergeben, ich gehör ihm an. Mit ihm führ ich den Krieg nit. Aber du hast in unserm Land nix zu tun, du loser Mann!«
»Du erzgrobianischer Kerl, so redest du mit mir?!« schnarchte der Graf. »Mit Recht steh ich dem Land vor! Meinem durchlauchtigen Herrn ist es verpfändet. Und dass ihr euerm Glauben absagen müsst, das hab nit ich verursacht. Der Kaiser will es haben!«
Der Fadinger stellte sich straff in die Steigbügel. Wie ein flammendes Schlachtschwert war er. »Du, Graf, hast das Gräuelwerk angefangen. Du hasst uns, wie der Abtrünner den hassen muss, der treu blieben ist. Du darfst dir alle Schuld beimessen. Du willst uns das heilige Wort rauben. Unser Fleisch willst du fressen, unser Blut saufen! Du Feind Gottes!«
»Feim mich nit so an!« rief der Graf heiser. »Mit der Hundspeitsche leucht ich dir heim! Du willst mir die Tore einschlagen, die Mauern zerreißen! Meine Soldaten willst du mir schändlich verlocken, dass sie mich in deine Hände spielen! Versuch es und lass deinen unsinnigen Haufen die Leitern legen an mein Schloss! Ich will dir auswarten!«
»Graf, deine Stärke bricht ab! Hinter dir steht Gott nit. Wie ein blutfleckiger Metzger hast du in Frankenburg mit uns gehaust! Wasch dich mit der ganzen Donau! Sie wäscht dich nit rein von dem unschuldigen Blut, das du versprengt hast!«
»Hab ich unrecht getan«, polterte der Herbersdorf, »so soll ich gleich ärschlings in die Höll fahren! Aber dich, Fadinger, warn ich. Deine Anschläge und Träume fliegen übers Gewölk hinaus. Bleib im Tal, dann fällst du nit! Dein Glück wird bald vergehen. Dein Anhang wird dich sauber im Stich lassen. Zuschanden wird das Bauernwerk!«
»Dich bieg ich noch unter die Achseln!« schrie der Fadinger.
»Es wird so mancher das Weiße im Auge über sich drehen!« drohte der Graf. »Lasst euch den Narren schneiden! Ihr wisst nit, wie dumm ihr seid, ihr verdorbnen Leut!«
Der Bauer lachten grimmig. »Du heulst wie der Hund hinterm Gatter.«
»Ihr habe noch ein anderes Gelüst als das freie Gewissen«, höhnte der Herbersdorf. »Aber ich will euch den Beißkorb anlegen! Überwürdig seid ihr alle des Strickes. Voraus du verschlagener Schelm da drunten!«
Dem Fadinger schoss das grobe Bauernblut ins Hirn. Das breite Schwert zog er und bäumte es gegen den Statthalter, als wolle er seine Sache mit dem Eisen verfechten. »Ich bin kein Schelm!« brüllte er, dass es von den Mauern gellte. »Mir ist die Wahrheit begegnet! Aber du? Deine Ehr ist voller Scharten. Du hast allen Gnad versprochen, die sich bei der Linde einfinden. Dein Wort hast du gebrochen, deinen Adel hast du verloren! Ja, dreh dich nur um nach deinen Schergen! Dort droben im Fenster lauern zwei. Wie ein Schelm tust du an uns! Ein Lügenknecht bist du!«
Mit verzerrtem Mund schrie der Graf zu den Musketieren hinauf: »Bürstet ihn weg!«
Ein Donner schlug gegen den Fadinger. Abwehrend hielt er sein Schwert vor sich. Seine Sinne stockten. Ihm schwindelte. Die Waffe entsank ihm. Das Ross brach zusammen.
Bauern kamen gerannt. Sie zogen den Feldobristen unter dem blutenden Tier hervor.
»Schadhaft – bin ich – worden«, ächzte er.
Gewaltig erwachte jetzt die Feste aus ihrer Trägheit. Musketenfeuer blitzte, Kanonen kleschten, Kugeln schlugen ein.
Die Bauern bahrten den Verwundeten auf ihre langen Spieße und trugen ihn hastig aus der Gefahr. Sie trugen ihn über ein zertretenes Feld, in dessen Verwüstung nur noch ein wilder Mohn einsam blutete. Schmerzlich kehrte sich der Fadinger davon ab.