Edgar Wallace
Der Mann, der seinen Namen änderte
Edgar Wallace

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22

Lord Wadham sah dem Auto betrübt nach. Dann gab er dem Pförtner ein reichliches Trinkgeld und ging langsam den Fahrweg hinunter, bis er zu den großen Toren kam. Der Pförtner war ihm gefolgt, und da Wadham das Bedürfnis hatte, mit einem Menschen zu reden, drehte er sich noch einmal um.

»Haben Sie eigentlich etwas Neues von Ihrem Herrn gehört, Hill?«

»Nein, Mylord. Aber eines Tages wird er zurückkommen.«

»Es ist alles so traurig, Hill«, sagte der Lord laut.

»Ja, Mylord, es war eine schreckliche Sache. Und nur die Leute, die die Wahrheit wirklich wissen, können beurteilen, wie traurig es ist.«

»Sind Sie denn eingeweiht, Hill?«

»Nein, Mylord«, erwiderte der Mann und starrte ins Leere.

»Ich glaube, Sie sind ein verdammter Lügner«, entgegnete der Lord gutmütig. »Aber wenn Sie die Geheimnisse Ihres Herrn hüten, wird es Ihnen gut gehen. Ich wünschte nur, ich hätte solche Leute wie Sie. Was ist eigentlich aus dem Bruder von Sir James geworden?«

»Sie meinen den Halbbruder, Mylord?«

»Ja, ja, natürlich, den meine ich. Er war doch auch ein hübscher Junge.«

»Er ist vor einigen Jahren an Typhus gestorben.«

»Wie lange ist das denn her?«

»Ich weiß es nicht genau. Es muß aber um die Zeit gewesen sein, als sich Sir James in London verheiratete. Ob es vorher oder nachher war, weiß ich wirklich nicht mehr genau. Doktor Fordham hat ihn gepflegt. Das war ein guter Freund von Sir James, der ihn gewöhnlich auf seinen Auslandsreisen begleitete.«

»Fordham?« Der Lord runzelte die Stirne. »Ich kann mich gar nicht auf ihn besinnen.«

»Er stammt nicht aus der Gegend hier. Ich glaube, er war aus Irland. Und soviel ich gehört habe, ist er auch schon tot.«

Lord Wadham schaute vor sich hin.

»Kommt Lady Tynewood oft hierher?«

Hill unterdrückte ein Lachen.

»Ja, Mylady kommt manchmal hierher, aber ich lasse sie nicht in den Park.«

»Den Auftrag haben Sie also immer noch?«

»Sehen Sie, Mylady ist dort drüben.« Der Pförtner deutete mit dem Kopf nach der anderen Seite der Straße. »Sie wartet schon, seitdem die Hochzeit in Gang ist.«

Aus einer Seitenstraße schaute tatsächlich ein Teil ihres eleganten, schwarzen Autos hervor.

Alma war eine kluge Frau, die manche Dinge intuitiv vorausahnte. Lord Wadham glaubte, daß sie nur als neugierige Zuschauerin erschienen sei, aber er täuschte sich. Er selbst stand im Mittelpunkt ihres Interesses, da sie seine ungewöhnlich laute und weittragende Stimme kannte. Ebenso wußte sie, daß er sich gern mit dem alten Pförtner unterhielt. Sollte er also mit dem Mann sprechen, so konnte sie von ihrem Wagen aus die Unterhaltung belauschen. Und sie machte an diesem Tag eine sehr wichtige Entdeckung, wichtiger, als sich Lord Wadham jemals träumen ließ. Zum erstenmal hörte sie davon, daß Sir James einen Bruder gehabt hatte, der gestorben war. Der Name Dr. Fordham gab ihr einen anderen Anhaltspunkt. Er war ein Freund von Sir James, also wahrscheinlich auch der ganzen Familie.

Lord Wadham mußte noch ein Stück gehen, bis er zu seinem eigenen Auto kam, das etwas weiter unten auf der Straße hielt. Er war ängstlich bemüht, eine Begegnung mit Lady Tynewood zu vermeiden, aber sie war anderer Ansicht und stellte sich ihm direkt in den Weg.

»Guten Morgen, Lord Wadham«, sagte sie liebenswürdig, als er den Hut abnahm.

»Guten Morgen. Waren Sie auch bei der Trauung?« fragte er nicht ohne Schadenfreude.

Sie lächelte.

»Leider läßt man mich nicht in mein eigenes Haus ein. Aber ich habe die Hochzeitsgesellschaft gesehen. Mr. Pretoria-Smith schien nicht – ganz wohl gewesen zu sein. Hatten Sie nicht auch den Eindruck?«

»Ja, er ist wirklich sehr krank. Aber sonst ist mir nichts Besonderes an ihm aufgefallen.«

Ihr zynisches Lächeln ärgerte ihn, und er wandte sich zum Gehen. Aber sie hielt ihn zurück.

»Sind Sie ein Freund von Miss Stedman?«

»Gewiß, ich bin ein Freund von Mrs. Smith«, erwiderte er mit Nachdruck.

»Nennen Sie sie, wie Sie wollen. Ich kann mich noch ganz gut auf sie besinnen, wie sie noch ein Botenmädchen bei einem Rechtsanwalt in London war. Aber da Sie ihr Freund sind, werden Sie ja froh sein, wenn sie sich möglichst bald wieder von diesem schrecklichen Menschen scheiden läßt. Wenn sich der Dienstbotenklatsch bewahrheiten sollte –«

Er schaute sie an und lächelte sonderbar.

»Ehen lassen sich nicht so leicht scheiden, wie Sie vielleicht auch schon erfahren haben, Lady Tynewood.«

Sie sah ihm verblüfft nach und ging schließlich zu ihrem Wagen zurück. Mr. Javot saß gelangweilt am Steuer.

»Ich möchte nur wissen, was er damit sagen wollte.«

»Zerbrich dir doch nicht den Kopf darüber. Das ist doch alles so gleichgültig«, entgegnete Javot ärgerlich. »Willst du mich vielleicht den ganzen Tag hier auf der Straße warten lassen?«

»Ehen lassen sich nicht so leicht scheiden«, wiederholte sie nachdenklich.

»Bist du etwa anderer Meinung?« fragte Javot und lachte laut.


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