Edgar Wallace
Der Mann, der seinen Namen änderte
Edgar Wallace

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18

Er war gekommen. Marjorie hatte nicht geglaubt, daß er sich nach der peinlichen Szene des vergangenen Abends so schnell sehen lassen würde, aber offenbar schämte er sich nicht im mindesten.

Sie hatte gerade ihrer Mutter nachgesehen und sich dann an den Schreibtisch gesetzt, um einen Dankbrief an Lord Wadham zu schreiben, als es klopfte.

Das Dienstmädchen trat aufgeregt herein, als, ob auch sie etwas von den Geheimnissen der Familie wüßte.

»Mr. Smith«, meldete sie atemlos.

Er folgte ihr auf dem Fuße, und Marjorie erhob sich, um ihm entgegenzutreten.

Einige Sekunden lang standen sie sich schweigend gegenüber.

Er war erstaunt und betroffen über die ungewöhnliche Schönheit dieses Mädchens. Am vergangenen Abend hatte er sie nicht beachtet, und in den frühen Morgenstunden dieses Tages hatte er sie nur undeutlich am Fenster gesehen und auch nur vermuten können, wer sie war. Deshalb war seine Überraschung jetzt um so größer.

Auch Marjorie betrachtete den sonderbaren Mann nicht ohne Verwunderung. Er war nicht so breitschultrig, wie sie sich eingebildet hatte, und die Sonne Afrikas hatte sein Gesicht dunkelbraun gebrannt. Seine tiefblauen Augen waren etwas blutunterlaufen, und sie ahnte sofort den Grund dafür. Und doch hatte sie den Eindruck, als ob er eine Maske trüge, hinter der er seine wahre Persönlichkeit und seine Gefühle verbarg. In seinen Zügen lag eine gewisse Strenge, vielleicht sogar Unnahbarkeit. Er trug noch den einfachen, unansehnlichen, grauen Flanellanzug vom letzten Abend, der ihm schlecht paßte und für einen kleineren, korpulenten Mann gemacht zu sein schien.

Diese erste Begegnung war für beide peinlich.

»Ich bin der Mann, von dem Ihr Onkel geschrieben hat«, begann er schließlich nervös. »Man nennt mich allgemein Pretoria-Smith, aber das ist nicht mein eigentlicher Name.«

Das wußte sie bereits, aber sie machte keine Bemerkung darüber.

»Ich möchte aber unter diesem Namen heiraten«, fuhr er fort. »Die Rechtsgültigkeit der Ehe wird dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Ich könnte vielleicht in Schwierigkeiten kommen, aber die Ehe besteht zu Recht.«

Ihr erschien das Namensproblem unbedeutend im Vergleich zu der grauenvollen Tatsache, daß sie überhaupt heiraten mußte.

»Ich brauche mich ja nicht weiter vorzustellen«, erwiderte sie ruhig. »Sie wissen, daß ich Marjorie Stedman bin, die Nichte von Mr. Alfred Stedman. Ich habe Sie früher schon einmal gesehen – und zwar im Büro von Mr. Vance. Ich war damals seine Privatsekretärin.«

Er starrte sie verwundert an.

»Ja, richtig – ich entsinne mich jetzt.«

Er legte die Stirn in Falten, als ob er versuchte, sich genauer an ihre damalige Begegnung zu erinnern. Sie hatte den sehnlichsten Wunsch, daß er sie nicht mit jener schrecklichen Nacht in Schloß Tynewood in Verbindung bringen möchte. Aber daran dachte er offenbar nicht.

»Wollen Sie nicht Platz nehmen?«

Er setzte sich verlegen auf die Kante eines großen Armsessels. Es kam ihr zum Bewußtsein, daß er sie unverwandt ansah. Aber wenn ihr das auch nicht angenehm war, so zog sie es doch einem unruhigen, unsteten Blick vor, wie sie ihn eigentlich bei diesem Mann vorausgesetzt hatte.

»Sie sind also ein Freund meines Onkels?« fragte sie, um wenigstens eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

»Ja, wir stehen uns sehr nahe«, erwiderte er und räusperte sich. »Wir kennen uns seit vier Jahren. Ich habe ihm einmal das Leben gerettet«, fügte er etwas unbeholfen hinzu.

»Ach, das ist ja interessant.«. Ihre Stimme verriet höfliches Interesse.

»Ihr Onkel durchzog damals die Kalahari-Wüste, um nach Gold zu suchen, und hatte die große Mine gefunden, die wir jetzt ausbeuten. Wir haben beide ein großes Vermögen daran verdient. Ich kam gerade dazu, als ihn seine Leute in der Nähe des Wasserlochs im Stich ließen. Es waren zwei gemeine Kerle, die ihn absichtlich in die Irre geführt hatten. Sie wollten ihn verdursten lassen, damit sie nachher sein Eigentum stehlen konnten. Aber ich kam noch zu rechter Zeit. Er war dem Tod schon ziemlich nahe. Dicht bei dem Wasserloch war er umgesunken und besaß nicht mehr die Kraft, dorthin zu gehen.«

»Haben Sie ihm dann Wasser zu trinken gegeben?« fragte sie und versuchte sich diese Szene in der Wüste vorzustellen.

»Ja, ich habe den beiden schon Beine gemacht, daß sie ihm Wasser gaben. Und dann habe ich ihn zur nächsten Stadt gebracht.«

»Und was wurde aus den Schwarzen?«

Sein Blick schweifte durch das Zimmer.

»Dem einen habe ich eine Kugel durch den Schädel jagen müssen. Der machte Schwierigkeiten«, sagte er leichthin.

Marjorie schauderte leicht.

»Vielleicht habe ich ihn getötet – genau weiß ich das nicht. Der andere war dann willig und trug das Gepäck Ihres Onkels. Dem ist weiter nichts passiert.«

Es folgte wieder ein verlegenes Schweigen, aber schließlich raffte sich Marjorie auf.

»Mr. Smith, mein Onkel wünscht, daß ich Sie heirate«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. »Er schrieb mir, daß er Sie dazu überredet hätte.« Es kostete sie große Anstrengung, die letzten Worte über die Lippen zu bringen, und sie errötete tief.

Er nickte.

»Ich wünschte es zu Anfang allerdings nicht, und jetzt wünsche ich es noch viel weniger. Aber ich bin Ihrem Onkel zu großem Dank verpflichtet, und er hat sich diese Sache nun einmal in den Kopf gesetzt. Er ist nämlich ein ganz verrückter, alter Teufel.« Er sagte das halb zu sich selbst, aber sie hörte an seinem Ton, daß er ihren Onkel sehr gern haben mußte. Beinahe hätte sie gelächelt.

»Warum mußte er Sie denn dazu überreden?«

»Weil – ja, weil – ich überhaupt nicht heiraten wollte. Vor allem nicht eine Frau, die ich gar nicht kannte. Das war der eine Grund. Und dann dachte ich doch auch an das junge Mädchen. Es ist eine ungeheuerliche Zumutung, einfach einen unbekannten Mann heiraten zu müssen.«

Sie sah ihn verwundert an. Er mißverstand ihren Blick und wurde wieder verlegen.

»Entschuldigen Sie bitte meine Kleidung. Ich mußte sie unten in Südafrika in aller Eile vor meiner Abreise kaufen und kam gerade noch mit Mühe und Not zu dem Schiff. Und vor allem muß ich wegen des Vorfalls von gestern abend um Verzeihung bitten, Miss Stedman.«

»Es ist besser, wenn wir nicht darüber sprechen«, sagte sie höflich, »aber ich hoffe, daß –«, sie wußte kaum, wie sie fortfahren sollte – »Sie sich nicht wieder betrinken, wenn wir erst verheiratet sind.«

Er antwortete nicht gleich, und im nächsten Augenblick kam Lady Tynewood vom Garten herein.

»Guten Tag, meine Liebe«, wandte sie sich vergnügt an Marjorie. »Stellen Sie mich doch bitte auch Ihrem Verlobten vor.« Wenn ihre Blicke hätten töten können, wäre das junge Mädchen auf der Stelle leblos umgesunken.

Pretoria-Smith drehte sich langsam um und streckte die Hand aus.

»Darf ich Ihnen Mr. Smith vorstellen – Lady Tynewood«, sagte Marjorie, die sich die größte Mühe gab, auf den leichten Ton der anderen einzugehen.

Alma betrachtete mit Bewunderung die große, stattliche Gestalt des Mannes, aber Marjorie bemerkte plötzlich zu ihrem Schrecken, daß Pretoria-Smith Lady Tynewood haßerfüllt und feindlich ansah. Er trat einen Schritt zurück und hob die Hand wie zur Abwehr.

»Sie – Sie!« stieß er heiser und erregt hervor. »Mein Gott, ich würde lieber einem Aussätzigen die Hand geben als Ihnen!«


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