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8

Geduldig wartete Frank Leamington vor dem Tor des Marshleyschen Hauses auf seine Braut, Miss Beryl Martin.

Sir Harry kam eben herausgeschlendert – ein kahlköpfiger, vertrockneter Mensch, der leicht schielte.

»Hallo, Leamington, immer noch da? Haben Sie sich gut amüsiert?«

»Natürlich, ausgezeichnet.«

»Warum spielen Sie eigentlich nie? Meine Frau sagt mir, daß Sie sich niemals im Spielsaal sehen lassen. Beryl ist doch dort ständiger Gast!«

Frank hielt mit Mühe die Worte zurück, die ihm auf der Zunge lagen, und er erwiderte nur:

»Ich könnte es mir gar nicht leisten, so hoch zu spielen – und bei Beryl steht es meiner Meinung nach eigentlich genauso.«

Sir Harry rümpfte hämisch seine ziemlich rote Nase.

»Beryl muß ja schließlich am besten wissen, was sie tut«, sagte er. »Außerdem hat ihr Vater ihr einiges hinterlassen, mein Lieber.«

»Er hinterließ ihr sehr wenig«, entgegnete Frank mit Nachdruck.

Sir Harry zuckte lediglich gleichgültig seine mageren Schultern.

In diesem Augenblick sah Frank Beryl aus der Haustür kommen. Neben ihr ging ein großer, eleganter Mann, der sie so vertraulich am Arm gefaßt hielt, daß Frank wütend wurde.

Am Fuß der Treppe machten sie halt und unterhielten sich einen Augenblick leise miteinander. Dann verabschiedete sich das Mädchen mit einem Nicken und kam eilig auf Frank zu.

»Es tut mir so leid, daß du warten mußtest«, sagte sie schnell.

Sie sah sehr erschöpft aus. Er verstaute sie besorgt in seinem Wagen, setzte sich neben sie und begann erst dann zu reden.

»Beryl«, sprudelte er heraus, »ich mache mir solche Sorgen. Ganz bestimmt will ich dir keine Vorhaltungen machen, aber dieses verwünschte Kartenspiel richtet dich noch zugrunde, Liebling. Du weißt doch, daß das Haus dieses Marshley weiter nichts als eine Spielhölle ist. Marshley ist ja völlig pleite und weiter nichts als ein Aushängeschild ... Hinter der ganzen Sache steht niemand anders als Louba!«

»Ich weiß – ich weiß, Frank«, sagte sie.

Er wollte ihre Hand nehmen, aber sie entzog sie ihm sanft.

»Frank, ich muß es dir ja doch sagen – nimm dies zurück.«

Er fühlte etwas auf seiner Handfläche, und noch bevor er es richtig angeschaut hatte, wußte er schon, daß es ihr Verlobungsring war.

»Beryl!«

»Es tut mir leid ... wirklich leid. Ach, frag mich nicht, Frank – ich werde Emil Louba heiraten. Nein, nein, frag nicht warum ... Lieber, guter Frank, bitte.«

Er saß wie gelähmt da, völlig unfähig, einen Gedanken zu fassen.

»Dieser – Kerl!« stieß er endlich hervor. »Du bist verrückt, Beryl!« Du darfst es nicht tun! Bei Gott, eher bringe ich uns um. Darum also hat man dich hierhergelockt – Louba will dich haben. Vorher mußte er dich aber ganz gefügig machen. Ich kann mir alles denken – er hat dich im Spiel betrogen, und jetzt stellt er dich vor die Alternative: entweder heiraten oder zahlen.«

»Ich muß doch an Mutter denken«, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Frank, Frank, ich war ja so dumm!«

Sie verbarg das Gesicht in den Händen und weinte hilflos. Er konnte nur untätig und verzweifelt danebensitzen.

Nach einer Weile richtete sie sich auf.

»Fahr mich nach Hause«, sagte sie schwach. »Sprich nicht mehr darüber ... Es hat ja alles keinen Sinn mehr.«

Schweigend und mit verbissenem Gesicht fuhr er los und hielt nach kurzer Zeit vor der Tür des Häuschens auf dem Edwards Square, wo sie mit ihrer kranken Mutter wohnte.

»Gute Nacht, Frank«, sagte sie und küßte ihn.

Bevor er sie festhalten konnte, war sie schon aus seinen Armen geglitten und im Hauseingang verschwunden.

Einen Augenblick starrte er die Tür an, dann startete er entschlossen den Wagen.

Nach einer halben Stunde hielt er vor einer dunklen Fassade – Braymore House. Er kannte den Grundriß dieses Gebäudes wie seine Hosentasche. Als erfolgreicher Architekt war er beim Bau dieses Blocks sehr teurer Mietwohnungen beteiligt gewesen. Das Gebäude hatte sechs Stockwerke, und die nach den städtischen Vorschriften angebrachte Feuertreppe wirkte nicht gerade verschönernd.

Der ganze Komplex lag im Dunkeln. Nur im zweiten Stock zog sich ein breiter weißer Lichtstreifen hin.

Er wußte, das war Loubas Wohnung. Jetzt bei dem Levantiner einzudringen war unmöglich, denn die große Eingangstür war um diese Zeit schon fest verschlossen.

Er überlegte einen Augenblick. Dann ging er durch das Hoftor in den Garten hinter dem Haus und erreichte auf einem Seitenpfad die eiserne Leiter, die zur Plattform der Feuertreppe führte. Sorgfältig untersuchte er die Aufstiegsmöglichkeiten.

Nachdem er seine Erkundigungen beendet hatte, ging er zu seinem Wagen zurück.

Morgen wollte er sich das Gebäude noch einmal genau bei Tag ansehen.

Dünner Nebel stieg vom Regents Park auf, als er seine eigene Wohnung in Gate Gardens erreichte. Um so besser, dachte er.


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