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»Was wünschen Sie, Mr. Louba?«
»Könnte ich Sie kurz sprechen, Miss Martin? Ich möchte Ihnen gerne etwas Wichtiges sagen.«
Miss Beryl Martin, die an dem von Menschen dicht umdrängten Spieltisch stand, nickte mit dem Kopf und ging mit Louba zu einer Fensternische.
»Spielen Sie heute abend nicht?« murmelte er.
Sie schüttelte mit ziemlich gedrücktem Gesichtsausdruck den Kopf.
»Mister Louba, würden Sie mir jetzt einmal genau sagen, wieviel ich Ihnen eigentlich noch schulde. Ich muß jetzt unbedingt aufhören zu spielen. Das, was ich verloren habe, kann ich doch nie mehr zurückgewinnen, und ich muß jetzt irgendwie wenigstens die Schulden bei Ihnen loswerden. Sie sagen mir dauernd, daß es gar nicht so viel ist – wollen Sie mir nicht reinen Wein einschenken?«
»Genau über diesen Punkt wollte ich gerade mit Ihnen sprechen«, entgegnete er. »Hier können wir schlecht miteinander reden... Kommen Sie.«
Sie folgte ihm in ein kleines Zimmer im Parterre, dessen Fenster zum Hof hinaus lagen.
Das Haus, in dem sie sich befanden, gehörte Sir Harry Marshley, aber Louba schien sich darin völlig ungeniert zu bewegen.
»Glauben Sie mir, Miss Martin, ich erwähne diese Angelegenheit nicht gerne«, sagte Louba. »Und bevor ich Ihnen ernstlich Sorgen mache, würde ich lieber selber einen Verlust in Kauf nehmen... Aber ich hoffe auf etwas anderes.«
Vor seinem kühnen Blick wich sie instinktiv zurück.
»Ich möchte natürlich keinesfalls, daß Sie einen Verlust erleiden, Mister Louba«, antwortete sie hastig. »Sie haben doch sämtliche Schuldscheine, die ich unterschrieben habe, in Händen?«
»Ich glaube schon«, erwiderte er anscheinend gleichgültig.
»Bitte sagen Sie mir jetzt klipp und klar, wieviel alles zusammen beträgt!«
»Fünfzigtausend Pfund.«
»Was...?«
Sie war so erschrocken, daß sie kaum sprechen konnte.
»Das kann doch nicht sein...!! Fünfzigtausend ...!« stammelte sie mit kreidebleichem Gesicht.
»Es ist so. Soll ich Ihnen die Schuldscheine zeigen? Aber regen Sie sich doch nicht so auf!«
»Aber soviel bekomme ich im Leben nicht zusammen! Und meine Mutter hat nichts außer einer Rente – es würde sie umbringen, wenn sie wüßte, daß ich solche Unsummen verspielt habe.«
Er zog achselzuckend ein Bündel Schuldscheine mit ihrer Unterschrift hervor und gab es ihr zum Durchblättern.
»Miss Martin, ich hätte diese Zettel alle verbrannt, wenn meine eigene finanzielle Lage etwas besser wäre«, murmelte er. »Aber ich habe selbst schwere Verluste erlitten und sehe mich gezwungen, alle meine Außenstände einzutreiben.«
»Das heißt – Sie können nicht warten?«
»Ich fürchte – nein. Da ich London verlassen will, brauche ich vorher selbst Geld, um meine Verpflichtungen zu regeln.«
»Natürlich, das Geld steht Ihnen ja zu. Aber ich...«
»Oh, auf einen oder zwei Tage kommt es nicht an«, versetzte er ruhig.
»Ich weiß ja gar keinen Weg, wie ich bezahlen soll!« rief sie verzweifelt. »In so kurzer Zeit ist es mir ganz unmöglich...«
»Und dabei könnten Sie mich ganz leicht bezahlen«, unterbrach er sie und zog seinen Stuhl näher zu ihr heran. »Hundertfach, wenn Sie nur wollen.«
»Was meinen Sie damit?« sagte sie und lehnte sich ängstlich so weit zurück, wie es ihre Stuhllehne erlaubte.
Er ergriff plötzlich ihre Hand, die sie ihm sofort wieder entzog.
»Wenn Sie meine Frau wären, Beryl, gäbe es keine Schulden mehr für Sie. Und ich selbst würde bald wieder reich sein. Hätte ich Sie an meiner Seite, es gäbe wahrhaftig nichts, was ich nicht tun könnte... Verstehen Sie mich, Beryl? Verstehen Sie, was ich Ihnen anbiete?«
»Aber ich bin verlobt – das wissen Sie doch!« rief sie erschrocken und zeigte ihm den Ring an ihrer linken Hand.
Er zog die Lippen geringschätzig hoch.
»Der arme Teufel! Ich werde Sie schon lehren, ihn zu vergessen.«
»Aber ich will ihn gar nicht vergessen, Mr. Louba. Ich werde ihn heiraten.«
»Kaum, kaum«, entgegnete er nachlässig.
»Mr. Louba, ich verbitte mir Ihr Benehmen. Diese Angelegenheit hat mit meinen Schulden überhaupt nichts zu tun.«
»Hm, ich glaube, Sie täuschen sich sehr: wenn Sie meine Frau werden, dann sind Ihre Schulden ohne weiteres meine Schulden, und ich verbrenne die Schuldscheine an unserem Hochzeitstag – der stattfindet, noch bevor ich London verlasse. Wenn Sie dagegen darauf bestehen, diesen Leamington zu heiraten... Nun, seine zukünftige Frau bedeutet mir nicht das Geringste, und ich müßte dann auf prompter Zahlung bestehen. Es tut mir leid, aber da Sie selbst nicht genügend Geld haben, wäre ich in diesem Fall gezwungen, Ihre Frau Mutter aufzusuchen.«
»Um Gottes willen...! Eine solche Nachricht könnte sie nie verwinden!«
»Es liegt an Ihnen...« Er sah sie vielsagend an.
Sie drehte angeekelt den Kopf weg. Ihr Widerwille gegen ihn wurde immer stärker.
In diesem Moment fuhr sie plötzlich aus ihrem Stuhl hoch.
»Wer ist das?« rief sie erschrocken.
»Wer? Wo?«
»Jemand war am Fenster und preßte sein Gesicht an die Scheibe ...«
Er sprang auf und schaute zum Fenster hinaus.
»Kein Mensch zu sehen«, erklärte er dann.
Sie hatte sich von ihrem Schrecken wieder erholt. »Vielleicht war es einer der Diener – er schaute durch die Lücke im Vorhang herein. Sicher war es nur ein Zufall.«
»Möglich. Trotzdem kann ich Menschen nicht leiden, die durch Fensterscheiben in anderer Leute Zimmer schauen.«
Er zog die Vorhänge ganz zu, so daß keine Öffnung mehr zwischen ihnen blieb.
»Hatte der Bursche etwa einen Schnurrbart und ein ziemlich rotes Gesicht?«
»Ich glaube nicht. Aber ich kann es nicht genau sagen.«
»Schade – hätte gerne gewußt, wer sich so für mich interessiert«, bemerkte er finster.
Es entstand eine kurze Pause, in der er nachdenklich zu Boden starrte, bis Beryl die unterbrochene Unterhaltung wieder aufnahm.
»Ein bis zwei Wochen Aufschub können Sie mir doch sicher gewähren?« fragte sie bittend.
»Unmöglich. Ich gehe morgen früh zu Ihrer Mutter. Außerdem, was würden Ihnen da auch Tage nützen? Woher wollen Sie denn das Geld bekommen?«
»Ich ... könnte es eventuell besorgen«, murmelte sie.
»Meinen Sie etwa von Leamington? Wollen Sie ihm Ihre Liebe dadurch beweisen, daß Sie ihn ruinieren? Sie glauben doch nicht im Ernst, daß er fünfzigtausend Pfund auftreiben kann.«
Sie ballte ihre Hände.
»Sie haben recht«, murmelte sie.
»Warum sollten Sie sich auch an ihn wenden? Glauben Sie nicht, daß ich Sie glücklicher machen kann als er?«
Er hatte ihre Hände gepackt und brachte sein dunkles Gesicht nahe an das ihrige.
»Es sieht nur so aus, als ob ich grausam wäre, Beryl«, flüsterte er ihr zu. »Dabei will ich Sie doch nur glücklich machen ...«
»Wenn Sie das wirklich wollten, dann würden Sie mich nicht so drängen!« rief sie heftig. »Es ist Ihnen ja schon zuviel, wenn ich Sie bitte, noch auf das Geld zu warten.«
»Ohne das Geld könnte ich auskommen, Beryl, das ist richtig – aber nicht ohne Sie!«
»Sie müssen, denn ich denke nicht daran, Sie zu heiraten!«
»Dann kann ich Ihnen auch keinen weiteren Zahlungsaufschub geben«, erwiderte er kalt.
»Und Sie ... Sie geben vor, Sie wollten mich glücklich machen!«
»Und Sie geben vor, Ihre Mutter zu lieben ...? Und wollen sie nicht einmal vor einem solchen Schrecken bewahren.«
Sie saß da wie gelähmt und starte auf den Teppich.
»Schließlich ist alles Ihr eigener Fehler«, bemerkte er nach einiger Zeit lässig. »Wollen Sie nun auch noch Ihre Mutter tödlich erschrecken oder diesen Leamington ruinieren? Schließlich waren Sie es ja allein, die diese Torheit begangen hat – Sie sollten auch diejenige sein, die dafür bezahlt.«
»Ja«, sagte sie plötzlich fast tonlos und stand auf. »Ich müßte dafür zahlen – und ich werde dafür zahlen.«
Sie hob die Hand, um ihn fortzuschieben, als er triumphierend auf sie zutrat.
»Du wirst mir noch dankbar sein ... Eines Tages, wenn du das Glück kennengelernt hast, das du bei mir finden wirst.«
Sie gab keine Antwort, sondern wich nur noch weiter vor ihm zurück.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte sie mit kraftloser Stimme.