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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Künstlerin und Virtuosin.

H......im November.

Vor einigen Tagen sind wir hier angekommen; bereits nach einer Stunde waren wir im Theater zur Probe. Ich hatte mich lange auf diesen Augenblick vorbereitet. Ich fürchtete, außer mir zu geraten. Es ist alles ganz anders gekommen: mir war wie einer Zurückkehrenden zumute. Ich trug eine stille Glückseligkeit in mir. Als ich den dämmerungsvollen Bühnenraum betrat, die Luft der Kulissen atmete, alle die bekannten Gestalten und Gegenstände vor mir sah, in das Dunkel des öden Hauses hineinblickte, begriff ich nicht mehr, daß ich jemals fortgewesen sein sollte.

Ich dachte weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft, für mich war nur die Gegenwart: ich sollte spielen!

Man behandelte mich mit großer Ehrerbietung! wahrscheinlich verspricht sich der Direktor von meinem Gastspiel goldene Einnahmen. Mein Name ist ja nicht nur der Name einer Künstlerin, sondern der einer Geschichte: die Überschrift eines Romans.

Mein Name ist eine Reklame.

Ehe die Probe begann, führte ich Veronika umher, zeigte und erklärte ihr alles. Sie glich einer, die für ein großes Mysterium die ersten Weihen empfängt. Ich sagte ihr: »Auch du hast heute die Welt betreten, in die du gehörst. Verlasse sie niemals mit einem Schritt. Jeder Schritt hinaus in jene andere Welt ist eine Treulosigkeit gegen dich selbst, die nie ungerächt bleibt. Hier wirst du gut, groß, glücklich sein, ein Wesen, das staunend aufhorcht, hört es von dem Elend des Daseins reden – dort wirst du mitleidslos von dem Jammer des Lebens gepackt. In dieser Welt bist du Schöpfer, in jener andern Geschöpf mit allen Qualen eines solchen.«

»Wie aber, wenn man nicht geboren ist, um glücklich zu sein, nur glücklich?!« entgegnete mir die junge Pessimistin.

»Habe ich davon geredet? Wer will glücklich sein? Wozu braucht eine Künstlerin dieses sogenannte Glück? Sie besitzt Höheres.«

Dann begannen die Proben. Ich hatte zu meinem ersten Auftreten Lady Macbeth gewählt.

Den Eindruck, den mein Spiel auf der Probe machte und den ich bemerken mußte, überraschte mich. Man war nicht entzückt, sondern verwundert, betroffen. Ich muß mich also doch sehr verändert haben. Wüßte ich nur, worin. Nur einer ist, der es mir sagen könnte.

Mit meinem Organ ging es besser als ich dachte. Allerdings habe ich als Lady für den vollen Gebrauch meiner Stimme niemals Anwendung. Die Nachtszene überging ich in der Probe.

Veronika saß während der ganzen Zeit in der dunkeln Proszeniumsloge. Sie hörte mich zum erstenmal und konnte gegen mich kein Wort äußern. Ihre Seele rang mit dem Fassen des Gedanken dieser Welt in der Welt. Wie genau kannte ich diesen selig-unseligen Zustand! Ich hätte sie darum beneiden können. Aber auch ich habe gelebt.

 

Heute abend ist die erste Vorstellung. Ich sah den ganzen Tag niemand, auch Veronika nicht. Wenn nur das Publikum nicht da wäre! Wenn sie nur nicht klatschen wollten! Das wird am schwersten zu ertragen sein.

Veronika klopft. Ich muß ins Theater.

Während ich dies schreibe, sitzt Veronika zu meinen Füßen und scheint nicht übel Lust zu haben, mich als Heiligenbild anzubeten. Sie ist außer sich. Das übervolle, festliche Haus, das wunderbare Werk, mein Spiel, die Ovationen, die man mir brachte – sie hat keine Ahnung gehabt, daß so etwas möglich sei. Und nun habe ich ihr prophezeit, daß sie das alles an sich selbst erleben soll. Da ist dann solcher Anfall von Schwindel allerdings zu begreifen. Ich habe ihr versprochen, den Unterricht sobald als möglich zu beginnen – sobald es meine Kräfte erlauben. Das soll ein Glück werden!

Ich will eine Schülerin zurücklassen, die von mir zeugen soll.

Doch wie habe ich heute gespielt?

Seltsam, daß ich mir keine Rechenschaft davon ablegen kann; früher war es auch damit ganz anders. Ich weiß nur so viel, daß ich sehr dämonisch gewesen sein muß, zugleich sehr – realistisch. Ich merkte es an dem Schauer, der in der Mordszene das ganze Haus zu durchlaufen schien, an dem Spiel meines Macbeth. In der Bankettszene graute mir vor mir selbst: ich fühlte in meinem Hirn den aufsteigenden Wahnsinn der Lady. Welcher Kopf soll aber auch da bei Verstand bleiben! Dann kam mein Nachtwandeln.

Ich hatte mich in mein Bettuch eingewickelt, daß ich kaum schreiten konnte, und ein Tuch um den Kopf gewunden, dicht unter dem Kinn zugeknotet. Beide Arme hielt ich steif ausgestreckt, die Augen weit geöffnet, mit ausdruckslosem Blick. In meinem Gesicht veränderte sich kein Zug. Mein Körper war wie erstarrt, kaum daß ich mich zu bewegen vermochte. Die Hände wusch ich mir, mit weit auseinandergespreizten Fingern. Ich sprach tonlos, ohne mit dem Klang zu wechseln; wusch mir fortwährend das Blut ab, ohne darauf hinzusehen. Zuweilen stöhnte, röchelte ich, wie eine, die der Alp drückt. Beim Abgehen tastete ich mich die Wände entlang. Es muß fürchterlich gewesen sein.

Ich bekam, wie gesagt, Ovationen. Die Bühne war ringsum mit Kränzen bedeckt. Das Orchester blies Tusch. Ich wurde so oft gerufen, daß ich zuletzt wankte.

Was würde Fernow zu meinem blutigen Spiele sagen? Ich bin durchaus so gewesen, wie er es von mir verlangt: durchaus wahr. Ich fürchte nur, zu wahr.

 

Ich bin sehr erschöpft; dennoch gedenke ich gleich morgen abend mein Gastspiel fortzusetzen und zwar als Adrienne Lecouvreur. Ich freue mich sehr auf diese Rolle: man kann darin so schön wahnsinnig werden. Ich werde sie so spielen, daß die auf der Galerie glauben sollen, ich sei es wirklich geworden. Und wie ich die vergifteten Rosen küssen will!

 

Meine Adrienne hat einen unerhörten Erfolg gehabt. Nur meine Rezitation aus der Phädra im dritten Akt wirkte nicht so stark, wie ich glaubte, daß sie wirken würde. Soll ich für solche Leidenschaft nicht mehr über die Töne verfügen können? Dagegen fühlte ich bei meinem Wahnsinn und Tod meine Meisterschaft. Hier fand ich für meine Empfindung einen Ausdruck, der mich erstaunte und zugleich erschreckte. Nachdem ich das Gift aus den verwelkten Rosen getrunken, verwirrten sich meine Gedanken, mein Kopf begann zu schmerzen, ich suchte nach den Worten meiner Rolle und besann mich nicht sofort darauf, ich ward von einer unsagbaren Angst ergriffen, mein Atem ging schwer. Ich meinte ersticken zu müssen.

Im Publikum wurde man unruhig, dann wieder ganz lautlos. Ich spielte immer weiter und zwar von der Situation fortgerissen, immer natürlicher und lebenswahrer. Als ich allmählich starb, zuckte mein Körper, verzerrten sich meine Züge, mein letzter Seufzer ward zu einem entsetzlichen Aufschrei. Kaum hatte ich die Kraft, mich vom Stuhl zu erheben und vor dem Publikum zu erscheinen, das mich unzähligemal zu sehen verlangte. Veronika stürzte an meine Brust.

»Du bist wirklich nicht gestorben, du lebst wirklich!« stammelte sie, am ganzen Leibe zitternd, vor Entsetzen halbtot.

Der Direktor war in Verzückung. Rezensenten und Agenten umlagerten mich; ich konnte durch die Menge, die draußen auf mich wartete, kaum zu meinem Wagen gelangen. Nun bin ich sehr ermattet, sehr beglückt. Einen weiß ich, der mich heute heftig schelten würde, daß ich auf dem besten Wege sei, mich selbst zu zerstören. Guter, armer Mann, diesmal würde deine Schülerin nicht auf dich hören. Sie kann nichts dafür.

 

Heute ist in allen Zeitungen meine Lady Macbeth besprochen. Ich finde, man ist ungerecht gegen mich. Mein »krasser Realismus«, den man mir vorwirft, ist eben Wahrheit. Die Deutschen können nun einmal keine Wahrheiten auf der Bühne vertragen. Sie nehmen den Laokoon zur Hand und bestimmen die Grenzen der Kunst mit einem Maßstab. Ein Zoll über ihre Linie hinaus heißt bei ihnen bereits Überschreitung aller Gesetze und Regeln der Kunst. Ich kann nicht zugeben, daß wir uns selbst in solche Fesseln schlagen sollen. Wo bleibt bei der Konvention, bei dem Typus – bei solchem Kanon, das freie künstlerische Schaffen, die Eigentümlichkeit, die Individualität des Künstlers?! Die Kunst muß aus dem Allgemeinen hervortreten wo sie es nur vermag. Jeder, der dazu die Kraft in sich fühlt, soll es tun. Ich ahme nicht nach, sondern ich schaffe. Zeigt mir einen Verstoß gegen die Wahrheit, beweist mir, daß ich die Natur karikiere und ich will euch recht geben so sehr und ganz, daß ich die erste bin, die mich nicht mehr eine Künstlerin nennt.

Die Ästhetiker tadeln an meiner Lady Macbeth zum Beispiel auf das heftigste, daß ich meinen Mitspieler veranlaßt, in der Mordszene mit blutigem Dolch aus der Kammer des Königs zu stürzen. Aber wie hat dieser blutige Dolch gewirkt! Beredter als der Schauspieler es konnte, schilderte und illustrierte der blutgefärbte Stahl die furchtbare Szene. Erst jetzt glaubte man den König wirklich ermordet, man glaubte diesem Mord selbst beigewohnt zu haben: man sah eben das Blut, der blanke Dolch des Mörders schwächt alles, macht alles unwahrscheinlich und komödienhaft. Als Macbeth den Mord vollbracht und sofort entfloh, hat er gewiß nicht vorher seinen Dolch sorgfältig abgewischt. Der blutige Dolch ist also eine Wahrheit. Wo liegt hier mein Verbrechen?

Meine Nachtwandlerszene nennen sie genial, aber auch hier finden sie Übertreibung. Ich sei unschön geworden. Unschön! Wie dieses eine Wort zum Verräter an ihnen wird! Als wenn die Wahrheit immer Schönheit sein könnte? Nun, so seid in Gottes Namen unwahr, aber nur um Himmels willen nicht unschön.

Am höchsten stellen sie in der Bankettszene mein Vorbereiten des letzten Aktes. Das dürfen sie auch loben!

 

Meine Adrienne analysieren sie, wie ein Arzt einen Leichnam seziert. Sie lassen mir alles mögliche gelten, nur nicht mein Bestes, nur nicht eben – meine Wahrheit. Was kann ich dafür, wenn eine schwächliche Dame über mein Sterben in Ohnmacht fiel? Ist der Künstler für die Nerven des Publikums verantwortlich?

 

Heute abend spiele ich wieder und morgen abend wieder und so alle Tage. Sie sagen: auf solchem Wege würde ich erkranken. Ich werde krank, wenn ich nicht spielen kann.

 

Von allen Seiten kommen Anerbieten zu glänzenden Engagements, doch gedenke ich auf keins einzugehen. Ich will vollkommen frei bleiben, bald hier, bald dort sein; vielleicht, daß ich mit einer eigenen Gesellschaft reise. Fernow freilich würde dazu den Kopf schütteln.

 

Veronika hatte heute einen Brief von ihrem Bruder erhalten; seine Wunden heilen langsam. Fernow ist noch immer bei ihm. Beiden geht es gut. Ich wußte es ja: er ist stark – stärker als ich.

 

Ich bin längst nicht mehr in H ..., sondern unterdessen schon in B... und F... gewesen und werde in einigen Tagen von hier nach W ... abreisen. Es ist, wie ich gesagt habe: wenn ich einmal einen Tag nicht spielen kann, bin ich krank, todkrank! Ich lebe nur auf der Bühne, sobald ich dieselbe verlassen, beginnt meine Scheinexistenz. Dann ist alles Lüge und Komödie, ein widerwärtiges Possenspiel.

Mein Repertoir besteht aus folgenden Gestalten: Lady Macbeth, Adrienne, Sara Sampson, Gräfin Orsina, Medea. Hebbels Judith, Maria Magdalena usw. Von Schiller spiele ich nichts, will ich nichts spielen.

In alle meine Gestalten nehme ich geistig den blutgetränkten Dolch aus Macbeth mit hinüber. Kritik, Publikum und ich, jedes von uns dreien bleibt bei seiner Ansicht. Wohin ich komme, werde ich in übertriebener Weise gefeiert und in übertriebener Weise angefeindet. Mich kümmert weder das eine noch das andere. Man spricht viel zu viel von mir.

 

Seit Monaten schon ist Veronika meine Schülerin. Wie ich lehre, wie sie lernt! Doch das ist nicht ganz richtig ausgedrückt: ich versuche zu lehren, aber sie braucht nichts zu lernen. Es ist alles da, liegt alles in ihr verborgen und braucht nur heraufbeschworen zu werden. Ich bin nur der Zauberer, der mit der Wünschelrute anschlägt und den Schatz hebt. Welch ein Talent! Ich muß immer wieder von neuem staunen. Welche Mittel! Diese Gestalt, dieses Organ, diese Bewegungen!

Das Mädchen kann von ihren Bergen fast unmittelbar als Tragödin auf die Bühne herabsteigen. Was an dieser mächtigen Natur noch zu sehr – eben Natur ist, laßt ihre Kraft nur um so größer erscheinen. Von einer bestimmten Lehrmethode kann bei dieser Anlage kaum die Rede sein. Ich gebe ihr die Gestalt, das heißt: ich nenne ihr den Namen derselben, schlage vielleicht auch ihren Grundton an; und sogleich hat sie sie erfaßt, und wie richtig, wie großartig! Bin ich einmal anderer Ansicht als sie, so hört sie aufmerksam zu, wobei sie gewöhnlich die Augen schließt; schüttelt, wenn ich geendet habe, vielleicht leise verneinend ihr schönes Haupt und bleibt meistens unbeirrt auf ihrem Weg. So beschränkt sich denn meine Lehrtätigkeit eigentlich nur auf das Technische: die Ausbildung ihres Organs. Und das ist bei dieser Klangfülle leichte Arbeit.

Prosa spricht sie übrigens nicht besonders gut; ihr Reich ist der Vers: der Wohllaut. Daher ist denn auch Schiller ihr Gott, Lessing versteht sie nicht, Shakespeare überwältigt sie noch. Nicht gerade zu meiner Freude habe ich bemerkt, daß sie eine große Vorliebe für Racine und Corneille hat. Sie wird daher im Pathetischen größer sein, als ich ihr wünschen möchte. Überhaupt ist es das ideale Gebiet, das sie einmal unumschränkt beherrschen wird. So gehen denn unsere Wege weit auseinander, wenn sie auch dasselbe Ziel haben mögen: die Höhe der Kunst. Ich merke schon jetzt, wie sie mit meiner Auffassung nicht einverstanden ist, wie sie dadurch verwirrt, erschreckt, geängstigt wird – nicht um ihretwillen. In ihr ist alles klar, in sich ruht sie fest. Es bekümmert mich sehr; aber ich kann es nicht ändern. Ich bin eben anders wie sie.

 

Ich muß viel über den Unterschied zwischen uns beiden nachdenken.

Ich erziele meine künstlerischen Resultate weit mühsamer als sie: durch strenge Arbeit, hartes Studium und viel Grübeln – zu viel Grübeln! Ihr wird das Darstellen so leicht, wie dem Vogel sein Lied. Einmal in ihr Lebenselement eingetreten, könnte sie sich nicht auf lange Zeit daraus entfernen, wie zum Beispiel ich es gekonnt, allerdings unter welchen Kämpfen, welchen Qualen. Obgleich sie ihre größten Wirkungen durch Inspiration erzielt, bleibt sie dennoch immer ziemlich kühl und gelassen. Wo es mir ist, als ob mich Flammen verzehrten, scheint sie nur von Flammen beleuchtet. Wo ich mit Bewußtsein und künstlerischer Arbeit mühsam schaffe, folgt sie ihren Instinkten, die ihr das schwerste Spiel zum Spiel machen. So braucht sie denn weder die Schule der Kunst noch die des Lebens durchzumachen, die ich erlitten habe. Der Preis des Künstlers wird ihr in den Schoß sinken, ohne daß sie darum eine Dornenkrone zu tragen braucht.

Ich gönne ihn dir, liebe Schwester.

 

In den Kritiken werde ich gefragt – es klingt fast wie Vorwurf oder Warnung – wohin ich bei meinem entfesselten Spiel dereinst zu gelangen dächte. Bis zu den Grenzen meiner Darstellungskraft, meine Herren. Was wißt ihr davon, weshalb ich so, gerade so spiele. Ich will mir weder Beschränkung auferlegen lassen, noch selbst auferlegen. Ich will von meiner Seele alle Bande abreißen und sie dahinstürmen lassen. Welch ein Gefühl, wenn ich mich in diese leidenschaftlichen Gestalten einwühle bis in die tiefste Faser ihrer Herzen hinein! Welche Wollust für mich, wenn ich für sie wahnsinnig werde, oder statt ihrer sterbe! Ich will es in diesen Dingen zu einer Meisterschaft bringen, wie sie bis jetzt noch nicht dagewesen.

 

Veronika beschwört mich, mich zu schonen. – Das tun sie alle und alle quälen sie mich damit. Ich will und kann mich nicht schonen. Mich hat das Spielen immer angegriffen; wenn ich also jetzt manchmal matt und erschöpft bin, wer braucht sich darüber zu wundern? Sie sollen mich überhaupt zufrieden lassen.

Veronika freilich, wenn sie fünf Stunden mit ganzer Stimme memoriert hat, fühlt sich so kräftig und frisch, als käme sie aus einem Bade. Dafür besitzt sie auch die physische Stärke, so daß sie ebensogut Gemsjägerin wie Schauspielerin sein könnte. Sie scheint sich immer in der Luft der Alpen zu befinden. Wie blaß und zart dagegen bin ich. Ja, wenn ich ihre Mittel hätte.

Ich schäme mich, es niederzuschreiben: ich bin sozusagen in Mode gekommen. Die Stadt, in der ich nicht auftrete, hat keine volle Theatersaison. Was man alles mit mir treibt! Trotzdem ich nur bei erhöhten Preisen spiele, ist das Haus doch stets ausverkauft. Jede Aufführung wird für mich zur Festvorstellung. Man kommt, nicht um das Stück zu hören, sondern um mich spielen zu sehen. Ihr göttlichen Geister, die ihr in euren Werken durch mich so gekränkt, so beleidigt, so gelästert werdet, verzeiht mir!

Veronika wohnt jetzt selten einer meiner Vorstellungen bei. Sie ist durch und durch ein eigenartiges Geschöpf. Ich lasse sie gewähren.

 

Man schreibt jetzt Stücke für mich – gerade keine Meisterwerke. Dennoch spiele ich sie, wenn ich nur darin sterben kann. Rolla, Rolla, besinne dich! Komm zu dir, denke an – –

 

Heute, nach der Vorstellung, haben sie mir die Pferde vom Wagen gespannt. Es hat mich doch eigentümlich erregt ober vielmehr aufgeregt. Die Menge umdrängte mich jubelnd. Veronika fand ich traurig und niedergeschlagen. Nächstens wird sie zum erstenmal auftreten.

Fernow soll in der Nähe sein.


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