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Der Harmlose wird getauft
Der Prior und der Abt liefen herbei und fragten den Harmlosen, was er da tue. »Nun, bei Gott! meine Herren, ich warte auf die Taufe: seit einer Stunde liege ich hier, bis zum Hals im Wasser. Es ist nicht höflich, mich der langen Weile zu überlassen.«
»Mein lieber Neffe,« sagte der Prior zärtlich, »man tauft hier in der Niederbretagne nicht auf diese Art; nimm deine Kleider und komm mit uns.« Das Fräulein von Saint-Yves, die diese Unterhaltung hörte, sagte ganz leise zu ihrer Gefährtin: »Mein Fräulein, glauben Sie, daß er seine Kleider sofort wieder anziehen wird?«
Der Hurone antwortete indessen dem Prior: »Diesmal werden Sie mir nicht so leicht etwas weismachen wie neulich; ich habe seitdem viel studiert. Ich bin sicher, daß man nicht anders getauft wird. Der Eunuche der Königin Candace wurde in einem Bache getauft; bitte, beweisen Sie mir aus dem Buche, das Sie mir gegeben haben, daß je anders dabei verfahren wurde. Entweder ich werde hier in dem Bache getauft oder überhaupt nicht.« Man konnte ihm sagen, so viel man wollte, daß die Gebräuche sich geändert hätten: der Harmlose blieb starrköpfig, denn er war Bretone und Hurone. Immer wieder berief er sich auf den Eunuchen der Königin Candace. Obgleich sein Fräulein Tante und das Fräulein von Saint-Yves, die ihn unter den Weiden beobachtet hatten, wohl das Recht gehabt hätten, ihm zu sagen, es käme ihm nicht zu, sich auf einen solchen Mann zu berufen, taten sie es nicht, so groß war ihre Schüchternheit. Sogar der Bischof kam, um mit ihm zu sprechen, was viel heißt. Aber es nützte nichts: der Hurone stritt auch mit dem Bischof.
»Zeigen Sie mir«, sagte er, »in dem Buche, das mein Onkel mir gegeben hat, einen einzigen Menschen, der nicht in einem Bach getauft worden ist, und ich werde alles tun, was Sie wollen.«
Die verzweifelte Tante hatte bemerkt, daß bei der ersten Verbeugung, die ihr Neffe überhaupt gemacht hatte, die vor Fräulein von Saint-Yves viel tiefer gewesen war, als vor irgend jemandem der übrigen Gesellschaft. Ja – daß er sogar den Herrn Bischof nicht mit der herzlichen Achtung gegrüßt hatte wie dieses schöne Fräulein. Sie entschloß sich in dieser großen Verlegenheit, Fräulein von Saint-Yves zu bitten, daß sie durch ihren Einfluß den Huronen bewege, sich auf dieselbe Art wie die Bretonen taufen zu lassen. Sie glaube nicht, daß ihr Neffe jemals ein Christ werden könne, wenn er darauf bestünde, in dem fließenden Wasser getauft zu werden.
Fräulein von Saint-Yves errötete vor heimlicher Freude bei dem Gedanken an die wichtige Aufgabe, mit der man sie betraute. Sie näherte sich bescheiden dem Harmlosen, drückte ihm die Hand in edelster Art und sagte: »Werden Sie es mir zuliebe tun?« Sie senkte die Augen bei diesen Worten und hob sie dann wieder mit rührender Anmut. »Alles, was Sie wollen, mein Fräulein, alles, was Sie befehlen: Wasser-, Feuer- und Bluttaufe – es gibt nichts, was ich Ihnen zuliebe nicht geschehen ließe.« Das Fräulein von Saint-Yves konnte sich rühmen, mit zwei Worten erreicht zu haben, was weder den Bitten des Priors, den fortwährenden Fragen des Amtmanns noch den Vernunftgründen des Bischofs gelungen war. Sie fühlte ihren Triumph; aber sie fühlte noch nicht seine ganze Tragweite.
Die Taufe wurde mit größter Schicklichkeit, Pracht und Würde gespendet und empfangen. Der Onkel und die Tante überließen dem Abt von Saint-Yves und seiner Schwester die Ehre, den Harmlosen über das Taufbecken zu halten. Fräulein von Saint-Yves strahlte vor Freude, sich als Patin zu sehen. Sie wußte nicht, wie sehr diese hohe Ehre sie band; sie nahm diese Würde an, ohne ihre verhängnisvollen Folgen zu kennen.
Da es noch nie eine Feierlichkeit gegeben hat, auf die nicht ein Festessen gefolgt wäre, setzte man sich gleich nach der Taufe zu Tisch. Die Spaßmacher der Niederbretagne sagen, Wein dürfe nicht getauft werden. Der Herr Prior meinte, schon Salomo habe gesagt, Wein erfreue das Menschenherz. Worauf der Bischof hinzufügte, der Patriarch Juda habe sein Eselsfüllen an einen Weinstock gebunden und seinen Mantel in Traubenblut getaucht. Es sei sehr traurig, daß dies in der Niederbretagne nicht möglich sei, da Gott dieser Gegend Weinberge versagt habe. Jeder versuchte, über die Taufe des Harmlosen etwas Geistreiches und der Patin etwas Angenehmes zu sagen. Der ewig fragende Amtmann fragte den Huronen, ob er sein Taufgelübde auch halten werde. »Wie können Sie denken,« antwortete der Hurone, »ich werde meine Gelübde je brechen, da ich sie in die Hände des Fräuleins von Saint-Yves abgelegt habe?«
Dem Huronen wurde heiß; er trank viel auf die Gesundheit seiner Patin. »Wäre ich von Ihrer Hand getauft worden,« sagte er, »so würde das kalte Wasser, das man mir über den Nacken goß, mich verbrannt haben.« Der Amtmann fand dies zu poetisch; er wußte nicht, wie verbreitet die Allegorie in Kanada ist. Aber die Patin war sehr befriedigt davon.
Man hatte dem Täufling den Namen Herkules gegeben. Der Bischof von Saint-Malo fragte fortwährend, wer dieser Schutzpatron sei, von dem er nie etwas gehört habe. Der Jesuit, der sehr gelehrt war, erklärte ihm, es sei ein Heiliger, der ein Dutzend Wunder getan habe. Es gäbe noch ein dreizehntes Wunder, das so viel wert sei wie die zwölf anderen zusammen. Ein Jesuit könne aber nicht gut davon sprechen. Nämlich dieses: er habe in einer einzigen Nacht fünfzig Jungfrauen in fünfzig Frauen verwandelt. Ein Witzbold, der sich in der Gesellschaft befand, pries dieses Wunder sehr energisch. Alle Damen senkten die Augen und schlossen nach dem Ausdruck des Harmlosen, er würde des Heiligen, dessen Namen er trug, sich würdig erweisen.