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Des Anacharsis Beschreibung eines athenischen Gastmahls

 

Weißt du, welchen Fluch der auf
sich ladet, der den richtigen Weg,
nach dem man ihn fragt, nicht
zeigt? der Feuer anlegt? der die
Brunnen vergiftet? Derjenige endlich,
der einen Menschen hindert,
an einem Gastmahle teilzunehmen? Ähnlich sagt Aristophanes: Es schmettre Zeus fluchend den in den Abgrund, der mich ungespeist läßt weggehen.

Diphilus

(Athenäus, 6. Buch, 9. Kap.)

 

Aus: Davidis und Rottenhoefer

Ich will euch eine Beschreibung zu entwerfen suchen von einer Mahlzeit in Athen, zu welcher ich und mein Freund Philotas eingeladen waren. Aber ich muß vorher mit dem weisen Euripides sagen: »Wenn die Götter mir die hinreißende Beredsamkeit Nestors verliehen hätten und die des Phrygiers Antenor« – so könnte ich doch nicht alles verkünden, was bei diesem trefflichen Mahle gesprochen wurde; die Unterhaltung war so mannigfaltig und ausgezeichnet, wie alles, was man uns vorsetzte.

Wir stellten uns, nach althergebrachter Sitte, des Abends zu der Zeit ein, als der Schatten der Marktsäule zwölf Fuß Länge hatte. Jeder Mensch von Athen weiß aus der Größe seines eigenen Schattens schon die zum Mittagstisch bestimmte Stunde zu erkennen, weshalb es auch Sitte ist, in trüber Jahreszeit kein großes Fest zu geben; denn sowohl warten lassen als zu frühe kommen, ist unanständig. Wir fanden den Dinias, unseren Wirt, mit Anordnungen von allerlei Art beschäftigt, und er stellte uns seinen Hausfreund Philonidos vor, welcher alles aufbot, uns angenehm zu unterhalten.

Jeder anständige Mann, der Feste gibt, hat einen solchen geistreichen Hausfreund und sieht sich eher nach einem solchen als nach einem Koch um. Ihm zur Seite fungierte noch ein Parasit, oder eigentlich Sykophant, in untergeordneter Stelle.

Einen Augenblick nach uns kam Nikokles, der Arzt, sehr ermüdet von seinen vielfachen Krankenbesuchen; er meinte, es gäbe sehr viel Kranke, aber es wären keine gefährlichen; die meisten litten nur an den leichten Schnupfenfiebern, die von dem vielen Regen herrührten, der in Athen im Herbst zu fallen pflegt. Ihm folgten bald nachher Leon, Zopyros und Theontimos, drei Athener von Stande, welche in der Kunst, edel zu genießen, mit dem Dinias wetteifern; dann kam der ungebetene Demochares, ein vielgeltender Schöngeist, und die ganze Gesellschaft brach in Jubel aus. Ungeladene Gäste, solche, die immer zu jedem Feste hoch willkommen waren, ohne gebeten zu sein, waren in der Regel die bedeutenden Männer.

Wir gingen jetzt sogleich gemeinschaftlich, vom Hausfreunde angeführt, in den Speisesaal. Die geschmackvolle Pracht der Möbel überraschte mich. Dinias sagte zu mir: Da er den Fleiß und die größere Geschicklichkeit der ausländischen Künstler gern benutzen möge, so habe er die Stühle in Thessalien, die Bettmatratzen in Korinth und die Kopfkissen in Karthago machen lassen. Gold und Elfenbein erhöhten den Glanz der Möbel; die Decke, die Wände waren mit Gemälden geschmückt, die Türvorhänge und die Tapeten stellten Perser in ihren langen Gewändern vor, auch Vögel und allerlei Tiere, die bloße Geschöpfe der Einbildungskraft waren. Meine Verwunderung wuchs; Dinias aber lachte über meine Einfalt und setzte, wohl um sich zu rechtfertigen, hinzu: Xenophon erscheine bei seinem Heere mit einem Schilde von Argos, einem Panzer aus Athen, einem Helme aus Böotien und einem Pferde aus Epidauros.

Die angenehmsten Gerüche dufteten aus Blumenkörben und aus tropfenden Kristallgefäßen uns entgegen. Ägyptische Essenzen brannten, und zyprische Lilien schmückten die Prunktische. Die Größe, das Gewicht, die Arbeit, Menge und Verschiedenheit der Formen, der Luxus der Gegenstände auf den Kredenztischen, die sich meinen Augen darboten, überstiegen allen Glauben. Da gab es Vasen, Riechflaschen, Salbenbüchsen und Trinkgeschirre von allen Formen und Größen aus Stein, Glas, Bergkristall, Onyx, gebrannter Erde, Gold, Silber und Metallen der verschiedensten Arten, viele mit Edelsteinen besetzt. Es war nicht genug, sie garniert, ziseliert aus den Werkstätten eines Myron, Praxiteles, Mentor und anderer Künstler ersten Ranges zu haben; es waren auch Gegenstände, in denen sich die wunderbarsten Spiele der Natur mit allen Kräften des seltensten Genies vereinigt zeigten. Darunter befanden sich sogar verschiedene in der Kunstgeschichte berühmte murrhinische Gefäße, von denen eines bis 300 Talente kostete. Sie bestanden wahrscheinlich aus einer Agatart von seltener Größe, dessen Bearbeitung, bei der großen Gefahr des Ausspringens, jahrelange Arbeit der ersten Künstler in Anspruch nahm. Andere Becher waren mit Myrrhiniten und Onyiten besetzt, und bei einigen lag ein gelehrter Stammbaum ihres Ursprungs. Ich glaube, der eine Becher sollte der schönen Dido gehört haben, die einst dem Äneas daraus Bescheid getan.

Von den berühmtesten Steinschneidern in erhabener Arbeit zeigten sich Kunstwerke von Athenokles, Krates, Stratonikos, Myrmekides von Milet, Kallikrates aus Sparta und Mys, von dem die berühmte Tasse des Herkules bekannt ist, auf welcher die Einnahme von Troja dargestellt war, mit der Inschrift: »Parrhasios entwarf die Zeichnung, Mys gravierte mich. Ilion stelle ich dar, welches die Griechen zerstört!«

Auf einem Büfett stand die Statue Ganymeds und um ihn herum verschiedene Arten jener großen Trinkschalen, die man silberne Brunnen nennt. Mein Erstaunen hatte noch nicht den höchsten Grad erreicht; denn ich wurde belehrt, daß es in Griechenland mehr als hundert Namen Sie sind uns noch sämtlich überliefert und spezialisiert. gebe für die verschiedenen Formen der Trinkgeschirre, und daß selbst Homer es nicht verschmäht, mehrerer Becher weitläufig zu erwähnen. Der Becher des Nestor starrte von Gold, hatte einen doppelten Boden und vier goldene Henkel, deren jeder in zwei aus Gold getriebenen Trauben endigte. Er war so schwer, daß, wenn er voll war, kein Mann von so hohem Alter, außer Nestor, ihn erheben konnte (Ilias, IX, 631). Telemach erhält von Menelaos, bei seiner Abreise von Sparta (Odyss., XV, 114), einen silbernen Becher mit goldenem Rand, und der goldene Becher Achills, aus dem er allein trank und den Göttern spendete Ilias, XVI, 225) ist gleich berühmt. Priamos, der für den Körper Hektors das Kostbarste bietet, bringt auch ein Trinkgeschirr seltener Schönheit, und Jupiter, der die Gestalt Amphitryons angenommen hat, gibt beim Scheiden der Alkmene für ihre übergroßen Gefälligkeiten eine Trinkschale. Herkules soll selbst das Meer in seiner Trinkschale beschifft haben. Die unsterblichen Götter des Olymps aber achten ihre goldenen Trinkgeschirre so hoch, daß sie damit begrüßen. König Philipp von Mazedonien besaß einen Becher von so vortrefflicher Arbeit, daß er ihn immer mit sich führte; er hielt ihn so wert, daß er ihn des Nachts unter sein Kopfkissen legte. Pompejus fand in dem Schatze des Mithridates 2000 Trinkgeschirre. Ämilius Paulus ließ nach dem Siege über den König Perseus eine geweihte Trinkschale, mit kostbaren Edelsteinen besetzt, anfertigen, welche zehn Talente Goldes (187 000 Konv.-Gulden) kostete.

Ein moderner Dichter singt (wahrscheinlich nach einem antiken) sehr schön:

Trink aus dieser goldenen Schale,
Freund! Der Gott der Lust
Formte sie beim Göttermahle
Aus Cytherens Brust.

Nach dieser mir gewordenen genauen Belehrung nahm ich mir vor, zu schweigen und meine Unwissenheit nicht ferner zur Schau zu stellen.

Nun gossen die Sklaven Wasser über unsere Hände und setzten uns Kränze auf. Man schritt zur Wahl des Trinkkönigs, dessen Pflicht es ist, die gesamte Freiheit der Gäste so zu halten, daß die Freiheit keines einzelnen dabei gefährdet wird. Er muß die Zeit bestimmen, wenn das starke Trinken anfangen darf; er kann die Gesundheiten vorschlagen. Bei den Römern konnte er einen, der nicht im Geiste der Gesellschaft zechte, fortschicken (Cicero, Tusc. Quest); aber bei den humaneren Griechen durfte er ihm nur einen Becher Weins über den Kopf gießen Platon sagt von ihm: Wie ein Anführer der Wache selbst der Wachsamste sein muß, so muß auch der König der Trinkgesellschaft der Gesellschaftlichste sein. Dies ist er aber dann, wenn er weder von der Trunkenheit gar zu leicht überwältigt wird, noch auch im Trinken gar zu saumselig ist. Wer sich leicht betrinkt, wird ausgelassen und verfällt in Unanständigkeiten; wer hingegen ganz und gar nüchtern bleibt, ist für die übrige Gesellschaft langweilig und taugt eher zu einem Hofmeister als zu einem Trinkmeister. Perikles pflegte, sooft er zum Feldherrn ernannt wurde, sich selbst folgende Erinnerung zuzurufen: »Bedenke wohl, Perikles! Du kommandierst freie Leute, du kommandierst Athener!« – So muß auch unser Trinkkönig zu sich selbst sagen: Du regierst Freunde!

Eine Eigenschaft aber, die der Trinkkönig besitzen muß, ist, daß er von jedem Gast genau wissen muß, welche Veränderung der Wein bei ihm hervorbringt, und wie er den Wein vertragen kann. Jede Gattung von Wein erfordert eine andere Mischung mit Wasser. Auch äußert der Wein auf jeden Menschen, nach Beschaffenheit seines Temperaments, eine verschiedene Wirkung. Diese muß der Trinkkönig kennen, damit er, dem Tonkünstler gleich, der seine Saite bald anzieht, bald nachläßt, den einen zum Trinken nötige, den andern aber mit Schonung behandle und auf solche Weise die verschiedenen Charaktere in Gleichheit und Übereinstimmung setze. Diese Gleichheit darf er nicht nach Bechern und Krügen, sondern muß sie nach den Zeitumständen und den Leibeskräften der Gäste abmessen. In Fällen, wo dies nicht gut tunlich ist, muß er wenigstens die allgemeinen Eigenschaften jedes Alters und Charakters kennen, er muß wissen, daß Greise eher trunken werden als Jünglinge –, solche, die starke Bewegung haben, eher als diejenigen, die sich ruhig verhalten; Traurige und Nachdenkende eher als Fröhliche und Aufgeräumte; diejenigen, die reichlich und in starken Zügen trinken, geschwinder als solche, die nur wenig auf einmal nehmen. Er muß auch nur solche Unterredungen und Scherze erlauben, die der Absicht des Gastmahls völlig entsprechen. Diese aber ist keine andere, als vermittels des Vergnügens unter den Anwesenden Freundschaft zu stiften und die schon vorhandene zu vergrößern. Denn ein Gastmahl ist als eine Ergötzlichkeit anzusehen, welche sich wegen des fröhlichen Genusses in gegenseitige Zuneigung wandelt. Indessen da die Einförmigkeit in allen Dingen Ekel erweckt, zuweilen selbst schädlich wird, die Abwechslung hingegen dasjenige entfernt, was das Angenehme schädlich, das Nützliche langweilig macht: so muß der Trinkkönig den Gästen einen gemischten und abwechselnden Zeitvertreib verschaffen.

Man pflegt immer zu sagen, keine Schiffahrt sei angenehmer als die am Lande hin; kein Spaziergang reizender als der an einem Ufer. So muß auch der Trinkkönig Scherz und Ernst miteinander verbinden, damit diejenigen, die Scherz treiben, sich auch mit ernsthaften Dingen beschäftigen, und die, welche sich mit letzteren abgeben, von fern solche Belustigungen erblicken, wodurch sie sich gleich den Seekranken, die Land sehen, wieder erholen können. Das Lachen verträgt sich sehr gut mit vielen nützlichen Dingen, und die ernsthaftesten Gegenstände lassen sich dadurch angenehmer machen:

Zwischen Dornen und Disteln gedeihen oft zarte Levkoien.

Der Dichter Simonides sah einst bei einem Gastmahl einen Fremdling sitzen, der beständig schwieg und sich mit niemanden ins Gespräch einließ. Mein Freund, sagte er zu ihm, wenn du ein Tor bist, so handelst du wie ein Weiser; bist du aber ein Weiser, so handelst du wie ein Tor. – Endlich muß der Trinkkönig, so gut wie der Koch, den Geschmack der Gäste kennen. Weiß jener, daß ein Rhodier eingeladen ist, so bereitet er einen mächtigen Wels mit heißer Soße; hat er einen Gast aus Byzanz, so würzt er die Speisen mit Wermut, salzt sie stark und vergißt nicht den Knoblauch (denn die Menge von Fischen, welche die dortigen Bewohner genießen, hat sie verschleimt); so gibt auch der Trinkkönig jedem nach Umständen.

Unter all diesen Auseinandersetzungen der Gesellschaft hatte ich nur geschwiegen, da ich, wie gesagt, meine Unwissenheit über alles, was ich hörte und sah, nicht zur Schau stellen wollte, auch andernteils über mir ganz Neues und Fremdes wenig hätte sagen können. Ich mußte aber glauben, dies sei mißfällig, die Bemerkung des Dichters Simonides über den entweder törichten oder weisen Fremden hatte um so unbezweifelter mir gegolten, als ich dabei ein leises Lächeln von mehreren gewahrte; ich war daher herzlich froh, als man endlich den Demochares zum Trinkkönig wählte.

Die Sklaven reinigten aufs neue die alabasternen Tische mit großen Purpurschwämmen, und wir lagerten uns auf die Betten umher. Diese waren mit Elfenbein, Schildkrot und edlen Metallen eingelegt; die Füße aus massivem Elfenbein oder Bronze; die Überzüge von Purpurtuch, mit Stickereien geziert. Mehrere der Ruhebetten waren von massivem Silber. Damit sie desto vorteilhafter ins Auge fielen, waren sie so erhöht, daß man auf Stufen hinaufsteigen mußte. Die Tische waren großenteils aus Zitronenholz; Wie weit die Alten den Luxus mit diesen kostbaren Tischen trieben, geht unter anderm daraus hervor, daß der Philosoph Seneca 500 Tische von Zedernholz mit Füßen von Elfenbein hinterließ. sie standen auf mit Schnitzwerk verzierten elfenbeinernen Füßen und waren mit einem silbernen oder goldenen Reif eingefaßt. Die Seitentischchen, auf denen das Tafelgeschirr stand, waren von ähnlichem Material und, wohl verstanden, ganz in demselben Geschmacke verziert.

Aus: Davidis und Rottenhoefer

Dem Dinias ward der Küchenzettel überreicht. Unsere mitgebrachten Sklaven stellten sich hinter unsere Sitze, nur dem Wirt war es vergönnt, einen äthiopischen Schwarzen hinter sich zu haben. Ich werde nicht in die kleinsten Einzelheiten eingehen, welche uns jeden Augenblick einen neuen Beweis vom Geschmack und der Prachtliebe des Dinias lieferten; ein allgemeiner Überblick mag genügen.

Zuerst brachte man uns eine Menge Schaltiere, teils wie sie aus dem Meere kommen, teils in Asche erhitzt, teils im Ofen gebacken, größtenteils mit Pfeffer oder Kümmel gewürzt. Zu gleicher Zeit kamen frische Eier von allem möglichen zahmen und wilden Geflügel, und eine Hekatombe von Pfaueneiern auf einem Transportschiff, Porthmades genannt (ein mit Speisen bedeckter Tisch, den man gleich so befrachtet in den Eßsaal brachte). Die Sterblichen nennen solche Schiffe Tische, die Götter geben ihnen den Namen von Amaltheahörnern. Zugleich kamen Schweinsfüße und Schweinegehirn. Bei dem letzteren bemerkte der Sykophant sogleich: Die Philosophen wollen uns hindern, Schweinegehirn zu essen, behauptend, das wäre gerade so gut als Bohnen zu essen – eine Anspielung auf den Pythagoras – oder die Köpfe von seinen eigenen Eltern und andere abscheuliche Dinge. Sie behaupten, niemand im Altertum habe überhaupt Gehirn gegessen, weil es der Sitz fast aller Empfindungen sei; ja, die Alten hätten selbst vermieden, das Gehirn zu nennen. So Sophokles (in den Trachinerinnen), der, indem er von Herkules spricht, welcher den Lichas ins Meer wirft, sagt: »Die Knochen fielen da- und dorthin, eine weiche, bleiche Masse, mit Blut vermischt, beschmutzte seine Haare.« Aber man muß nicht die verschiedenen Epochen verwechseln. So sagt Philokles: Er aß Gehirn ohne Unterlaß, und Aristophanes: ich verlor zwei Teile des Gehirns. Es ist erwiesen, daß die Alten den Kopf als einen geheiligten Gegenstand erachteten. Sie beugten sich beim Niesen, als ein Zeichen ihrer Verehrung, und durch ein Zeichen des Hauptes bestätigten sie den geschlossenen Handel. Schon Jupiter nickte zum Zeichen der Gewährung.

Während dieser Rechtfertigung waren gleichzeitig eine Menge kleiner Würstchen aufgetragen, grillierte Schafsköpfe, Kalbsgekröse, Leber von wilden Schweinen und Saumagen, letztere in Essig, Kümmel und Silphium mariniert, und kleine Vögel, über die man eine Soße von geriebenem Käse aus Troja, Essig, Silphium und Öl ganz heiß aufgoß. Diese Soße bereitete einen wunderbaren Wohlgeruch, den der Sykophant, der ordentlich für das Loben und Hervorrufen der Speisen berufen schien, uns dahin erklärte, daß in Griechenland zwar das öl von Samos das vorzüglichste sei; daß Dinias aber kürzlich eine glückliche Gelegenheit gefunden habe, sich mit dem seltenen persischen Nußöl zu versehen, welches in Persien einzig für die königliche Tafel bereitet wurde und unter anderen ausgezeichneten Eigenschaften auch diesen köstlichen Wohlgeruch habe.

Jetzt kam der zweite Gang. Er bestand aus feinem Wild, Geflügel und vorzüglich ausgesuchten Fischen; Früchte und Gebackenes machten den dritten Gang.

Unter den Fischen zeichnete sich besonders ein Blackfisch (Tintenfisch) aus; es schien die silberfüßige Thetis selbst, des Nereus unsterbliche Tochter. Er ist unter den Fischen der einzige, der schwarze und weiße Farbe zugleich hat. Ferner kam der berühmte Meeraal; er lag auf mehreren ungeheuren Schüsseln, und in seinem Gefolge ein Aal so groß, daß ihn Antenor selbst kaum mit Hebeln von der Erde in einen Transportwagen gebracht hätte, sowie auch den Kopf eines Thunfisches, den man aus seinem Zufluchtsorte (dieser Fisch wird oft während er schläft gefangen) entführt hatte. Er schien ärgerlich, daß man ihn der Waffen (seine Floßfedern, womit er schlägt, sind seine Waffen) beraubt hatte. Ferner präsentierte man einen Meerengel – ich finde nichts schmackhafter als sein Fleisch –, eine gebratene monströse Meeräsche in Begleitung von zwölf Geißbrassen Mehrere Ausdrücke bezeichneten ein und dasselbe Tier, nur in verschiedenen Jahreszeiten und Alter, wie dies z. B. bei unsern jagdbaren Tieren noch Gebrauch ist. Es ist daher sehr schwierig, für die den altgriechischen Fischern und Köchen sehr verständlichen Ausdrücke gleichbedeutende aufzufinden. Aristoteles hat oft für Gattung und Art nur einen Ausdruck. und einen großen, ganz weißen Breitfisch, ein Untertan Neptuns, der alle Abgründe des Meeres kennt. Ihnen folgten Krabben, die Sängerinnen des olympischen Jupiter; Der Squillenkrebs soll vor dem Tode einen kleinen Laut von sich geben, wenn man ihn an das Fenster setzt. sie sind gekrümmt und haben köstliches Fleisch. Dann kamen mehrere Schüsseln voll Epitargien Epitargien, dergleichen sich unter den Flußfischen, unter Karpfen und Barben finden, die niemals weder Rogen noch Milch und ein kurzes Gedärm haben; sie sind fest und fett und sehr schmackhaft. Es ist eine Art geschlechtsloser Fische, deren Dasein in neueren Zeiten, durch Bonnet, erwiesen, aber unerklärbar ist. und Kolien. Letztere fängt man vor dem Laiche bei ihrem Einzug in den Pontus; die am Ufer gefangenen sind die vorzüglichsten, je tiefer im See, desto schlechter sind sie; auch ist wohl zu merken, daß alle anderen Zugfische, außer den Kolien, gerade umgekehrt bei ihrem Austritt aus dem Pontus am schmackhaftesten sind. Dann servierte man junge Drossellippfische, Meerhechte von Milet, Hummern aus Thasos; eine Muräne, die den ganzen Tisch bedeckte – kurz, viel Außergewöhnliches, was immer Vergnügen macht und die Eßlust reizt, und wäre es auch nur zur Befriedigung der Neugierde. Steinbutten und Schollen waren in Menge vorhanden (diese von dicker Haut; beide Fischarten aus Kolchis); ein Meeraal von der Art, die Neptun selbst im Olymp trägt: ein Gericht, dessen Duft die Toten erweckt; endlich Störe aus der Gegend von Rhodos oder von Syrakus – die von Kreta sind mager und hart, weil diese Fische nicht wilden Wellenschlag lieben. Diese köstlichen Fische waren mit Girlanden bekränzt und wurden unter Flötenspiel aufgetragen; die Sklaven, die sie brachten, trugen Blumenkronen auf den Häuptern, denn die Götter selbst betrachten diese Fische nicht mit Gleichgültigkeit.

Unter der Menge von Gerichten, welche sich unseren Blicken darboten, hatte ein jeder von uns das Recht, dasjenige unseren abwesenden Freunden zu senden, was ihnen etwa behagen mochte. Es ist sogar Pflicht, von dieser Erlaubnis häufig Gebrauch zu machen, die man bei so feierlichen Gelegenheiten, wie die heutige, nicht versäumt.

Unter alledem war das Gespräch heiter, lebendig, geistreich, und ich fühlte, daß ich mein Schweigen brechen müsse, wenn ich nicht lächerlich, nicht die Zielscheibe des Witzes werden sollte. Ich nahm mich daher zusammen und sagte, was mir schon lange auf der Zunge geschwebt hatte: daß ich glaubte, die allereinfachste Nahrung sei besser und naturgemäßer, also gesünder, als eine so zusammengesetzte von lauter sich widersprechenden Speisen. Die wilden Tiere, sagte ich, genießen eine ganz einfache Nahrung, und deshalb sind sie viel gesünder als die Menschen; aber diejenigen, die man in Ställen füttert, sind häufiger Krankheiten ausgesetzt, weil sie eine gemischte und durch Kunst bereitete Nahrung bekommen. Nie war ein Arzt so verwegen, einem Patienten im hitzigen Fieber eine vielfache Nahrung zu geben. Aber so vielerlei und mannigfache Eigenschaften, die, wie gesagt, noch dazu sehr oft entgegengesetzt sind, geraten leicht durch den gegenseitigen Kampf in Verderbnis und kommen, gleich dem vermischten, zusammengelaufenen Gesindel in einer Republik, nie zu einem ruhigen und gleichförmigen Zustande. Einen einleuchtenden Beweise hiervon gibt uns der Wein. Der Genuß verschiedener Sorten von Wein macht sehr leicht trunken; die Trunkenheit aber kann man als ein Unverdautsein des Weines betrachten.

Ich möchte sagen, daß man sich eher durch widersprechende Reden Glauben und Beifall verschaffen, als Speisen von entgegengesetzten Eigenschaften verdauen kann. Wir hören oft sagen, daß die Unverdaulichkeit in den Eigenschaften der Speisen beruhe. Folglich muß ein so vielfaches Gemengsel schädlich sein. Gesetzt aber, es wäre keine Speise an und für sich unverdaulich, sondern nur die Menge derselben, so müssen wir um so mehr gemischte Speisen vermeiden. Eben die Abwechslung ist es, die den Genuß über das Bedürfnis ausdehnt und durch den Überfluß den Begierden immer neue Nahrung verschafft. Eher glaube ich, daß man den Tonkünstlern die Anpreisung vieler verworrener Töne oder dem Exerzitienmeister (Jugendlehrer) das Erheben wohlriechender Salben, als dem Arzt die Empfehlung vieler und mannigfaltiger Gerichte zugute halten wird.

Hierauf erwiderte mir Philonidos: Was den ersten Beweis betrifft, so ist es ein Irrtum, wenn du, mein lieber Anarchsis, annimmst, daß die Tiere eine einfache Nahrung genießen und daher gesünder sind als die Menschen. Beides ist falsch und ungegründet. Das erstere widerlegen schon die Ziegen beim Eupolis, Eupolis, ein athenischer Komödiendichter, ein Zeitgenosse des Aristophanes, der sich rühmte, diesen an den »Rittern« geholfen zu haben, während Aristophanes ihm vorwarf, daß er in geistloser Nachahmung die »Ritter« geplündert habe; bei Schauspielen hielt er sich, als Knabenbeäugler, gern in der Palästra auf, worüber er gelegentlich verspottet wird. Er soll durch den Einfluß des Alkibiades ersäuft worden sein. In einem Stück von ihm, die »Ziege« benannt, sagt diese:

Wir nähren uns mit Lust von Bäumen mancher Art.
Der schöne Erdbeerstrauch, die Tanne bieten uns
Viel zarte Sprossen dar. Der Winde dickes Laub,
Der fette Cytisus (Ein Strauchgewächs, welches Plinius als ein herrliches Futter für Pferde und Schafe rühmt) und der Wacholder gibt
Uns reiche Nahrung, auch der Mastix, Oleaster,
Der Esch- und Eichenbaum, der Tamariskenstrauch.
Wir fressen Epheu, Wollkraut, Cisten, Asphodill,
Das Laub vom Weißdorn, Buchenblätter, Thymian,
Keuschlamm und Saturei.
welche die Menge und die Mannigfaltigkeit ihrer Nahrung rühmen. Schon die von der Ziege hergezählten Pflanzen und Gewächse sind gewiß in Absicht des Geruches, der Säfte und Eigenschaften unendlich voneinander verschieden; aber die gute Ziege hat deren eine noch weit größere Menge übergangen, was wir ihrem beschränkten Ziegengeiste zugute halten wollen.

Den zweiten Umstand widerlegt Homer (Ilias, I. 49), indem er nach seiner großen Erfahrung behauptet, daß unvernünftige Tiere zuerst von pestartigen Krankheiten befallen werden. Es ist ferner Unrecht, von der Diät der Kranken auf Verdaulichkeit und Unverdaulichkeit zu schließen. Arbeit, Leibesübung und alles, was die genossenen Speisen zerteilt, befördert die Verdauung ungemein. Gleichwohl schickt sich keines von diesen Mitteln für diejenigen, die im Fieber liegen. Ebenso grundlos ist auch die Furcht wegen des Streites und der Unverträglichkeit mehrerer Gerichte im Magen. Denn entweder nimmt die Natur aus gleichen Dingen das, was ihr angemessen ist. In diesem Falle gibt eine vielfache Nahrung, indem sie auf einmal vielerlei Eigenschaften in den Körper bringt, jedem Teile, was ihm zuträglich ist, und es erfolgt, was Empedokles sagt:

Zu dem Süßen eilte das Süße, das Bittre zum Bittren,
Und so paarte sich Scharfes mit Scharfem, das Hitzige suchte
Wieder das Hitzige.

Ein so vermischter und aus so vielen Teilen zusammengesetzter Körper, wie der unserige, muß natürlich den Stoff zu seiner Erhaltung eher aus einer mannigfaltigen als aus einer einfachen Materie sammeln. Oder im anderen Falle, wenn das, was wir Verdauung nennen, die Kraft besitzt, die Eigenschaften der genossenen Speisen zu verändern: so kann auch das bei der Mannigfaltigkeit weit geschwinder und besser bewerkstelligt werden. Dinge von gleichen Eigenschaften pflegen nicht aufeinander zu wirken; nur die Widersetzung und Uneinigkeit ist es, wodurch bei einer gegenseitigen Mischung die kraftlosen Eigenschaften sich verändern lassen.

Es ist aber, sagte Dinias, allerdings richtig, daß die Verschiedenheit der Gerichte unsere Eßlust reizt und so bezaubert, daß wir mitunter ihrer nicht mehr mächtig sind. Auch die Reinlichkeit, ein gesunder Magen, ein guter Geruch und überhaupt alles Angenehme lockt uns. Sollen wir gespaltenen Kümmel essen (nach dem Sprichwort taten das die Geizhalse) und Sangen (geröstete Gerstenähren, ein Lieblingsgericht der Landleute) und Rindskaldaunen und Schwartenwurst mit Saublut und Feldkohl? Feldkohl (Krambe), eine gemeine Speise; man glaubte, der Feldkohl sei des Weinstocks natürlicher Feind. Warum machen wir nicht auch unsern Brei aus grobem Mehle? Warum lassen wir uns nicht statt des Spargels wilden Lauch und Disteln kochen? Und warum essen wir diese nicht roh? Warum verbannen wir nicht diesen lieblichen uns entgegenduftenden Wein und trinken dafür sauern, aus einem Fasse, das von einem Schwarm Fliegen umsumset wird?

Der Steuermann hat viele Mittel, um sich gegen einen stürmischen Wind in Sicherheit zu setzen; hat aber der Wind einmal nachgelassen oder sich ganz gelegt, so ist niemand imstande, ihn wieder rege zu machen. Ebenso ist es auch keine schwere Sache, der Eßlust zu widerstehen und ihrem Übermaße Schranken zu setzen; allein wenn sie zu früh nachläßt und so schwach wird, daß sie ihre Dienste nicht mehr tun kann, dann macht es viele Mühe und Beschwerlichkeiten, sie zu stärken und wiederherzustellen.

Selbst dem Kranken ist eine allzu einfache und zu geringe Nahrung nicht immer gesund, und Hippokrates sagt in seinen unsterblichen Aphorismen ausdrücklich: Bei der magern Diät versehen es oft die Kranken und leiden dadurch sehr; denn jeder Fehler, der da begonnen wird, hat größere Folgen als bei einer kräftigeren Nahrungsweise. Aus diesem Grunde kann eine ausgesucht magere Diät gefährlichere Folgen haben als eine etwas reichlichere. Dem Gesunden aber ist eine vielfache Nahrung weit zuträglicher als eine einfache, die durch ihre Einförmigkeit bald Sättigung verursacht, weil es leichter ist, der Ausschweifung der Natur Einhalt zu tun, als ihrer Entkräftigung abzuhelfen. Diese Bemerkungen der Alten über die Notwendigkeit mannigfacher und gemischter Speisen sind durch alle neueren Erfahrungen zu unumstößlichen Wahrheiten geworden. Nur das Heterogene wirkt als Reiz. Daher sich auch die Nahrungsmittel nie ganz indifferent zum Organismus verhalten dürfen und ein gewisser Grad von Verschiedenartigkeit immer zwischen beiden statthaben muß.

Daß die einfachen Nahrungsmittel weder Menschen noch Tieren das Leben zu fristen vermögen, beweisen die Versuche, welche Magendie mit Hunden, Tiedemann und Gmelin mit Gänsen, Macaire und Marcet mit Hammeln, Lassaigne und Ywart mit Meerschweinchen und Mäusen anstellten. Es bekamen diese Tiere bloß arabischen Gummi oder Zucker, Stärkemehl, Olivenöl, Butter usw. Alle magerten schnell ab und starben. Der Grund davon lag nicht im Stickstoffmangel. Denn dasselbe Resultat erhielten Tiedemann und Gmelin bei Gänsen, die sie mit Eiweiß, Donné, Edwards und Balzac, welche Hunde mit Knochengallerte fütterten. Loude dagegen erhielt die Hunde gut genährt und gesund, wenn er ihnen ein Gemenge dieser einfachen Stoffe gab.

Die Versuche, welche W. Stark, Clouet, Donné an sich anstellten, lieferten dasselbe Resultat: daß diese einfachen Substanzen für sich allein nicht fähig sind, das Leben der Menschen zu erhalten. – Die Nachteile einer zu mannigfaltigen Nahrung kannten aber die Alten sehr gut. Seneca sagt: Multos morbos multa fercula fecerunt.
Selbst die Meinung einiger, daß man die Überladung mehr fliehen müsse als den Mangel, erkläre ich für falsch, und behaupte gerade das Gegenteil. Denn Überladung kann nur insofern schaden, wenn sie Unverdaulichkeit oder Krankheit erzeugt; der Mangel aber, wenn er auch sonst kein Übel anrichtet, ist schon an und für sich der Natur ganz zuwider. Ihr Freunde des Kümmels und des Salzes scheint nicht daran gedacht zu haben, daß das Mannigfaltige angenehm ist, das Angenehme sich aber leicht verdauen läßt. Denn es findet in den begierig gemachten Körper leicht Eingang, weil ihm das Gesicht schon den Weg dahin gebahnt hat. Solche Dinge hingegen, die die Eßlust nicht reizen, lassen sich schwer verdauen, treiben sich deshalb im Körper herum, und die Natur verwirft sie entweder ganz oder nimmt höchstens, in Ermangelung des Besseren, gezwungen damit vorlieb.

Des Sokrates' Fluch, rief hier der Sykophant, trifft nach meinem Bedünken nicht nur die, welche das Nützliche vom Guten trennen, sondern auch jene, die das Vergnügen von der Gesundheit absondern in der Einbildung, daß es ihr Feind und ganz zuwider wäre, da es doch im Gegenteil sie befördern hilft. Welcher Schmerz, welches Gift kann wohl auf eine so leichte und einfache Art eine Krankheit heben als ein bei zustoßender Schwachheit gereichter Becher Wein oder eine mit Lust genossene Speise, wodurch sogleich alle Unbehaglichkeit verbannt und die Natur wieder in den für sie schicklichen Zustand der Ruhe und Stille versetzt wird.

Daß doch den Freunden des Einfachen nichts vorgesetzt würde als Wolfsbohnen, und diese metzenweise. Eine halbe Metze Wolfsbohnen rühmt sich Diogenes (nach Lucian) im Totenreiche, bei seinem Tode im Schnappsacke gehabt zu haben. Und leugnet ihr, daß die Götter uns in den Besitz der Erde gesetzt haben, aus der so viel Gutes hervorgeht, damit wir etwa das Unentbehrliche genießen, nicht auch vom Genuß einer unendlichen Menge von Dingen, die bloß zu unserem Vergnügen da sind, leben sollen? Wenn du recht daran tust, dich mit so wenigem zu begnügen, so hätten die Götter übel daran getan, daß sie die Schafe mit feiner Wolle versehen, die Reben, die so köstliche Weine geben, und eine so wundervolle Mannigfaltigkeit anderer Dinge gebracht haben, die zur Verschönerung und Annehmlichkeit des Lebens dienen. Kurz, die Götter hätten Unrecht gehabt, dafür zu sorgen, daß wir so vielerlei Arten von wohlschmeckenden Speisen und angenehmen Getränken, so mancherlei Bequemlichkeiten, weiche Betten, schöne Wohnungen, mit einem Worte eine so unzählige Menge aller Arten von angenehmen und künstlichen Sachen haben möchten; denn auch die Werke der Kunst sind als Geschenk der Götter anzusehen. Ein Leben, das aller dieser Dinge beraubt ist, ist ein elendes Leben. Schlimm genug, wenn uns andere dessen berauben! Aber ungleich schlimmer, wenn ein Mensch sich alles Schönen und Angenehmen selbst beraubt. Wie kann man das anders nennen als offenbare Tollheit? Unser Seythe verdiente allerdings für allerlei Verstöße Zurechtweisung, wozu sich endlich doch nur der Sykophant hergibt. Hätte Anacharsis als Fremder nicht ein Wort des Lobes über viel Schönes und für ihn ganz Neues sagen können anstatt Tadel? Jenes war sogar Sitte. Ein wohlerzogener Gast durfte schon ein wenig des Wirtes Haus und Hof und Herrlichkeit bewundern, dies war sogar erwartet und Gebrauch, daher der Dichter sagt:

Bei der Götter Macht, wir halten einen Traumschmaus.

Damit aber das Gespräch nicht ins Leidenschaftliche ausartete, tat hier sogleich der Trinkkönig seine Pflicht.

Hier nahm Demochares einen Becher, berührte ihn mit seinen Lippen und ließ ihn von Hand zu Hand gehen. Dieser erste Trunk aus einem gemeinschaftlichen Becher ist das Symbol freundschaftlichen Vereins. (Man erinnert sich hierbei des Abendmahles.) Bald aber ward mehr getrunken, welches sich nach den Gesundheiten richtete, die Demochares bald dem einen, bald dem anderen zubrachte, und die wir dann sogleich erwiderten.

Munter und lebendig spielte ohne Unterbrechung die Unterhaltung scherzend hinüber in eine Spöttelei über die Mahlzeiten sich geistreich denkender Männer und Philosophen, welche ihre kostbare Zeit verlieren, die einen mit Rätseln, Logogriphen und Scharaden sich zur gegenseitigen Qual zu überraschen, die anderen, um am unrechten Orte methodisch und wissenschaftlich über Gegenstände der Moral und der Physik zu salbadern und zu quacksalbern und bei einem Gastmahle von nichts zu reden als von Hexis, Schesis und Katalepsis. Kunstausdrücke der Stoischen Schule. Dann scherzte man über jene sogenannten Weisen, die sich nichts zugute tun, die auf ihren Spaziergängen in ihren Unterhaltungen die Weisheit suchen, als sei sie ein entlaufener Sklave. Strafbare Menschen, weshalb hungert ihr, da ihr zu essen habt? Warum willst du die Götter so stark beleidigen? Weshalb, Mensch, achtest du das Geld mehr als dich selbst? Ist es denn seiner Natur nach etwas Vorzügliches? Du trinkst nichts als Wasser, aber gerade dadurch wirst du unnütz im Staate: du tust dem Winzer, dem Kaufmann Schaden. Du wendest des Morgens deinen Ölkrug nach allen Seiten, um zu sehen, wie es damit aussieht; man glaubt, wenn man dir zusieht, du wendest nicht einen Krug, sondern deine Uhr.

Laßt uns, sprach Demochares, lieber unsere gesamten Kenntnisse dazu anwenden, uns über die richtige Wahl unserer Speisen zu beraten, über die Weise, sie sich am besten in Athen zu verschaffen, und über die Kunst, sie gleich angenehm für Augen und Gaumen zuzubereiten. Da wir hier nicht bloß die Weisen spielen wollen, so möge ein jeder der Reihe nach sprechen und seinen Gegenstand so ernst als möglich behandeln, ohne ihn weder mit Kleinigkeiten zu erdrücken noch mit vornehmer Unwissenheit zu vernachlässigen.

Nun nahm Leon das Wort: Man hat uns Athenern lange genug Frugalität zur Last gelegt. Aber dem Jupiter sei Dank! Die Zeiten sind vorüber, wo der Komiker Antiphanes sagen durfte: Ach! wie wenig vermögen diese Griechen, die so erbärmlich leben! Diese Krautesser, die nur eine Obole haben für drei oder vier Fleischlappen! Es leben meine Vorfahren! Sie steckten ganze Ochsen an den Spieß! Sah man nicht einen Koch, o Weltwunder, ein ganzes Kamel braten und es heiß auf die persische Königstafel bringen! Nach Herodot kamen auf die Tafel vornehmer Perser ganze Ochsen, Kamele und Esel. Daß letztere eine griechische Delikatesse waren, ist aus Lucians »Verzaubertem Esel« zu ersehen. Auch die Zeiten sind fern – und hier warf er einen Blick auf mich –, wo ein Grieche, ein Weltweiser, ein Epikur, während des Mahles Fragen über die Verdaulichkeit an seine Mitgäste richtete, was ein sehr übles Zeichen ist; ja dieser Philosoph sprach bei Tisch selbst über das Fieber. Was soll ich zu solchen Dingen sagen?

Unsere athenischen Mahlzeiten sind weniger lang, weniger anspruchsvoll als die der Thebaner und einiger griechischen Völker; aber kaum haben wir angefangen, ihrem Beispiele zu folgen, so können wir auch schon wieder ihre Lehrer sein. In Athen gehörte während langer Zeit die elende Kunst des Maskierens, die außerhalb unserer Mauern noch Mode ist, zu den Haupttalenten der Küche. Man ging soweit, ein Huhn in der Form eines Koteletts zu präsentieren und einen Hummer in ein Efeugewinde zu metamorphosieren. Als aber der gute Geschmack Fortschritte machte, jetzt, wo alle Künste im höchsten Flor miteinander wetteifern, wich dem Geiste dieser verdorbene Geschmack. Solche wertlose Bizarrerien der Gastromanie sind in der guten Küche das, was die Calembours und Akrostichen wahrer Poesie sind. Auch Lukullus war von solchen kindischen Vorurteilen nicht frei. Er spuckte einmal ein Stück von einem Karpfen aus, indem er sagte: »Pfui! Der Karpfen schmeckt ja nach Karpfen.«

Jetzt ersinnen wir täglich mehr reizende Genüsse für unsere Tafel, und nach und nach sehen wir jene alte Einfachheit schwinden, welche wohl zu einer gewissen Zeit die Not zu einer Tugend erhob. Mögen unsere Redner uns immer lauter die Tage von Salamis und Marathon vorrufen; mögen die Fremden die Denkmäler bewundern, welche die Stadt zieren – für mich hat Athen viel wesentlichere Reize! Es ist der Überfluß, welchen man hier durch das ganze Jahr in allem genießt; es ist der überreiche Markt, auf welchem die herrlichsten Erzeugnisse der Inseln und des festen Landes sich drängen, und es ist mein Stolz, behaupten zu können, daß man in keiner Gegend der Welt besser essen könne als in Athen, nicht einmal Sizilien ausgenommen.

Was Fleisch anbetrifft, so bleibt uns gewiß nichts zu wünschen übrig, sowohl von vierfüßigen Tieren als Geflügel; unsere Hühnerhöfe wimmeln von Kapaunen, von Tauben, Enten und Gänsen, die an Schmackhaftigkeit denen aus Böotien nichts nachgeben; unsere Hühner sind denen von Samos Die Fruchtbarkeit der Insel Samos war so groß, daß, wie gefabelt ward, selbst die Hühner Milch gaben. gleich geachtet. Folgend dem Tanze der Horen, fliegen uns zu im Wechsel der Jahreszeit: die Drossel, die Schwalbe, Daß die Griechen Schwalben gegessen, erhellt aus dem Aristoteles. Die Mauerschwalbe (Drepanis), die man im Sommer nach dem Regen fing, war die gesuchteste, weil sie die seltenste war. das Rotkehlchen, die Holztaube, die Turteltaube, die Lerche, die Schnepfe, das Haselhuhn. Der Phasis sendet uns die Zierde seiner Ufer, die in anderen Ländern so selten ist, Noch Ptolemäus Fyscon rühmt sich, daß er von seinen aus Medien erhaltenen Fasanen nie einen gekostet habe; auf den Tafeln der Kaiser Pertinax, Alexander Severus, Julianus erschien dieser Vogel nur an hohen Festtagen. und die eine große Zierde unserer Tafel wird. Welcher anständige Mann betreibt nicht jetzt mit vornehmem Ernste die Vermehrung der Fasanen in einer Abteilung seines Gartens; während wir von Samos den köstlichen Pfau Der Pfau, obgleich schon lange bei den Samiern als Vogel der Here einheimisch, war zu Aristophanes' Zeiten in Athen noch so selten, daß man ihn bloß an den Neumonden für Geld zeigte. Ursprünglich kam er aus Persien. erhalten. Unsere Ebenen sind von Hasen und Rebhühnern bedeckt, unsere Hügel mit Thymian, Rosmarin und anderen balsamischen Pflanzen, gleichsam um jene herrlichen Tiere schon lebendigen Leibes zum wohlschmeckenden Braten zuzubereiten. Die Insel Melos versieht uns mit den besten Rehen, aus unseren Wäldern ziehen wir Frischlinge, aus Sizilien die besten Schweine. Vorzügliche Schafe liefert uns Milet, die wir mit Ölzweigen, Aphaka (Lathyrus aphaca) und Kleien, die vorher mit Salz besprengt sind, mästen. Diese Schafe werden um so fetter, wenn man sie drei Tage vor der Mast hungern läßt. Die besten Schafe erkennt man am Reif, den sie im Winter an sich tragen, die schwächeren schütteln ihn bei ihrer Bewegung ab.

Das Meer, fiel hier Zopyros ein, vergißt nicht, seinen Beherrschern den schuldigen Tribut zu zahlen. Fische sind bei den Griechen überhaupt, und vorzugsweise bei uns Athenern, noch mehr Sache der Leidenschaft als der Eßbegierde, sieht man doch die Vornehmsten selbst auf dem Fischmarkt sich um den Verkauf drängen, auch lassen wir uns nicht nur aus Italien, nein, von den spanischen Küsten Seefische kommen. Ein Dichter, der seinen Nebenbuhler verfluchen wollte, fand keinen stärkeren Ausdruck als: Möchtest du, wenn du auf den Markt kommst, um Aale zu kaufen, keine finden! – Als der König Antigonos einst in seinem Lager zum Dichter Antagoras kam, da dieser eben, mit einer Schürze umgürtet, Meeraale sott, sagte er zu ihm: Meinst du denn, daß Homer Agamemnons Taten aufgezeichnet hat, indem er sich Meeraale kochte? – Und meinst du denn, versetzte Antagoras mit ebensoviel Recht als Verstand, daß Agamemnon jene Taten verrichtet hat, indem er neugierig nachforschte, wer etwa im Lager Meeraale sieden möchte?

Der Ausdruck, welcher Nahrungsmittel im allgemeinen bezeichnet, bezeichnet auch Fische, so sehr sind wir überzeugt, daß Fische die ersten Nahrungsmittel der Menschen sind. Der Pompilus ist sogar ein heiliger Fisch; er ist der Bruder der Venus und, wie diese, aus dem Blute der Götter und dem Schaume des Meeres erzeugt. Derjenige Fisch aber, den man in Rhodos den Fuchs und in Syrakus den Hund nennt, ist so berühmt in ganz Griechenland, daß (nach Lynkaios von Samos) Kekrops einen geringeren Ruf hat als er. Diesen Fisch muß man sich zu allen Preisen anzueignen suchen, ihn essen, auch wenn man ihn nicht bezahlen kann, und hernach über sich ergehen lassen, was irgendein unmenschlicher Gläubiger will und kann. Was sind alle Ereignisse des menschlichen Lebens nach dem Glück, diesen Fisch genossen zu haben! Wer einmal diesen Glanzpunkt erreicht hat, der hat nichts mehr vom Schicksal zu fürchten. Was den Fisch Aper anbelangt, so können nur die Reichsten daran denken, ihn zu genießen, es ist ein Gericht für Wucherer, Finanziers und Sybariten: er ist so viel wert, als er Gold wiegt, und um mich der Worte eines Dichters zu bedienen:

Er ist ein Gericht der Götter, er ist die Blume des Nektars.

Der Aal ist das unter den Fischen, was Helena unter den Frauen ist. Aber man muß ihn in Mangoldblätter eingewickelt kochen, um sein Fleisch saftiger und schmackhafter zu erhalten. Der Komödiendichter Antiphanes geht so weit, zu behaupten, daß die unsterblichen Götter wohlfeiler zu kaufen seien als Aale. Denn, fügt er erklärend hinzu, durch die kleinen Opfer einiger Obolen kaufe ich mir das Wohlgefallen des Jupiters, aber für zehn gute Drachmen kann ich noch keinen guten Aal finden. Aristophanes nennt den Aal den leckersten Leckerfisch.

Ein wahrhaft großer Fischesser glaubte schon deshalb ein Anrecht an das Wohlwollen aller Bürger Athens zu haben, und setzte voraus, daß er selbst als Staatsverbrecher Gnade finden würde. Der Redner Hyperides hatte sich, wie viele andere Redner, vom Feinde bestechen lassen. Timokles sagte (nach Pausanias) in seiner Verteidigungsrede zu dem athenischen Volke: Verzeiht ihm; er liebt so sehr die Fische, daß die Fischreiher nichts gegen ihn sind; wenn ihr ihm eine große Geldbuße auferlegt, so ruiniert ihr viele Fischhändler.

Die Geschichte des Philoxenes, der wegen Überladung des Magens von einem Teile eines ungeheueren Hechtes von den Ärzten aufgegeben wurde, und der, bevor er den Styx passierte, erst den Rest verzehren wollte, ist bekannt. Diese Anekdote ist von Pope in englische und von Lafontaine in französische Verse gebracht.

Wir sehen täglich auf unserem Fischmarkte die Muräne, den Goldfisch, den Meerdrachen, den Schwertfisch, die Alse und die Thunfische in Überfluß; ebenso die vortrefflichen Meeraale von Sikyon, den Seebläuling, den man in Megara fischt, ausgezeichnete Steinbutten, Schollen, Makrelen, Strohfische und die Rotflossen unserer Küste. Die Sardelle wird zwar nur vom Volke gegessen, aber die, welche man in der Nähe von Phaleros fischt, verdiente auf die Tafel der Götter gebracht zu werden; besonders wenn man sie frisch nur einen Augenblick in siedendes Öl getaucht hat. Diese Sardellen sind so verführerisch, daß man sehr oft davon zuviel des Guten tut; deshalb serviert man gleich nach ihnen ein Brötchen, Kollabos genannt, in Gestalt eines großen Nagels, aus frischem Weizen, welches man glühend Kochend heiß zu servieren und zu essen, waren zwei zu Athen sehr übliche Gebräuche. Oft geschah es, daß man sich der aufgetragenen Gerichte sofort bemächtigte, ohne Rücksicht auf den Nachbar. Man gewöhnte sich, die kochend heiß aufgetragenen Gerichte sogleich vermittels der Hände zum Munde zu bringen, und übte sich dazu ein, indem man die Hände daran gewöhnte, immer heißeres Wasser zu ertragen, um sie für die Hitze immer weniger empfindlich zu machen. So Eingeübte bestachen die Sklaven, die Speisen kochend aufzutragen, so daß ie allein sie sofort anzufassen imstande waren. Pithyllos, der berühmteste in solchem Manöver, hatte, damit er sich die Zunge nicht verbrenne, eine künstliche Bedeckung für dieselbe. mit einem Stück Schweinemagen verschluckt, wonach der Magen sofort die alte Kraft gewinnt.

Sonst hatten wir in Athen nur Mangel an Fischen bei heftigem Süd- und Nordwind, jetzt aber ist Phaylles zu diesen Winden als ein Sturm gekommen. Allemal wenn dieser Mensch wie ein Wirbelwind, der aus den Wolken kommt, auf dem Fischmarkt erscheint, alles aufkauft und fortträgt, ist auf dem ganzen Platze über nichts mehr Streit als über Gemüse. Die Fischhändler haben aus Dankbarkeit beschlossen, daß ihm auf dem Fischmarkt eine eherne Statue errichtet werde. In der rechten Hand wird sie einen gerösteten Aal halten. Die Fischhändler wollen durch diese Statue zeigen, daß Phaylles die alleinige Stütze ihres Geschäftes ist, während die übrigen Bewohner Athens dasselbe ruinieren.

Der gemeine Haufe läßt sich vom Namen blenden und findet alles gut bei einem Dinge, das nur einmal Ruf hat. Wir aber, die wir das wahre Verdienst bis zu seinem Ursprünge verfolgen, wir essen nur das Vorderteil vom Säubling, den Kopf vom Meeraal, die Brust vom Thun, den Rücken vom Rochen, und den Rest überlassen wir solchen Leuten, die nicht zu essen verstehen; präsentieren sich aber irgendwo kleine Fische, so frage ich, wo die Kranken sind, die sie speisen sollen. Austern aber esse ich nur, wenn sie von der Küste, in der Nähe sich ergießender Flüsse sind, weil sie dort größer und schmackhafter gefunden werden als anderswo. Zu den Schätzen des Meeres gesellen sich noch die aus den Landseen Böotiens, Karpfen und Aale von der größten Art, und endlich bringt man uns aus Byzanz und von den Küsten des Pontos Euxinos die herrlichsten geräucherten und eingesalzenen Fische; die letzteren müssen aber mürbe geschlagen werden, bevor sie würdig sind, auf unseren Tafeln zu erscheinen.

Leon und Zopyros, begann nun Philotas, haben von jenen Alimenten gesprochen, welche die Hauptmahlzeit ausmachen; aber vom ersten und dritten Gange zu sprechen, erfordert schon tiefe Kenntnis und Einsicht. Möchte es mir glücken, euch einen Begriff von der Höhe zu geben, auf welcher die Gegenstände dieser beiden Gänge sich bei uns befinden.

Die Seespinnen und Krebse sind bei uns so häufig als alle Gattungen von Muscheln, Austern und Seeigeln. Diese letzteren schmecken vorzüglich, wenn sie mit Sauerhonig, Petersilie und Krauseminze bereitet sind; am vortrefflichsten sind sie, wenn sie beim Vollmond gefischt werden. Sie verdienen auf keine Weise die Vorwürfe, welche ihnen jener Spartaner machte, der, als er diese Schaltiere zum ersten Male sah, für gut fand, sie an den Mund zu bringen und die stachligen Spitzen zu essen.

Ich rede wenig von den Champignons und Spargeln, von den vielerlei Gattungen von Gurken und Melonen, von jener unendlichen Verschiedenheit von Gemüsen, wo ein Menschenleben nicht hinreicht, um jeden Tag ein anderes zu essen, und die täglich frisch auf unserem Markt erscheinen. Aber ich darf unsere Gartenfrüchte nicht vergessen. Der Vorzug unserer Feigen wird allgemein anerkannt. Die besten Pflaumen, die auf unseren Märkten erscheinen, nennen wir, der Gegend, die sie erzeugte, zu Ehren, Pflaumen von Damas; die vorzüglichsten Nüsse bringt uns Präneste, die besten Mandeln Naxos und Zypern: letztere sind länger als jene und zugespitzt. Die Mandeln von Naxos erhitzen ein wenig, doch die, welche in Wasser getaucht werden, weniger als die anderen, und die gerösteten weniger als die rohen, Öl bringt uns Samos und Karien, das Öl von persischen Nüssen, welches wie das von Karamanien auf die Tafel der Könige von Persien kommt, ist sehr selten. Rosenäpfel, die freilich etwas Adstringentes haben und für mich zu süßlich sind, kommen aus Apollonia in vorzüglicher Güte; herrliche Granatäpfel aus Zypern, von dem einzigen Baume, den Venus selbst angepflanzt hat; es gibt nur wenige davon, aber das Ausgezeichnetste ist immer selten.

Vieles Obst, viele Gartenfrüchte bleiben ganz reif ein Vorrecht von Attika, weil man sie alsdann nicht weit führen kann; aber halb reif und getrocknet gehören sie noch zu den kostbarsten Früchten, die man im Auslande teuer bezahlt, und die selbst an den Tischen der Könige von Persien ihren Stolz zu behaupten wissen. Unsere Oliven, aber nur nicht die schwarzen, in Salzwasser eingelegt, reizen die Eßlust; jene, welche man Kolymbaden Sie heißen heute noch so und wurden einzig und allein für die Tafel des Großherrn in der Umgegend von Athen in Beschlag genommen, solange dies Land unter türkischer Herrschaft stand. nennt, werden, ihrer Größe und des Geschmackes wegen, allen ausländischen vorgezogen. Nicht minder berühmt sind die Nikostratischen Weintrauben. Die Pfropfkunst verschafft unseren Birnen und den meisten anderen Früchten die Eigenschaften, welche die Natur ihnen versagte. Euböa liefert uns sehr gute Äpfel, Phönizien kernlose Datteln und getrocknete Feigen von der Art, die man mit dem barbarischen Namen Briginderiden belegt, die aber schmackhaft und auch geröstet vortrefflich sind. Aus Korinth kommen die Quitten von vorzüglichster Güte. Die wilden rhodischen Feigen können mit denjenigen, die man in Attika lazedämonische nennt, durch solche Überlegenheit wetteifern wie die delikaten Maulbeeren mit der Feige. Man reicht sie beim Anfange des Mahls, nicht beim Dessert, nur bevor man etwas genossen und wenn der Magen noch seine volle Kraft hat. Auch die Feigen von Paros verdienen Erwähnung sowie die köstlichen roten von Lydien, die im Vergleich mit allen anderen Sorten das sind, was das Fleisch von wilden Schweinen gegen das der zahmen ist.

Jetzt kam die Reihe an Philonidos, und wir horchten auf mit doppelter Aufmerksamkeit. Er begann folgendermaßen:

Das Brot, welches auf unsere Tische kommt, ja selbst das, welches auf dem Markte feil ist, hat eine blendende Weiße und einen bewunderungswürdigen Geschmack. Die Kunst, es zu bereiten, ward in dem letzten Jahrhundert in Sizilien von Thearion auf den höchsten Gipfel gebracht. Bei uns wird dem Sklaven, der das Brot bäckt, ein Maulkorb vor den Mund gelegt; er muß sogar Handschuhe anziehen, damit weder sein Hauch noch sonst Unangenehmes dem Teige nahe kommt. Wir kennen heutigentags tausenderlei Arten, um alle Gattungen von Mehl in eine gleich gesunde und angenehme Nahrung zu verwandeln. Man mische zu dem Weizenmehl ein wenig Milch, Öl und Salz, so hat man das schmackhafteste Brot, dessen Erfindung wir den Kappadoziern verdanken. Man knete es mit Honig und zerschneide den Teig in dünne Blätter, die sich schon beim Anblick der Kohlpfanne aufrollen, so gibt dies jene Kuchen, die soeben herumgegangen und die ihr in den Wein getaucht habt; sie müssen aber ganz siedend heiß zur Tafel kommen. Die so zarten und leichten Bälle, die gleich nachher herumgingen, werden aus Sesammehl, Honig und Öl in der Pfanne bereitet. Man nehme Gerstengraupen und zerstampfe sie in einem Mörser, schütte den Brei in ein Gefäß und gieße Öl dazu; rühre dann diesen Brei, während er langsam am Feuer kocht, um, und nähre ihn von Zeit zu Zeit mit Kraftbrühe von Hühner- oder Ziegen- oder Lammfleisch (besonders hüte man sich, daß er nicht überkocht), und wenn er rechten Sud hat, dann trage man ihn auf. Wisset, meine Freunde, die Kuchen und Backwerke Athens zu schätzen. Attischer Honig findet seinesgleichen nicht auf der Erde, aber er muß ohne Feuer gereinigt sein. Von solchen Speisen muß man leben oder sich lebendig begraben lassen, in einen Abgrund stürzen oder tausend Meilen tief in den Tartaros.

Die athenischen Bäcker sind aber auch von solcher Wichtigkeit, daß sie in den unsterblichen Gesprächen Platons eine Stelle finden. Der Brotladen des Antiphanes, worin er die modernsten Brote kunstgerecht aufgestellt hatte, war lange Zeit das Rendezvous der ersten Männer der Republik. Der Vater der Kritik, Aristoteles, bemerkt: daß während der Vorstellungen der Tragödien die Pastetenbäcker ihre Waren feilhielten und das Glück einer Tragödie und der Verkauf der Pasteten immer im umgekehrten Verhältnis stand, so daß während einer langweiligen Szene die kleinen Pasteten reißend abgingen, aber bei einem guten Trauerspiele die geistigen Lockungen die materiellen vergessen machten und alsdann das Genie des Pastetenbäckers ein Opfer der Tragödie wurde.

Wir haben Kuchen, die ganz einfach mit Milch und Honig bereitet sind; bei anderen tut man zum Honig noch Sesammehl und Käse oder Öl; andere wiederum sind mit Früchten verschiedener Art gefüllt. Von dieser letzten Gattung sind die Schnepfen- und Hasenpasteten sowie jene von kleinen Vögeln, vorzüglich von solchen, die in den Weinbergen ihre Nahrung suchen. (Indem er so eifrig von den Pasteten ergriffen war, bemächtigte er sich einer Mandeltorte und war nicht mehr zum Sprechen zu bringen.)

Scheltet ihn nicht, rief der Sykophant, es ist ja eine läppische und abgeschmackte Manier, eine aufgetragene und seltene Speise, z. B. ein Euter, italienische Schwämme, samnische Kuchen oder in Ägypten Schnee (weil in diesem Lande gar kein Schnee zu finden und er also dort eine sehr seltene und kostbare Sache ist) unangerührt zu lassen. Ebenso muß aber auch umgekehrt ein jeder sich selbst ermahnen, den Linsen nicht immer leckere Gerichte vorzuziehen, noch des Thriums Ein bei den Griechen sehr beliebtes Gericht, das auf verschiedene Art bereitet wurde. Die vornehmsten Ingredienzen waren Schweinefett, Milch, Mehl, frischer Käse, Eidotter, Gehirn usw. Das alles wurde zusammen in Feigenblätter gewickelt und in kräftiger Fleischbrühe gekocht. und der Fische wegen Kresse und Oliven. Denn gemeine Speisen erhalten die Eßlust immer in den Schranken der Natur; die arglistigen Gerichte dehnen dagegen die Grenzen des Vergnügens immer weiter aus. Allerdings macht eine gar zu genaue und ängstliche Diät den Körper nicht nur furchtsam und setzt ihn vielerlei Gefahr aus, sondern sie dämpft auch das Feuer der Seele, daß sie gegen alle Ergötzlichkeiten argwöhnisch und keiner Sache mutig und dreist entgegengeht.

Ich würde hierüber gewiß noch manches Beherzigenswerte sagen können, hätte ich nur Zeit zur Vorbereitung gehabt; aber ich hörte eben erst heute von diesem Gastmahle und ließ mich schnell einladen. Denn wißt, ein vernünftiger Mann trägt sich nicht zum Essen, zum guten Essen hin, um sich damit wie ein Gefäß anzufüllen, sondern um bald Scherz, bald Ernst zu treiben, zu essen, zu hören, zu sprechen. Ein Gast braucht viel Zeit, um sich gehörig vorzubereiten, weil es allemal schwer ist, den für die Seele gehörigen Schmuck zu finden. Ein schlechtes Essen kann man fortgeben, und wenn der Wein nichts taugt, kann man sich an das Wasser halten; aber ein Tischgesellschafter, der keine Freuden bringt, sondern ein Störenfried ist, verdirbt alles Vergnügen, nicht allein des Essens und des Weines, sondern auch sogar der Musik. Daher ist es von einem Anwesenden sehr klug gewesen, daß er nicht eher auf die Einladung zusagen wollte, bis er erfahren hatte, wer die übrigen Gäste sein würden.

Auf Seereisen und im Kriege muß man es sich gefallen lassen, einen ungebildeten Menschen zum Gefährten zu haben; unvernünftig aber wäre es, sich geradezu in eine Gesellschaft zu mischen, die man nicht kennt. Das Gerippe, welches man in Ägypten sehr weislich in die Gastzimmer setzt, um sich dadurch zu erinnern, daß man bald in eben den Zustand werde versetzt werden, hat, so widrig und ungelegen auch sonst ein solcher Gast sein mag, wenigstens den Nutzen, daß es, wenngleich nicht zum Schwelgen, doch zu Freundschaft und Liebe anreizt und die Gäste ermahnt, ihr der Zeit nach kurzes Leben nicht durch böse Händel lang zu machen.

Wenn du mich aber lobst, so fiel ihm Leon ins Wort, daß ich nicht früher zu dem heutigen Feste zusagte, als ich die Gäste kannte – denn deine Rede ging doch auf mich –, so erscheinst du selbst tadelnswert, wenn du, eben erst von einem Mahle hörend, gleich freudig zusagtest.

Ich wiederhole hierauf, entgegnete ohne Empfindlichkeit sofort der Sykophant, mein letztes Wort und ermahne euch: das kurze Leben nicht durch Händel lang zu machen.

Alles lachte laut auf über die Geistesgegenwart des Sykophanten, und er fuhr, dadurch so ermuntert, mit Keckheit fort: Und dann weiß ich auch genau, wer Zutritt zu meinem Gönner Dinias hat und wer nicht; ich mache auch, wie mein Stand, eine Ausnahme. Ich esse mit dem, der es verlangt: es ist nichts weiter nötig, als mich einzuladen.

Zu Hochzeitsschmäusen komme ich ungeladen. Ich bringe dafür auch alle Welt zum Lachen. Ist jemand anderer Meinung als ich, so suche ich, wie es mir eben geglückt ist, die Lacher für mich zu gewinnen; aber ich widerspreche nie lebhaft, werde nicht leidenschaftlich, nehme aber freilich, wo es nottut, zuweilen den Schein davon an. Nachdem ich zur Unterhaltung nach Kräften beigetragen, gut getrunken und gut gegessen habe, entferne ich mich bescheiden still. Ich habe keinen Sklaven, der mich begleitet; aber ich gehe vorsichtig ohne Laterne durch das Dunkel der Nacht. Begegne ich zufällig der Ronde, so habe ich einige freundschaftliche Worte und weiß es so einzurichten, daß mir durch sie nichts Unangenehmes widerfährt und ich womöglich noch obendrein von ihr nach Hause begleitet werde.

Ihr lacht? Gut! – So wißt denn, daß ich mich meines Standes nicht schäme, sondern mich rühme, ein Sykophant zu sein – ein Name, den man mit Unrecht schlechten Menschen beilegt. Das Wort Syke (Feige), als Eigenname gegeben, bedeutet nur: ehrlich und bieder, um den Charakter zu bezeichnen; das Charakteristische der Feige ist das Süße und Anmutige; warum man dies mit »verdorben« verwechselt, ist schwer zu begreifen. Der Sykophant verschweigt aber, daß dies Wort ursprünglich den so nannte, der einen vor Gericht anzeigte, der Feigen ausgeführt hatte, was im Gesetz verboten war, und daß deshalb in der Folge jeder gewinnsüchtige, meistens verleumderische Angeber so genannt wurde. Freilich gibt es schlechte Feldherren, elende Köche, nichtswürdige Sykophanten; aber der Stand des einen ist so preiswürdig wie der des andern.

Was kann ich, erhabener Gebieter des Donners! mehr tun, um den Musen zu gefallen, als mich durch eine stets gleiche Laune, durch liebenswürdigen Frohsinn auszeichnen? Wer recht nachdenkt, was ein Sykophant sei, der wird sich überzeugen, daß es ein Wesen ist, welches unser Glück und Leben mit uns teilt. Nie wünscht der Sykophant seinen Freunden Unglück; im Gegenteil gönnt er allen das Glück. Lebt jemand im Überfluß, so beneidet er ihn nicht; er will bloß davon mitgenießen in seiner Gesellschaft. Er ist ein unschuldiger, ein allezeit sicherer Freund. Man wird ihn nie zänkisch finden, widersprechend, trügerisch. Er duldet eure Heftigkeit. Neckt ihr ihn, so lächelt er Beifall. Er ist verliebt, scherzhaft, launig, brav bis zum Exzeß, und verlangt nichts zur täglichen Ration als ein gutes Diner.

In Wahrheit, ein geschickter Schmeichler gleicht dem Proteus: er wandelt sich in tausend Gestalten um. Gibt es, kann es eine angenehmere Kunst geben? eine sicherere Einnahme als die des geschickten Schmeichlers? Mit größtem Fleiße arbeitet der Maler und hat oft bittere Widersprüche zu ertragen. Welchen Zufällen ist der Landmann unterworfen? Mit einem Worte, alle Welt hat Sorgen und Last; wir, wir verbringen das Leben unter Lachen und Lust. In Wahrheit: wenn die größte Arbeit eines Menschen darin besteht, zu scherzen, zu lachen, sich zu mokieren – ist das nicht das Vergnügen selbst?

Was mich anbetrifft, ich kenne nichts Besseres, wenn es nicht das ist: reich zu sein. Und doch ist jeder Mensch, der mit Gewißheit etwas zu besitzen glaubt, im Irrtum. Bald beraubt euch eine Abgabe dessen, was ihr im Hause habt; bald ein Prozeß; bald setzt euch ein feindlicher Feldherr in Kontribution. Oder man ernennt euch zum Vorsteher der Schauspiele, oder zum Flottenführer, Schauspielvorsteher und Flottenführer ruinierten sich sehr häufig. und euch bleibt kaum so viel, um euch zu hängen. Auf der Reise, im Bett könnt ihr von euern Sklaven ausgeplündert, ermordet werden. Kurz, es bleibt nichts als das Vergnügen des Augenblicks, und auch dies ist nicht ganz gesichert. Jemand kann die gedeckte Tafel mit allem, was darauf ist, forttragen. Kurz, nichts ist sicher als das, was ihr zwischen den Zähnen habt und verschluckt.

Da lobe ich mir meinen Proteusstand! Gilt es einmal, einem Freunde zu Gefallen zu hungern, bis man nicht mehr imstande ist, zu essen: so bildet euch ein, ich sei Tithymales. Ist es nötig, Wasser zu trinken – ich bin ein Frosch; sind wilde Zwiebeln zu essen, Kraut – ich bin Raupe; darf man kein Bad nehmen – so werde ich zur Schmiere; gilt es den Winter unter freiem Himmel zu leben – ich bin Amsel; eine stickende Hitze zu ertragen und dabei in der Mittagsstunde zu singen – ich bin Heuschrecke; kein Öl anzuwenden, selbst keins anzusehen – ich bin dürrer Staub; barfuß in der Morgenstunde zu gehen – ich bin Kranich; keinen Augenblick in der Nacht zu schlafen – ich bin Fledermaus.

Die Heiterkeit war allgemein, als der Sykophant hier seine vom Trinken und Essen oft unterbrochene Rede mit feierlichem Pathos schloß.

Philonidos sagte hierauf: auch die Parasitik ist eine Kunst. Sie muß, wie jede andere Kunst, ein System von deutlichen Begriffen sein. Das erste, was der Parasit zu tun hat, ist, seinen Mann wohl zu prüfen und richtig zu beurteilen, ob er die zu einem Tischpatron erforderlichen Eigenschaften hat, und ob er, wenn er bei ihm zu speisen angefangen, sich es nicht bald wieder gereuen lassen könnte. Der Parasit muß ferner wissen, was man bei jeder Gelegenheit zu reden und zu tun hat, um sich bei seinem Patron, wie der ganzen Tischgesellschaft beliebt zu machen. Noch mehr! Um von den Vollkommenheiten und Mängeln so mannigfaltiger Speisen und Getränke richtig zu urteilen, meint ihr, daß dazu weiter nichts als der kindische Witz eines naseweisen Gecken und nicht vielmehr eine Menge von gründlichen Kenntnissen erfordert werden? Sagt nicht der göttliche Platon selbst (in seinem Theaetetos): Wer schmausen will, ohne sich auf die Kochkunst zu verstehen, wird von den Gastmählern kein zuverlässiges Urteil fällen können.

Was aber endlich den im menschlichen Leben nützlichen Zweck betrifft, wäre es nicht Torheit, eine Erörterung hierüber für nötig zu halten? Ich meines Orts kenne im ganzen Leben nichts Nützlicheres als Essen und Trinken, da ohne beides vom Leben nicht einmal die Rede wäre. Das letzte Ziel der Glückseligkeit und der Parasitik ist ein und dasselbe. Dies beweist der weise Homer (Odyssee IX, 5), der, von Bewunderung der parasitischen Lebensart hingerissen, bezeugt, daß sie die glücklichste und beneidenswürdigste unter allen sei, in diesen Versen:

Nein, ich kann in der ganzen Welt nichts Angenehmeres mir denken,
Als wenn Fröhlichkeit sich des ganzen Volkes bemächtigt,
Und in den Häusern die Gäste, in Reihen sitzend, dem Sänger
Horchen, indem vor ihnen vollauf die Tische bedeckt sind
Mit Gebacknem und Fleisch, und der
Schenke den Wein aus der Kumpe
Fleißig schöpft und ringsum in vollen Bechern verteilet.

Und als ob er den hohen Wert, den er auf diese Glückseligkeit setzt, noch nicht genug ausgedrückt hätte, fügt er, um seine Gesinnung offenbarer zu erklären, noch hinzu:

Ja, dies nennet mein Herz die höchste Wonne des Lebens!

Das heißt doch, sollte ich denken, deutlich gesagt, daß er das höchste Gut in das parasitische Leben setze. Und diese Rede legt er nicht etwa dem ersten besten in den Mund, sondern dem Weisesten aller Griechen seiner Zeit.

Ein großer Vorzug der Parasitik ist der, daß der Parasit alle Monate dreißig Feiertage hat und ihm das ganze Jahr ein einziges Fest ist. Wer es in einer anderen Kunst hochbringen will, muß wenig essen und trinken, und beinahe die Diät eines Kranken beobachten: denn es ist eine alte Erfahrung, daß ein voller Magen zum Lernen trag ist.

Alle anderen Künste sind ohne gewisse Werkzeuge (die mit Kosten angeschafft werden müssen) ihrem Besitzer unnütz; niemand kann ohne Violine Im Griechischen: Lyra. geigen, oder ohne ein Pferd reiten: die einzige Parasitenkunst ist sich selbst genug und macht es ihrem Meister so bequem, daß er sie ohne Hilfe irgendeines Werkzeuges ausüben kann. Wer eine andere Kunst lernen will, muß dafür bezahlen: wer diese lernt, wird dafür bezahlt. Andere Professionen kann man nicht ohne Lehrmeister lernen: die Parasitenkunst bedarf dessen nicht; sie ist eine Gabe des Himmels, und man wird zum Parasiten, wie Sokrates sagt, daß man zum Poeten werde, von Gottes Gnaden.

Die Parasitik verdient in der Tat den Namen einer königlichen Kunst. Anspielung auf eine Stelle in Platons Euthydemos. Denn andere Kunstverwandte arbeiten nicht nur mit Mühe und Schweiß, sondern größtenteils sogar sitzend oder stehend, und zeigen dadurch, daß sie gleichsam Sklaven ihrer Kunst sind. Der Parasit hingegen treibt die seinige auf eben die Art, wie die Könige Audienz geben – liegend. Nichts davon zu sagen, daß er allein:

Weder pflanzet noch pflügt mit seinen eigenen Händen

(Odyssee IX, 108),

sondern erntet, wo er nicht gesäet, und genießt, wo er nicht gekostet hat. Endlich kann ein Rhetor, ein Feldmesser, ein Schmied seine Kunst ungehindert treiben, wenngleich er ein ungesitteter Mensch, ja sogar ein Dummkopf ist, in der Parasitik hingegen kommt weder ein ungezogener Mensch noch ein Pinsel fort.

Deshalb waren auch die besten Helden Homers Parasiten. Denn sogar jener berühmte Nestor:

Dem von der Zunge wie Honig die süße Rede herabfloß

(Ilias I, 249), Nestor selbst war ein Parasit des Königs Agamemnon, und weder Achilles, wiewohl er für den schönsten und bravsten Mann des ganzen Heeres gehalten wurde, und es auch war, noch Diomedes, noch Ajax werden von Agamemnon so hoch geachtet und gelobt wie Nestor. Denn er wünscht sich weder zehn Ajaxe, noch zehn Achillen, sondern ist versichert, daß er Troja unfehlbar erobern würde, wenn er zehn solche Kriegsmänner hätte, wie dieser alte Parasit (Ilias II, 371 usw.). Auch von Idomeneus, einem Sohne Jupiters, sagt Homer, daß er ein Parasit gewesen sei, denn Agamemnon selbst sagt zum Idomeneus (Ilias IV, 262):

– – – dein Becher stand immer gefüllet
Vor dir, wie mir, so oft die Lust zum Trinken dir ankam.

Denn natürlich will er damit nicht sagen, daß sogar im Schlaf oder in der Schlacht immer ein voller Becher vor Idomeneus stand: sondern nur, daß er vorzugsweise alle Tage seinen Platz an des Königs Tafel eingenommen habe, da hingegen die übrigen Befehlshaber nur an gewissen Tagen eingeladen waren. So sagt er z. B. zum Ajax, da er aus einem für ihn sehr rühmlichen Zweikampf mit Hektor zurückkam, »sie führen ihn zum göttlichen Agamemnon«, weil der König ihm zur besonderen Ehre, wiewohl es schon spät war, ein Gastmahl angestellt hatte.

Besonders scheint mir Nestor ein großer Virtuos in der Kunst, bei den Königen zu schmarotzen, gewesen zu sein: denn er fing nicht erst bei dem Agamemnon an, sondern hatte sie schon vorher bei den Königen Cäneus und Evadius getrieben. Auch Patroklos war des Achilles Parasit. Ein junger Mann, der wahrlich keinem anderen Griechen weder an Leibes- noch Seelenvollkommenheiten nachstand. Der Parasit des Achilles erlegte eine Menge Barbaren, und sogar den Sarpedon, wiewohl er ein Sohn Jupiters war. Auch in der Art seines Todes ist etwas Vorzügliches. Hektor fiel von der einzelnen Hand des Achilles, und Achilles wurde hinwieder von dem einzelnen Paris getötet: aber den Parasiten zu töten braucht es nicht weniger als einen Gott und zwei Menschen (Apollo, Hektor und Euphorbos, Ilias XVI, 783–822). Daß aber Patroklos nicht der Freund, sondern der Parasit des Achilles gewesen, geht aus seinen eigenen Worten hervor:

Laß nicht, Achilles, mein Gebein besonders vom deinigen
legen,
Sondern beisammen, wie wir in eurer Wohnung erzogen
Wurden

(Ilias XXIII, 83)

und bald darauf:

Freundlich empfing mein dein Vater, der Rossebändiger
Peleus,
Und erzog mich mit liebender Sorgfalt, und nannte mich deinen
Diener – –

d. h. deinen Parasiten. Hätte er ihn seinen Freund nennen wollen, so würde er das Wort Diener nicht gebraucht haben; denn Patroklus war frei. Was kann er also unter Diener verstehen? Nur solche, die weder Freunde noch Sklaven, folglich Parasiten sind. Ich denke, das sind Beispiele genug von sehr braven Männern, welche Parasiten waren.

Aber, wie meint ihr, daß der Parasit sich zu einem Treffen anschicken und dabei betragen werde? Wird er nicht, fürs erste, gleich den Vorteil haben, nicht anders als nach dem weisen Rate des Odysseus, mit einer guten Mahlzeit im Leibe, ins Treffen zu gehen? Denn wen Odysseus gegen den Feind schickt, dem gibt er vorher tüchtig zu essen, und wenngleich er mit Anbruch des Tages fechten müßte (Ilias XIX, 160). Während also andere Soldaten, der eine seinen Helm vor Angst zehnmal aufsetzt und wieder abnimmt, ein anderer seinen Brustharnisch anschnallt, ein dritter sich das Schlimmste, was begegnen kann, voraus einbildet und zittert, sitzt der Parasit mit heiterem Gesicht bei Tische: sobald es aber ins Treffen geht, stellt er sich unter die Vordersten, wie Teukros seinen Bruder Ajax verbirgt er mit seinem Schilde seinen im nächsten Gliede hinter ihm stehenden Patron, an dessen Erhaltung ihm mehr als am eigenen Leben gelegen ist. Gesetzt aber auch, er fällt im Treffen, so wird sich niemand seiner zu schämen haben, wenn ein so stattlicher Mann als Leiche so schön wie bei einem Gastmahle daliegt, und es verlohnte sich wohl der Mühe zu sehen, wie er vor dem dürren, schmutzigen, bocksbärtigen Kadaver des armseligen Philosophen absticht.

Aber auch im Frieden ist der Parasit dem Philosophen so weit vorzuziehen, als der Frieden dem Kriege. Auf dem Ringplatze, den Gymnasien und den Gastmählern macht er eine ganz andere Figur. Denn wo hat man jemals gesehen, daß sich ein Philosoph, wenn er sich zum Ringen entkleidete, vor dem Parasiten hätte sehen lassen dürfen. Oder welcher Philosoph kann sich im Gymnasium zeigen, ohne dem Orte Schande zu machen. Aber auch in einem Walde hätte keiner von ihnen das Herz, einem auf ihn losrennenden Stück Wild standzuhalten: der Parasit hingegen bleibt stehen und läßt es anlaufen, weil er bei der Tafel zu bekannt mit ihresgleichen geworden ist, um sie zu fürchten. Ihn erschreckt kein Hirsch, kein borstiger Hauer; und wenn dieser die Zähne gegen ihn wetzt, so wetzt der Parasit die seinigen wieder gegen ihn.

Bei den Mahlzeiten aber, wer wollte sich da mit dem Parasiten, es sei im Scherz oder im Essen, in einen Wettstreit wagen? Wer wird mehr zur Erheiterung der Tischgesellschaft beitragen? Der Philosoph ist bei einem Gastmahle gerade so viel nütze als der Hund in einem Bade.

Der Gemütszustand des Parasiten ist dabei obendrein so beschaffen, daß er den Ruhm verachtet; alle Philosophen sind dagegen voll von Eitelkeit und Ruhmsucht, ja voll von Geldsucht. Der Parasit achtet das Geld so wenig, daß niemand die Kieselsteine an den Ufern weniger achten kann, und macht zwischen dem Glanz des Goldes und des Feuers keinen anderen Unterschied, als daß er das letztere wegen seines Nutzens auf dem Herde vorzieht.

Der Parasit erzürnt sich über nichts, weil er das Unangenehme zu ertragen weiß; – oder wenn ihn auch etwas ärgert, so ist sein Zorn nicht heftig, und endet sich, anstatt verdrießlicher Folgen, zum Vergnügen aller Anwesenden mit Lachen. Denjenigen, der gegen Ehre und Reichtum, ja gegen die Schönheit selbst gleichgültig ist, darf man doch von Begierden frei denken?

Dagegen, bemerkte ich, sollte man doch denken, daß ihn die Nahrungssorgen zuweilen in seiner guten Laune stören müßten.

Derjenige, antwortete mir Philonidos, ist schon kein Parasit, der über sein Mittagessen verlegen sein müßte: sowie ein tapferer Mann, wenn es ihm an Tapferkeit gebricht, nicht tapfer, und ein Kluger, den seine Klugheit auf dem Sande sitzen läßt, nicht klug ist. Und wie im Leben, so geht es auch noch im Tode dem Parasiten gut; er stirbt sanft und süß unter vollen Schüsseln und Bechern, und sollten ja einige von ihnen eines gewaltsamen Todes gestorben sein, so war es gewiß am häufigsten an Unverdaulichkeit. Zenophantes starb (nach Lucian im »Zenophantes« und »Kallidimidas«) an einer Unverdaulichkeit, die er sich an der Tafel des Dinias zugezogen hatte.

Aber, warf ich abermals ein, du vergißt ganz zu beweisen, daß die Parasitik eine ehrbare Kunst und demjenigen nützlich sei, auf dessen Unkosten der Parasit lebt. Ich meines Orts finde etwas sehr Demütigendes darin, seinen Unterhalt von reichen Leuten als eine Wohltat anzunehmen.

Begreiflich, sollte ich meinen, antwortete Philonidos, würde ein reicher Mann, wenn er auch soviel Geld hätte als Gyges, nur ein armer Teufel sein, wenn er allein essen müßte. Ein Reicher ohne einen Parasiten ist wie ein Soldat ohne Waffen, ein Rock ohne Purpur, ein Pferd ohne Schmuck; kurz, der Parasit macht dem Reichen Ehre. Das Beschämende aber, das du darin zu finden glaubst, fällt weg, wenn du bedenkst, daß der Reiche wahrhaften Nutzen daraus zieht, indem diese Art von Leibwache, außer dem Zuwachs von Ansehen, so sie ihm gibt, seine Sicherheit nicht wenig vermehrt. Wer einen Parasiten hat, wird nicht so leicht an Gift sterben. Denn wer wird es wagen, ihn vergiften zu wollen, da der Parasit alle Speisen und Getränke zuerst kostet? Der Reiche hat also nicht nur Ehre von seinem Parasiten, sondern betrachtet ihn billig als den Mann, dem er die Sicherheit seines Lebens zu danken hat. Der Parasit nimmt aus Liebe zu seinem Ernährer alle Gefahren auf sich, und hält nicht nur im Essen treulich und bis zu dem letzten Bissen bei ihm aus, sondern ist auch bereit, sich für ihn zu Tode zu essen.

Theontimos nahm hierauf sogleich das Wort: Genug über gutes Essen und verständige Esser! Vergessen wir nicht darüber den Koch und die Küche! Viele haben über Kochkunst geschrieben – die erste der Künste –, weil sie uns die häufigsten und dauerndsten Vergnügen bereitet, als da sind: Mithaikos, der uns den sizilischen Koch schrieb; Numenios aus Heraklea, Hegemon aus Thasos, Philoxenos aus Leukadia, Aktides aus Chios, Tyndarikos aus Sikyon, und ich könnte noch eine Menge anderer anführen, denn ich habe alle ihre Werke in meiner Bibliothek; aber ich ziehe allen diesen die Gastronomie des Archestratos vor. Dieser Treffliche, der Freund des Sohnes des Perikles, hat Länder und Meere durchreist und allenthalben weiter nichts als die Küchen sehen wollen und das Köstlichste, was in denselben bereitet wird. So bereicherte er sich auch auf seinen Reisen mit Kenntnissen, nicht von den Sitten der Völker, deren Kenntnis ganz unnütz ist, da dieselben sich doch nicht ändern lassen; sondern er besuchte die Werkstätten, wo die Leckerbissen bereitet werden, und ging nur mit solchen Menschen um, die sich auf gutes Essen verstanden. Sein Werk ist ein Schatz von Licht und enthält Vorschriften für die Ewigkeit. Auch haben aus seiner Gesetzsammlung viele Köche jene Grundsätze geschöpft, mit denen sie sich Unsterblichkeit errungen – mit dieser Kunst, welche in Sizilien und Elis schon lange mit großem Ruhme getrieben wird, und welche unter uns Thimbron auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit gebracht hat. Freilich haben viele Kochkünstler durch ihre zu große Anmaßung es verschuldet, daß sie sooft auf unseren Bühnen verspottet werden; hätten sie aber ihr Geschäft nicht bis zur Begeisterung geliebt, so hätte auch der wahre Genius sie nicht belebt.

Mein Koch, fuhr Theontimos fort, den ich neulich aus Syrakus erhielt, erschreckte mich durch die Angaben aller Studien, die seine Kunst in Anspruch nimmt. Er bewies mir, wie vertraut Ganymed, der Mundschenk Jupiters, mit den Göttern umgeht. Denn, sagt Ganymed, ich esse den süßen Nektar; Der Dichter Anaxandrides war – mit andern im Widerspruch, z. B. mit Homer – der Meinung, daß Nektar ein Essen und nicht ein Getränk der Götter gewesen sei. ich malme ihn unter den Zähnen; ich leere Becher süßer Ambrosia; ich bediene Jupiter, aber ich spreche frei mit der Juno und setze mich der Venus zur Seite. Mein Koch belehrte mich ferner: daß Kadmos, der Großvater des Bacchus und der Gründer von Theben, ursprünglich Koch beim König von Sidon gewesen sei, und fügte hinzu: Ihr müßt wissen, daß man, will man seine Stelle würdig bekleiden, nicht nur seine geläuterten und geschärften Sinne, sondern auch eine unzerstörbare Gesundheit haben und auch große Naturgaben mit vielen Kenntnissen vereinigen muß. Essen, seht ihr, ist jene wichtige Handlung des Lebens, womit alle Völker tagtäglich beschäftigt sind, eine Kunst, ohne welche keine andere gehandhabt werden kann. Wenn ich erst einmal in meiner Küche alles vereint haben werde, was hineingehört, so wird es denen, die ihr zu nahe kommen, ergehen wie denen, die den Gesang der Sirenen hören. Niemand wird von der Stelle weichen können, bloß durch die Wohlgerüche gefesselt in schweigender Bewunderung, bis die herbeieilenden Freunde ihnen die Nasenlöcher verstopfen und sie von dannen reißen.

Bevor ich die Kochkunst studierte, hatte ich vielfache Vorstudien gemacht in der Astrologie, Medizin, Geometrie, Taktik. Durch die Astrologie lernte ich die Eigenschaften und Gewohnheiten der Fische kennen: nach den Jahreszeiten lernte ich ermessen, wann der Fisch ungenießbar ist, wann er sich in Vollkommenheit darstellt. Die Lehre des Geschmacks erfordert viel, sehr viel. In gewissen Zeiten, glaubt mir, ist eine Kastanienschale besser als ein Thunfisch. Und die Geometrie, wie notwendig! Ich betrachte meine Küche wie einen Himmelskörper. Das Talent zeigt sich in der richtigen Einteilung des Raumes, damit alles an rechter Stelle sei. Bei den Küchengeräten der Alten waren viele von Erz, inwendig versilbert, besonders die Kasserolle. Es finden sich auch viele Gefäße zum Tortenbacken, die teils die Form einer gereiften Muschel, teils eines Herzens haben. Das sonderbarste dieser Art Geräte ist ein zierliches Gefäß zum Wassersieden, welches mit unsern Teemaschinen eine große Ähnlichkeit hat. Innerhalb desselben steht ein Zylinder, in welchen Kohlen geschüttet wurden, in den Raum um den Zylinder wurde das Wasser durch einen angelöteten Trichter gegossen.. Ohne Geometrie ist eine richtige Einteilung eine reine Unmöglichkeit. Was die Medizin betrifft, so ist es klar, daß gewisse Speisen ein schöneres Ansehen haben und schwerer zu verdauen sind als unansehnlicher scheinende; andere sind mehr schädlich als nahrhaft, und doch haben die Gäste oft schnelle Hände und Zähne – ellenlang. Die Medizin lehrt, durch welche Hilfsmittel, durch welche Gegensätze wir Schaden vorbeugen können. So lernt meine Kunst von der Taktik, wohin jede Schüssel mit Verstand und Symmetrie gestellt werden müsse; die Arithmetik zeigt das Wieviel und ist überall meine unentbehrlichste Hilfswissenschaft.

Die Küchenwissenschaften haben ferner den genauesten Zusammenhang mit den Naturwissenschaften, mit der Statistik, selbst mit der Philosophie. Der Horizont der Küche hat keine Grenzen, die Unendlichkeit ist ihr Reich. Wahrlich! sich mit der Kelle und dem Küchenmesser präsentieren, das macht nicht den Koch! Der Verstand, der vollkommen ausgebildet, ist die Mutter des wahren Talents! Wenn man den Aristäos zu den frühesten Wohltätern des menschlichen Geschlechts zählte, bloß deswegen, weil er zuerst die Regeln der Viehzucht und der Jagd, das Auspressen des Öls, die Bienenzucht und den Gebrauch der Lagerpflanze aus Cyrene (des Silphium) lehrte –, was verdient der Erfinder von zehn, von hundert angenehmen und nützlichen und gesunden Speisen? Wahrlich! Der Dichter Euphronios hat recht, wenn er sagt: Dichter und Koch sind nahe verwandt, das Genie ist die Seele ihrer Künste.

Die Lazedämonier – möge sie die Erde verschlingen! – geben ihren Köchen nichts als Essig und Salz und befehlen, das übrige in den Opfertieren zu suchen. Einst kam, wenn sie verständiger waren zu ihrem Heile, ein Sophist aus Syrakus zu ihnen, der weder so elegant sprach wie Prodikos, noch dem prächtigen Hippias nacheiferte, noch dem kunstvollen Gorgias, noch dem berühmten Thrasymachos, noch gab er sich mit einem anderen wissenschaftlichen Streben ab – nein, seine Philosophie war die, zu behaupten: die Kochkunst sei das höchste Wissen! Er selbst kannte kein anderes Streben, als alte Gerichte zu veredeln und neue zu erfinden. Dieser Mann hieß Mithaikos, und er wird in Griechenland verehrt, so gut wie Phidias, dessen Zeitgenosse er war. Er kam nach Sparta, in der Blüte der Republik. Mit großem Vertrauen näherte er sich der Stadt, aber diese schickte ihn noch an demselben Tage an die Grenze zurück, mit dem Bemerken: die Spartaner kennten keinen anderen Koch und keine andere Art, Speisen zu bereiten, als die des Löwen. Warum gingen sie nicht einen kleinen Schritt weiter? Warum machten sie es nicht wie jene Barbaren vom Stamme der Parsen, bei denen Menschenopfer zur Verehrung der Toten gebräuchlich waren und nur Köche zu solchen Opfern genommen wurden, weil sie behaupteten, diese seien die eigentlichen Urheber aller Krankheiten. Ich frage, warum schlachteten sie nicht den Mithaikos?

Einst, so fuhr Theontimos fort, war mir daran gelegen, bei einem Feste irgend etwas ganz Besonderes auftragen zu lassen, und dieser mein Koch übertraf alle Erwartungen. Er servierte, man denke! ein junges Schwein, dessen eine Hälfte mit großer Kunst gebraten war, die andere dagegen so weich gekocht, daß die Bouillon herauslief. Alle Gäste bewunderten zu meiner großen Genugtuung die Geschicklichkeit des Kochs. Stolz auf seine Kunst, sagte er: Ich wette, niemand wird die Stelle finden, wo es getötet ist, oder wie alle die Dinge in das Innere seines Magens gekommen sind, mit denen es angefüllt ist. Es war in der Tat mit farcierten Krametsvögeln angefüllt sowie mit anderem Geflügel, mit Hühnermagen zusamt den Eierstöcken, mit Schweinemagen, dem Gelben von Eiern und gehacktem Fleische, mit einer trefflichen Soße. Endlich, rief er triumphierend aus, wie ist es möglich gewesen, das ganze Tier halb zu braten und halb zu kochen! Hat einer der sieben Weltweisen jemals etwas Ähnliches gemacht? Wir baten, wir beschworen ihn, uns seine Geheimnisse mitzuteilen; er aber sagte: er habe bei denjenigen, die sich allen Gefahren der Schlacht von Marathon hingegeben, selbst bei denen, die zur See bei Salamis gekämpft hätten, geschworen, das Geheimnis nicht zu verraten. Nach einem solchen Schwur konnten wir ihn nicht länger bitten und quälen; uns blieb nichts übrig, als ganz einfach die Hände an andere Gerichte zu legen.

Glaubt nicht, sagte er mir ein andermal, daß ich mich mit den niederen Arbeiten der Küche beschäftige; ich erscheine dort nur, um der Tätigkeit des Feuers die gehörige Richtung zu geben, die Wirkungen meiner erdachten Operationen zu beobachten und sie zu ihrem Ziele zu leiten. Ich halte mich sonst nur in den an die Küche anstoßenden Zimmern auf, erteile von dort aus den subalternen Beamten meine Befehle und denke den Kräften und Erzeugnissen der Natur nach. Bald lasse ich sie in ihrer Einfachheit, bald verkleide ich sie oder sondere sie, je nachdem es eurer Lust und eurem Sinn schmeichelt. Einem Philosophen gebe ich Schinken, grillierte Füße; denn den Geschmack der Gäste zu kennen, ist das Notwendigste des Kochs. Wer sich nur damit beschäftigt, das Essen zu bereiten, ohne zu beachten, wen er vor sich hat, ohne dessen Sitten und Neigungen zu kennen und zu beurteilen, oder nicht tausend Rücksichten und Vorsichten gebraucht: der ist kein Koch, höchstens ein Frikasseur – und das ist ein großer, ein unendlicher Unterschied.

Es ist wahr, man nennt denjenigen einen Feldherrn, der die Armee befehligt, aber der wahre ist der, der das Talent hat, die Umstände zu benutzen, zu beherrschen, alles vorher zu ermessen, denn sonst ist er nur der Führer der Menschen. So auch in unserer Kunst. Der erste beste kann schneiden, die Ingredienzen mischen, sie kochen: Alles das nenne ich frikassieren. Aber ein Koch! Ja, das ist etwas anderes. Der muß den Ort kennen, den Moment, den Wirt, die Gäste. Über die Kochkunst im allgemeinen sollte man gar nicht reden, bloß über die augenblicklichen Erfordernisse. Diese Kunst ergreift die jedesmaligen Umstände, aber sie hat wenig Bleibendes. Aus sich selbst zieht sie ihre tiefsten Geheimnisse. Habt ihr auch alles positive Wissen zu dieser Kunst, versteht aber nicht das richtige Ergreifen des Moments – so ist die Kunst nichts, gar nichts! – Glaubt ihr, ich werde einem eben Genesenden ein Spanferkel auftischen oder ein einfaches, bäurisches Rindfleisch? Wollt ihr einen Hasen: solange er jung ist, hält er sich durch eigenes Verdienst; ist er aber älter, so muß ich alle Kombinationen der Kunst aufbieten, um ihn zu rechtfertigen.

Salz, Pfeffer, öl, Essig und Honig – das sind die hauptsächlich wirksamen Kräfte, die man anwenden muß, und bessere finden sich unter keinem Himmelsstrich. Das hiesige öl ist vortrefflich sowie auch der dezelische Essig. Der hymettische Honig verdient selbst vor dem sizilischen den Vorzug. Außer diesen Ingredienzen nehmen wir noch zu den feinen Speisen: Eier, Käse, Rosinen, Silphium, Petersilie, Sesam, Kümmel, Kapern, Kresse, Fenchel, Krauseminze, Koriander, Möhren, Knoblauch, Zwiebeln und alle die aromatischen Pflanzen, deren wir uns so häufig bedienen: als die Doste und den vortrefflichen Thymian vom Berge Hymettos. Was ich dir hier vorrechne, ist gleichsam unsere Macht, die ein Künstler nur ordnen, aber auch wohl zu Rate nehmen muß. Kommt mir ein Fisch in die Hände, welcher derbes Fleisch hat, so ist meine erste Sorge, ihn mit geriebenem Käse zu bestreuen und mit Weinessig zu begießen; ist er zart, so bekommt er bloß eine Messerspitze Salz und einige Tropfen öl. Ein anderes Mal schmücke ich ihn mit Dostblättern, wickle ihn in ein Feigenblatt und lasse ihn unter der Asche gar werden.

Nur in den Soßen und Ragouts ist es erlaubt, den ganzen Reichtum seines Kombinationsvermögens spielen zu lassen. Diejenige Soße, die man zu allen Fischen, sie seien gesotten oder gebraten, geben kann, besteht aus Weinessig, geriebenem Käse und Knoblauch, wozu man noch kleingehackte Zwiebeln und Lauch fügen kann. Will man sie nicht so stark, so bereitet man sie mit Öl, Eidottern, Lauch, Knoblauch und Käse. Soll sie noch sanfter sein, so nimmt man Honig, Datteln, Kümmel und ähnliche Ingredienzen. Aber diese Mischungen müssen nicht dem Eigensinn eines unwissenden Künstlers überlassen werden.

Dasselbe gilt auch von den Farcen, welche man in den mit Kunst geöffneten Leib der Fische und des Geflügels bringt. Das weiß ein jeder, daß man den Fisch erst öffnen und die Gräten herausnehmen muß, und daß man ihn dann mit Silphium, Käse, Salz und Dosten füllen kann; auch das wissen alle, daß ein Ferkel sich mit Kramtsvögeln, Grasmücken, Eidottern, Austern und mehreren Muschelarten farcieren läßt. Aber es braucht langer Erfahrungen, tiefer Einsichten, ehe man dahin gelangt, diese unendlichen Verschiedenheiten der Gesundheit sowie dem Geschmack gleich zweckmäßig anpassend zu machen. Darum eben aber grenzt, wie gesagt, meine Kunst an alle Wissenschaften, und die Medizin ist ihr neidischer und nächster Nachbar.

Muß ich nicht die Kräuter kennen, wie sie, nach Verschiedenheit der Jahreszeit, mehr oder weniger stark und wirksam sind? Werde ich des Sommers auf eurem Tische einen Fisch erscheinen lassen, der nur für den Winter gut ist? Sind nicht gewisse Speisen nur zu gewissen Zeiten schmackhaft, gesund, verdaulich, und sind die meisten Krankheiten nicht in der Ignoranz der Köche zu suchen? Man kann mit Recht sagen, daß sich dieser Koch zu Carême verhält wie die griechische Literatur zur französischen, wie der tiefe Aristophanes zum sehr oft seichten Scribe.

Bei diesen Worten rief der Arzt Nikokles, welcher bisher alles, was ihm unter die Hände geriet, mit gleichem Eifer zu verzehren schien, sehr lebhaft aus: Ihr scheint mir den rechten Koch zu haben! Nichts ist wesentlicher als die Wahl der Nahrungsmittel, und nichts nimmt mehr Weisheit in Anspruch: sie muß sich richten nach der Natur des Klimas, nach den Veränderungen der Luft und der Jahreszeiten, nach der verschiedenen Temperatur, wie nach dem Lebensalter, endlich nach den mehr oder weniger nährenden Bestandteilen, welche man in den verschiedenen Arten und Gattungen von Fleisch, Fischen, Gemüsen und Früchten erkannt hat. So ist z. B. Rindfleisch schwerer zu verdauen als Kalbfleisch, das von Lämmern viel leichter als das von Schafen und das von Schöpsen leichter als das von Ziegen. Das Fleisch vom Schwein und das vom Eber trocknet unsern Körper aus, bleibt aber nicht lange in demselben; das Spanferkel ist am unverdaulichsten. Hasenbraten ist zusammenziehend und nährt, ohne fett zu machen. Überhaupt ist das Fleisch der wilden Tiere minder saftreich als das von den gezähmten Haustieren; die Tiere, die sich von Früchten nähren, minder saftreich als die, welche Kräuter fressen; die männlichen Tiere minder nahrhaft und weniger verdaulich als die weiblichen; die schwarzen minder als die weißen, und die zottigen und haarigen minder gut als die kahlen und glatten.

Auch jedes Getränk hat seine Eigentümlichkeit. Der Wein ist erhitzend und austrocknend, hat aber etwas Eröffnendes: die süßen Weine steigen weniger zu Kopfe; die roten sind nahrhaft, die weißen auflösend; aller gut erhaltene Most ist der Verdauung sehr förderlich. Ich liebe die süßen Weine von Magnesia – der von Thasos, der einen leichten Apfelgeruch verbreitet, ist der beste von allen – nach dem unschuldigen, aber vollkommenen von Chios. Der Wein, der Saprias genannt wird, würzt das ganze Haus mit einem hinreißenden Veilchen-, Rosen- und Hyazinthengeruch; in diesem Wein ist Nektar und Ambrosia Nach dem Hauptmann Matamore in Corneilles »Illusion« ist die Ambrosia des Olymp ein schlechtes Gericht:

– – –Cet ambroise est fade,
J'en eus au bout d'un jour l'estomac tout malade.
A moins que d'être un dieu l'on n'en vivrait pas bien,
Il cause mille maux, et dès l'heure qu'il entre,
Il allonge les dents, et rétrécit le ventre.
vereint. Das ist der Wein, den man den besten Freunden vorsetzen muß.

Der Wein ist überhaupt unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste. Euripides hat daher auch ganz recht, wenn er den Wein den Restaurateur der Kraft nennt. Aristophanes sagt von ihm:

Vor dem Weine was doch wäre Tatbeförderer?
Schau an, sobald Weintrinker sind die Menschen, dann
Reich sind sie all', ausführend, sieghaft vor Gericht,
Ja hochbeseligt, auch den Freunden förderlich.

Hat man einmal ein wenig zu viel des Guten getan, so ist Kohl das beste Mittel gegen ein Räuschchen und der Ärger noch ein besseres. Ein komischer Dichter sagt mit vielem Verstände: Es gibt kein besseres Mittel wider die Trunkenheit als irgendein unangenehmes Ereignis: die Wirkung davon ist so schnell, daß die des Kohls, im Vergleich dagegen, nur eine Fabel ist.

Es ist wahr, bei uns in Athen weiß man mit fast übermenschlichem Mute zu trinken. Der bitterste Vorwurf, den man einem Gegner machen kann, ist wohl der – ihn einen Wassertrinker zu nennen. Dein Leben, läßt Aristophanes den Kleon zu einem Gegner, der ein Fleischer ist, sagen, ist ein Selbstgespräch, in dem von nichts als von Würsten die Rede ist; du sinkst täglich tiefer, und bald wirst du auf der niedrigsten Stufe der Ehrlosigkeit stehen und nichts mehr trinken als Wasser. Derselbe Dichter läßt die versammelten Frauen, die das Joch der Männer abschütteln wollen, einen Fluch aussprechen gegen alle diejenigen, die sie am Weintrinken hindern wollen. Lykurg zeigte gewiß keinen gesunden Verstand, daß er, weil viele in der Trunkenheit Ausschweifungen begingen, die Weinstöcke überall ausrottete, anstatt die Wasserquellen mehr hinzuleiten und den rasenden Gott, wie Platon sagt, durch einen nüchternen zu bezähmen und zurechtzuweisen; denn die Vermischung des Weines mit Wasser benimmt ihm alle Schädlichkeit, ohne zugleich das Nützliche mit wegzunehmen. Im allgemeinen aber, dies muß ich der Wahrheit gemäß bemerken, sind die jungen Weine schädlicher als die alten, die aromatischen nährender als die übrigen, die roten kräftiger und dabei liebliche Weine – – so wollte Nikokles fortfahren, aber Dinias unterbrach ihn schnell:

Ich höre gern dergleichen feine Unterschiede, ein guter Magen genießt auch durch die Ohren; aber ich gebe nichts auf ängstliche Vorschriften aller Art. Doch verbanne ich von meinen Tischen die Weine von Zakynthos und Leukadia, weil ich sie wegen des dazu gemischten Gipses für ungesund halte; den korinthischen Wein liebe ich nicht, weil er streng ist; den ikarischen nicht, weil er, außer demselben Fehler, auch noch zu Kopfe steigt. Ich schätze den alten korkyrischen Wein, der sehr angenehm ist, und den weißen mendischen, der die höchste Lieblichkeit hat. Archilochos verglich den Wein von Naxos mit dem Nektar; ich pflege mit diesem Göttertranke den thasischen zu vergleichen. Ich ziehe ihn allen anderen Weinen vor, nur nicht dem Chier – wenn dieser nämlich von der besten Sorte ist; denn es gibt drei Sorten desselben.

Wir kennen drei Farbenbezeichnungen des Weins: weißen, roten und strohfarbenen. Der weiße ist leichter Natur, aber heiß, die Verdauung fördernd; sein Geist steigt leicht zu Kopfe, aber doch nur kurze Zeit; der dunkelrote ist sehr nahrhaft, aber ein wenig adstrigent; der strohfarbene ist austrocknend, aber die Verdauung sehr fördernd.

Wir lieben es, dem Wein aromatischen Geruch und angenehm reizenden Geschmack zu verleihen; so auch in den Most gepulvertes Pech zu tun, oder nach der Gärung eine Infusion von Weinblüten, Fichtennadeln, Zypressenzweigen, gequetschten Myrtenbeeren, Zedernholz, bitteren Mandeln usw. Wir mischen diese Ingredienzen mit dem eingedickten Moste und lassen die Mischung bis zu einem zähen Sirup einkochen. Hierauf läßt man die Flüssigkeit abermals bis auf ein Drittel einkochen und rührt wieder eine Menge aromatische Kräuter hinzu, als: Spike, Lilienblüten, Myrrhen, Cassia, Kalmus usw. Da in den Schriften der Alten auch nicht die entfernteste Anspielung auf den Destillationsprozeß vorkommt, so war ihnen auch offenbar die in neueren Zeiten übliche Verstärkung der Weine durch einen Zusatz von Branntwein ganz unbekannt, und sie mußten sich daher mit so wunderlichen Substanzen hindurchhelfen. Sie mußten ihre Weine viele Jahre reif werden lassen. Dies kam von der Einrichtung ihrer Keller und Weingefäße. Der Wein konnte nicht aus der Kelter unmittelbar in das Faß laufen. Der Most wurde in die im Keller eingemauerten, also unbeweglichen Gefäße mit Eimern gefüllt, und da dieselben nicht viel fassen konnten, so kann kein Raum zum Gären für den Most geblieben sein. Es sollte daher fast scheinen, als wenn die Weine der Alten trübe gewesen wären, was sie nötigte, sie vor dem Gebrauch durch ein Werkzeug zu seihen. Zwei solche Durchseiher finden sich, auf das zierlichste gearbeitet, im herkulanischen Museum. Bei der Wassermischung des Weins darf man nicht vergessen, daß die Weine eingedickt waren und durch die vielen Gewürze und das Alter unangenehm bitter und oft nur genießbar wurden, wenn man sie verdünnte. Würzen dieser letzten Art werden jedoch nur bei geringen Weinen angewendet. Weine, die sich jahrelang ohne diesen Zusatz halten, gelten für die besten und müssen keinen Zusatz erhalten, durch welche der echte Geschmack verlarvt wird. Dasjenige ist immer das vorzüglichste, was durch seine natürlichen Eigenschaften unseren Beifall erwirbt.

Die leichten weißen Weine werden am frühesten genießbar; sie haben zwar zuerst einen gewissen Grad von Schärfe, werden aber, wenn sie nicht in den ersten vier Jahren umschlagen, mit dem zehnten Jahre angenehm pikant. Selbst die starken, trockenen, weißen Weine werden, ungeachtet sie viel Körper besitzen, leicht nach dem zehnten Jahre sauer. Wenn sie aber dieser Gefahr entgangen sind, so halten sie sich sehr lange.

Auch ist wohl zu merken, daß der an hohen Orten gebaute und von kärglich tragenden Stöcken gewonnene Wein der vorzüglichste und haltbarste, der in den Niederungen gewachsene aber meist von geringerer Güte ist.

Der Wein von Ismaras an der Mündung des Hebros, wo Odysseus seinen Weinvorrat hernahm, als er nach dem Lande der Zyklopen schiffte, ist ein dunkler, süßer Wein, den schon Homer als einen wahren Göttertrank schildert; er ist so stark, daß er gewöhnlich mit zwanzig Maß teilen Wasser gemischt wird:

Wann sie von dem einst tranken, dem roten balsamischen Festwein,
Einen Becher gefüllt in zwanzig Maße des Wassers
Goß er; und süß umhauchten den Mischkrug edle Gerüche
Göttlicher Kraft; dann war nicht, traun, sich enthaltenbehaglich.

(Odyssee IX, 208.)

Der pramnische Wein ist rot, aber nicht süß, doch stärkend; Nestor gibt ihn einem Verwundeten (Dias IX, 637). – Lesbos und Thasos machen in Ansehung der Vorzüglichkeit des Weins den Vorrang selbst Chios streitig. Zypern, Kreta, Gnidos und Rhodos liefern süße, liebliche Weine. Der lesbische ist wenig duftend; er führt den Namen »Ambrosia« und schmeckt, alt geworden, wie Nektar. Der von der jonischen Küste stammende klazomenische übertrifft, wegen seines reinen Geschmacks, fast alle Weine. Mehrere bithynische Weine haben einen vorzüglichen Wohlgeruch; ebenso der Alexandriner, ein süßer, weißer Wein, leicht verdaulich und nicht zu Kopfe steigend; noch mehr schätze ich den von Meroë. Die Weine von Tarent und überhaupt von Groß-Griechenland sind delikat und magenstärkend, weder stark noch berauschend.

Wir Griechen lieben die süßen, duftreichen Weine; doch setzen wir die Weine, welchen man den Geschmack von Blumen und Früchten mitteilt, am liebsten nur den Frauen vor. Ich bin wohl gern dabei, wenn ein solcher Wein geöffnet wird, wenn Violen- und Rosenduft sich durch das ganze Zimmer ergießt; aber ich trinke nicht gerne mit. Der vorzüglichste dieser Weine ist der Wein von Byblos in Phönizien; wir nennen ihn den Gartentraum, weil bei einem Schläfchen, herbeigeführt von diesem Wein, immer Blumengeister unsern Traum beleben. Aber in stillerem Glänze duftet der Wein von Lesbos und gleicht dem feinen Jasmin, der, vom Laube bedeckt, den Sinnen nur Ahnung süßer Gerüche aufregt. Wollt ihr das vortreffliche Getränk, so nehmt einen kleinen Teil von diesem wohlriechenden Wein und mischt ihn mit kräftigem erythräischen.

Etwas Meerwasser zum Weine gemischt macht ihn verdaulicher und trägt viel dazu bei, daß er nicht zu Kopfe steigt, nur darf er nicht zuviel desselben enthalten, was der gewöhnliche Fehler der rhodischen Weine ist. Nach vielen Versuchen steht es fest, daß man eine Maß Meerwasser auf fünfzig Maß Wein nimmt, vorzüglich wenn der Wein von jungen Pflanzen genommen ist, bei ältern etwas mehr Wasser. Wenn leider durch den Gebrauch des Weins manches Solonische Gesetz in Athen verletzt wurde, so ist doch wiederum kein Gesetz von Solon von den Weinwirten so gewissenhaft ausgeübt worden als jenes: den Wein nie ohne Wasser den Gästen vorzusetzen.

Höchst mühsame Untersuchungen und gelehrte Versuche sind über dieses eigentliche Verhältnis der Mischung von Wein und Wasser für die Tafel angestellt worden. Musikkenner, welche die Akkorde der Leier zu bestimmen wissen, sagen: das Verhältnis zwei zu drei gebe die Quinte und das Verhältnis eins zu drei die Oktave; die Quarte hingegen, der übelklingendste Akkord unter allen, besteht in dem Verhältnis drei zu vier. Auf gleiche Weise haben nun auch diejenigen, die sich auf die Harmonik des Bacchus verstehen, drei Akkorde von Wein und Wasser ausfindig gemacht: nämlich die Quinte, die Terze und die Quarte, und führen daher immer die Regel im Munde: man trinke zu fünf oder zu drei, nicht aber zu vier. Denn fünf besteht in dem Verhältnis zwei zu drei, wenn zu zwei Teilen Wein drei Teile Wasser gemischt werden. Drei hat das doppelte Verhältnis eins zu zwei, wenn zwei Teile Wasser zu einem Teil Wein kommen. Aber vier ist, wenn man zu einem Teil Wein drei Teile Wasser gießt, und dies ist das Verhältnis drei zu vier – wahrlich eine kraftlose Mischung. Von den beiden anderen Mischungen pflegt die eine, wo zwei Teile Wasser zu einem Teil Wein kommen, jene heftige Erhitzung hervorzubringen und uns in den Zustand der halben Trunkenheit zu versetzen. Sie ist es, die:

Der Seele nie berührte Saiten rührt,

da sie weder den Menschen ganz nüchtern läßt, noch auch den Verstand ganz in den Wein versenkt. Die dritte Art der Mischung hingegen, zwei Teile Wein zu drei Teilen Wasser, ist die harmonischste unter allen. Diese wiegt in einen sanften Schlaf, läßt uns alle Sorgen vergessen und gleicht einem guten gepflügten Acker, der, wie Hesiod sagt, den Landmann mit reichem Segen erfreut und seinen Kindern fröhliches Gedeihen gibt. Denn nur diese ist es, die alle tobenden und unordentlichen Leidenschaften in uns besänftigt und über die Seele eine tiefe Ruhe verbreitet. Ich gestehe indes, daß ich im engen Kreise vertrauter Freunde lieber mit dem umgekehrten Verhältnis beginne, und daß ich glaube, daß gegen Ende eines guten Mahles jedes Verhältnis aufhören muß.

Mit ungestümem Necken wendeten sich die Zechenden jetzt an den später hinzugekommenen Ephialtes: er möge mit geistreichen Worten die Menge der Schüsseln zahlen, die er so eifrig geleert, daß er kaum die Gespräche der übrigen vernommen zu haben scheine, und dieser begann:

Oh, wäre mir diese meine wirkliche Absicht nur geglückt, und hätte die Menge der herrlich bereiteten Leckereien mich nur so ganz auf mich selbst zurückgebracht, daß kein Laut von eueren unverdaulichen Reden zu mir gedrungen wäre! Leider aber langte ich nur trostsuchend nach jeder neuen Schüssel, weil mir die frühere stets von eueren Mißlauten verdorben wurde.

Wenn ich den Vorstellungen der Tragödien unserer Bühne mich entzückt hingab, wie lebte ich da für alles, und doch nur für das Erhabene und ewig Große, und wie störte es mich im seligen Genusse, wenn ein Nachbar den schreckenerregenden Laut des einen, die liebeflötende Stimme des anderen lobte, oder wenn er mir den vielsprechenden Faltenwurf der Helden mit Fingern zeigte, oder endlich gar den rhythmischen Tanz der Worte des Chorus mit Fußtritten mir nachmalte; – und ich sollte im Hochgenuß einer guten Mahlzeit, die sich mit jedem vollkommenen Kunstwerke messen darf, es ruhig ansehen können, wenn der eine den Fisch, der andere den Braten, ein Dritter Mittelspeise und Weine mir, wie die zerrissenen und zerstückten Glieder aus einem lebendigen Ganzen, vorzeigt und lobpreisend erhebt! Nur kein Orestisches Gastmahl! Ein griechisches Sprichwort von Gastmählern, wo alles sehr still zuging und gar nicht gesprochen wurde. Orest wurde nach dem Muttermord überall gut aufgenommen und bewirtet, nur daß niemand mit ihm, als einem Fluchenswürdigen, sprechen wollte, bis er von seiner Schuld gereinigt war. fiel dem Ephialtes hier sogleich der Sykophant ins Wort. Wißt ihr nicht, daß dem Bacchus der Beiname Lysios oder Lyaeos – der Löser, Befreier, weil er den Menschen durch den Wein befreit – zukommt, weil er der Zunge ihren Zaum abnimmt? Würde er es nicht Torheit nennen, wenn wir gerade zu der Zeit, wo man am besten zum Reden aufgelegt ist, das philosophische Sprechen aus dem Gastzimmer verbannen wollten, als ob dasselbe nicht imstande wäre, die Lehren, die es gibt, durch Taten zu bestätigen? Wer hier lehrreiche Gespräche führt, ohne seine Absicht zu sehr merken zu lassen, erteilt den Essenden und Trinkenden nützlichen Unterricht und schützt sie vor einer Menge übler Folgen.

Manche vermischen den Boden des Zimmers mit einem Aufgusse von Eisenkraut und Frauenhaar, um ihre Gäste fröhlich und aufgeräumt zu machen. Sie ahmen hierin Homers Helena nach (Odyssee IV, 220), die den Wein würzt, bemerken aber nicht, daß diese auf einem so weiten Umweg aus Ägypten gekommene Fabel mit freundlichen und angenehmen Gesprächen endigt. Die eigentlich schmerzstillende Arznei in jener Stelle bestand vermutlich in der Erzählung, die sich gerade für die Lage und Umstände der Gäste paßte. Das Gespräch, woran alle teilnehmen sollen, muß, wie der Wein, gemeinschaftlich sein. Spitzfindige Fragen der Dialektik gehören so wenig für ein Gastmahl, als läppische Erzählungen.

Schweigend aber und ohne ein Wort redend sich in Gesellschaft miteinander vollstopfen, ist den Schweinen eigen, Menschen vielleicht unmöglich. Wer aber bei einem Gastmahle Gespräch und Unterhaltung gestattet und doch nicht dabei zugleich auf Wohlstand, Nutzen und Annehmlichkeiten sieht, handelt in der Tat weit lächerlicher als derjenige, der seine Gäste zum Essen und Trinken nötigt und ihnen ungenießbare Weine und Speisen vorsetzt. Kein Essen, kein Getränk, so schlecht es auch sei, kann aber so widrig und schädlich sein als eine Unterredung, die über Tische zur unrechten Zeit oder auf eine unbesonnene Art in Gang gebracht wird. Die Philosophen nennen die Trunkenheit, um sie verächtlich zu machen, einen durch den Wein verursachten Wahnwitz. Der Wahnwitz aber ist nichts anderes als ein leeres und sinnloses Geschwätz. Gesellt sich nun erst einmal solch ein albernes Gewäsche zum Weine, dann macht immer grobe Insolenz und Ausgelassenheit auf eine verdrießliche und unangenehme Art dem Gastmahl ein Ende.

Noch eines anderen Übelstandes bei oft guten Gastmählern will ich gedenken. Es ist, meines Bedünkens, keine humane Sitte, den Gästen nach dem Range (oder aus anderen Gründen) ihre Plätze anzuweisen. Die sich zusammenpassen, finden sich auch ohne Anweisung zusammen. Wirft sich der Gastgeber zum Richter und Beurteiler seiner Gäste auf, die ihn gar nicht dazu auffordern, ja nicht einmal darüber streiten, wer unter ihnen der Vornehmere oder Geringere ist, so tut er Unrecht. Sie kommen hier gar nicht zum Wettstreit, sondern zum Essen zusammen. Überdies ist es keine so leichte Sache, zwischen Personen, denen entweder das Alter oder die Verwandtschaft Vorzüge gibt, einen Unterschied zu machen. Man müßte dabei Aristoteles' Topik, des Thrasymachos Hyperballonten zur Hand nehmen, und doch würde man dadurch nicht den geringsten Nutzen stiften, sondern nur Eitelkeit und Ehrsucht von dem Markt und aus den Theatern in die Speisesäle bringen und, indes man andere Leidenschaften durch einen freundschaftlichen Umgang zu ersticken sucht, den Stolz nur noch mehr befördern. Auf der einen Seite sucht man Erbitterung und Feindschaft zwischen den geladenen Gästen zu unterdrücken; andererseits aber scheut man sich nicht, eben diese Leidenschaften durch den Ehrgeiz zu entflammen. Da wird dann freilich ein freundschaftliches Mahl ein wahrer Satrapenschmaus.

Fremde mögen wir mit Behutsamkeit ehren, wie der König der Lykier sagt (Ilias, XII, 311). – Wir loben den Alcinoos, daß er den Fremdling neben sich setzt:

– – – führt ihn zum schimmernden Sessel
Nahe bei sich, und hieß den edlen Laodamas aufstehn,
Seinen mutigen Sohn, den er am zärtlichsten liebte.

(Odyssee VII, 169.) –

Dies war allerdings ein großer Beweis von Höflichkeit und Menschenliebe, daß er einen bedrängten Fremden auf dem Platze seines Lieblingssohnes sitzen ließ. Aber kein Maler gibt den teuersten Farben auf seinen Gemälden den vornehmsten Platz, kein Schiffszimmermann hebt die Fichte vom Isthmos oder die Zypresse von Kreta vor anderen Holzarten hervor, sondern sie verteilen alle diese Materialien so, daß durch die Verbindung und Zusammensetzung derselben ein dauerhaftes, schönes und brauchbares Werk hervorgebracht werden kann. Du siehst ja, daß der Gott selbst, den Pindar den vollkommensten Künstler nennt, nicht überall das Feuer obenhin und die Erde untenhin gesetzt, sondern sich hierin nach den Bedingnissen der Körper gerichtet hat.

Endlich und hauptsächlich kommt es auch auf die Zahl der Gäste an. Archestratos beginnt sein gastronomisches Werk damit, daß er sagt: man müsse nur in Gemeinschaft mit drei, vier, höchstens fünf Personen essen, weil sonst der Speisesaal dem Zelte von Marodeuren gleichen werde; aber er scheint nicht zu wissen, daß bei den Festen des Platon fünfundzwanzig Gäste bei Tafel waren. Ein Gastmahl hat das gehörige Maß, insofern es noch ein Gastmahl bleiben kann; sobald es aber die rechte Zahl überschreitet, so daß keine wechselseitige Unterhaltung mehr stattfinden kann, dann hört es auf, ein Gastmahl zu sein. Denn man kann sich hier nicht wie in einem Lager der Eilboten oder wie auf einer Galeere der Rudermeister bedienen, sondern die Gäste müssen alle selbst miteinander sprechen können, und die Tafel muß so eingerichtet sein, daß, wie bei einem Chore, die Untenansitzenden alles, was der Oberste sagt, leicht vernehmen können.

Nicht bloß beim Essen, sondern auch beim Einladen der Gäste müssen wir uns der Mäßigkeit befleißigen. Es gibt, wie mich dünkt, auch in der Höflichkeit eine Art von Ausschweifung, und diese besteht darin, daß man bei den Gastereien keinen Bekannten übergehen will, sondern alle und jeden, wie zu einem Schauspiel und Konzert, mit hinzuzieht. Ein Gastgeber, dem es an Brot und Wein für seine Gäste fehlt, ist in meinen Augen noch lange nicht so lächerlich als derjenige, der nicht genug Raum und Platz für sie hat, woran doch immer für Fremde und Gastfreunde, die etwa ohne Einladung von freien Stücken kommen möchten, ein guter Vorrat vorhanden sein sollte.

Der Mangel an Brot und Wein ließe sich noch allenfalls mit der Dieberei und Untreue der Sklaven entschuldigen; aber wenn es an Platz fehlt, wenn die Gäste gedrängt sitzen, so liegt die Schuld einzig und allein an der Unachtsamkeit des Wirts. Wenn indessen auch Platz und Vorrat genug da wäre, so muß man doch die zu große Menge der Gäste vermeiden; denn diese verursacht, daß nicht die ganze Gesellschaft an den Gesprächen teilnehmen kann. Denn Wein von einem Gastmahle zu entfernen, ist ein geringeres Übel, als die gesellschaftliche Unterhaltung zu verhindern. Daher nannte Theophrastos die Barbierstuben im Scherz Trinkgelage ohne Wein, weil diejenigen, die da zusammenkommen, sich bloß mit Gesprächen unterhielten. Wer aber zuviel Menschen an einer Tafel zusammendrängt, verhindert die Gemeinschaft der Unterredung; denn nun muß die Gesellschaft sich in kleine Zirkel teilen; von den anderen, die gleichsam einen Pferdelaut weit entfernt sind, kennt und sieht man keinen:

Auf der einen Seite des Telamoniden Gezelte,
Auf der anderen die des Achilles. (Ilias XI, 7.)

Daher tun die Reichen gar nicht wohl, die, um ihre Pracht zu zeigen, Speisesäle für eine übergroße Anzahl von Tischbetten bauen lassen. Dergleichen Anstalten dienen bloß zu steifen und freundschaftsleeren Gastgeboten, die eher einen Zermonienmeister als einen Trinkkönig benötigen. Doch muß man es ihnen zugute halten; denn der Reichtum ist in ihren Augen kein Reichtum, sondern unnütz, wenn er nicht ebenso viele Zeugen hat als die Tragödie Zuschauer. Ein gutes Mittel, solche zahlreichen Gastmähler zu vermeiden, ist, daß man öfters wenige Freunde ladet. Wer selten und, wie man im Sprichwort sagt, aus Leibeskräften traktiert, ist freilich gezwungen, jeden, mit dem er irgend in Verbindung steht, auf die Liste zu setzen; wenn man aber oft und weniger Gäste bittet, so ist die Gesellschaft wie eine Fähre, immer leicht und bequem zu regieren.

Freunde, rief hier Ephialtes, ihr seid noch weit vom Ziele! Ihr scheint euch mehr auf die Voranstalten des Essens, allenfalls aufs gute Essen, aber nicht auf die guten Esser zu verstehen! Solange euch nicht die lautlosen Gebärden eines kundigen Mahlzeiters das deutlichste Urteil sind, solange der Wechsel von Licht und Schatten in seinem Gesichte, das Tadelnde und Lobende über irgend etwas euch erschöpfender vorkommen als die unzureichenden Worte einer Sprache, solange solltet ihr allein oder höchstens zu zweien zur Übung essen. Denn um auf ein von mir schon einmal gebrauchtes Bild zurückzukommen: wie das beste Stück durch gelungene Aufführung erst jene Höhe erreicht, wo es sich den Werken der Unsterblichkeit anschließt, so werden die herrlichsten Gerichte erst dann zu einer guten Mahlzeit, wenn sie von guten Eßkünstlern verzehrt werden. Mir ist's nicht entgangen, wie der verständigste Esser unter uns allen, Philonidos, mehr gegessen als gesprochen hat, und wie schnell er seine ausgeartete frühere Rede, welche die herrschende Richtung nehmen wollte, abbrach, um seinen Mund mit einer vortrefflichen Torte, die er ganz allein verzehrte, gleichsam zu versiegeln.

Nun nahm Philonidos gezwungen das Wort. Dem Manne, sagt er, ziemt nicht mädchenhafte Ziererei, und ich lehne es deshalb nicht ab, mich den Ersten unter euch nennen zu lassen. Hab' ich diesen, freilich höchst rühmlichen Namen nicht redlich verdient durch jahrelanges Essen, Trinken und tiefes Nachdenken über beides? Bin ich nicht ergraut an den Tafeln Athens, wo ich ein halbes Jahrhundert mittelmäßiger Gesellschaft verschlang, um das Jahrhundert des besseren Essens mit herbeiführen zu helfen? Dankbar weihe ich den Göttern diese Libation! (Hier vergoß er einen Becher des edelsten Chier.) Ich bin reichlich belohnt; wiege auch der Genuß von zwanzig guten Tafeln nicht den Schmerz einer einzigen schlecht bestellten Mahlzeit auf! Nicht bestochen hat mich das Lob des Ephialtes; aber ich stimme dem größten Teil seiner Worte bei: Die einzelnen Gerichte sind nur die Mittel, die Mahlzeit selbst aber ist ihr eigener höchster und letzter Zweck. Ich dulde es wohl, wenn ich im kunstvoll angelegten Garten an der Seite des Besitzers lustwandle, daß er auch einmal eine köstliche Rose aus den Tälern von Susa bricht und sie mir lobend hinreicht; wer mir aber bei jeder Blume schwatzend verweilt, ist vielleicht ein großer Blumenfreund, aber gewiß ein schlechter Gartenkenner.

Wahrlich! Über die Kraft der Arzneimittel kann nur der erfahrenste Arzt und über die Schönheit der Lieder nur der geschickteste Tonkünstler urteilen. Ebenso ist in Absicht der Vortrefflichkeit der Speisen nur der ein kompetenter Richter, der sie am meisten liebt. Bei diesem Streite dürfen wir also weder den Pythagoras noch den Xenokrates Beide waren ihrer großen Mäßigkeit und Frugalität wegen berühmt. Xenokrates war ein Schüler des Platon. zu Schiedsrichtern wählen; sondern eher den Maler Androcydes, welcher, als er die Scylla malte, die dabei herumschwimmenden Fische so natürlich, als wenn sie lebten, darstellte, weil er ein großer Liebhaber von Fischen war.

Freilich nur mit den Jahren reift der Priester zur klaren Anschauung des Unaussprechbaren in den Mysterien der Eßkunst, und es ist gut, ihn bis dahin mit sinnlichen Worten zu leiten und zu stützen, jedoch nur selten und mit den vorsichtigsten Worten, damit er am Ende nicht auch das in Worten suche, was selbst das beste Wort tötet. Die Natur hat uns hierin, wie überall, die besten Winke gegeben. Wer weiß es nicht, daß ein mit Speisen angefüllter Magen den Menschen träge und wortkarg, vieles Getränk ihn aber regsam und geschwätzig macht. Deutet das nicht hinlänglich darauf, daß man von Speisen selten sprechen soll, indes es erlaubt ist, über ein gutes Getränk sich öfter und weitläufiger auszulassen.

Nur auf den Stufen der höchsten Weihe fallen die Schranken der niederen Naturgesetze: Darum wird nur ein reifer Priester von gleich hoher Achtung für das Essen wie für das Trinken durchdrungen sein, indes der strebende Schüler den Fluß seiner Rede nur gern bei den Flüssigkeiten anschwellen läßt. Aber schön ist's, wenn das begeisternde Getränk jene dunklen Ahnungen, die Träumen gleich in uns schlummern, zum lichten Wort hervorruft, und wiederum die gewichtige Speise dem kranken Ausarten des oft allzu dreisten Wortes sich mäßigend in den Weg stelle, und eines das andere unterstütze.

Darum laßt uns essen, laßt uns trinken! Wir wissen es nun besser, warum wir beides tun! rief Demochares, nun wieder einlenkend zum leichten Gespräch. Denn glaubt mir, hört ihr noch lange so den geistreichen Worten unseres Freundes Philonidos zu, so macht er euch endlich glauben: Die höchste Aufgabe seiner Kunst sei keine andere, als Mahlzeiten ohne Gerichte zu bewerkstelligen.

Du gibst mir mit diesem Scherze zu erkennen, daß du mich beinahe ganz verstanden hast, fiel ihm Philonidos ins Wort. Denn wie mit dem goldlockigen Haar, den leuchtenden Augen, dem Leibe von Elfenbein und rosigen Fingern noch kein Bild der gnidischen Göttin gegeben ist, so habt ihr mit vielen auserlesenen Schüsseln noch kein vortreffliches Mahl genannt. Hier, wie dort, kommt vielmehr alles auf die belebende Eurhythmie von Zahl und Größe dieser Teile an, und wie sie gegeneinander geordnet sind und aufeinander folgen. Ihr werdet erkennen, wie die vielen Mittel nur die Erreichung des höchsten Zweckes erschweren, daß aber nur jenes ein höheres Kunstwerk sei, wo dieselbe Harmonie unter einer größeren Anzahl von Schüsseln waltet. Je mehr Schüsseln ihr bietet, desto schwieriger wird es euch werden, ein harmonisches Kunstwerk, ein tüchtiges Mahl zustande zu bringen, aber euer Triumph wird dort der höchste sein, wo euch mit der größten Anzahl von Schüsseln ein harmonisches Ganzes gelingen wird.

So weih' ich denn diesen Becher der Harmonie! rief nun freundlicher Dinias und leerte einen Becher des ältesten Weins, füllte ihn von neuem und reichte ihn dem Philonidos mit den Worten hin: So trinket zu Ehren dieser allbelebenden Göttin, die sich in eurem Geiste einen heiteren Tempel gebaut. Wahrlich, Ihr habt recht:

Das Schöne wird durch tausend Mühn hervorgebracht.

Die Mitzechenden schlugen nun alle die klangreichen Becher aneinander, und wohlweislich hatte der tüchtige Wirt dafür gesorgt, daß die Gefäße einen reichtönenden Akkord von sich gaben, und die Göttin des Einklangs schien ihre beglückende Gegenwart zu verkünden im sinnreichen Schalle.

Jetzt weihte man mehrere Becher hintereinander besonderen Gottheiten. Der erste, mit unvermischtem Weine, wurde dem Bacchus unter dem Namen des guten Geistes; der zweite, gemischte, dem rettenden Jupiter, und der dritte, der aber erst später getrunken wurde, als sich die Gesellschaft die Hände wusch, der Gesundheit und noch später der vierte, welcher das Mahl beschloß, dem Merkur, als dem Schutzherrn der Nacht und dem Verleiher des Schlafs und angenehmer Träume, dargebracht.

Vor dem zweiten Gange hatten wir frische Kränze erhalten; gleichzeitig waren Wohlgerüche herumgereicht, mit denen wir uns Hände und Gesicht besprengten. Viele andere Gesundheiten wurden ausgebracht, und man leerte so viel Becher, als der Name des Gefeierten Buchstaben enthielt. Einige hatten eine Vorliebe für die Zahl der Musen; wer sich aber, wie ich, Mäßigung angelegen sein ließ, beschränkte sich auf die der Grazien.

Jetzt drangen alle auf mich ein, auch ein Wörtchen mitzusprechen. Ich wollte mich mit meiner völligen Unbekanntschaft von dergleichen Stoffen zu reden entschuldigen, als Demochares mir zurief: Nun, so gib uns statt alles anderen eine Beschreibung von der Art eurer skythischen Mahle zum besten!

Ich erwiderte mit wenig Worten: daß wir uns nur von Honig, Kuh- und Stutenmilch nähren, an welche wir schon von der zartesten Jugend an gewöhnt sind, da die Frauen bei uns ihre Kinder nicht stillen, um nicht unnütz Zeit und Kräfte zu verlieren; daß wir diese Milch in ledernen Schläuchen aufbewahren und durch anhaltendes Schlagen auf diese Schläuche die Butter gewinnen, welche ein Hauptbestandteil unserer Nahrung ist, und zu dieser Arbeit die gefangenen Krieger benutzen, da es doch bei uns gewissermaßen ehrlos ist, sich selbst mit Zubereitung der Speisen zu beschäftigen. (Ich hütete mich aber wohl, ihnen auch zu erzählen, daß bei uns jener grausame Gebrauch eingeführt ist, diese armen Sklaven zu blenden, um ihnen die Mittel zur Flucht zu benehmen, und sie emsiger in ihren Verrichtungen zu machen.) Es gäbe bei uns weder eine bestimmte Essenszeit noch ein geselliges Mahl, und ein jeder befriedige zu jeder Tagesstunde seinen Hunger. So einfach das alles auch ist, sagte ich, so scheint es doch (und besonders unsere Mäßigkeit im Trinken) dem Dichter Antiphanes zu gefallen; denn er sagt: Ist nicht jeder unglücklich, der außerhalb des Landes der Skythen heiratet; denn nur dort wächst kein Wein. – Nun wartete ich nicht, bis mir irgendein anderer darin zuvorkam, sondern bemerkte: daß ich in Griechenland gelernt hätte, die verschiedenen Stufen geistiger Bildung nach dem Zustande ihrer Kochkunst zu beurteilen, und wie es mir nicht entgangen, daß Künste und Wissenschaften in Athen und Sparta mit der in beiden Ländern herrschenden Küche gleichen Schritt hielten.

Diese ehernen Menschen, rief nun Demochares, welche alles mit der rohen Kraft erzwingen wollen, äßen auch lieber Eisen und Erz statt ihrer schwarzen Suppe, wenn ihnen ihr Gebiß nicht den Dienst verweigert hätte. Sie bedenken nicht, daß selbst in der toten Natur sich gern der edlere Stoff zur edlen Fähigkeit gesellt. Wie dumpf und unbestimmt klingt das Erz, indes die Silberglocke mit süßer Stimme Schmerz und Lust in die Lüfte haucht. Kann der Mensch nicht reines Gold verschlingen, so suche er das Köstlichste zu genießen, damit edle Nahrung seinen Stoff veredle und ihn selber köstlich mache. Wahrlich, so wird es euch nicht entgangen sein, daß reich genährte Menschen auch schöne kräftige Stimmen haben. Nicht nur die Gesänge der südlicheren Menschen zeichnen sich vor denen der übrigen aus, sondern selbst die Singvögel sind nur im Süden zu Hause, wo sie zartere und edlere Nahrung finden.

Mir scheint, nahm hier Nikokles das Wort, daß wohl mehr das herrschende Getränk als die Speise ihren Einfluß auf die Entwicklung der Stimme übe; daher man in Ländern, wo guter Wein das allgemeine Getränk ist, auch häufiger gute Sänger antrifft, im Gegenteil, die armen Fische, in deren unendlichem Getränke sich jeder geistige Zusatz verliert, lautlos sich nebeneinander fortbewegen.

Seht! rief Philonidos, unser Arzt läßt mich den tiefen Sinn jener geheimnisvollen Sage von der singenden Memnonsäule erst heute begreifen: Ihr wißt, wie Priamos den tapferen Memnon nur durch das Geschenk eines goldenen Weinstocks bewegen konnte, für Troja zu kämpfen; und als der Held in mutiger Gegenwehr von Achills Händen fiel, ließ Jupiter Singvögel aus seiner Asche auffliegen, und seine Säule zu Theben singt heute noch im Wechsel der Jahreszeiten heitere und schmerzliche Lieder.

Demochares fiel hier dem Redenden ins Wort und meinte, es wäre frevelhaft, dem Wasser jede begeisternde Kraft abzusprechen, und berief sich auf die Hippokrene, aus deren Fluten die Pieriden ihre unsterblichen Lieder schöpften.

Philonidos fuhr unangefochten fort: Oh, glaubt um der Götter willen nicht, daß von außen her Begeisterung in uns eingehen könne! Unser inneres, uns angeborenes Feuer muß uns zur Fackel werden, bei deren Lichte jeder Nebel um uns her zurückweicht, unser Blick eine weitere Ferne gewinnt und die Gegenstände mannigfaltiger und belebter durch Farbe, Licht und Schatten uns erscheinen.

Aber die bloße Begeisterung ist nur eine rohe Elementarkraft, die, wie jede Naturkraft, ebensogut zerstören als schaffen kann, und wie ihr zu eurem Weine Wasser mischt, um die zu heftige Wirkung des feurigen Saftes zu zähmen: so fließt aus der kastalischen Quelle mäßigende Besonnenheit, ohne welche die höchste Begeisterung nur verwirrte und verwirrende Gestalten, aber kein Kunstwerk hervorrufen wird! Hört ihr nicht manchem Sang unseres lieblichen Anakreon es an, daß er zuweilen seinem Wein zu viel Wasser zumischte, und lassen nicht die ewigen Lieder Pindars es bedauern, daß der Unsterbliche nicht länger an den Quellen des Helikon geweilt, um das übermütige Feuer seines Geistes zu kühlen an der still rieselnden Flut?

Tragt mir die Wasserkrüge fort! – rief Dinias seinen Sklaven zu – und füllt eure Becher, Freunde, mit ungemischtem Getränk! Denn zu viel Besonnenheit herrscht in euern geflügelten Reden.

Nun ward ununterbrochen getrunken. Demochares nahm eine Leier; während er stimmte, unterhielt er uns von der immer beibehaltenen Sitte, den Gesang mit dem Vergnügen der Tafel zu verbinden.

Verständige Menschen, sagte er, haben bei Tische nicht nötig, von Flötenspielerinnen und Tänzerinnen unterhalten zu werden, weil sie sich selbst genügen; so etwas ist zum Schluß des Mahles gut, um sich in gemächlicher Ruhe zu erholen nach siegreichem Schlachtgetümmel. Ehemals sangen da alle Gäste mit; in der Folge ward festgesetzt, daß ein jeder nach der Reihe sänge und einen Myrten- oder Lorbeerzweig dabei in der Hand hielt. Die Freude war freilich minder lärmend, aber auch minder lebhaft. Man schränkte sich noch mehr ein, als man zur Leier die Stimme hinzufügte; denn nun mußten viele Gäste ganz schweigen. Themistokles zog sich ehemals Vorwürfe zu, daß er dieses Talent verabsäumt habe, und in unseren Tagen hat Epaminondas sich Lob erworben, daß er es geübt hat. Sobald man aber dergleichen Vergnügungen zu hohen Wert beilegt, so werden sie zum Studium. Die Kunst vervollkommnet sich auf Kosten des Vergnügens.

Die Rundgesänge bei Tische enthielten anfangs bloß Dankformeln oder Lehren der Weisheit. Wir priesen darin noch die Götter, die Helden und die ums Vaterland verdienten Männer. Zu solchen ernsthaften Gegenständen kam nachher das Lob des Weines, und die Dichtkunst, welche dasselbe mit den lebendigsten Farben ausmalen sollte, schilderte zugleich den Taumel der Ideen, die stürmischen Empfindungen, welche uns in der Gesellschaft unserer Freunde beim Anblick der schäumenden Becher ergreifen. So entstanden die vielen Trinklieder, welche zugleich Lebensregeln, bald über das Glück und die Tugend, bald über Liebe und Freundschaft enthielten; denn auf diese beiden Gefühle kommt die Seele immer wieder zurück, wenn sie den Drang fühlt, ihre innerste Freude auszuströmen.

Manche Schriftsteller haben sich in dieser Dichtungsart gezeigt, einige sich darin ausgezeichnet. Durch Alkaios und Anakreon ward diese Gattung berühmt. Sie erfordert keine Anstrengungen, denn dies ist ihrem leichten Charakter entgegen. Um Götter und Heroen zu preisen, mag der Dichter sich prachtvoller Ausdrücke und Bilder bedienen; aber um die Gefühle des Herzens und der Freude darzustellen, bedarf es nur einer süßen Schwärmerei und der feinen Anmut.

Das Mahl schien sich zu Ende zu neigen, als man den bisher mit Vorhängen verdeckten Teil des Saales öffnete. Vermittels verborgener Maschinen warfen Fackeln plötzlich ein blendendes Licht umher. Merkur, Diana, Amor und andere Statuen brachten Lichter auf silbernen Lampen. Wir bewunderten die Geschicklichkeit des Künstlers, als man uns ganze wilde Schweine reichte auf viereckigen Schüsseln, um welche sich goldene Ränder erhoben. Diese Schweine waren mit silbernen Wurfspießen durchbohrt und mit verschiedenen ganzen Tieren gefüllt. Man nannte diese Gerichte trojanische Schweine, in Anspielung auf die griechischen Helden im hölzernen Pferde vor Troja. Das Seltsamste aber war, daß wir, die wir uns von Wein überfüllt kaum auf den Beinen halten konnten, Wenn Xenophon seinen geliebten Lehrer Sokrates lobt, so vergißt er nicht, es als einen Beweis von großer Tugend anzuführen, daß dieser große Geist imstande war, nach dem Essen aufzustehen, ohne die Hilfe der Sklaven in Anspruch zu nehmen. jedesmal aufsprangen, wenn eine neue Überraschung uns zur Bewunderung hinriß. Endlich servierte man uns das Dessert; alle Früchte waren mit goldenen Blättern, um sie kühl zu halten, bedeckt; diese Blätter wurden weggeworfen, und die Sklaven durften sie sich zueignen. Das Dessert ward in Körben von durchbrochenem Elfenbein gebracht; es waren alle möglichen Sorten von Backwerk von Kreta, Samos, Athen, jede Sorte in den dort gebräuchlichen Vasen.

Jeder nehme, was ihm beliebt! rief der Sykophant; warum soll nicht auf den Wiesen die Biene den Blumen, die Ziege dem Stengel, andere Tiere wiederum dem Samen, der Wurzel oder der Frucht nachgehen? Leider hat aber, indem ich das eine aß, ein anderer das andere gegessen, was ich auch noch gern expediert hätte. Vielleicht verlange ich Unmögliches; denn ich habe keinen fünffachen Mund, keine zehnfachen Lippen, noch zwanzig Finger. Aber alles zu verlangen, ist keine Torheit; es ist der sicherste Weg, vieles zu erlangen – und so, beim Herkules, ergeht es mir! Man darf mir hoffentlich nachrühmen, daß ich zuverlässig bin bei Tische; auch ich rühme mich, aus meinem väterlichen Erbteil in fünf Tagen eine Pille gemacht zu haben. Freilich – wer ist denn vollkommen? Mich übertrifft noch Philokrates, der die Sonnenpferde gern täglich einige Stunden früher zur Ruhe brächte, wenn er nur wüßte, wie das anzufangen sei, um einige Stunden früher zu Tische zu kommen, weil er statt mehrerer Personen zu Tische zu sitzen scheint; und so sagte jemand mit Recht: Wir haben zwei unermüdbare Gäste, Philokrates und Philokrates. Ich spreche nicht einmal von Menander, der in einem Lustspiele jemanden sagen läßt: Ich will in wenigen Tagen nicht nur die Erde verschlingen, sondern auch die Steine!

Laßt uns, rief Demochares, den frohen Empfindungen überlassen, welche dieser glückliche Augenblick uns einflößt. Laßt uns zusammen singen oder der Reihe nach, und jeder halte Lorbeer- und Myrtenzweige in der Hand!

Wir befolgten sein Geheiß, und nach mehreren Liedern stimmte der ganze Chor den Lobgesang auf Harmodios und Aristogeiton an. Demochares begleitete uns zuweilen; plötzlich aber rief er in neuer Begeisterung: Meine Leier weigert sich, so erhabene Gegenstände zu besingen. Sie spart ihre Töne für den Sänger des Weins und der Liebe. Seht, wie bei dem Namen Anakreon ihre Saiten erbeben und harmonischer erschallen! Laßt, geliebte Freunde, laßt den Wein in größeren Strömen fließen! Vereinigt eure Stimme mit der meinigen und folgt dem mannigfaltigen Gange der Melodie!

Laßt uns trinken! Laßt uns Bacchus besingen! Er hat Lust an unseren Tänzen, Lust an unseren Liedern! Er kommt – und es entfliehen Neid, Haß und Sorgen, die reizenden Grazien, die verführerischen Liebesgötter nennen ihn Vater. Laßt uns lieben und trinken und Bacchus besingen.

Und nun verhallte allmählich das laute Gespräch; es verlor sich in leises Geflüster, das endlich ganz verstummte, als Demochares Anakreons Lied vom Genusse begann:

Im Meere der Vergangenheit
Ruhen unsere herrlichsten Schätze!
Ob uns neue die Zukunft bringt –
Welcher Sterbliche will es ergründen?
Darum haltet die Gegenwart fest
Im herzerfreuenden Genuß! –
Weise in unsern Torheiten,
Überreich durch unsere Freuden,
Verachten wir der Erde leere Pracht.
Und in dem sanften Freudetaumel,
Mit dem so reizende Augenblicke uns begeistern,
Lasset uns trinken und lobpreisen Bacchus!

Jetzt hörten wir ein großes Geräusch und sahen Kallikles, Nikostratos und andere junge Leute ankommen, welche uns Tänzerinnen und Flötenspielerinnen zuführten. Die meisten Gäste standen vom Tische auf, um zu tanzen; denn die Athener lieben dies Vergnügen so leidenschaftlich, daß sie es für unhöflich erachten, sich demselben irgendwo zu entziehen. Zugleich wurden verschiedene leichte Speisen aufgetragen, die die Eßlust neu beleben sollten, als Cerkopen Kleine Tiere, die Ähnlichkeit mit den Zikaden haben. und Cikaden, gehackte Rüben, mit Weinessig und Senf angemacht, gebratene Kichern und Oliven in Salzwasser, und, um zum Trinken zu ermuntern, kleine Kuchen mit gesalzener Brühe übergossen.

Dieser neue Gang, den eine neue Tracht Wein in großen Bechern begleitete, verkündigte einige wilde Auftritte, die aber glücklicherweise durch ein unerwartetes Schauspiel verhindert wurden. Denn als Kallikles hereintrat, verließ Theontimos den Saal und kam jetzt zurück mit Taschenspielern und solchen Gauklern, die auf öffentlichen Plätzen stehen und das Volk mit ihren Wunderkünsten unterhalten.

Die Tafel ward aufgehoben. Wir gossen, dem guten Genius und Jupiter, dem Erhalter, zu Ehren, wieder neue Libationen aus und wuschen unsere Hände in wohlriechenden Wassern. Die Künstler fingen an, sich sehen zu lassen. Der eine bedeckte mit Trichtern eine gewisse Anzahl Schnecken und ließ sie, ohne daß man sah, wie – verschwinden und wieder erscheinen. Ein anderer schrieb oder las, indem er sich mit größter Geschwindigkeit herumdrehte.

Einige spien Feuer; andere gingen, mit dem Kopfe nach unten, auf ihren Händen und machten dabei mit den Füßen die Stellungen der Tänzer nach. Ein Weib trat auf, die in der Hand zwölf eherne Reifen hielt, an deren Umkreis verschiedene kleine Ringe von demselben Metall umliefen. Tanzend warf sie wechselweise die zwölf Reifen in die Luft und fing sie wieder. Eine andere stürzte sich mitten unter blanke Degen.

Fast alle diese Spiele, deren einige mir sehenswürdig, aber nicht angenehm vorkamen, wurden beim Schalle der Flöten dargestellt. Anmut, nebst Genauigkeit in der Bewegung, ist das notwendigste Erfordernis dazu. – Es war sehr spät geworden, einige von uns hatten die Gesellschaft verlassen, und ich und mein Freund Philotas folgten diesem Beispiele.

Aus: Davidis und Rottenhoefer

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