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Trunken müssen wir alle sein!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zur Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.
Für Sorgen sorgt das liebe Leben
Und Sorgenbrecher sind die Reben.
Goethe
Der Wein hat, außer Wasser, Weingeist zum Hauptbestandteil und enthält noch außerdem Aroma, Gerbstoff, Zucker, Gummi, aus Pflanzengallerten und Kleber gebildetes Ferment, einige Säuren, besonders Wein- und Apfelsäure, und phosphorsaure Kali- und Kalksalze. Junge Weine besitzen auch überdies noch freie Kohlensäure.
Der Wein ist flüssiges Gewürz; denn er steht wegen seiner differenten Beschaffenheit den Arzneimitteln näher als den Nahrungsmitteln. Doch findet auch hier wieder eine stufenweise Verschiedenheit statt, indem einige der süßen Weine mehr an letztere, die säuerlichen, gerbestoffhaltigen und geistigen mehr an die Arzneimittel sich anschließen.
Alte, edle, viel Weingeist und Aroma besitzende Weine, in welchen sich die Salze, die sie enthalten, niedergeschlagen haben und sich sogar etwas Essigäther bildet, wie z. B. die starken französischen und alten Rheinweine, bringen, zu häufig genossen, Fieber und einen gefährlichen Rausch.
Junge, viel Wasser, Säure und Salze haltende weiße Weine verursachen bei schwachem Magen, während der Verdauung getrunken, leicht Magendrücken, Schleimwürgen, Gicht und Stein.
Die roten Weine erregen durch ihren Gehalt an Weingeist und Gerbestoff das Gefäßsystem stärker und betätigen vermöge ihrer tonischen Wirkungen auch die Bewegung des Verdauungskanals mehr. Sie erhitzen daher sehr im Übermaß, machen Wallungen, Herzklopfen, Schwindel und einen langausdauernden, Schwere und Wüstigkeit im Kopf hinterlassenden Rausch.
Die süßen Weine, Sekte, welche in heißen Ländern erzielt und durch das Trocknen der Trauben oder das Einkochen des Mostes sehr reich an Zucker, aber dadurch auch an Weingeist geworden sind, nähren ebenso stark als sie erhitzen, und können durch diese Eigenschaften alters- und nervenschwachen, an der Verdauung leidenden Personen ebensoviel nützen, als jungen, vollblütigen, zu Entzündungen geneigten Personen schaden.
In den schäumenden Weinen, welche noch vor beendigter Gärung auf Flaschen gefüllt wurden, z. B. im Champagner, herrscht neben dem Weingeist die Kohlensäure vor, welche Verbindung Gefäß- und Nervensystem zugleich, aber nur flüchtig erregt, die Lungen- und Hautausdünstung vermehrt und die Verdauung unterstützt. Sie bringen den wenigsten Nachteil und können nur durch zu langen, im Übermaß fortgesetzten Gebrauch die Verdauungskräfte des Magens stören, zu abnormer Luftbildung und Kolik Veranlassung geben.
Ein gesunder Wein muß unverfälscht, klar, gut gegoren, mäßig alt und angenehm von Geschmack sein, das Blut nicht erhitzen, einen leichten und munteren Rausch bewirken und am anderen Morgen kein Kopfweh, keine Trägheit und Schwere der Glieder zurücklassen, wenngleich man zuviel davon getrunken hätte. Die unmäßig geschwefelten Weine erregen durch die ihnen beiwohnende unvollkommene Schwefelsäure Sodbrennen, erhitzen das Blut, greifen die Brust an, verletzen die Nieren und machen Betäubung, Herzklopfen, Kopfweh und Gliederzittern. Die jungen oder die verdorbenen Weine, die von Branntwein, ausländischen Gewürzen, Sirupen, Heidelbeeren, Drachenblut und Sandelholz ihre Stärke und Färbung haben, sind der Gesundheit gefährlich; die mit Bleizucker, Arsenik-Sublimat und anderen Giften verfälschten Weine sind sogar lebensgefährlich. Nirgends hat die Gewinnsucht soviel spekuliert als bei der Weinverfälschung. Jeder Borsdorfer Apfel muß Champagner schaffen, und aus einer Schlehe wird Burgunder gebraut. Äpfel und Birnen geben Kanariensekt und Malvasier, indessen Malaga und Xeres aus Rosinen entstehen. Madeira wird aus Pastinakwurzeln destilliert, und ein Tropfen des Weins von 1811 reicht hin, Ohme auf Ohme von sauren Krätzern umzuwandeln. Das sicherste Mittel gegen alle diese Rezepte ist, den Wein von dort, wo er wächst, und nur von den ersten Häusern zu beziehen. Wie z. B. den Bordeauxwein von meinem vortrefflichen Freunde C. F. Meyer in Bordeaux.
Bei den jungen Weinen, die trübe und herb, sauer von Geschmack sind, haben die groben, erdigen und salzigen Teile, die sich unter dem Namen des Weinsteins auf dem Faßboden ansetzen, sich noch nicht hinreichend ausgesondert und die geistigen, öligen und wässerigen Teile sind nicht intensiv genug. Sie machen Koliken, Säure im Magen, Gicht und Steine. Eben dies gilt auch von den unreifen Landweinen, die nie, auch nicht durch die vollkommenste Gärung, von ihren groben Unreinigkeiten befreit werden.
Es geboten die Gesetzgeber einiger warmen Länder, weil sie nach dem häufigen Genusse des Weins die Menschen in Zorn geraten sahen, denselben zu meiden, und in China, wo man die Rebe früher baute, hat man sie später wieder ausgerottet. Das Verbot des Weins ist dem Despotismus günstig, daher Mohammeds Verordnung; es verhindert die freie Mitteilung der Gesinnungen, welche die Menschen aus einer trägen Gleichgültigkeit für ihre natürlichen Rechte erweckt. Sie werden kaltsinnig, furchtsam, vorsichtig, zurückhaltend, eigennützig und gegen diejenigen warmen Leidenschaften und fröhlichen Erhebungen des Gemüts fremd, welche die Menschen rechtschaffen und aufrichtig machen.
Sehr schwere rote und viele andere Weine machen allerdings zum Unmut und Streit geneigt. Es sollte daher auch nach einer alten Sage bei Livius Aruns von Clusium den Wein nach Gallien gebracht haben, um das Volk zu diesen Ausschweifungen zu verleiten.
Ein anderer Übelstand beim Weintrinken ist der, daß wir trinken ohne Durst; dies ist zwar ein Unterscheidungszeichen des Menschen von allen anderen Tieren, aber nicht zu unserem Vorteil.
Wein ist in gesundem Zustande das Gegengift des Fleisches, weil der Wein das Alkali nicht so sehr entwickelt als das Wasser und ihm in den meisten Fällen durch seine Säure widersteht. Die Schweden machen einen höchst angenehmen Wein aus Himbeeren; in England bereitet man einen aus Stachelbeeren und Erdbeeren; die Ägypter haben einen aus Datteln; die Chinesen machen ihren Wein aus Reis.
Die Farbe des Weines kommt nur von der Beere; denn wenn man den Saft der roten oder blauen Beeren, ohne die Trestern, gären läßt, so erhält man einen farblosen Wein.
Die Blume und das Bukett des Weines sind, nach meiner Lesart, verschiedene Dinge, die erstere nicht Übersetzung von diesem. Viele Blumen geben erst ein Bukett. Der Bordeaux hat Blume, der Rheinwein ein Bukett; deshalb muß dieser, besonders die ausgezeichneten Sorten, aus Römern getrunken werden, die den Geruch konzentrieren, und deshalb will er auch langsam geschlürft sein. Die Blume des Weines ist häufig eine der schätzbarsten Eigenschaften des Weines. Sie ist in vielen Fällen von dem Geschmacke deutlich verschieden. Von welchem Bestandteil das Aroma abhängig ist, ist noch nicht ermittelt; daß es aber mit dem Färbestoff in einigem Zusammenhange steht, scheint sich daraus zu ergeben, daß es bei den leichten Rotweinen am deutlichsten ist, und daß diese Weine, wenn sie durch das Niederschlagen des Färbestoffes bräunlich werden, Geruch und Geschmack zum Teil verlieren. Das Zupfropfen der Bouteillen aber auf elegant serviertem Tische ist nur ein Vorurteil. Guter Wein, selbst des Champagners flüchtiger Geist, muß wenigstens zwölf Stunden offen gut bleiben, und namentlich sollte er sich schon deshalb so präsentieren, damit das schändliche Knallen – nur bei unbärtiger Jugend zu entschuldigen – ein- für allemal nicht nur unterbliebe, sondern unmöglich würde. Kommt überdies der Champagner in Eis gesetzt auf den Tisch, wie es jederzeit der Fall sein sollte, so ist der Pfropfen ein reiner Unsinn, weil er das Ausströmen der warmen Luft hindert.
Was das Wärmen der Rotweine, besonders im Winter, betrifft, so ist es ein sehr schlechter Brauch, die Flaschen in heißes Wasser zu tauchen. Die so plötzlich mitgeteilte Wärme raubt gerade den besten Weinen die ausgezeichnete Feinheit. Ich habe mit großem Erfolg alle zu erwärmenden Weine mehrere Tage lang in eine warme Stube und immer näher und näher an den Ofen bringen und gelinde erwärmen lassen. Den Bordeaux bis zu achtzehn Grad Réaumur, welches der Wärmegrad ist, der ihm gebührt.
Über die lasterhafte, in schlechten Häusern ganz gebräuchliche Sitte, schlechten Wein später den Trinkern vorzusetzen, wo die Zunge nicht mehr ganz frei ist, spricht schon Johannes (2. Kap., 10. Vers). – Als Gargantuas Vater nach Paris kam, um seines Sohnes Erziehung zu vollenden, erkundigte er sich nach zwei Dingen zuerst: nach dem Namen und der Wohnung der dortigen Gelehrten und nach der Güte der Weine. Friedrich der Große sagt:
L'exemple d'un monarque ordonne et se fait suivre;
Quand Auguste avait bu, la Pologne était ivre.
Aber der Neffe König Augusts, der vor einigen Jahren in Florenz gestorbene Fürst Poniatowski, meinte: »Dies Trinken wäre zu selten geschehen. Hätte mein Onkel«, sagte er, »besser trinken können, seine Regierung würde nicht so unglücklich gewesen sein.«
Als Papst Urban VI. die Residenz wieder von Avignon nach Rom verlegte, nahmen mehrere Kardinäle Anstand, ihm dahin zu folgen. Seine Heiligkeit wunderte sich in einem Briefe an Petrarca darüber. »Heiliger Vater«, so antwortete dieser, »die Kirchenfürsten lieben die Weine der Provence und wissen, daß diese in Rom seltener sind als das Weihwasser.« Der heilige Benedictus sagt: »Wir lesen zwar, daß der Wein den Mönchen ganz und gar nicht zuträglich sei; da wir sie aber jetzt unmöglich davon überzeugen können, so laßt uns wenigstens die nötige Mäßigung darin beobachten.«
Es wäre für den gesamten Weinbau wenigstens ein sehr großer Nachteil gewesen, wenn man dies Getränk den Mönchen geradezu hätte verbieten wollen. Noch sind die Weinberge, die Mönche kultiviert haben, diejenigen, welche die vorzüglichsten Weinsorten geben. Die Mönche sahen überall darauf – was nicht zu vergessen, sondern nachzuahmen ist –, nicht vielen, sondern vortrefflichen Wein zu erzielen. Wurden, wie man sagt, die Mönche von übertriebenem Genusse des Weines zänkisch und jähzornig – warum schränkt man diesen nicht ein. Es ist ja auch bekannt, daß Pythagoras, der von Jünglingen in ihrer Trunkenheit eine böse Verabredung hörte, den Musikanten befahl, aus einer anderen Tonart zu spielen, und so besänftigte er ihre Hitze durch schwere spondeische Takte. Guter Wein soll aber eher sanft und gutmütig als zornig machen. Zu dicke Weine nenne ich überhaupt schon deshalb nicht gut. Ein guter Wein muß darin einem guten Gastmahle gleichen, daß man am folgenden Tage, selbst nach reichlichem Genusse, keinerlei Beschwerde fühlen darf. So sagte ein Freund zu Plato: »Bei dir ißt man mehr für den folgenden Tag als für den heutigen.« So frei und leicht fühlte man sich nach einem Platonischen Gastmahle.
Die alte Wahrheit, daß ein Weinkeller trocken und kühl sein muß, erleidet Ausnahmen. Alle süßen Weine vertragen mehr Wärme als Kälte, vorausgesetzt, daß sie vollkommen ausgegoren haben. Kranke, süße, besonders weiße Weine, alle Vins secs werden in der Wärme oft wieder gesund. Alter Champagner, der mehrere Jahre in einem sehr kühlen Keller gelegen hatte, wurde wieder vollkommen gut, obgleich er fast alle Fähigkeit, die Kohlensäure zu entwickeln, verloren hatte, nachdem ich ihn unter dem Dache einen ganzen Sommer hindurch der Sonnenwärme ausgesetzt hatte. Im allgemeinen aber ist dem gesunden Wein die Sonne im Keller der Tod; deshalb ist es gut, wenn dieser eine nördliche Lage hat. Es dürfen in seiner Nähe keine Öfen und Bäder sein; keine Zisternen, Viehställe, Düngerstätten, aus denen sich feuchte und übelriechende Dünste entwickeln. Der Wein trübt sich im Keller bei gewissen Veränderungen, welche die Jahreszeiten, in denen er erzeugt ist, bewirken, wie auch eingesalzenes Wildfleisch seinen Zustand und seinen Geschmack nach den Gesetzen des lebendigen Fleisches verändern soll.
Vor allen zu nüchternen Leuten sollte man sich hüten. Rousseau sagt: »Ich habe immer bemerkt, daß falsche Leute sehr mäßig sind, und die gar zu große Enthaltsamkeit bei Tische verrät oft zweideutige Sitten, ein doppelsinniges Gemüt. Ein gerader Mensch scheut nicht so die freundschaftlichen Geschwätze und herzlichen Seelenergießungen, die aus dem Rausche hervorgehen.« Auch Montaigne empfiehlt mitunter ein Räuschchen. »Ich habe« – sagt er – »den vortrefflichen Arzt Sylvius sagen hören: Um zu verhüten, daß die Kräfte unseres Magens nicht in Untätigkeit hinschwinden, sei es rätlich, solche alle Monate einmal durch einen Rausch aufzuwecken und sie zu reizen, damit sie nicht laß werden.«
Kabinettsweine nennt man die feinsten Weine. Es ist eine große Idee, das Kabinett in den Keller zu verlegen oder aus dem Keller sein Kabinett zu machen; und ich will diese allgemeinen Bemerkungen mit der Meinung Voltaires beschließen, der sinnverwandt mit der eben gemachten Bemerkung in der »Correspondance avec d'Alembert« sagt: »Je ne connais de plus sérieux ici-bas que la culture de la vigne.«
Französische Weine. »Geschichte der Weine der alten und der neuen Zeiten« von Henderson. Mag man nun auf die Güte, die Menge oder die Mannigfaltigkeit des Weins sehen – immer gebührt den französischen Weinen der erste Rang. Schon im Jahre 1808 betrug (nach Chaptal) das mit Wein bebaute Areal Frankreichs etwas über anderthalb Millionen Hektar, und in den letzten fünf Jahren waren jährlich 35 Millionen Hektoliter Wein produziert worden. Von dieser Quantität wird etwa ein Sechstel zur Destillation verwandt. Der Wert der verschiedenen Sorten wechselt von 7½ bis 200 Franken, und der Totalwert wird auf etwa 720 Millionen Franken angeschlagen.
Wenn wir der Geschichte der französischen Weine nachforschen, so fällt der Umstand auf, daß viele Weinberge, die gegenwärtig wenig oder gar keinen Ruf haben, in früheren Zeiten wegen ihres trefflichen Gewächses berühmt waren, während diejenigen, die sich jetzt der größten Berühmtheit erfreuen, damals unbekannt oder unbeachtet blieben. So waren einst die Weine von Orleans und Ile de France geschätzter als die Burgunder und Champagner, und selbst Mantes, an der Grenze der Normandie, war wegen seines Weines berühmt. Daß die Gewächse jener Distrikte sehr ausgeartet seien, ist nicht unwahrscheinlich, daß sie aber je den feinen Sorten von Côte d'or oder des Bordelais gleichgekommen seien, läßt sich kaum glauben. Was die Sorten anbetrifft, die meist in der Nachbarschaft von Paris gebaut wurden, so mögen sie früher wohl etwas besser gewesen sein als gegenwärtig, weil die Weinbergbesitzer, als der Bedarf der Hauptstadt zunahm, in allen möglichen Lagen Wein anpflanzten. Früher galten, vorzüglich in Ländern, die keinen Handel trieben, viele Weine bloß deshalb für vorzüglich, weil man keine besseren kannte.
Als die besseren Burgunder- und Champagnersorten allgemein bekannt zu werden anfingen, wurden die von Orleans bald weniger beliebt, und jetzt sind sie sprichwörtlich geworden wegen ihrer geringen Güte. Lange Zeit waren die vorzüglichsten Gewächse, und nicht nur in Frankreich, auf Kirchenländereien gebaut, und Vinum theologicum wurde mit Recht allen anderen Weinsorten vorgezogen. Die reichen Klöster legten es immer mehr auf guten als auf vielen Wein an; sie ließen den Boden mit der größten Sorgfalt bearbeiten und ihre Weinstöcke höchst einsichtsvoll behandeln; auch verbannten sie nie eine Sorte, die guten Wein gab, nur deshalb, weil sie eine geringe Ausbeute lieferte. Übrigens waren bekanntlich im Mittelalter die Geistlichen fast die einzigen Priester der Wissenschaft, und da sie bei ihrer Zurückgezogenheit vielfache Gelegenheit zur Beobachtung und zum Studieren hatten, so gelangten sie sehr früh zur Kenntnis der besseren Anleitung für die Gärung und fernere Behandlung des Weines. Solange z. B. der Clos-Vougeot Eigentum der Zisterzienser-Abtei war, waren die Mönche sehr zufrieden, wenn sie von der ersten Qualität 15-20 Oxhoft erhielten. Seit der Revolution wurden jene Weinstöcke, deren Alter man bis auf vier und fünf Jahrhunderte schätzte, ausgerottet und man gewinnt jetzt aus einer Mischung von vielen Traubensorten 300 Oxhoft Wein, der wegen des alten Ruhmes des Weinberges teuer bezahlt wird, allein im Verhältnis zu dem sonst dort gebauten Gewächse, doch nur ein Wein zweiten Ranges ist. Dabei klagen die Besitzer aber immer über schlechte Jahre. – »Wenn in meinem Dorfe«, sagt Montaigne, »der Weinstock erfriert, so zieht mein Pfarrer den Schluß, daß Gott über die ganze Menschheit zürne, und urteilt, daß den Karaiben davon schon das Zöpflein geschossen ist.«
Unter Champagner versteht man meist schäumenden, nicht völlig ausgegorenen Wein, der kohlensaures Gas enthält. Er zeichnet sich durch seinen feinen Geschmack und Geruch aus sowie durch den angenehmen stechenden Geschmack, der ein wenig säuerlich ist; er wirkt erheiternd auf den Geist. Die weniger brausenden Champagnerweine werden von den Kennern höher geschätzt und bezahlt als die stark schäumenden. Der Sillery wird gewöhnlich für den besten gehalten und am nordöstlichen Ende der Bergkette, welche die Marne von der Vesle trennt, gebaut. Er ist trocken, wenig schäumend und von heller Bernsteinfarbe, beträchtlichem Körper und einem Geschmacke, der sich dem besten Rheinwein nähert. Im allgemeinen sind die Champagnerweine, die an den Ufern der Marne wachsen, die ausgezeichnetsten Gewächse, und die Qualität nimmt in demselben Verhältnis ab, wie sie sich von dem Flusse entfernen. Zur Fabrikation der weißen Champagnerweine bedient man sich jetzt allgemein schwarzer Trauben, weil diese leichter reifen und zur Zeit der Weinlese häufigen Frösten und Regen weit besser widerstehen als die weißen Beeren. Sie werden des Morgens noch betaut vom Stocke genommen, und man hat bemerkt, daß man bedeutend mehr Wein erhält, wenn das Wetter während der Weinlese nebelig ist.
Der ätherische Schaum des Champagners soll nicht aus jenen Spitzgläsern getrunken werden, die ein elender Schwindsüchtiger einem geizigen Wirte zur Freude mit kranken Lungen geblasen hat, da nur wenige Schaumtropfen das ganze Gefäß anfüllen. Solche Gläser sind gut für Storch und Kranich; vielleicht hat sie auch ein humoristischer Trinker in Mode gebracht, der sich nicht mehr nachsagen lassen wollte, er habe die Nase stets im Glase. Dieser Wein steht bei Damen in höchster Gunst wegen seines leichten und flüchtigen Geistes. Will Goethe Philinen recht reizend schildern, namentlich im Gegensatz zu einer etwas viel essenden Schauspielerin, so sagt er: sie nippte nur vom Schaum des Champagners. Der echte Weintrinker macht sich eben nicht viel daraus und fragt wohl: ob das Wein sei? Und doch wäre ein Weinkeller ohne Champagner eine Uhr ohne Zeiger.
In Frankreich trinkt man in den heißen Sommertagen die sogenannte Tisane, eine leichte Champagnersorte, zur Abkühlung im Sommer mit Wasser, wovon dezidierte Trinker nichts wissen wollen; weshalb Béranger singt:
Mon voisin, faible de cerveau,
Ne boit jamais son vin sans eau,
Bien qu' à voir mousser le Champagne,
Déjà la migraine le gagne;
Tandis que pur, et coup pour coup,
Pour ma santé je bois beaucoup.
Dem Dichter vergibt man seiner liebenswürdigen Manier wegen einen so unbegründeten Ausspruch; ein Mann von Fach wird aber dem nicht beipflichten können.
Champagner, d. h. guter, und zwar sehr guter, im Sommer mit Wasser getrunken, am liebsten mit Eiswasser, oder in Flaschen gegossen, in welchen man vorher hat gutes Wasser einfrieren lassen, gehört zum höchsten Genuß, den man sich in diesem irdischen Jammertale bereiten kann.
Einem guten Champagnertrinker, der bei dem Dessert seinen Wein behaglich schlürfte, wurden Weintrauben präsentiert. »Ich danke schönstens«, war die Antwort, »ich bin nicht gewohnt, meinen Wein in Pillen zu mir zu nehmen.«
Burgunder. – Daß der Burgunder jung sein müsse, um getrunken zu werden, und damit er nichts verliere, ist ein grober Irrtum, in welchem schlechte Weinhändler uns zu erhalten suchen, indem sie nur gefälschten verkaufen, der sich allerdings nur sehr kurze Zeit hält. Clos de Vougeot, sechzig Jahre alt, wurde in Paris vor vierzehn Jahren zu so hohem Preise aus einem berühmten Keller als Nachlaß verkauft, daß nur wenige glückliche Millionäre sich davon verschaffen konnten. Mir wurde das Glück zuteil, einige Gläser trinken zu können; ich habe nie Köstlicheres getrunken und nicht geahnt, daß es etwas Ähnliches gäbe an Lieblichkeit, Feinheit und Wärme, ohne Betäubung, ohne Bitterkeit und Schärfe. Nur ein Ungarwein von hundertfünfzig Jahren, ein seltenes Erbstück, der unserem König 1842, als er zum ersten Male als König nach Posen kam, vorgesetzt wurde, soll einen ähnlichen Genuß, obwohl anderer Art, bereitet haben.
Die Burgunderweine sind in Ansehung des lieblichen Geschmacks und Geruchs, sowie der feinen Eigenschaften des Traubensaftes, die ersten Weine der Welt: mit Recht wurden vormals die Herzöge von Burgund Les Princes des bons vins genannt. In der größten Mannigfaltigkeit werden sie in den Departements Côte d'or, Yonne und Sâone et Loire gebaut. Die Weine von Beaune wurden jahrhundertelang für die besten gehalten. Ihretwegen blieb die Residenz der Päpste länger zu Avignon; jetzt gelten sie nur für Weine zweiten Ranges. Die vorzüglichsten roten Gewächse von Côte d'or sind: Romanée, Clos de Vougeot, Chambertin, Richebourg, Tache und St. George. Diese mit Ausnahme des Chambertin werden alle im Gebiete von Nuits und Vosne gebaut, zeichnen sich durch ihre herrliche Farbe, ausgesuchten Geschmack und Geruch aus und verbinden die Eigenschaften der Feinheit mit Stärke und Fülle des Körpers.
Der weißen Burgunder gibt es nicht so viele, und sie sind auch weniger bekannt als die Montrachet-Ainé und Chevalier-Montrachet. Werden diese Weine alt, so erhalten sie eine Bernsteinfarbe, verlieren aber zuweilen, auf Flaschen gezogen, ihre Klarheit und den reinen Geschmack, doch ist diese Verschlechterung nur vorübergehend.
Die Weine der Rhone, obgleich sie schon zu Plinius' Zeiten bekannt waren, hat man erst in den neuesten vollkommen zu würdigen gelernt. Die berühmten Weinberge von Erémitage, am linken Ufer der Rhone, liegen bei dem Städtchen Tain, unfern Valence. Unter den trockenen weißen Weinen der Rhone ist der St. Peray nicht zu vergessen, er ist einer der von Natur schäumenden Weine, zu Austern oder zum Fischrelevé genossen, unübertrefflich. Er wächst beinahe Valence gegenüber und drei Stunden unter Tournon und ist entschieden das beste Gewächs Languedocs. Im Rhone-Departement stehen die Côte-Rôtie-Weine oben an, an den Küsten des Mittelländischen Meeres die Muskatelweine: Frontignac, Lunel. Dieser ist grellgelb, sehr fein und fällt nicht so sehr auf die Zunge wie jener.
Viele schweren Weine setzen gern einen Bodensatz an, namentlich der Burgunder. Man gießt deshalb vierundzwanzig Stunden vor dem Gebrauche den Wein vorsichtig in eine andere Flasche. Ich lasse ihn in einem Körbchen geben, in dem die Flasche horizontal liegt. Der nach dem Umgießen der Flasche etwa noch zurückgebliebene Bodensatz kommt dann beim Einschenken weniger in Bewegung und bleibt leichter unten. Es nimmt der Burgunder auch mit der Zeit eine gewisse Bitterkeit an, welche ihn beinahe ungenießbar macht. Ist der Wein aber ein natürlicher, kein Produkt der Kellerindustrie, so verschwindet dieser Beigeschmack nach einigen Jahren wieder, was man aber auch durch Beimischung frischer Hefen erreichen kann.
Die Bordeaux-Weine zerfallen in die Medoc, Graves, Palus und Vignes blanches, welche Örter die Weine erster Güte liefern. Dreizehn Stunden nördlich von Bordeaux beginnt das Gebiet der Medoc-Weine, welches sich am linken Ufer der Gironde und Garonne bis zweieinhalb Stunden unterhalb Bordeaux erstreckt, wo die berühmtesten Weine des Landes: Laffitte, Latour, Léoville und Chateau-Margaux wachsen. Der Weinberg Latour, der unter den esten Medoc-Arten die stärkste Sorte liefert, befindet sich gleich über Pauillac auf einer sanften Anhöhe. Der Laffitte, der die leichteste unter diesen feinsten Sorten liefert, gibt in guten Jahren sechshundert Oxhoft. Ein englisches Handelshaus hat ihn für beinahe eineinhalb Millionen Franken an sich gekauft. Unter den Graves-Weinen, worunter man sonst nur weiße Weine verstand, ist jetzt der Haut-Brion der beste. Er hat Ähnlichkeit mit den Burgunder-Weinen, aber ihm geht die feine Blume der Medoc-Weine ab. Unter den Weinbergen zweiten Ranges sind die von Bourg, Blaye, St. Emilion die besten. Gute Jahrgänge von Laffitte, Latour und Chateau-Margaux werden mit drei- bis viertausend Franken die Tonne bezahlt, und wenn sie sechs Jahre im Gewölbe gelegen haben, kosten sie noch einmal soviel, so daß man selbst zu Bordeaux die Flasche des besten Weins nicht für weniger als sechs Franken haben kann. Der Laffitte ist der ausgezeichnetste und feinste dieser Weine, er zeichnet sich durch seine außerordentliche Weiche und den herrlichen Geruch aus, der etwas von dem des Veilchens und der Himbeere hat. Der Latour hat mehr Körper und zugleich viel Aroma, aber nicht die Weiche des Laffitte. Margaux ist leichter und besitzt die ganze Feinheit des Laffitte, doch keinen ganz so köstlichen Geschmack. Der Haut-Brion hat mehr Geist und Körper als irgendeine dieser Sorten, ist aber in seiner Jugend herb und muß sechs bis sieben Jahre im Faß bleiben.
Von weißen Bordeaux-Weinen ziehe ich die Graves-Weine den anderen vor. Die feinsten werden eine Stunde von Bordeaux am linken Garonneufer gewonnen. In Sauterne ist wohl der Clos-Yquem der beste. Zu Barsac besitzt Madame de Saluces die edelste Sorte. Diese vortrefflichen Weine werden mit dem Alter bernsteinfarben und sehr trocken.
Spanische Weine. – König Alfons pflegte zu sagen: »Altes Holz zum Brennen, alte Bücher zum Studieren, alte Freunde zum täglichen Umgang und alten Wein zum Trinken!« – Es ist dies besonders richtig bei spanischen Weinen, die, wenn sie nicht in der Fabrikation verdorben sind, was sehr häufig der Fall ist, durch die Jahre sehr gewinnen. Für diese Weine gilt, was ein alter Dichter sagt (Euripides in der Elektra):
–Diesen alten, lang gesparten Wein,
Der lieblich duftet; wenig zwar, doch es versüßt
Hiervon ein Becher dir das schwächere Getränk.
Die spanischen Weine sind überall ihrer Natur nach köstlich, würzreich, haltbar und stark. Aber der Spanier kümmert sich wenig um Erlangung guter Sorten; er hat mit der Schwierigkeit der Transportmittel zu kämpfen, ist nachlässig, ihm fehlt es oft an Anstalten zur Bewahrung, ja in einem Lande, wo die Korkeiche so häufig ist, fehlt es oft an brauchbaren Korkstöpseln. Baut der Spanier seinen Wein nicht selbst, so bezieht er ihn aus der nächsten Schenke, wo er oft in ausgepichten ledernen Schläuchen aufbewahrt wird, davon er einen widerlichen Geschmack (Olor de bota) annimmt.
In Andalusien werden die besten Weine, insbesondere der Xeres de la Frontera, in der Nähe von Cadix gebaut. Viele der vorzüglichsten Weinberge gehören Engländern und Franzosen, deshalb haben sich neuerdings diese Weine sehr gehoben. Nach Paxarete wird, eine Meile von Xeres, auf einem, früher Mönchen gehörigen Weinberge ein geschätzter Malvasier gewonnen, den man aus Pedro-Ximenes-Trauben und anderen fetten Varietäten bereitet. Der Tinto die Rota ist der beste Rotwein Andalusiens. Die Fruchtbarkeit spanischer Weinberge ist fabelhaft: manchmal trägt ein einziger Stock zweitausend Trauben.
Der Xeres-Wein ist unter dem Namen Sherry der gewöhnlichste Tischwein in England, wo er schon unter Heinrich VII. bekannt wurde, dessen Sohn Heinrich VIII. die spanische Prinzessin Katharina heiratete. Die besten Xeres-Weine werden aus den am langsamsten reifenden Trauben gewonnen. Die Zahl dieser Weinberge ist sehr groß, aber in unendlich kleinen Besitzungen verteilt. Die Weinberge werden, wenn sie der Reife nahe sind, streng bewacht; denn dem spanischen Sprichworte zufolge sind Mädchen und Weinberge schwer zu bewachen (niñas y viñas son mal de guardar). Die Stadt Xeres nimmt sich in der Ferne auf ihren mit Wein bekleideten Hügeln sehr sonderbar aus, und zwar durch die gewaltigen »Bodegas« (Wein-Magazine). Diese Tempel des Bacchus haben die Größe von Kathedralen, und auch ihre inneren Abteilungen führen, wie die spanischen Kapellen, den Namen von Heiligen. Diese Magazine befinden sich alle über der Erde, indem die Xeres-Weine im Widerspruch mit fast allen anderen Weinen besser an der Luft als in den Kellern reifen. Der reife Sherry wird mit nur wenig Branntwein versetzt; junge Weine werden mit einer Art Traubensirup vermischt, der sie sehr verbessert. Im zweiten Jahre probiert man sie; die nicht probehaltig befundenen gehen aber gar nicht nach England, sondern nach Hamburg und Quebec; dafür wird aber der gute Sherry, wenn er zehn bis zwölf Jahre alt geworden, in England mit 100–130 Guineen (700–900 Taler) verkauft. Im Jahre 1842 wurden über 25 000 Faß Sherry ausgeführt. Die Spanier lieben den starken Geschmack dieses Weines nicht, noch weniger aber gefällt ihnen der Preis. In Sevilla, nahe bei Xeres, wird in den besten Häusern nur ein Glas Sherry bei Tische gereicht.
Xeres und Madeira sind unter den heutigen Weinen diejenigen, die mit dem Falerner die meiste Ähnlichkeit haben: beide sind strohfarben und nehmen nur durch das Keltern eine tiefere Farbe an; bei beiden kennt man die trockene, die süße und die leichte als verschiedene Sorten. Beide sind stark und haltbar und müssen so lange Zeit wie der Falerner aufbewahrt werden, um den gehörigen Grad der Milde zu erlangen. Größere Trockenheit und der mehr hervorstechende Geschmack des Xeres bedingen, diesen für diejenige der beiden Sorten zu halten, welche dem Falerner am nächsten kommt, und merkwürdigerweise bemerkt man auch bei dem Xeres-Sekt denselben Einfluß der Südwinde auf das Produkt der Gärung, welchen Galen in bezug auf den Falerner anführt. Vieler Madeira in Deutschland ist Branntwein: bringt man ihn ans Feuer, so brennt er. Auf der Insel Madeira benimmt man gerade umgekehrt dem Wein seine Schärfe und verbessert seinen Geschmack dadurch, daß man ihn in ein Treibhaus oder in die Nachbarschaft eines Küchenherdes oder Backofens bringt, sofern man ihn nicht die Linie passieren lassen kann.
Die Alten zogen die Weine nur ab, wenn Nordwind wehte, da sie bemerkt hatten, daß während anderer Winde dieselben leicht trübe würden. Wir ziehen sie wenigstens immer gern bei möglichst heiterem Himmel ab, um sie klar zu erhalten. Ein alter Kenner empfiehlt den Käufern, die Weine während eines Nordwindes zu kosten, indem man dann die Eigenschaften derselben am sichersten beurteilen könne. Der sogenannte weinige Geschmack, den alle Weine besitzen, rührt von dem in ihnen enthaltenen Alkohol und ändert sich bei den verschiedenen Varietäten nach dem Verhältnis, in welchem jener Bestandteil mit den wässerigen, sauren, salzigen, schleimigen, extraktiven und aromatischen Stoffen gemischt ist. Bei einem guten Wein darf keine dieser Substanzen stark vorschmecken, sondern sie müssen sich insgesamt zu einem Ganzen verschmelzen, welches einen deutlichen eigentümlichen Geschmack besitzt, der nicht zu schwer auf den Gaumen fällt und keinen unangenehmen Nachgeschmack hinterläßt.
Von den ungarischen Weinen steht der Tokaier obenan; er ist das unter den Weinen, was die Ananas unter den Früchten sind.
Im allgemeinen läßt die Behandlung des Weinstockes hier wie in Spanien und Italien viel zu wünschen übrig.
Dalmatien erzeugt viele starke Weine, einige Arten, z. B. der Vino Tartaro, der weiß und stark ist, gleicht dem Madeira, ein anderer, Maraschino genannt, schmeckt wie Malaga. Aber man läßt die Trauben zu lange am Stock, so werden sie widerlich süß, und geht wenig sorgfältig mit der Lese um. Der »Vina di rosa« oder Rosinenwein hat indes einen köstlichen Geschmack.
In Italien fand ich den unter dem Namen Aleatico bekannten Muskateller vortrefflich, sowie den schon von Friedrich dem Großen hochgeschätzten Florentiner Verdea; der König ließ sich von jedem aus Italien kommenden Kurier diesen Wein mitbringen. Jetzt wird er leider selten unverfälscht verkauft. Es geht diesen Weinen wie den Madeiraweinen, die oft mehr Branntwein als Wein enthalten. Noch fand ich auf der Insel Elba einen ausgezeichneten Landwein, der alle guten Eigenschaften eines Madeira hatte.
Zu Plinius' Zeiten war die Gegend von Adria berühmt wegen ihres guten Weines; heute sind dort nur sehr mittelmäßige Weine, eine Sorte des weißen Weins ausgenommen, welche dem Muskatwein nahe verwandt ist. Dagegen gibt es bei Verona, gerade in der Gegend, wo Lukullus ein Landhaus hatte, noch einen vortrefflichen Wein, der »Vino di val Pulesella« genannt wird. Der gegenwärtig auf dem Boden von Falernum erzeugte Wein hat durch die Habsucht der Landwirte gelitten; diese wollen nur immer recht viel Wein bauen.
Einer der größten Vorwürfe, den man dem Lord Hamilton bei seinen Ausgrabungen in Neapel machte, war der, daß er neuen Wein in altrömischen Krügen für ausgegrabenen ausgab. Aber der edle Lord sah ein, daß er, er möge in der Erde finden, was er wolle, nicht auf seine Unkosten kommen würde, wenn er nichts zu essen und nichts zu trinken anschaffte. »Lacrimae Christi« wächst am Fuße des Vesuv, in der Nähe von Resina, in der Mitte von Lavaströmen und reißenden Gebirgswässern auf einem Boden, dem die Wut der Elemente oft alle Kultur entzieht. Hier gedeiht dieser einzig vortreffliche Wein.
Sizilische Weine. – Die römischen Kaiser, diese Herren der Welt, gaben an den größten Festtagen nur vier Weinsorten, die als die besten bekannt waren: Falerner, aus der Gegend von Neapel, Wein aus Chios, aus Lesbos und den Wein, den man »Mamertinum« nannte, und der aus der Gegend von Messina in Sizilien kam.
Homer spricht von einem Wein, wahrscheinlich von dem heute noch berühmten Syrakuser Muskateller. Denn im Homer heißt es, daß an diesen Weinstöcken reife Trauben und grünende Blätter zugleich gewesen seien, worüber sich neuere Ausleger abquälen. Sie dürfen nur die Sache wörtlich nehmen und nach Syrakus kommen, so können sie sich bei der ersten Ernte dieses Weines zu Anfang Juli leicht davon überzeugen. Aber nur die Muskattraube hat des Orangenbaumes Eigenschaft, daß sie reife Früchte und Blüten zu gleicher Zeit trägt.
In Italien zieht man seit den ältesten Zeiten bis zur Stunde die Weinreben an hohen Ulmen auf. Als Klineas, der Gesandte des Pyrrhus, das sah, sagte er, es sei kein Wunder, daß der Wein so scharf schmecke, da dessen Mutter an einem so hohen Galgen hänge.
Die griechischen Weine, so berühmt im hohen Altertum, sind bei uns kaum bekannt. Schon Homer lobt den pramischen Wein von Kreta. Dioskorides nennt ihn »Vinum pramnium aut protopon«. Der Wein von Manembasia, wahrscheinlich das jetzige Malevisi, war der berühmteste. Es wird behauptet, daß die dazugehörige Muskatellersorte ursprünglich aus Chios gekommen sei. Dieser Wein ward zur Zeit der venetianischen Herrschaft nur für den Dogen und den Senat gezogen.
Die Weinstöcke aus Chios geben noch ebenso ausgezeichneten Wein wie der im Altertum berühmte, der den Namen Nektar führte, der ihm geblieben ist. Das war der Wein, den Cäsar mit seinen Freunden bei seinen Triumphen und den Gastmählern trank, die er den Göttern gab.
Deutsche Weine. – In Deutschland haben die Rotweine selten einen so feinen Geschmack als die weißen, mit diesen können die französischen Weine nicht wetteifern. Dagegen können wenige deutsche Weine sich den besten roten Gewächsen von Burgund, der Gascogne und der Rhone an die Seite stellen. Die feinen Weine unterscheiden sich von den gewöhnlichen durch besseren Geschmack, Geruch und Körper und werden sämtliche durch lange Aufbewahrung besser. Doch behalten auch viele gewöhnliche Weine bei sorgfältiger Behandlung ihre Eigenschaften eine beträchtliche Reihe von Jahren. Da die vorzüglichsten Gewächse nur in wenigen, oft sehr kleinen Weinbergen gebaut werden, so ist die Nachfrage nach ihnen immer größer als der Vorrat. Wer die Mittel besitzt, sich diesen Genuß zu verschaffen, legt immer nur vorzüglichste Weine an, und so werden die Weinfabrikanten und Weinhändler leicht veranlaßt, Weine zweiter Güte oder gewöhnliche Weine unter dem Namen der feinsten, die sie nicht in genügender Menge aufzutreiben vermögen, zu versenden. Auf diese Weise hat man in Ländern, wo man sich im allgemeinen nicht auf den Wein versteht, rücksichtlich der Charaktere der berühmtesten Sorten oft die irrigsten Begriffe. Die gemeinen Weine oder Landweine bilden die unterste Klasse und werden fast bloß an den Orten konsumiert, an denen man sie baut.
Bekanntlich befindet sich der beste Rheinwein im Rheingau, auch bis Mainz hin. Man geht in Deutschland bei der Weinlese mit großer Sorgfalt zu Werke, dieselbe wird so spät, als es die Witterung irgend erlaubt, gehalten. Bei den weißen Weinen, zu denen die meisten gehören, werden die Beeren von den Stielen befreit, worauf man sie in Fässern gären läßt, damit die Blume nicht verfliegt. Man läßt den Wein jahrelang in Fässern liegen, wodurch er außerordentlich gewinnt. Diesen Weinen schreibt man viel Säure zu, und zwar den geringsten Sorten mit Recht. Allein die Säure ist kein konstantes Merkmal der Rheinweine, und gute schmecken durchaus nicht sauer. Ihr Hauptcharakter besteht in einer unübertroffenen Blume und im Bukett, nach welchen Eigenschaften sie die ersten Weine der Welt sind. Der Rheinwein verliert durch langen Seetransport und kommt nicht nur in Indien, sondern schon in Amerika als ein ganz verändertes Getränk an, da er auf diesen Reisen nicht nur seine Farbe, sondern auch sein ganzes Aroma einbüßt.
Unter den Rheinweinen steht der Johannisberger oben an. Diese Weinpflanzung wurde zu Ende des elften Jahrhunderts von den Mönchen der Abtei Johannisberg angelegt. Die ausgezeichnetste Sorte heißt Schloß Johannisberger, und diese verdankt ihre Berühmtheit ihrem herrlichen Geschmack und Geruch sowie ihrem gänzlichen Befreitsein von Säure. Früher gehörten die besten Lagen am Berge dem Bischof von Fulda, und es war als eine besondere Begünstigung zu betrachten, wenn man ein paar Flaschen erhielt. Bei der Säkularisation fiel diese Domäne an den Prinzen von Oranien und gehört jetzt dem Fürsten Metternich. Nach dem Johannisberger möchte der Steinberger folgen. Dieser gehörte sonst dem Kloster Eberbach und jetzt dem Herzog von Nassau. Er ist unter allen Rheinweinen der stärkste und hat einen sehr lieblichen, feinen Geschmack. Manche ziehen den Rüdesheimer, welcher an den Bingen gegenüberliegenden Bergen wächst, dem Steinberger vor. Er hat viel Wohlgeschmack und ist ohne Säure; dies kommt von seiner günstigen Lage, bei der die Trauben vollkommen reifen. Der Rüdesheimer Hinterhäuser und Rüdesheimer Bergwein stehen dem besten Johannisberger in der Qualität nahe. Der Hochheimer ist eigentlich ein Mainwein. Die beiden besten der dortigen Weinberge gehörten früher dem Mainzer Domkapitel. Der Liebfrauenmilch, der bei Worms wächst, der Scharlachberger, in der Nachbarschaft von Bingen, sind ausgezeichnete Rheinweine, die Körper, Wohlgeschmack und Blume besitzen. Der Laubenheimer und Nierensteiner sind etwas leichter, aber in Geschmack und Blume äußerst fein. Die meisten übrigen Gewächse des oberen und unteren Rheins gehören in den Rang der ordinären Weine erster Güte, gleich den Moselweinen, deren beste Jahrgänge nur eine höhere Stelle einnehmen. An einigen begünstigten Orten, z. B. Pisport, wird in den meisten Jahren ein vortrefflicher Wein gewonnen.
Der Stein- und Leistenwein bei Würzburg wird wegen des angenehmen Geschmacks und dem Befreitsein von Säure sehr geschätzt. Wenn wir uns aber noch mehr nach Süden wenden, so finden wir geringere Weine, indem in den österreichischen Staaten dieselben fast alle von untergeordneter Güte, scharf und oft ganz sauer sind.
Noch habe ich das treffendste Wort über Rheinwein nicht ausgesprochen, ich behaupte nämlich, daß er an das Nibelungenlied erinnert, wie der Malvasierwein an die Sakontala.
Von den außereuropäischen Weinen steht der Kapmadeira oben an. Solange die Holländer im Besitz des Kaps waren, fand sich dieser Wein in allen guten Kellern. Die Engländer trinken ihn jetzt allein. Dieser Wein steht dem besten der Insel Madeira nicht nach. Der Konstantia-Wein ist der vorzüglichste unter den Kapweinen, den schon Klopstock in einer Ode besungen hat. Man glaubte früher, daß die Kapweine von Rheinweinreben ihren Ursprung hätten; dies ist ein Irrtum: die ersten Reben waren burgundisch. Ein ganz ähnliches Getränk kannten schon die alten Griechen; sie nannten es Trimma, wie aus dem Athenäus zu ersehen ist.
Die Weine aus Syrien waren von Griechen und Römern sehr gesucht. Heutzutage fabriziert man in Syrien rote, weiße und gelbe Weine. Der weiße ist selten und so bitter, daß er unangenehm ist. Die beiden anderen Sorten sind zu süß, weil man sie einkocht; nur in wenigen Gegenden unterbleibt dies, und dann gleichen diese beiden Sorten den Bordeaux-Weinen. Der gelbe Wein ist der beste und den französischen Weinhändlern unter dem Namen Vin d'or wohl bekannt. Der berühmteste wächst auf den Höhen von Zoug bei Antoura: das ist der im hohen Altertume schon berühmte Wein des Libanon. Durch den Seetransport gären aber die gekochten Weine noch einmal und sprengen oft die Tonnen.
Die persischen Weine sind sehr stark. Die Perser lieben die Arten von Wein am meisten, die am geschwindesten berauschen, und die Könige von Loango essen in einem anderen Hause als sie trinken; beides so geheim als möglich, weil sie zu sterben glauben, wenn sie jemand essen oder trinken sieht. Wenn im alten Persien, bei einem Gastmahle des Königs, der Wein anfing, die Gemüter zu erhitzen, wurden die Frauen in ihre Wohnungen geschickt und Sklavinnen herbeigeholt.
Es ist schließlich nicht zu vergessen, daß Noah, der zuerst das Gewächs pflanzte, das des Menschen Herz erfreut, erst nach der Sündflut den Weinstock anpflanzte, daß also alle Sünder, die die Sündflut über das Menschengeschlecht gebracht haben, Wassertrinker waren. Deshalb gebe ich dem Euripides vollkommen recht, wenn er in der Alcestis sagt:
Sei fröhlich! trink! und halte diesen Tag für dein,
Denn alles andre ruht im Schoße des Geschicks.