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15. Kapitel. Ein Friedensengel.

»Ach, wenn doch das ganze Jahr Ferien wären, und nur zur Ferienzeit Schule,« hatte Heinz, der kleine Faulpelz, trübselig geäußert, als man wieder mit Sack und Pack in die Stadt hineinziehen mußte. Auch Norbert und Liselotte hegten ähnliche Gefühle.

Aber als der erste Schultag vorüber war, an dem jeder das wichtigste Ferien- oder Reiseerlebnis zum besten geben durfte, und Fritzi und Liselotte von allen ob ihres Prinzenerlebnisses angestaunt und beneidet wurden, gefiel es ihnen auch in der Schule wieder.

So herrlich der Prinzentag damals den Kindern erschienen war, um so ungezogener fanden Lilos Eltern das unerhörte Benehmen der beiden Mädchen. Zum ersten Male, so lange Liselotte denken konnte, war ihr Vatchen ernstlich böse auf sie.

»Wenn Fritzi von Walden dich noch ein einziges Mal zu irgendeinem unerlaubten Streich verleitet, untersage ich dir den Verkehr mit ihr,« hatte Vater stirnrunzelnd geäußert. Und wenn Vatchen ärgerlich wurde, dann hatte er ganz sicherlich Grund dazu!

Liselotte hielt es daher für geratener, sich enger an Gretchen Werscholeit zu schließen, die stets nett und bescheiden war.

Aber Fritzi war eifersüchtig.

»Magst du mich nicht mehr, dann brauchst du es bloß zu sagen,« fragte sie Liselotte eines Tages geradeheraus.

Lilo wurde verlegen.

»Mögen mag ich dich schon, bloß – ich bin doch schon selbst so schrecklich ungezogen, und seit ich mit dir verkehre, ist es wirklich gar nicht mehr auszuhalten mit mir,« setzte sie mit drolligem Ernst hinzu.

Fritzi lachte hell auf.

»Edle Selbsterkenntnis – na, Lilo, wenn dich weiter keine Sorgen drücken, dann muß ich eben künftig im Verkehr mit dir als sittsames Mägdelein einherstolzieren, aber paß auf, wir mopsen uns tot dabei.«

Das war vor vier Wochen gewesen.

Bis jetzt hatten sich die beiden Freundinnen noch nicht tot gemopst, aber Fritzis Sittsamkeit ließ sich allerdings auch sehr halten. Es machte Liselotte riesigen Spaß, sie immer wieder auf Gassenjungenausdrücken und Ungehörigkeiten zu ertappen. Unwillkürlich achtete Lilo dadurch auch mehr auf sich selbst und wurde manierlicher.

Heute gingen sie alle drei, Gretchen in der Mitte, nach der Schule zum Buchbinder, um neue Aufsatzhefte zu kaufen.

»Sie wünschen?« fragte der junge Mann, dem Gretchens Länge imponierte, dieselbe höflich.

Nachdem Gretchen ihre Einkäufe gemacht, wandte sich der Verkäufer an die Gretchen knapp bis zur Schulter reichende Fritzi.

»Und du?«

Fritzi antwortete nicht. Sie glaubte sich verhört zu haben.

»Was willst du denn, Kleine?« fragte da der junge Mann noch einmal.

»Du kannst mir auch solch Aufsatzheft geben,« die naseweise Fritzi hatte es, ohne mit der Wimper zu zucken, geantwortet.

Dem jungen Mann stieg das Blut zu Kopf, Gretchen wäre am liebsten davongelaufen, Liselotte aber war diesmal auf Fritzi schrecklich böse.

»Wenn du so unverschämt bist, verkehre ich überhaupt nicht mehr mit dir,« anstatt der Freundin liebevoll ihre vorlaute Dreistigkeit klar zu machen, wie es Suse sicher getan hätte, begehrte Zankteufelchen gleich wieder auf.

»Dann läßt du's eben bleiben,« Fritzi wandte den Freundinnen, einen Gassenhauer pfeifend, den Rücken.

»Achottchen, nein, nu is se beese!« sagte das gutmütige Gretchen bekümmert.

»Wird schon wieder gut werden – so 'ne Knurre befestigt die Freundschaft,« Liselotte zuckte gleichmütig mit den Achseln.

»Was hat sie dir eïjentlich in dein Poesiealbum jeschrieben?« Gretchen wies auf das Album in Lilos Hand, das Fritzi dieser kurz vorher mit einem innigen Kuß eingehändigt.

Liselotte blätterte.

»Unsere Freundschaft, die soll brennen
Wie ein dickes Dreierlicht,
Freunde wollen wir uns nennen,
Bis der Mops französisch spricht.«

las sie mit lachendem Munde. Ein zu ulkiger Kerl war die Fritzi, und schade ist's doch, daß sie miteinander verknurrt sind!

»Ei da mißte der Mops eijentlich jetzt schon französisch sprechen,« lachte nun auch Gretchen.

» Parlez-vous français?« Liselotte beugte sich ausgelassen zu einem asthmatischen Mops herab, der gerade vorüberwackelte.

Aber dieser hatte für die gebildeten höheren Töchter wenig Interesse.

»Also ist's mit der Feindschaft noch nicht so arg,« kicherte Lilo.

»Nu wird se am End' auch jar nich heit nachmittag Rollschuhlaufen kommen,« begann Gretchen nach einer Weile von neuem. Die beiden Mädchen begleiteten sich bereits das drittemal gegenseitig nach Hause.

Daran hatte Liselotte noch nicht gedacht. Der Rollschuhsport war augenblicklich so ziemlich das wichtigste für alle Schüler und Schülerinnen. Baumeisters Rangen hatten so lange gequält und Vater und Mutter abwechselnd bestürmt, bis der gute Vater ihnen, auch Heinz, Rollschuhe kaufte. Edchen und Kurtchen wollten natürlich ebenfalls »Rollßuh laufen«, aber das war denn doch zu gefährlich.

So standen die beiden kleinen Burschen, wenn die Großen drunten in der stillen Straße auf dem Asphalt ihre Schleifen und Bogen machten, trübselig auf dem Balkon und guckten zu. Sobald aber einer hinpurzelte, brachen sie in lauten Jubel aus. Ab und zu heiterten sie sich auch damit ein wenig auf, von ihrem erhöhten Standpunkt herab ein Zielspucken zu unternehmen. Aber Liselotte war bald darauf aufmerksam geworden und hatte die beiden Nichtsnutze gehörig verhauen. Seitdem unterließen sie wohlweislich ihre Treffübungen.

Jede freie Minute tummelten sich die Kinder mit Freunden und Freundinnen auf ihren Rollschuhen. Mutter war recht zufrieden darüber. Abgesehen davon, daß sich ihre Rangen bei dem gesunden Sport viel in frischer Luft aufhielten, so hatte sie selbst dadurch viel mehr Ruhe. Und die brauchte sie, denn sie litt in letzter Zeit recht an Kopfschmerzen.

Fritzi von Walden war die schneidigste Rollschuhläuferin von dem ganzen Kreis. Sie tanzte sogar voll Grazie Walzer auf den Eisendingern. Liselotte war ebenfalls eine gute Läuferin, aber lange nicht so biegsam und graziös wie Fritzi. Gretchen dagegen lief geradezu entsetzlich »schlarksig«. Sie fiel fast über ihre eigenen langen Beine und hatte sich voll Bescheidenheit den kleinen Heinz, der noch unsicherer auf seinen Rollschuhen stand als sie, zum getreuen Kavalier erkoren.

Darum war Liselotte heute recht wenig erbaut davon, auf Fritzis Gesellschaft höchstwahrscheinlich verzichten und das täppische Gretchen dafür in Kauf nehmen zu müssen.

Aber es half nichts. Eine ganze Woche erschien Fritzi nicht auf den Hufen. Auch in der Schule gingen die beiden umeinander herum, wie die Katze um den heißen Brei.

Zwei Trotzköpfe – keine gab nach!

»Sie hat unrecht gehandelt, folglich muß sie zu Kreuze kriechen,« sagte Liselotte von oben herab, wenn Gretchen zu versöhnen suchte.

»Laß mich in Frieden, Lilo hat mich beleidigt, will sie's wieder gut machen, kann sie's mir ja selbst sagen,« damit ließ auch Fritzi das treue vermittelnde Gretchen stehen.

So vergingen die Tage.

Da kam ein Morgen, an dem Liselotte außer sich war.

Liederlich wie stets, hatte sie ihr Poesiealbum, das ihr Suse gewidmet, zu Hause herumliegen lassen. Da hatte Heinz es gefunden, und um der Schwester eine Freude zu machen, schrieb er auf die letzte Seite mit schiefen Doppellinien und einer Auswahl von großen und kleinen Klecksen:

»Wär Disch liber had als Isch,
Der Schreibe sisch noch hinter Misch!«

Zum äfigen Andänken an Deinen liben Bruhder.

Heinz.«

Lilo aber war von der Liebe ihres Brüderchens recht wenig gerührt. Sie schnaubte Wut. Suses letztes Geschenk hatte er ihr verdorben! Und sie hinterließ ihm ein Andenken auf der Wange, das zwar nicht ewig, aber doch immerhin einige Tage sichtbar blieb. Wüstes Kriegsgeschrei drang in aller Herrgottsfrühe schon aus der Kinderstube.

Vater kam herzu. In der Hand hielt er das Rohrstöckchen, das nur höchst selten auf der Bildfläche erschien. Wenn die Jungen es bloß von weitem sahen, waren sie plötzlich von einer Bravheit, als ob sie nie ein Wässerchen trüben konnten. Aber heute verstummte das ohrenbetäubende Geheul nicht. Heinzchen sprang, halb fertig angezogen, jammernd im Zimmer herum und rieb sich seine Backe, und Zankteufelchen barfuß hinter ihm her, weinend und schimpfend.

Als der Vater den Sachverhalt vernommen, wandte er sich mit ernsten Augen an sein Töchterchen.

»Lilo, ich tue dich in eine strenge Pension, wenn du nicht Frieden mit den Geschwistern hältst – du solltest dich schämen, so wenig Rücksicht auf die Mutter, die Ruhe braucht, zu nehmen!«

Liselotte vergoß Ströme von Tränen. Daß ihr Vaterchen so zu ihr sprechen konnte – er hatte sie nicht mehr lieb, ganz gewiß – während der fünf Unterrichtsstunden war sie das unglücklichste Kind aus der ganzen Schule. Ihre hartnäckige Feindschaft mit Fritzi verbesserte ihre Stimmung auch nicht.

Aber was alle Ermahnungen und Tadel seitens der Mutter nicht vermocht, das bewirkte heute Vaters strenges Wort. Liselotte dachte über sich nach. Lange und angestrengt, in der Naturgeschichtsstunde, die eigentlich den Meerschweinchen gewidmet war. Aber für Liselotte war es, trotzdem Herr Doktor Schmidt anderer Meinung darüber war, entschieden heute ersprießlicher, über sich selbst nachzusinnen, als über die Meerschweinchen.

Denn sie kam zu einem recht verständigen Schluß.

»Lieb hat mich mein Vaterchen ja trotz alledem, wenn er, der stets zärtlich und gut gegen mich ist, so zu mir sprechen kann, muß ich geradezu ein Scheusal sein. Aber ich will mich bessern, ganz gewiß, ich will!« Und sie dachte wieder einmal voll Sehnsucht an Suse Bertram, die ihr immer noch ein Vorbild war, und die ihr einst geholfen hatte, besser und sanfter zu werden.

»Ach, hätte ich eine Schwester wie Suse!« zum soundsovielten Male wünschte es Liselotte.

»Mutti zu Hause?« mit diesen Worten kamen Baumeisters fünf Rangen stets in die Tür.

Marie, die geöffnet hatte, nickte, aber sie sah Liselotte noch so merkwürdig an.

»Es ist Besuch da,« sagte sie mit geheimnisvollem Lächeln.

»Besuch – och –« Liselotte verzog den Mund. Sie hätte Mutti so gern gleich erzählt, daß sie null Fehler im Extemporal geschrieben.

»Es ist Besuch angekommen,« sagte Marie noch einmal, und jetzt lachte sie über das ganze Gesicht.

»Angekommen ... Großmama – ja, Marie ... oder am Ende – – ach, ich weiß, wer es ist, Suse ist da, ja, meine Suse ist angekommen –«, sie wäre dem Mädchen beinahe um den Hals gefallen.

Aber Marie schüttelte den Kopf.

»Falsch geraten – ein Baby ist angekommen – wir haben ein niedliches kleines Baby gekriegt – – –«

»Och –« Liselotte machte einen Mund von einem Ohr zum andern – »was sollen wir denn mit den vielen ollen Jungs« – kein bißchen freute sie sich!

»Es ist aber ein kleines Mädchen – du hast ein Schwesterchen bekommen, Lilo,« die treue Marie sah Liselotte freudig an.

Da geht es wie der Schein eines unaussprechlichen Glücks über das Kindergesicht.

Ganz starr steht die Liselotte.

»Ein Schwesterchen« – sagt sie leise, und noch einmal, als ob sie es nicht glauben könne – »ich habe eine Schwester!«

Dann aber kommt Leben in die Kindergestalt.

»Wo, Marie – wo ist es?« und sie eilt an dem Mädchen vorbei.

Im Eßzimmer kommt ihr Vater entgegen.

Der bückt sich zu seinem großen Mädel hernieder und küßt es innig, da weiß es Liselotte ganz genau, daß ihr Vaterchen sie noch lieb hat.

»Freust du dich, Wildfang?« fragt er sie.

Statt aller Antwort schmiegt Lilo das Gesicht in Vaters Bart.

»Aber nicht mit dem Schwesterchen zanken und raufen – hörst du, Krabbe – unsere Große muß der Kleinen ein gutes Beispiel werden – möchtest du sie sehen? Leise – daß du sie nicht weckst!« Vater legt den Finger auf den Mund und geht Liselotte auf den Zehenspitzen voran.

Neben Muttis Bett steht ein spitzenbesetzter Wiegenkorb.

Vater hebt die weiße Mullgardine ein klein wenig, und Lilo späht klopfenden Herzens hinein.

Unwillkürlich falten sich die Kinderhände, es ist dem wilden Mädel so feierlich zumute, als ob sie ein Gebet spricht.

Da liegt es, das rosige, kleine Wesen – ihr Schwesterchen. Die Äuglein hat es geschlossen, wie ein Engelchen schaut es aus und gleich einem Bild süßesten Friedens ruht es in seinem Bettchen.

Eine große, warme Zärtlichkeit, die fast etwas Mütterliches hat, durchströmt Liselotte zu dem kleinen, unbeholfenen Etwas. Sie neigt sich über das winzige Händchen und küßt es leise.

Und hier an der Wiege des Schwesterchens erneuert Lilo stillschweigend das Versprechen, das sie sich heute selbst gegeben. Sie wird sich bessern, sie will der Kleinen eine treue Schwester sein, aber auch gegen die Brüder lieb und verträglich, das Schwesterchen soll ihr Friedensengel werden!

»Nun, Lilo, wie sollen wir sie nennen, du darfst ihr einen Namen geben,« die Mutter streckt ihrem Töchterchen, das ganz in den Anblick des Babys versunken ist, lächelnd die Hand hin.

»Elfriede« – ohne sich zu besinnen, spricht es Liselotte aus, als ob das Schwesterchen nur einen Namen tragen könne, der das Wort »Friede« in sich birgt.

»Du mußt mich jetzt vertreten, Lilo, so lange ich krank bin, sorge für den Vater und für die Kinder,« sagt Mutter noch, als das Töchterchen sich mit einem zärtlichen Kuß wieder von ihrem Bett schleichen will.

Ach, wie stolz ist Liselotte über Mutters Vertrauen!

Aber sie will es auch rechtfertigen.

»Er hat ein niedlißes, tleines Baby dekrist,« so wurde Liselotte von Kurtchen, der nun nicht mehr der kleinste von Baumeisters Rangen ist, in der Kinderstube empfangen.

»Nein, iß will aber keins mehr, es is viel zu eng in der Kinderstube!« machte der Neinerich seinem Herzen Luft.

»Na und du, Heinz, freust du dich mit dem Schwesterchen?«

Liselotte strich dem Kleinen, dessen feuerrote Wange auch ihr die Schamröte ins Gesicht trieb, in ungewohnter Freundschaft über das Kraushaar.

»Wenn se akkerat so wird wie du – nee!« sagte er dann mit einem tiefen, schweren Seufzer.

Liselottes Hand, die eben noch so freundlich gestreichelt hatte, zuckte, um den kleinen Dachs für seine dreiste Aufrichtigkeit zu strafen – da besann sie sich.

Er hatte ja recht mit dem, was er gesagt, sie hatte es ja selbst heute eingesehen, daß sie schlecht zu den Geschwistern war.

»Noch 'ne Krabbe mehr, na, hoffentlich wird sie nicht eben solch ein Zankteufelchen wie du, Kleinchen,« ließ sich jetzt auch Norbert hören.

Das war zuviel. Auch die größte Sanftmut hat ihre Grenzen.

»Kleinchen« – wo sie sich doch jetzt ganz besonders als »Große« fühlte – Lilos Augen sprühten und ihre Hände ballten sich.

»Wie wird se denn geheißt?« fragte in diesem Augenblick einer der Kleinen.

Lilos kriegerisch erhobenen Fäuste sanken plötzlich herab. Ein milder Glanz trat in ihre zornigen Blauaugen.

»Elfriede« – sagte sie leise, als ob sie sich vor dem Schwesterchen schämte, daß sie ihr Gelöbnis so schnell vergessen, und mit seltenem Freimut setzte sie hinzu: »Nein, Norbert, es wird kein Zankteufelchen, es wird ein Friedensengel!«

Der Herr Tertianer sah die Schwester verblüfft an.

»Heiliges Kanonenrohr, wenn du so bist, Lilo, dann kann das Zankteufelchen Abschied nehmen,« er schüttelte ihr kameradschaftlichst fast die Hand aus dem Gelenk.

Liselotte strahlte, als ob sie in der Schule ein Lob bekommen.

Es war doch eigentlich ganz schrecklich leicht, kein Zankteufelchen zu sein!

Heute war der ganze Haushalt auf den Kopf gestellt. Vater zog wiederholt die Uhr, er wollte in sein Bureau, aber Marie hatte noch keine Zeit gefunden, den Tisch zu decken.

»Kümmere dich doch mal darum, daß wir essen können, mein Mädel,« rief der Vater.

Dienstbeflissen jagte Liselotte davon.

Marie hatte mit dem Schwesterchen zu tun – »ich werde selbst den Tisch decken, Anna,« sagte Liselotte eifrig. Sie hatte es ja bei Großmama öfters getan. Anna stellte dem »Mariellchen« alles zurecht.

Liselotte eilte geschäftig hin und her.

Plötzlich ein schrilles Geklirr – Lilo war in ihrem blinden Eifer mit einem Tablett Gläser über den kleinen Rollwagen gestolpert, den Edchen über die Schwelle geschoben.

Weinend stand das kleine Mädchen neben dem Scherbenberg – und in Scherben gingen auch ihre guten Vorsätze.

»Verflixter Bengel« – sie erwischte das auskneifende Edchen am Schurzfell.

»Hurra – unser Zankteufelchen ist wieder da!« lachte Norbert.

Liselotte ließ den kleinen Bruder beschämt los.

Die Sache war wohl doch nicht so einfach, wie sie sich das noch eben vorgestellt.

»Scharben bedeïten heile Jlick für das kleine Mariellchen,« tröstete die gutmütige Anna und fegte das Glas zusammen.

Liselotte sollte noch des öfteren Schiffbruch erleiden.

Nach Tisch wollte sie, wie alltäglich, mit Norbert und Heinz Rollschuhlaufen gehen. Sie war bereits an der Tür, da hörte sie die gnatschende Stimme des Weinerichs. Mutter durfte nicht gestört werden, Vater hatte es seiner Großen, ehe er fortging, noch einmal ans Herz gelegt, daß sie für Ruhe im Hause sorgen solle. So eilte Liselotte noch schnell in die Kinderstube.

»Was quakt ihr denn schon wieder?«

»Marhie – wo is Marhie – Marhie soll mit ihm pielen,« mauzte es.

»Marie wäscht Windeln für das Schwesterchen –« Liselotte stand einen Augenblick und schwankte. Sie wollte heute mit Norbert Rückwärtslaufen üben, durch das geöffnete Fenster schallte der Jubel der bereits auf der Straße versammelten Kinder hinein.

»Ach was – spielt mit dem Baukasten,« damit eilte sie hinaus.

Aber an der Tür machte sie halt.

Ein Stimmchen ist zu ihr gedrungen, nicht das des Neinerichs oder Weinerichs, nein, ein Stimmchen, so zart und doch so kläglich – Schwesterchen weint.

Da schleuderte Liselotte den Hut an den Garderobenhaken. Was ihr noch eben unsagbar schwer erschienen, wird ihr plötzlich ganz leicht.

»Ich komme heute nicht mit zum Rollschuhlaufen, ich bleibe bei den Kindern,« sagte sie zu Norbert und Heinz, die auf sie warten. »Seid um fünf spätestens wieder oben, daß ihr eure Schularbeiten machen könnt,« rief sie ihnen noch nach, gerade wie Mutter.

»Quack!« Norbert drehte sich spöttisch um.

»Bitte sehr, Mutti hat gesagt, ich soll sie jetzt vertreten –«

»Quack!« sagte er noch einmal, noch um einige Grade verächtlicher, und dann rutschte er hinter Heinz das Treppengeländer hinunter.

Liselotte seufzte tief.

Man hatte schon seinen Ärger mit den Rangen, besonders, wenn man so wenig Autorität besaß wie sie!

Sie trat in die Kinderstube, wo Edchen und Kurtchen sich soeben um den Baukasten prügelten.

»Seid artig, kommt, ich spiele mit euch,« sagte sie freundlich.

»Verwippste uns auch niß?« Kurtchen kam die ungewöhnliche Güte der großen Schwester nicht ganz geheuer vor.

Liselotte biß sich auf die Lippen, damit kein unbedachtes zänkisches Wort denselben entschlüpfte. Sie mußte sich die Zutraulichkeit der kleinen Brüder erst verdienen.

Sie baute mit ihnen, sie spielte mit ihnen Zoologischer Garten und widerstand, so schwer es ihr wurde, der bösen Lust, als Wolf zu kommen und die Kleinen zu fressen, damit es nicht wieder Geschrei gäbe. Kaufmann und Soldat spielte sie mit ihnen und war dabei selbst ein heiteres liebenswürdiges Kind.

Warum hatte sie bloß immer ein Gesicht geschnitten, wenn Mutti ihr aufgetragen, sich mal ein Stündchen den Kleinen zu widmen? Heute, wo sie es aus eigenem Antrieb tat, machte es ihr doch solche Freude. Und als Kurtchen nun noch gar seine kleinen, drallen Ärmchen um ihren Hals legte und sein immer feuchtes Näschen gegen ihre Wange preßte mit den zärtlichen Worten: »Er hat seine Lilo srecklis lieb!« da fühlte sich die große Schwester so glücklich wie noch nie.

Die Jungen erschienen wieder zum Nachmittagskaffee.

»Pfeffere die Türen nicht so rücksichtslos, Norbert – Heinz, hör' auf zu pfeifen, das kann Mutti nicht aushalten,« rief Liselotte im Ton einer Gouvernante. Sie war ungeheuer stolz darauf, wie gut sie Mutters Stelle vertrat. Daß sie bis zum heutigen Tage selbst die Türen geschmettert und unmädchenhaft gepfiffen hatte, daran wollte sie nicht denken.

»Laß das ewige Kommandieren, Lilo, so ein Kleinchen und hat solchen großen Mund – immer hübsch artig und bescheiden!« hänselte sie Norbert.

Lilo war gekränkt. Nun wollte sie doch das Allerbeste, und wieder wurde sie nicht anerkannt. Mitleidstränen mit sich selbst entströmten ihren Augen.

Törichtes Mädel! Nur ein klein wenig freundlich hätte sie die Brüder zu bitten brauchen, etwas Rücksicht auf die Mutter zu nehmen, anstatt von oben herab zu befehlen, und sie hätten sicher ihren Worten Folge geleistet.

Du hast noch viel zu lernen, Liselotte!

Aber das sah Liselotte nicht ein. Ob sie sich überhaupt noch damit abquälen sollte, ihre Vornahme durchzuführen, wenn es ihr doch so schwer gemacht wurde, sie hatte alle Lust dazu verloren!

Da schlich sie sich an die Wiege des Schwesterchens.

Klein-Elfriede hatte die Augen geöffnet, große strahlende Blauaugen, gerade solche, wie Liselotte sie selbst hatte. Und aus diesen Augensternen des Schwesterchens strömte ihr neuer Mut zu und neue Hoffnung, dennoch ihr Ziel zu erreichen und ihr Versprechen durchzuführen.

»Brav, mein Mädel, daß du dich heute nachmittag der Kleinen angenommen hast, nun kann ich ruhig sein,« sagte die Mutter liebevoll.

Und getröstet kehrte Liselotte zu ihren neuen Pflichten zurück.

»Komm, Heinz, wir werden zusammen Schularbeiten machen,« rief sie den mit seiner Festung spielenden Kleinen.

»Och nee – och nee – das is mir höchst unimpathisch –«

»Aber Heinz, du mußt doch deine Aufgaben machen,« stellte Liselotte immer noch freundlich vor.

»Mutti soll kommen – ich will mit Mutti arbeiten –«

»Mutti ist krank, und du arbeitest mit mir – basta!«

Liselotte schloß erschreckt den Mund. Da war sie schon wieder heftig gewesen!

Widerwillig folgte Heinz der Schwester zu seinem Pult. Es war eine wahre Geduldsprobe, mit dem zerfahrenen Heinz Schulaufgaben zu machen, selbst für Mutti. Wieviel mehr nun noch für die quecksilbrige, aufbrausende Lilo.

»Fein herauf, stark herunter, schönes h –« diktierte Liselotte, sie hatte es ja von Mutti so oft gehört. »Welcher Buchstabe kommt jetzt, Heinz?«

Heinzchen saß da und kaute an den Nägeln. Er dachte gerade an den schönen roten Triesel, den Klempners Fritz heute auf der Straße gepeitscht.

»Paß auf, Junge, knabbere nicht – also welcher Buchstabe?«

»R«, sagte Heinz auf gut Glück gelangweilt.

»Gequackel« – Liselotte hatte dieses schöne Wort von Fritzi übernommen – »a kommt dran – los, döse nicht«, ein sanfter Knuff begleitete ihre Worte.

Engelsgeduld gehörte wahrhaft dazu, um seine Ruhe zu bewahren. Und wieviel Geduld hatte Muttchen ihrer Ältesten gegenüber täglich haben müssen – es war greulich, was für unbequeme Gedanken ihr heute kamen!

Aber sie wandte sich doch wieder mit freundlicherem Gesicht dem Männerchen auf sein Löschblatt malenden Kleinen zu.

»Wieviel ist zehn und zehn, Heinz?«

Heinz zuckte unlustig die Achsel, er hatte es im Rechnen immer noch nicht viel weiter gebracht.

»Hör' zu, Heinz – ich gebe dir zehn Schokoladenplätzchen, und dann gebe ich dir noch mal zehn, wieviel hast du dann?«

Heinz horchte interessiert auf.

»Schokoladenplätzchen, Lilo?«

»In – also wieviel hast du dann im ganzen?«

»Weißte was, Lilo,« Heinz machte begehrliche Augen und leckte sich den Mund, »gib mir man erst zehn, die anderen zehn ißt du ja doch allein auf!« Er schien seine große Schwester gut zu kennen.

Die fuhr sich verzweifelt durch die krausen Braunhaare.

»Ich geb' dir doch gar keine – ich sag' doch nur so –«

Da aber brach ihr Schüler in ein enttäuschtes Geheul aus.

»Immer sagste bloß – immer versprichste erst – was man verspricht, muß man auch halten, sagt Vater« – er stieß mit den Füßen.

Konnte sie dabei wohl sanft und liebevoll bleiben?

Liselotte wußte sich keinen Rat mehr, sie holte ihr Taschentuch hervor, und Lehrerin und Schüler weinten um die Wette.

»Du, Lilo, warum heulst du denn auch?« fragte der Kleine nach einer Weile ganz erstaunt.

Liselotte gab keine Antwort, sondern schluchzte weiter.

»Weil du keine Schokoladenplätzchen hast?« erkundigte sich Heinz.

»Nein, weil du's mir so schwer machst, mit dir zu arbeiten, weil du mich nicht lieb hast – – –«

»Doch, Lilo, ich habe dich lieb, wenn du mir auch keine Schokoladenplätzchen gibst,« gutherzig fuhr der kleine Bursche ihr mit der tintenfingerigen Hand in dem nassen Gesicht herum.

»Also dann paß auf –« sie trockneten sich beide die Augen, und der Rechenunterricht begann aufs neue. Und siehe – jetzt, wo auf beiden Seiten guter Wille vorhanden war, ging es mit einemmal wunderschön. Auch ohne Schokoladenplätzchen!

»Du kannst immer mit mir arbeiten, Lilo,« sagte der kleine Bruder gönnerhaft, als er mit seinem Pensum fertig war.

»Nee, danke,« Liselotte wußte die ihr zugedachte Ehre nicht recht zu schätzen.

Nun erst kam sie zu ihren eigenen Aufgaben.

Was solche Älteste von sechs Rangen alles zu tun hatte, es war unglaublich! So viel, daß sie gar nicht Zeit dazu hatte, zu zanken und zu raufen.

Mit den Kleinen mußte sie beten und ihnen den Gutenachtkuß von Muttchen überbringen. Dem Vater nach dem Abendessen Zigarren, Aschenbecher und Zeitung hinlegen, wie er's gewöhnt war.

Vatchen packte sie am Schopf.

»Wetter auch, Sausewind, du machst dich ja ganz nett als Haustöchterchen,« sagte er halb neckend, halb erfreut. Norbert zog die Augenbrauen hoch und betrachtete die erglühende Lilo.

»Hm, unser Kleinchen macht sich ganz nett,« gab auch er dann sein Urteil ab.

»Du – – –« entfuhr es Liselotte, aber sie schluckte den »dummen Jungen« zum Glück noch schnell hinunter.

Als sie müde in ihrem Bett lag, durchströmte sie ein Gefühl tiefster Befriedigung.

»Ich habe ein Schwesterchen!« mit diesen glücklichen Worten schlossen sich die Kinderaugen.

Auch am nächsten Tage zeigte es sich, daß ein Friedensengel bei Baumeisters ins Haus gezogen. Seine versöhnende Kraft reichte sogar bis in die Schule.

Liselotte dachte nicht mehr daran, daß sie mit Fritzi tagelang schuß gewesen, sie jubelte ihr zu: »Fritzi, ich habe ein Schwesterchen bekommen!«

Und Fritzi, glücklich darüber, daß Lilo das erste Wort gesprochen, fiel der Freundin um den Hals und küßte sie innig.

Gretchens Gesicht strahlte. »Nu sind wa alle dreï wieder jut!« sagte sie froh.

Vom Kränzchen aus Schlesien kam ein langer Gratulationsbrief, und von Suse noch ein Extrakärtchen. Was darin stand, mußte wohl sehr was Schönes sein, denn Liselotte tanzte vor Freuden, trotzdem sie jetzt Mutters Stelle vertrat, im Zimmer herum.

»Suse kommt Weihnachten, sie schreibt, ich soll euch vielmals für eure Einladung danken, Vatchen, und sie will sich das Baby bestimmt Weihnachten ansehen – himmlisch!«

Nun wurde es Liselotte noch viel leichter, gut und lieb zu sein, Suse sollte doch nicht denken, daß ihre Lilo ohne sie ganz verwildert und verwahrlost sei.

Nicht mit einemmal schwand das Zankteufelchen aus dem Hause. Ab und zu, wenn Liselotte gerade mal nicht acht gab, dann steckte es wieder ganz dreist den Kopf hervor, dann sprühte es aus Lilos Blauaugen, machte ihr Handgelenk zum Schrecken der kleinen Brüder wieder lose und sprang ihr als ein unbedachtes, häßliches Wort von den Lippen. Aber immer seltener wagte es sich hervor. Und da Liselotte zum erstenmal Klein-Schwesterchen auf den Arm nehmen durfte, war es mit Zankteufelchens Herrschaft für immer vorbei.

Als Muttchen wieder gesund war, sah sie mit frohen Augen die günstige Verwandlung, die mit ihrer Ältesten vorgegangen. Denn Liselotte hatte sich so an ihre kleinen Pflichten als Haustöchterchen gewöhnt, daß sie dieselben beibehielt.

»Ich bin ja fast überflüssig geworden,« scherzte Mutti, als sie sah, daß sich die Brüder mit all ihren Bitten und Wünschen an die große Schwester wandten.

»Nein, du kannst uns immer ßöne Geßißtens herzählen, Muttßen,« meinte der Neinerich, der es mit keinem verderben wollte.

»Aber eine, die wir noch nicht kennen, sonst tressiert sie mich nicht,« setzte Heinz bittend hinzu.

Draußen schleicht die Dämmerung durch die Straßen der alten Krönungsstadt. Sie fährt mit den Fingern über die Häuser und Plätze, bis sie ganz schwarz aussehen. Um den altersgrauen Schloßturm webt sie ihre dunklen Schattennetze, und jetzt huscht sie durch das schwere, eiserne Tor, hinaus in die Villenvorstadt. Von Fenster zu Fenster flattert sie – nanu, Baumeisters Rangen heute so artig?

Dort hocken sie alle in der wachsenden Dunkelheit dicht um Mutters Stuhl am Nähtisch. Selbst Schwesterchen ist dabei, Mutti hält das im Steckkissen schlummernde Baby auf dem Schoß.

Und Mutter erzählt:

»Es waren einmal Geschwister, die hatten sich gar nicht lieb. Sie zankten und stritten sich von morgens bis abends. Ihr Geschrei war so laut, daß die Leute ringsum auf der Erde es kaum noch aushalten konnten. Eines Tages, als sie sich wieder zankten, tobten sie so arg, daß es bis zum Himmel hinaufschallte. Die Engelchen rissen erschreckt ihre Wolkenfenster auf und lugten durch das große Fernrohr auf die Erde hinab.

›Gräßlich,‹ so riefen sie, ›wie können Geschwister nur so lieblos miteinander sein!‹ traurig sahen sie auf die schlechten Kinder hinunter.

Da schritt der liebe Gott vorüber. Und als er seine Engelchen, die sonst gar fröhlich jubilierten, so betrübt dasitzen sah, fragte er: ›Warum seid ihr so traurig, kleine Engel?‹

›Ach, lieber Gott,‹ klagte einer der Engel, ›schau nur die bösen Kinder dort unten auf der Erde. Ich wohne doch fast in jeder Kinderseele, aber an das Herz dieser Kleinen habe ich vergebens angepocht. Man öffnet mir nicht.‹ So sprach der Engel des Friedens leise.

›Und du?‹ der liebe Gott wandte sich an den zweiten Pausback.

›Auch ich habe gar oft versucht, in die Kinderherzen Einlaß zu erhalten. Doch vergebens! Ihr Ohr ist meinem Wort verschlossen,‹ antwortete der Engel des Gehorsams.

›Wir auch – wir auch – gerade so ist es auch uns ergangen,‹ riefen die anderen Engelchen jetzt trübselig durcheinander. Es waren die Engel des Fleißes, der Wahrheit, der Ordnung, der Bescheidenheit und der Pflichttreue.

›Ei, das ist ja eine merkwürdige Sache,‹ sprach der liebe Gott da kopfschüttelnd und nahm selbst das Fernglas zur Hand.

Er hatte aber kaum einen Blick hindurchgeworfen, so rief er: ›Da ist mir ja ein Teufelchen zwischen die kleine Gesellschaft drunten geraten, ein Zankteufelchen, wie ging das bloß zu? Dann ist es freilich kein Wunder, wenn die Kinder sich streiten und zanken, und von euch, meine Engelchen, nichts wissen wollen!‹

›Kann man den armen Kleinen nicht helfen, sie dauern mich,‹ fragte da eine süße, weiche Stimme. Es war der Engel des Friedens.

Der liebe Gott blickte ihn gütig an.

›Du allein vermagst es von allen meinen Engeln,‹ sagte er freundlich. ›Du mußt zur Ende fliegen und immer wieder aufs neue versuchen, mit deinem Friedenshauch die Kinderschar zu umfächeln. Freiwillig müssen sie dir ihre kleinen Herzen öffnen, dies wird aber nicht geschehen, so lange das Teufelchen unter ihnen weilt!‹ So sprach der liebe Gott.

Der Friedensengel schwebte zur Erde hinab.

Mit seinen rosigen Fingerchen berührte er das Zankteufelchen – siehe, da verwandelte es sich in einen goldenen Sonnenstrahl.

Durch das ganze Haus schwirrte und tanzte der Sonnenstrahl. Und wo er vorüberhuschte, wurde es hell und licht und warm. Er fuhr über die Stirn des Vaters und wischte ihm die Falten fort, er spiegelte sich in Mutters frohem Blick, und seine feine Stimme tönte als goldenes Kinderlachen durchs Haus.

Streit und Hader aber war verstummt, denn der Engel des Friedens wohnte jetzt für immer in den Kinderherzen. Er öffnete ihre kleinen Seelen weit, daß auch all die anderen Engelchen darin einziehen konnten.

Und der liebe Gott hatte seine Freude an der kleinen Gesellschaft.« – –

Mutter schweigt.

Fast ganz dunkel ist es inzwischen geworden.

Mutti aber sieht es doch, wie ihr Töchterchen das tränenbetaute Gesicht in den Kissen des Schwesterchens verbirgt.

Da streicht die Mutterhand leise und kosend über das widerspenstige braune Kraushaar, und wie ein Hauch tönt es Liselotte ans Ohr: »Unser Sonnenstrahl!«

* * *


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