Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

20.
Die Ansprache.


Wir kehren jetzt wieder zu der Zeit zurück, in der unsere Geschichte beginnt. Es war der Erinnerungstag von Großbeeren, dessen wir zuletzt Erwähnung thaten; ein paar Wochen sind seitdem wieder vergangen, und wir befinden uns gegen Schluß des Monats August. Louise befand sich nun bereits eine ziemlich geraume Zeit in dem Hause des Geheimen Finanzraths und Oskar's Neigung für sie hatte, mit jedem Tage zunehmend, eine immer festere, für die Hoffnungen seiner Zukunft maaßgebendere Gestalt angenommen. Er konnte sich nicht verhehlen, daß er nicht der einzige Bewerber war, ja, manchesmal schien es ihm, daß er nicht der Begünstigte sei und daß der junge Offizier, der sich jetzt sehr oft im Hause Laubmann's zeigte, eine höhere Glücksnummer gezogen habe. Allein die Eitelkeit flüsterte ihm immer wieder zu, wenn [310] ihm dergleichen Bedenklichkeiten aufstiegen, daß er sich täusche, daß Louisens sich immer gleichbleibendes sanftes und ruhiges Wesen ihm zwar keine neue Hoffnungen gebe, aber auch keine alte raube. Er beschloß mit seinen Eltern zu sprechen, allein dieser Versuch, sich in einer schwierigen Herzens- und Lebenslage Rath zu erholen, fiel übel aus. Mit der Mutter wurde er gar nicht recht eins, entweder verstand sie ihn nicht, oder wollte ihn nicht verstehen, sie sprach immer von seiner Jugend und daß er die Welt sich noch besehen solle, und er versicherte ihr, daß er nicht mehr jung sei und daß er gar keine Lust habe, sich in der Irre umherzutreiben; dem Geheimen Finanzrath war diese Sache, wie jede andere – so »unbeschreiblich gleichgültig,« daß Oskar nach wenigen Worten das Gespräch wieder abbrach. Mit seiner Schwester mochte er nun vollends in keine Mittheilungen sich einlassen, denn sie schmollte ihm, weil er sich herausgenommen, ihr träumerisches Wesen, in welchem sie sich gefiel, eine alberne Kopfhängerei zu nennen. Er entschloß sich, mit Louise selbst zu sprechen, und in Wahrheit, dies war auch das zweckdienlichste Mittel zu Klarheit und Verständigung zu gelangen.

Eines Nachmittags also kam der junge Bürgergardist und nahm ziemlich ungezwungen den Platz [311] am Fenster neben Louisen ein, nachdem er die Schwester unter irgend einem Vorwande fortgeschickt hatte. So keck er in diese Situation sich begeben, so befangen und erröthend fühlte er sich jetzt, als er dem hübschen Mädchen, das ihm, der Himmel weiß durch welches Mittel, er selbst wußte es durchaus nicht, imponirte.

»Nun, Fräulein Louise (diese vertrauliche Anrede war ihm von Louise selbst gestattet worden), Sie sind noch immer nicht gekommen um unser Corps zu sehen, wenn es die Wache hat. Das könnte ich übel nehmen. Ich versichere Sie, alle übrigen Bürgerwachen sind nichts gegen unser Corps. Erstlich sind wir lauter junge Leute, Sie finden keine Caricatur unter uns und dann sind wir fast alle wohlhabend und können uns schöne Gewehre und Uniformen anschaffen. Das thut auch etwas zur Sache. Kurz, das Corps der jungen Kaufmannschaft nimmt es mit jeder Gardelieutenantswache auf.«

»Ich glaub's,« entgegnete Louise – »es muß einen ganz hübschen Anblick geben.«

»Ja Sie glauben es,« sagte Oskar trübselig – »allein Sie wollen sich diesen schönen Anblick doch nicht verschaffen.«

»Meine Zeit –«

»O, mein Fräulein, man hat immer Zeit, wenn [312] man etwas aufsuchen will, was einem Freude macht.« Er setzte etwas befangen hinzu: »Nun will ich gerade nicht behaupten, daß es Ihnen große Freude macht, mich die Wache halten zu sehen, allein das Corps – das – das zu sehen, muß Ihnen Freude machen. Aber lassen wir das Corps jetzt und beschäftigen wir uns mit anderen Dingen. Wie denken Sie über meine Zukunft?«

Louise, über diese plötzliche Frage etwas verwundert, sah den jungen Mann an und traf auf niedergesenkte Augen und auf ein von heftiger Röthe gefärbtes Antlitz. »Ueber Ihre Zukunft, Herr Laubmann –«

»Ach – Sie müssen mich Oskar nennen! Haben Sie nicht selbst erklärt, daß Sie zu unserer Familie gehören wollen? und ich behaupte, daß unter Familiengenossen keine ceremoniösen Umständlichkeiten walten sollen!«

»Allerdings; doch lassen Sie mich immerhin bei der Anrede, die ich einmal gewählt.«

»Nun, wenn Sie durchaus darauf bestehen – aber die Antwort auf meine Frage werden Sie mir gefälligst jetzt geben.«

»Nun, Ihre Zukunft« – sagte Louise – »wird sicherlich eine sehr glänzende sein. Ihnen und Ihres [313] Gleichen gehört die neue Zeit, die Zeit der Eisenbahnen und des Völkerverkehrs.«

Oskar entgegnete empfindlich: »Sie sprechen zu mir wie ein Börsenspeculant zu einem jungen Mäkler.«

»Ich spreche, wie ich's verstehe.«

»Gut denn – fahren Sie nur fort.«

»Wenn Sie also mit den nöthigen Reichthümern und Kenntnissen ausgerüstet, von den Zeitinteressen und Zeitstimmungen überall begünstigt, Ihre Laufbahn antreten, wie kann es Ihnen denn anders als glücklich gehen?«

» Wie es kann – ja das weiß ich nicht; – Aber es kann doch. Es ist möglich, daß ich bei allem dem, doch recht von Grund aus unglücklich sein werde.«

»Ich wüßte nicht wodurch.«

»Aber ich weiß es. Ich will es Ihnen sagen. Glanz, Poesie, Schwung, Großartigkeit dürfen in meinem Leben nicht fehlen. Mit einem Worte ich möchte das Herz beschäftigt sehen.«

»Das wird nicht ausbleiben.«

»Meinen Sie?«

»Wie sollte es. In Ihrer Stellung und ich will sogar auf die Gefahr hin ihre Eitelkeit zu er [314]regen sagen, mit ihren körperlichen Vorzügen, wird es Ihnen nicht schwer werden, einer Frau Interesse einzuflößen.« Louise sagte das mit jener Unbefangenheit in Ton und Miene, wie sie die freie, wahre Bildung verleiht. Oskar ergriff ihre Hand, zog sie an seine Lippen und sagte:

»Wie Sie liebenswürdig sind. Man kann mit Ihnen so zutraulich sprechen. Nichts von Ziererei und Geheimthun. Sie sagen, daß irgend eine Frau einmal mich lieben wird! O was das betrifft, so glaub ich's auch; aber was wird das für ein weibliches Wesen sein! Darauf kommt Alles an. Von einer Frau geliebt zu sein, die etwa so ist wie meine Schwester Charlotte, daran liegt mir nichts. Es muß eine ganz andere sein. Ich habe mir gedacht, es wäre sehr hübsch, wenn ich so zum Beispiel eine Prinzessin liebte. Sie lächeln. Ist denn das so unmöglich? Wenn das Schicksal es nun so gefügt hätte, daß ich es war, der in jener Nacht, wo unsere schöne Prinzessin das königliche Schloß verließ, sie durch die Volkshaufen führte und schützte? Ach, welch ein himmlisches Loos! Wenn ich mit meinem Leben das ihrige hätte schützen können und nun, da sie gerettet war, ihr hätte sagen können: Prinzessin, ein freier, edler Bürger hat seine Pflicht ge [315]than! Es ist mir das oft eingefallen, wenn ich so, wie es jetzt manchesmal kommt, in einsamer Sommernacht auf meinem Wachposten stehe und in der Stille des Mondenglanzes die ungeheure Stadt vor mir ausgebreitet sehe. Das ist's, was unserm Leben fehlt – denn ewig mit Waarenballen zu thun zu haben, die Course zu berechnen, die Fallissements einzuzeichnen – das wird uns nicht in die Höhe bringen. Wenn es die Geldsäcke allein machten, so wären die Rothschilds längst schon mit diesem Zauber der Poesie umgeben, den sie nie erreichen, denn sie werden ewig reiche Juden bleiben und nichts weiter. Ich möchte aber, wie ich Ihnen schon einmal sagte, einen neuen Adel gegründet sehen und der ist ohne Poesie nicht möglich. Die Welt will einmal, wenn sie verehren soll, neben dem Besitz auch den Adel und den Glanz, sonst bewundert sie wohl öffentlich, aber verachtet heimlich. Haben Sie mich verstanden?«

Louise neigte bejahend das Haupt. »Wie läßt sich das aber erlangen, Herr Laubmann?«

»Ja, wenn ich's wüßte! Ich habe mir gedacht Sie wüßten es; oder noch mehr, Sie wollten mir geradezu zur Erlangung behülflich sein.«

»Durch welches Mittel?«

[316] »Kurz gesagt, durch Ihren Besitz.« Das Wort war heraus und er hatte seinen vollen Muth wieder indem er lächelnd Louisen ins Gesicht schaute.

»Ah – da Sie keine Prinzessin finden können, so wollen Sie mit mir vorlieb nehmen.«

»Scherzen Sie nicht. Ich trage mich Ihnen an und bitte, daß Sie mich nicht ausschlagen. Weiß Gott, ich habe ein ehrliches Herz, und daß ich Sie liebe, das sollten Sie eigentlich schon längst bemerkt haben. Aber Sie haben es auch bemerkt – ich weiß es. O ich sehe Sie roth werden.«

»Herr Laubmann,« sagte Louise zögernd, »ich wünschte, daß weder im Ernst noch im Scherz derlei Gespräche zwischen uns geführt würden.«

Seine Miene nahm den Zug gekränkten Stolzes an und er sagte in einem fast wehmüthigen Tone: »Es sollte mir herzlich leid thun, wenn ich Sie verkannt hätte und Sie gleichwohl zu den adligen Damen gehörten, die eine Zumuthung für sich, mit einem Bürgerlichen sich zu verbinden, empörend fänden. Ach, ich versichere Sie, mit dieser Art Adel ist's vorbei! soll es vorbei sein!«

Louise antwortete freimüthig: »Sie thun mir Unrecht, lieber Oskar, Sie wären ein ganz passender Mann für mich; ich sage Ihnen das ganz offen. [317] Ich finde Sie sogar weit mehr Edelmann, wie mancher Edelmann von Geburt. Aber –«

Sie warf einen Blick hinaus; Oskar folgte der Richtung dieses Blickes; er sah Louisen erröthen und sagte mit dem Ausdruck gutmüthiger Naivetät: »Ach so!«

Der Lieutenant von Hohenheim kam die Straße hinab.

»So muß ich denn wieder zu meiner Bürgerpflicht zurückkehren,« sagte Oskar rasch, sein zierliches Gewehr über die Schulter nehmend und eine elegante, höfliche Verbeugung dem jungen Mädchen machend. » Der erste Korb!« murmelte er vor sich hin. Louise ging ihm nach, er wandte sich um, sie stand vor ihm und reichte ihm mit einem innigen Ausdruck die Hand hin. Er schlug ein und drückte diese liebe kleine Hand.

»Was giebt's Neues, lieber Laubmann?« fragte der eintretende Hohenheim.

»Ei, Herr Lieutenant, daß Neueste ist, daß wir dem Militär wieder unsere Posten räumen müssen.« Er sprang lachend fort.


[318]


 << zurück weiter >>