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Das Monopol des auswärtigen Handels

Im Zentralausschuß entstand Ende 1922 eine wirklich tiefgehende Meinungsverschiedenheit über das Monopol des auswärtigen Handels. Ich möchte seine Bedeutung nicht nachträglich vergrößern, aber die politische Gruppierung, die sich in Hinsicht auf dieses Problem im Zentralausschuß bildete, war sehr bezeichnend.

Auf einen Antrag des Genossen Sokolnikow faßte der Zentralausschuß einen Beschluß, der eine ernstliche Durchbrechung des Monopols des auswärtigen Handels bedeutete. Wladimir Iljitsch war entschieden gegen den Beschluß. Als er von Krassin erfuhr, daß ich an der Sitzung des Zentralausschusses nicht teilgenommen und mich gegen den Beschluß ausgesprochen hatte, begann er mit mir einen Briefwechsel darüber. Diese Briefe sind bis jetzt nicht veröffentlicht, ebenso auch nicht die Korrespondenz Lenins mit dem politischen Bureau über die Frage des auswärtigen Handelsmonopols. Die Zensur über das Erbe Lenins ist rücksichtslos. Man veröffentlicht zwei oder drei Worte, die Lenin auf einen Fetzen Papier geschrieben hat, sobald sie nur direkt oder indirekt gegen die Opposition gerichtet sein können. Man unterdrückt Dokumente von weitreichender und tiefer Bedeutung, sobald sie sich direkt oder indirekt gegen Stalin richten.

Ich zitiere also die Briefe, in denen Lenin dieses Problem berührt hat:

»Genosse Trotzki!

Ich sende Ihnen einen Brief von Krestinski. Schreiben Sie sofort, ob Sie einverstanden sind. Ich werde im Plenum für das Monopol eintreten. Und Sie?

Ihr
Lenin.

P.S. Senden Sie den Brief schnell zurück.«

»An die Genossen Frumkin und Stomoniakow, Abschrift an Trotzki!

Wegen der Verschlimmerung meiner Krankheit kann ich im Plenum nicht anwesend sein. Ich weiß, in welche unangenehme Lage ich Sie dadurch bringe, aber ich kann es nun einmal nicht ändern.

Heute erhielt ich einen Brief vom Genossen Trotzki, mit dem ich in allem Wichtigen übereinstimme, mit Ausnahme vielleicht seiner letzten Zeilen über den Gosplan (das Bureau für staatliche Wirtschaftspläne). Ich werde Trotzki meine Zustimmung schreiben und ihn bitten, in Hinsicht auf meine Krankheit meine Haltung im Plenum zu verteidigen.

Ich bin der Ansicht, diese Verteidigung müßte in drei Abschnitte eingeteilt werden. Sie müßte zunächst einmal das Grundprinzip des ausländischen Handels verteidigen, es voll und ganz festlegen. Sie müßte zweitens die von Avenesow vorgebrachten praktischen Vorschläge für den Ausbau dieses Monopols einem besonderen Ausschuß zur eingehenden Erwägung übergeben. In diesem Ausschusse müßte mindestens die Hälfte der Mitglieder dem Kommissariat für auswärtigen Handel entnommen sein. Drittens müßte die Verteidigung gesondert den Gosplan, den staatlichen Wirtschaftsplan, behandeln. Übrigens glaube ich nicht, daß es eine Meinungsverschiedenheit zwischen mir und Trotzki geben kann, wenn er sich auf die Forderung beschränkt, daß die Arbeit des Gosplans unter der Ägide der Entwicklung der Staatsindustrie stehen und über alle Unternehmungen des Volkskommissariats für auswärtigen Handel berichten müßte.

Ich hoffe, daß ich Ihnen heute oder morgen noch einmal schreiben und Ihnen meine Erklärung über das Wesentliche des vorliegenden Problems für das Plenum des Zentralausschusses geben kann. Auf jeden Fall halte ich die Frage für so außerordentlich wichtig, daß ich, falls das Plenum mir darin nicht beistimmt, sie dem Parteikongreß vorlegen und vorher schon die bestehende Meinungsverschiedenheit unserer Partei auf dem kommenden Sowjetkongreß bekanntmachen müßte.

Lenin.
Den 12. Dezember 1922.«
Diktiert an L. F.

 

»An Genosse Trotzki, Abschrift an Frumkin und Stomoniakow:

Genosse Trotzki!

Ich erhielt Ihre Äußerung über den Brief Krestinskis und den Plan Avenesows. Ich glaube, wir stimmen durchaus überein, und können die Frage, ob der Gosplan Verwaltungsrechte haben soll, unter den gegenwärtigen Umständen vorläufig beiseite schieben.

Auf jeden Fall bitte ich Sie dringend, auf dem kommenden Plenum die Verteidigung unserer gemeinsamen Ansicht über die unbedingte Notwendigkeit der Erhaltung und Verstärkung des Monopols des auswärtigen Handels zu übernehmen.

Da das letzte Plenum einen scharf gegen das Monopol des auswärtigen Handels gerichteten Entschluß gefaßt hat, und es unmöglich ist, in dieser Frage nachzugeben, so werden wir wohl, wie ich auch schon in meinem Briefe an Frumkin und Stomoniakow gesagt habe, im Falle unserer Niederlage die Sache vor den Parteikongreß bringen müssen. Hierzu brauchen wir eine kurze Darlegung unserer abweichenden Meinung für die Parteifraktion des kommenden Sowjetkongresses. Wenn ich kann, werde ich eine schreiben, und es würde mich sehr freuen, wenn Sie dasselbe täten. Jedes Schwanken in dieser Frage wird uns unendlichen Schaden zufügen. Der Einwand gegen das Monopol läuft auf die Anklage hinaus, daß unsere Verwaltung der Sache noch nicht gewachsen sei. Aber unsere Verwaltung ist mancher Aufgabe noch nicht gewachsen, und wegen mangelnder Fähigkeit des Verwaltungsapparates auf das Monopol verzichten, das hieße das Kind mit dem Bade ausschütten.

Lenin.
Telephonisch diktiert an L. F.

Den 12. Dezember 1922.«

 

»An Genossen Trotzki!

Ich schicke Ihnen einen Brief, den ich heute von Frumkin erhielt. Ich glaube ebenfalls, daß es unbedingt notwendig ist, die Angelegenheit ein für allemal zu erledigen. Man braucht auch nicht zu befürchten, daß diese Frage mich erregen und einen ungünstigen Einfluß auf meine Gesundheit haben könnte: denn eine Verschleppung, die unsere Politik in einer der wichtigsten Fragen ganz unsicher machte, würde mich zehntausendmal mehr erregen. Darum weise ich auf den beigefügten Brief hin und bitte Sie dringend, eine sofortige Beratung der Angelegenheit zu beantragen. Wenn wir in Gefahr sind zu verlieren, so ist es nach meiner Überzeugung viel vorteilhafter, vor Beginn des Parteikongresses zu verlieren und sich dann sofort an die Fraktion des Kongresses zu wenden, als nach dem Kongreß zu verlieren. Vielleicht könnte man folgendes Kompromiß zur Annahme bringen: Nehmt den Beschluß über das Monopol jetzt an, aber bringt die Frage trotzdem vor den Parteikongreß und erklärt das jetzt ausdrücklich! Kein anderes Kompromiß würde irgendwie für uns annehmbar sein.

Lenin.
Telephonisch diktiert an L. F.

Den 15. Dezember 1922.«

 

»Genosse Trotzki!

Ich glaube, wir sind zu einem völligen Einvernehmen gekommen. Ich bitte Sie, unsere Solidarität im Plenum bekanntzumachen. Ich hege die Hoffnung, daß unsere Ansicht durchgehen wird, denn ein Teil von denen, die im Oktober gegen uns gestimmt haben, haben sich jetzt teilweise oder vollständig auf unsere Seite gewandt. Sollte wider Erwarten unsere Ansicht nicht durchdringen, so werden wir uns an unsere Fraktion im Sowjetkongreß wenden und erklären, daß wir die Frage vor den Parteikongreß bringen werden.

Benachrichtigen Sie mich in diesem Falle, damit ich meine Erklärung einsenden kann. Sollte man die Frage von der Tagesordnung des jetzigen Plenums absetzen (was ich nicht erwarte und wogegen Sie natürlich mit aller Ihrer Energie in Ihrem und meinem Namen protestieren müßten), dann werden wir uns trotzdem an die Fraktion des Sowjetkongresses wenden und die Übermittlung der Angelegenheit an den Parteitag verlangen. Denn irgendein weiteres Hinausschieben darf in keinem Falle stattfinden.

Das ganze Material, das ich Ihnen zusandte, können Sie bis nach den Plenarsitzungen bewahren.

Ihr
Lenin.

Den 15. Dezember 1922.«

 

»Leo Davidowitsch!

Professor Förster erlaubte heute Wladimir Iljitsch, einen Brief zu diktieren, und er diktierte mir den folgenden Brief an Sie:

Genosse Trotzki!

Es scheint, wir haben die Festung eingenommen, ohne einen Schuß abzufeuern, einfach durch Manöverieren. Ich schlage vor, jetzt nicht haltzumachen, sondern den Angriff fortzusetzen und zu dem Zwecke, in einer Resolution für den Parteikongreß einen Antrag auf Verstärkung und bessere Durchführung des Monopols des auswärtigen Handels zu stellen. Künden Sie das der Fraktion des Sowjetkongresses an. Ich hoffe, daß Sie keine Einwendungen haben und eine Rede auf der Fraktionssitzung halten werden.

N. Lenin.

Wladimir Iljitsch bittet Sie auch, ihm telephonisch zu antworten.

N. K. Ulianowa.

Den 21. Dezember 1922.«

 

Weder der Inhalt noch der Ton dieser Briefe bedürfen irgendeiner Erklärung.

Über die Frage des ausländischen Handels nahm der Zentralausschuß eine neue Entschließung an, durch die die alte aufgehoben wurde. Darauf beziehen sich die spöttischen Worte Lenins von einem Siege, der gewonnen wurde, »ohne einen Schuß abzufeuern«.

Es bleibt nur noch eine Frage. Angenommen, unter den Genossen, die für die Resolution auf Zerstörung des Monopols des ausländischen Handels gestimmt haben, wäre auch Trotzki gewesen und auf der anderen Seite hätte Stalin an der Seite Lenins für die Aufhebung jener Resolution gekämpft, wie viele Bücher, Broschüren und Flugblätter wären dann wohl geschrieben worden, um die kleinbürgerliche und kulakfreundliche Ketzerei Trotzkis zu beweisen?


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