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's ist Frühlingszeit!

Pommerle brachte aus dem Garten einen großen Strauß Astern, die es in die verschiedenen Vasen verteilte. Jedes Zimmer bekam seinen bunten Strauß, dabei sang das junge Mädchen unentwegt vor sich hin: »Laß mich herein, du holde Maid, 's ist Frühlingszeit, 's ist Frühlingszeit!«

Professor Bender, der am Schreibtisch saß, wandte sich schmunzelnd zu seiner Tochter, die die Astern in der Vase richtete.

»'s ist Frühlingszeit, 's ist Frühlingszett!« Dann erhob er sich, nahm den Kalender zur Hand. »Der neunundzwanzigste Oktober. Bis heute wußte ich noch nicht, daß Ende Oktober noch immer Frühling ist. Hat die angehende Gärtnerin andere Jahreszeiten eingerichtet?«

»Ach, Väterli, es ist Frühling, und zwar in mir! Ich bin so froh, so furchtbar glücklich. – Der Felix hat fest versprochen fleißiger zu werden, so wurde die Kündigung nicht ausgesprochen. Der Jule hat sich mit seinem Mauseschwänzchen verlobt, sogleich als er vom Heere kam. Und ich selbst darf Tanzstunde haben. Ein Plan, wie ich der Lehrerin helfen kann, wurde ausgeheckt. Es ist doch Frühlingszeit, Väterli, in mir grünt und blüht es, genau wie im Frühling!«

»Das wäre auch traurig, Pommerle, wenn es mit fünfzehn Jahren anders wäre. Stehst ja im Lebensfrühling, die Welt liegt im rosigsten Glanze vor dir!«

»Ja«, sagte Pommerle und setzte sich auf die Armlehne des Schreibtischsessels, »noch ein bißchen lernen, dann den Beruf ergreifen, was Schönes schaffen, dafür sorgen, daß man gesund bleibt und daß man euch«, ihre Hände strichen zärtlich über des Vaters Wange, »all das Liebe, was ihr auf mich ausgeschüttet habt, vergelten kann.«

»Behalte deinen Frohsinn und dein gutes Herz, mein liebes Pommerle! Da heute bei dir Frühlingszeit ist, will ich dir an diesem Frühlingsmorgen ein liebes Wort mitgeben für deine Zukunft. Das Froheste und Herrlichste ist ein Lebensweg voll zielbewußter Kräfteanspannung, voll beglückender Pflichten, voll aufbaufroher Arbeit. – Das sollst du nie vergessen, Pommerle, weder im Lebensfrühling, noch im Sommer, noch im Herbst, denn nur dann läßt sich der Lebenswinter ohne Herzeleid ertragen.«

»Väterli, du weißt zu jeder Stunde etwas Schönes zu sagen. Freilich, du bist ja ein hochgelehrtes Haus! Zu schade, daß du auch in diesem Herbst wieder nach Wien an die Universität mußt, um Vorträge zu halten.«

»Schade! – Aber Pommerle, es freut deinen Vater doch, wenn man ihn hier- und dahin ruft!«

»Das war wieder einmal sehr dumm von mir gesprochen, Väterli. Natürlich freut es dich und uns auch, aber es ist doch mal nicht wegzuleugnen, daß es viel häßlicher in Hirschberg ist, wenn du nicht hier bist!«

»Kleine, liebe Ostseekrabbe. Nun sage mir aber einmal, welchen Plan du dir mit der Tanzlehrerin ausgedacht hast?«

Pommerle schmiegte die Wange an die des Vaters. »Du hast neulich gesagt, Fräulein Diama habe in letzter Zeit viel Unglück gehabt. Erst wurde ihr kleines Schwesterchen sehr krank, dann mußte ihre Mutter eine Operation durchmachen. So hat sie viele Ausgaben gehabt, und daraufhin meintest du, ich solle Tanzstunden nehmen und auch meinen Freundinnen zureden, damit Fräulein Diama schon jetzt, im Herbst – –«

»'s ist Frühlingszeit«, sang der Professor.

»Na ja, Väterli, doch nur für mich! Für alle anderen und für Fräulein Diama ist es Herbst. Du wolltest, daß Fräulein Diama schon im Herbst einen größeren Tanzzirkel zusammenbekommt, damit ihre Sorgen kleiner werden. – Du wolltest eben wieder einmal helfen, wie du das immer, immer machst!«

»Der Plan mit der Tanzstunde stammt also von mir, Pommerle?«

»Sage mal, Väterli, könnte der Felix nicht auch Tanzstunde nehmen?«

»Nein«, sagte Bender mit Nachdruck, »der Felix ist recht zerstreut und außerdem nehme ich an, daß er längst tanzen kann.«

»Hast recht, ich habe daher meine Pläne anders gesponnen. Wie eine Spinne! – Das Netz ist fertig, jetzt wird es anderen über den Kopf geworfen. Ich habe nämlich noch abzurechnen!«

»Pommerle, Pommerle, laß dir nur nicht die Nase abschneiden! Mit den Haaren geht es nicht mehr!«

»Es glückt diesmal, Väterli! Die Jungens sind begeistert. Wenn wir nächste Woche mit der Tanzstunde anfangen, sind bestimmt auch der lange Anton, der Max, der Manfred und der Ludwig dabei. Wir Mädel haben den Jungens so viel von den Tanzstundenfreuden vorerzählt, daß die rappelköppisch wurden. Wenn wir ein wenig flunkerten, schadet das nichts, denn wir wollten doch Fräulein Diama helfen, damit sie schneller ihre Schulden bezahlen kann. Wir werden ganz bestimmt einen Kursus von vierzehn Personen zusammenbekommen. – Wir haben nämlich bereits mit Fräulein Diama gesprochen und gebeten, daß in unseren Kursus die Zopfabschneider eingereiht werden.«

»Pommerle, die Sache wird wieder gefährlich!«

»Gar nicht, Väterli! Aber weißt du, noch habe ich es nicht ganz überwunden, daß ich den Zopf hergeben mußte. Es wird erst im Herzen wieder still, wenn ich mich gerächt habe.«

»Rache ist etwas Häßliches, mein liebes Mädelchen.«

»Es ist eigentlich keine richtige Rache, mehr ein Spaß und niemand wird ahnen, daß Absicht dahinter steckt.«

Da Professor Bender wußte, daß seine Tochter zu häßlichen Streichen niemals aufgelegt war, forschte er auch nicht weiter, zumal Pommerle erklärte, sie werde den Eltern den Erfolg melden. Jedenfalls war es von dem Kinde gut gemeint, daß es der Tanzlehrerin, über die in letzter Zeit viel Unglück gekommen war, helfen wollte.

Sein hilfsbereites Pommerle! Wo es konnte, sprang es ein. Das einstige kleine Fischermädchen, das in einer Sturmnacht den Vater verlor, hatte sich prächtig entwickelt und in sein Haus Freude und Sonne gebracht. Wie einsam war es vordem gewesen, wie litt Frau Bender unter dem Gedanken, nie ein eigenes Kind haben zu können. So war Pommerle wie ein Geschenk vom Himmel gekommen, denn zu keiner Stunde brauchte er zu bereuen, die kleine Hanna Ströde adoptiert zu haben. Da war wohl niemand in Hirschberg, der seinem Pommerle ernstlich böse sein konnte. Die ganze Stadt liebte das prächtige, stets hilfsbereite Mädchen. Pommerle würde auch im späteren Leben weiterkommen, niemals die schiefe Bahn betreten, gerade seinen Weg durchs Leben gehen.

»Möge dich der liebe Gott auch fernerhin beschützen, mein Liebling, mein Sonnenschein. – Ja, es ist wirklich Frühlingszeit, mein geliebtes Mädelchen, wenn du bei mir weilst.«

Mit Felix war es nicht so einfach. Die ersten drei Tage zeigte er sich ganz brauchbar, dann verschlief er und kam zu spät ins Kontor, wurde träge und erhielt gar bald Ermahnungen des Vorgesetzten. Beinahe hätte Felix die Arbeit hingeworfen; Vorwürfe, so meinte er, könne er nicht vertragen. Zufällig war Felix an diesem Abend gerade zum Abendessen bei Benders, und so ging der Professor am anderen Morgen, ohne Wissen des Neffen, in die Fabrik, um ein gutes Wort für den Untüchtigen einzulegen. Er bat herzlich, ihn zu benachrichtigen, sobald Felix wieder nachließe, denn er wolle einen Druck auf Felix ausüben.

Erneute Klagen kamen, und wieder mußte Professor Bender harte Worte mit Felix sprechen. Seit einigen Tagen ging es allerdings besser; trotzdem glaubte Bender nicht, daß Felix seine Stellung lange behalten werde.

Der Oktober ging zu Ende; von Pommerles Lippen klang es noch öfter: 's ist Frühlingszeit, 's ist Frühlingszeit!

Die Tanzstunden hatten begonnen. Pommerle zeigte sich sehr liebenswürdig, mit schelmischem Blick flüsterte sie dem langen Anton zu, daß sie mit ihm sehr gerne antrete. Kurz darauf bekam Max genau dieselbe Bemerkung zu hören, und auch Ludwigs Gesicht strahlte, als ihm Pommerle versicherte, sie warte nur darauf, mit ihm einmal einen richtigen Rundtanz machen zu können.

Endlich wurde der erste Walzer gewagt. Der lange Anton stürzte auf Pommerle zu, die ihm strahlend in die Augen schaute. Dann begann der Tanz. – Plötzlich zuckte Anton schmerzlich zusammen. Mit aller Wucht war ihm Pommerle auf die Zehen getreten. Beim fünften Walzerschritt noch einmal, gleich darauf stieß Anton einen unterdrückten Schrei aus.

»Das halte der Teufel aus! – Pommerle, du kannst ja noch nicht tanzen.«

Das junge Mädchen ließ sich an seinen Platz zurückführen; sofort stürzte Max auf die verehrte Tänzerin, doch ihm erging es nicht besser als Anton.

Fräulein Diama schüttelte verwundert den Kopf. Was machte nur das Pommerle? Dabei strahlte sein Gesicht heller und immer heller. Nun kam Ludwig an die Reihe. Aber der schalt schon beim ersten Angriff los. »Verflixt noch mal, denke doch an meine Lackschuhe!«

Als auch noch Nummer vier und fünf von Pommerle getreten wurden, gab es eine Pause.

»Fräulein Diama, Sie könnten Fräulein Bender einmal allein vornehmen.«

»Ich bitte darum«, sagte Pommerle artig und machte darauf einen tadellosen Rundtanz mit Lothar Grün. Alles klappte wunderbar. Schelmisch lächelnd kehrte Pommerle zu den Getretenen zurück, dabei spielten ihre Finger mit den kurzen Locken ihres Bubikopfes.

»Es tut mir unendlich leid«, sagte der kleine Schelm mit leisem Hohn in der Stimme, »daß ich euch die besten Hühneraugen zertreten habe, dabei habt ihr mir doch eine so große Freude bereitet, als ihr mir die Haare abschnittet.« Nach einer Weile setzte sie sieghaft hinzu: »Rache muß man kalt genießen!«

In der nächsten Tanzstunde weigerten sich die fünf Primaner, mit Pommerle anzutreten. Dafür waren die anderen männlichen Tänzer hocherfreut. Und als jeder sah, daß Pommerle die beste Tänzerin des ganzen Kursus war, näherten sich die fünf wieder schüchtern dem jungen Mädchen.

»Pommerle, sind wir nun quitt?« flüsterte Anton, »oder bekomme ich wieder einen Fußtritt?«

»Nein«, erwiderte Pommerle herzlich, »jetzt ist die Sache erledigt. Wollen wir nun zusammen tanzen?«

Bald war wieder allgemein Freundschaft geschlossen. Daß unter den Tänzern oftmals ein Streit ausbrach, wer zuerst mit Pommerle tanzen sollte, dafür konnte das junge Mädchen wirklich nichts.

Bender und Frau aber lachten herzlich, als Pommerle ihnen von der gekühlten Rache erzählte. Der Vater hatte Schlimmeres erwartet. –

Bald danach rüstete Professor Bender zur Reise nach Wien. Vorher hatte er seinem Neffen nochmals ernsthaft ins Gewissen geredet, denn noch immer konnte sich der junge Mann nicht recht an regelmäßige Arbeit gewöhnen. Hätte Felix in seinem Onkel wie auch in Bürgermeister Urbach nicht so warme Fürsprecher gehabt, so wäre er in aller Form gekündigt worden. Aber Bürgermeister Dr. Urbach, der kürzlich mit Pommerle gesprochen hatte, wollte nun einmal dem reizendsten Mädchen der Stadt keinen Schmerz zufügen. So wurde Felix behalten, obwohl er seine Pflichten nicht voll erfüllte. Pommerle war gerade an einem der letzten Abende Zeuge gewesen, wie der Vater dem Vetter ernsthafte Vorhaltungen wegen seiner großen Trägheit machte.

»Ich hoffe, Felix, daß ich, wenn ich Weihnachten heimkomme, dich noch in deiner Stelle finde. Ich habe für dich gebeten, sonst hätte man dich gehen lassen. Schämen solltest du dich! Für einen Faulpelz gibt es in meinem Hause keinen Platz! Nimm dir an Pommerle ein Beispiel!«

Dem jungen Mädchen wurde der Abschied vom Vater sehr schwer. Auf dem Bahnhof verbiß sie tapfer ihren Schmerz, streichelte verstohlen des Vaters Hand, die er ihr aus dem Fenster des Abteils reichte, und wiederholte krampfhaft:

»Du freust dich, Väterli, daß man dich zu Vorträgen ruft, und darum freuen wir uns auch. – Ja – ja – wir freuen uns!«

»Hast ja noch die liebe Mutter, Mädelchen, sei brav!«

Dann fuhr der Zug aus der Halle. Pommerle hing sich in den Arm der Mutter und schritt schweigend neben ihr dahin.

»Es will mir scheinen«, sagte Frau Bender gütig, »daß Väterli doch den ersten Platz in deinem Herzen hat.«

»Mütterchen –!« Pommerle vergaß, daß sie auf einer belebten Straße ging. Beide Arme schlang sie um den Hals der Mutter.

»Aber Pommerle! Du willst ein junges Mädchen sein – –«

»War ich nicht lieb genug zu dir?«

»Bist doch unser Sonnenschein!«

»Mütterchen, ich würde innerlich genau so traurig sein, wenn du fortreisen müßtest. Wie habe ich mich gebangt, wie habe ich mich geängstigt, als du in Breslau in der Klinik warst. Wenn ich denken sollte, daß jemals einer von euch mich verließe – ach, nein, daran mag ich nicht denken! Ich habe euch beide genau gleich lieb, furchtbar lieb, ihr seid doch meine Eltern, ihr seid ja viel zu gut zu mir. – Mütterlein, glaube mir doch, daß ich dich genau so lieb habe wie den Väterli!«

»Freilich glaube ich das, mein geliebtes Mädelchen. An dir ist kein Falsch.«

»O doch«, sagte Pommerle nach kurzem Nachdenken, »mitunter rede ich den Jungen was vor, aber euch – niemals!«

Am Sonntag kam Felix in die Villa. Er war stets für Sonntag geladen. Wieder machte er einen mürrischen Eindruck. Pommerle führte ihn hinaus in den Garten.

»Sieh einmal, Felix, es blühen noch so viele Herbstblumen. Sage mal, freust du dich gar nicht darüber?«

»Ich glaube, die Stelle ist nicht die rechte für mich. Ich möchte etwas anderes werden – nur weiß ich nicht was.«

»Aber Felix! Bist du noch immer nicht vernünftig geworden? Du mußt doch endlich daran denken, dir die Zukunft aufzubauen.«

Felix erzählte von kleinlichem Ärger, den er sich in der Hauptsache selbst geschaffen hatte, dabei wurde Pommerles Herz immer schwerer. Sie hatte sich die Besserung des Vetters viel leichter gedacht. Der Väterli hatte wohl recht, wenn er sagte, daß ein junger Mensch schon von früh an zur Pflichterfüllung und zur Arbeit angehalten werden müsse; später sei es spät. So sprach Pommerle von Jule, der anfangs auch ein fauler Schlingel gewesen, dem dann plötzlich die Erkenntnis gekommen sei, daß man nur durch Arbeit glücklich werden könne.

»Ich habe dir doch das wunderschöne Gedicht vom Harfenkarle gesagt, Felix!«

Als der wieder Einwendungen machte, fing Pommerle an zu weinen. Gar zu gern hätte sie dem häßlichen Onkel Arnulf, aber auch dem Felix geholfen. Wenn Felix ein tüchtiger Mann würde, konnte er den Seinen helfen, konnte in Hirschberg bei ihren Eltern ein- und ausgehen. Sie würden ihn lieben und ihm gern weiterhelfen. Auch die beiden Brüder, Väterli und Onkel Arnulf, würden sich wieder einander nähern und Frieden schließen. Keine so schlimmen Worte, wie im Monat August, brauchten wieder zu fallen, alles würde eine Familie werden, die in Frieden und Eintracht lebte.

»Warum weinst du denn?«

»Jede Blume, die vom Hagel zerbrochen wird und umknickt, tut mir leid – wenn nun aber gar ein Mensch kommt, der sich aus dem Boden reißen läßt und schließlich untergehen muß – ist es schlimm. – Daß nun gerade mein Vetter solch ein Mensch ist, darüber weine ich. – Ach, Felix, ich kann nicht mehr froh sein, wenn ich denke, daß dich der Väterli nicht mehr herkommen läßt, weil du zu faul bist. – Wie schön wäre es später für uns alle, wenn du ein tüchtiger Kaufmann geworden wärst, wenn ich voll Stolz sagen könnte: Der Buchhalter in der großen Zellwollfabrik, der so gewissenhaft arbeitet, ist mein Vetter!«

Felix wollte eine spöttische Bemerkung machen, aber Pommerles Tränen ließen das nicht zu. Ihr Kummer war echt. Da nahm er sich nochmals vor, etwas tüchtiger zu werden. – Was sollte er auch beginnen, wenn ihn Onkel Bender, durch den er schon so manche Freude genossen hatte, fallen ließ?

»Du weißt ja gar nicht, wie schwer es im Beruf ist, Pommerle.«

»Es ist nicht schwer«, sagte Pommerle fest und bestimmt, »man muß nur mit frischem Mut, mit Liebe und festem Vertrauen daran gehen. Felix, ich freue mich schon darauf, einen Beruf zu erlernen. So sollte es jedem Menschen gehen. – Felix«, Pommerles Stimme wurde wieder weich und zärtlich, »sorge doch dafür, daß es auch in deinem Herzen Frühling ist. Man sieht dann überall das Sprossen und Keimen, es wird von Tag zu Tag schöner in uns, alles entfaltet sich. – Felix, kannst du dir nicht auch den Herzensfrühling schaffen?«

Pommerle hatte zwar keinen Glauben daran, daß ihre Worte etwas fruchteten, doch am nächsten Sonntag machte Felix einen froheren Eindruck und erzählte, daß die Woche ohne jeden Tadel hingegangen wäre.

»Du guter Felix«, rief das junge Mädchen jubelnd, »es wird doch noch einmal Frühling in dir! Glaube nur fest daran, daß man in der Arbeit glücklich wird, daß Arbeiten das beste auf der Erde ist. Der Väterli hat mir einstmals gesagt, und das will ich dir jetzt auch sagen: Das froheste und herrlichste ist: ein Lebensweg voll zielbewußter Kräfteanspannung, voll beglückender Pflichten, voll aufbaufroher Arbeit!«

Als Felix nichts erwiderte, fuhr Pommerle noch lebhafter fort: »Auch vor mir liegt das Leben, Felix, das Leben in einem neuen Beruf, dem Beruf der Gärtnerin. Ich weiß, daß es auch mir manchmal sauer werden wird, obgleich ich die große Liebe dafür habe. Das Leben ist nun einmal nicht leicht, das weiß ich heute schon. Und wenn du meinst, daß ich immer nur die Sonne scheinen sehe, so irrst du, Felix. – Gewiß, mir geht es viel besser als hunderttausend anderen, denn ich bin von treuer Liebe umsorgt. Aber es gibt doch auch vieles, was mir manchmal das Herz schwer macht. Schau, Felix, ich sage mir zu jeder Stunde: Kinder sind verpflichtet, den Eltern all ihre Liebe zu vergelten, all ihre Mühen, ihr Sorgen. Wenn du daran denkst, wird auch dir die Arbeit leichter sein und schließlich Freude bereiten. Deine Eltern haben es nicht leicht. Wenn sie aber hören, daß ihr Sohn ein tüchtiger Mensch wird, der bereit ist, ihre Sorgen mit auf seine Schultern zu laden, dann müßte dir das Lust zur Arbeit geben. Und wenn man diese Lust auch einmal für kurze Zeit verliert, muß man sich sagen: Du mußt durch! Du willst durch! Nur wollen, immer nur wollen! – Lieber Felix, eine Woche lang hast du nun tapfer ausgehalten – willst du es auch weiter versuchen?«

Als Felix am anderen Sonntag und auch am übernächsten erschien und noch immer keine neuen Vorwürfe erhalten hatte, legte Pommerle beglückt ihre Arme um den Vetter, und obwohl draußen am Himmel dicke graue Regenwolken jagten, sang sie mit leuchtenden Augen:

»'s ist Frühlingszeit, 's ist Frühlingszeit!«

Da ging auch über das Gesicht des Vetters ein hoffnungsfrohes Lächeln.


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